§. 15. Im Allgemeinen.
Unter Erdzwergen sind jene geisterhaften kleinen Wesen verstanden, welche theils einzeln, theils Familienweise, oft auch in Völkergemeinschaft unter oder auf der Erde leben und bis in die jüngere Zeit herab mit den Menschen in gesellschaftlichen Verkehr traten.
Wenn auch unter dem gemeinsamen Namen der Zwerge zusammengefaßt, theilen sie sich doch in verschiedenartige Gruppen und tragen in diesen ihre besonderen Namen. Diesen Gruppen sind wieder ihre eigenen Landstriche zum Aufenthalte angewiesen. So hausen am unteren Böhmerwalde in den Bergen dieRazen, und machen sich durch ihre Liebe zur Haus- und Feldwirthschaft bemerklich, während in dessen oberen Strichen, mehr in das Waldgebirge zurückgezogen, die [288] Fankerln und Hankerln als unterdrückte Ureinwohner des Landes mit hervortretenden mythischen Zügen sich kennzeichnen. Der Reichtum des dortigen Berglandes an Erzen macht sie zu Schmiden und Bergleuten. Unter dem allgemeinen Namen der Zwargl oder Zwergl gleichen sie sich an der Vils und Laaber der ersten Gruppe an, und neben ihnen erscheinen da noch die einsamen Wald- und Wiesenzwerge. Endlich unterscheiden sie sich, wie in Namen, Wohnort und Beschäftigung auch in der Farbe ihrer Tracht, welche grau, roth und grün ist, und dadurch die Eigentümlichkeit des Ackermannes, Feuerarbeiters und Hirten kundgibt.
Noch muß ich kurz auf die Namen dieser Gruppen zurückkehren.
Das Wort Zwerg lautet oberpfälzisch Zwargl und gilt nicht bloß als allgemeine Benennung, sondern erhält sich auch neben den einzelnen Gruppennamen, welche allgemach zurücktreten; vorherrschend ist es an Vils und Laaber. – Hier erscheint auch ein Ausdruck, der sich zum Worte Zwargl halten liesse, nämlich wargeln, kwargeln, für das andauernde heftige Weinen der Kinder. »Das Kind wargld, wai wenns in Messa stack!« – Um Neuenhammer heißt quarrn: schwer sprechen, zu reden anheben und nichts herausbringen. Dieses kommt dem sächsischen Worte Querr für Zwerg nahe. Die Zwerge wären demnach die Schreyenden, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, und somit auch die Stummen: wie denn der zu ihnen zählende Wechselbalg sich vor anderen Menschenkindern durch [289] Schreyen und dadurch, daß er es nicht zum Sprechen bringt, auszeichnet. – Im Allgemeinen ist auch ihre Stimme grob: statt zu reden, rölpsen sie.
Hankerl stimmt zu Hank, lendenlahmes Pferd; Hankel ist ein grosser, ungeschlachter, schlotteriger Mensch. Neuenhammer. Ein langer magerer Mensch heißt bey Fronau: dürra Hankerling. Im gemeinen Englisch bedeutet hunker: a great lazy fellow. Schmeller führt ein fränkisches Hankelein für Füllen an. – Ob man das oberpfälzische hayna, gothisch hiunan? für: weinen, mit weinerlicher Stimme sprechen, recht wehmütig und leidend thun, herbeyziehen kann? es wäre damit ein Seitenstück zu dem schwer sprechenden Querr gefunden; hayna sagt man auch vom Walde, wenn ihn der Wind säuselnd durchzieht. Am leichtesten erscheint freylich die Deutung von hinken, da sie auch im Gange etwas Auszeichnendes haben.
Die Ràzen (mit weichem z), Schrazen, Strazeln erklären sich aus dem althochdeutschen scrat = haarig, was zu ihrer rauben Kleidung paßt. Uebrigens könnte man auch das Schwedische: skratta = lachen, anführen, wie sich denn die Zwerge auch durch ihr Lachen auszeichnen, womit wieder die Stimme in das Bereich der Deutung käme.
Endlich Fankerl, wohl nicht Nebenform zu Hankerl, bedeutet nicht bloß Zwerg, sondern auch den neckischen Teufel, junges Teufelchen. Kleine Leute, besonders Kinder, mit schelmischen Augen, recht hurtig und lebhaft, heissen Fankerl. Im Nordischen istfan = Teufel. [290] Im Oberpfälzischen findet sich das Wort Feuerfank, ein Schmetterling, Feuerfalter. Zieht man noch Feuerfar = feuerroth, ursprünglich rothhaarig, hieher, so sind die Fankerln die Rothen, was den feuerarbeitenden Zwergen mit ihren rothen Röckchen vollkommen entspricht.