§. 5. Geisterreviere.
Es sind immer gewisse Stellen, an welche die bösen Geister gebannt oder vertragen werden, ich möchte sagen, jeder Gau besitze seine eigene. Meistens finden sie sich in waldigen, mit Sümpfen durchzogenen Gegenden, die an sich schon abgelegen, wenig betreten und vom Volke gemieden sind – oder in Bergen und Burgen, oder in Seen, oft auch in den Niederungen, den sumpfigen, der Flüsse. Diese Mittelpunkte für die [119] unselige Geisterwelt haben ihr Entstehen wohl nicht dem Zufalle zu verdanken, dem Glauben daran liegt ein tieferer Grund unter. Ich vermute an solchen Orten alte heidnische Begräbnißstätten, denn die Germanen liebten es, in Wäldern begraben zu werden und noch liegt eine Spur davon in dem örtlichen Gebrauche, die Todenbretter in Wäldern aufzustellen, wie dieses nicht bloß in der O. Pfalz, sondern auch in Altbayern beobachtet wird.
Man sollte daher diese Stellen aufsuchen und näher vergleichen. Der Schwarzenberg, der Pfrentschweiher, der Hoidweiher, der Röthelweiher, die Blätterlohe bey Bärnau, Sümpfe an der Creussen und Rezat stehen weithin im Rufe, Herberge verwunschener Geister zu seyn. Unter den Burgen zeichnen sich dagegen der Schwürzelberg und Schwarzenwurberg, Schellenberg und Flossenbürg aus, aber über Alle ragt für das innere Land der Stockerfels. Es scheint also für jedes einzelne Flußgebiet ein solcher Platz bestanden zu haben. Merkwürdig war mir dabey, zu vernehmen, daß aus den Gegenden an der Donau die Geister in'sTyrol vertragen werden, wie es Einem in Deggendorf geschehen, der nach seinem Tode umgehen mußte, weil er ein aufgehobenes Kloster gekauft hatte, und seiner Tochter sogar verbot, für ihn zu beten, da es doch unnütz. – Ein besonderer Zug ist es auch, wie bey Biberach an der Creussen, daß die als Raben in die dortigen sumpfigen Niederungen verbannten Geister alle Tage um die Zeit des Mittag- und Abendläutens sich im Flusse baden. [120] Ja die Geister müssen arbeiten, wo sie vertragen sind; nur eine kleine Zeit wird den Meisten gewährt im Jahre, wo sie als Krähen heraussen sitzen, sich sonnen und baden können. Waldkirch. – Selbst das Geschlecht ist hiebey zu berücksichtigen: im Nordosten des Landes wenigstens kommen die Männer in's Wasser, die Weiber in die Burgen. Waldkirch.
Da der Stockerfels als Geistersitz so berühmt geworden, will ich noch Einiges über ihn hier mittheilen. Er liegt im Schwarzenberge, etwa drey Stunden von Burglengenfeld, hart am Regen, der hier eine starke Biegung macht, auf einer steilen Höhe, so daß man kaum begreift, wie man das Schloß hier aufbauen konnte. Von diesem sind noch Trümmer übrig, ein Wartthurm aber wird noch unterhalten. Die unruhigen Geister, so hieher verbannt oder vertragen werden, hausen in den unterirdischen Gängen: man hört den wütenden Lärm ihrer Zechgelage, das Erklingen der Becher, sieht sie als dunkle Gestalten herumwandeln, mit feurigen Augen, in Ketten rasselnd, begleitet vom heulenden Sturmwind. Es sind besonders die Geister grosser Herren, welche hier wohnen in unfreywilliger Verbannung, oder reicher Leute, dergleichen Bierbrauer oder Wirthe, welche zu viel Wasser gegossen und zu wenig gemessen haben. Selbst die Wirthin vom Steinweg ist hier. Vor der Burg zeigen steinerne Tafeln die eingegrabenen Namen der geisterhaften Bewohner. Ein altes Weib hält Ordnung unter ihnen und bedient sie zu gleicher Zeit. – Nachts schauen die Ritter herab [121] von der Burg auf den Fluß und das flössende Holz. – Wenn sie Kegel scheiben, hört man oft alle Neune fallen. – Kommt ein Fuhrwerk in die Nähe, wird es den steilen Berg hinauf verführt und der unwissende Fuhrmann wird erst durch den Ruf: »Fahre rückwärts hinaus, sonst bist du verloren« – aus seiner Ruhe aufgeschreckt. – Im Schloßweiher tauchen Nachts kleine Lichtlein auf, die zu schwarzen Vögeln werden und dabey seufzen, stöhnen und wehklagen; denn sie könnten noch erlöst werden. Auch zeigen sich weisse Geisterpferde in der Nähe.
Einer trug im Auftrage des Priesters einen Geist in seinem Ranzen zur Burg: er klopfte an die Pforte, sie sprang auf und der Pförtner stand vor ihm, unverständliche Worte murmelnd. Der Mann öffnete nun seinen Ranzen und eine Krähe hüpfte heraus, und eine Menge anderer Krähen, welche auf Stangen sassen, krächzten ihr Willkommen, worauf sich die Pforte schloß.
Ein Anderer war um Mittag auf dem Berge neben der Burg: da sah er zu den Fenstern hinein und bemerkte Geister am Tische, mit Kartenspiel beschäftiget. Verwegen rief er ihnen zu: »So gar schlecht kann es euch doch nicht gehen, wenn ihr solche Händel treibt!« – Wünsche es dir ja nicht so gut! war die kurze Antwort.
Wieder einmal ging Einer des Weges vorbey und sah ein schönes Schloß dastehen und die Pforte offen. Neugierig schaute er hinein. Da unterhielten sich vornehme Herren mit Kegelscheiben und Einer davon rief: [122] »Wie, Schürg von Aufhausen, setz die Kegel auf!« Dieser Scherge muß dem Volke sehr empfindlich gefallen seyn: denn sein Ruf geht bis in den Wald bey Rötz hinein.
Eine Bäuerin trug einst das Essen auf das Geläger, den Ort, wo das Triftholz aufgeschlichtet wird, um von da auf den Regen zu kommen; da sah sie einen Wagen mit sechs Braunen daherfahren und drinnen saß ein Herr, und aus jedem Fenster des Schlosses schaute ein Kopf mit einer rothen Kappe heraus und grüßte den Herrn im Wagen. Die Rosse aber fuhren in den Weiher hinein, der erste, der zweyte und der dritte Zug, darnach der Wagen mit dem Herrn und Alles versank. Vor Schrecken starb die Bäuerin des andern Tages.
Im Wirthshause unten am Berge sassen einmal einige Gäste beysammen und spotteten der Geister auf der Burg; ein junger Jäger vermaß sich sogar, für einige Maß Bier auf die Ruine zu gehen und nach den Geistern zu schauen. Nach geraumer Zeit kehrte er zurück, verstört und schweigsam; den Fragenden sagte er nur die wenigen Worte: »In meinem Leben frevle ich nicht mehr mit solchen Dingen.«