§. 7. Wodan im Fichtelgebirge.

Die Sage ältesten Gepräges, welche, wenn sie ihn auch nicht nennt, unzweifelhaft auf jenen Gott hinweist, [350] von dem die alten germanischen Fürstengeschlechter alle sich ableiten, auf Wodan nämlich, wiewohl in eigentümlicher Vermischung mit Donar, lautet wie folgt. –

So man auf dem Fahrenberge steht, erblickt man einen Theil des Fichtelgebirges. Da haust ein König im Berge; er sitzt auf einem Stuhle vor dem steinernen Tische, um den sein Bart schon zweymal gewachsen ist; seine Füsse ruhen auf einem Hunde, während ein zweyter vor der Thüre Wache hält. Dem Könige dient ein Knappe. Aus einem Fäßchen trinken sie Wein, und jeder hat seinen eigenen Humpen. Doch der Wein wird nicht alle. Auf dem Fäßchen sitzt ein Vogel, der fliegt um den Berg, so oft der Bart seines Herrn um den Tisch gewachsen ist, und schaut, wie die Sachen in der Welt draussen stehen und bringt seinem Gebieter davon Nachricht. Der König selber trägt nur ein Hüftenkleid, doch wenn Besuch kommt, kleidet er sich in altdeutsche Tracht und empfängt er die Gäste in dem grossen Saale neben dem Gemache. Der Knappe trägt ihm dabey den langen Bart nach. – Mit ihm lebt ein grosses Heer im Berge; er übt es oft in den Waffen und damit man den Lärmen nach Aussen nicht vernehme, entsteht jedesmal arges Donnerwetter. – Ist der Bart dreymal um den Tisch gewachsen, dann ist auch der Wein alle und der König bricht mit seinen Schaaren hervor aus dem Berge zum letzten Streite. Neuenhammer.

Ein Schmid am Fichtelgebirge ging einst um seinen Acker und gegen den Wald hin. Da sah er eine alte Burg, im Trümmer verfallen, und auf der Mauerbank[351] lehnte ein Mann so alt und grau wie der Stein, und winkte dem Schmid, heranzutreten; und als der näher kam, richtete sich der Mann auf und es klirrten seine Glieder wie Eisen vom Harnisch. »Willst du mir nicht meine Rosse beschlagen?« frug er den Schmid, und als dieser wenn auch furchtsam sich bereit erklärte, führte er ihn durch ein offenes Thor in eine Halle, wo eine Reihe von Pferden stand, so weit hinaus in die Ferne, daß er sie nicht absehen konnte. Der Schmid staunte und frug: »Alle diese Pferde soll ich beschlagen?« Der Mann aber schüttelte das Haupt; es genüge schon Eines für Alle. So trat der Schmid zur Esse, wo schon alles bereit war, und schlug dem Gaule, der zunächst stand, die Eisen auf. Drauf führte ihn der Mann wieder zum Thore hinaus, und als dieser umschaute, lag nichts als ein Steinhaufen hinter ihm. Er merkte aber im Gehen, daß ihm die Rocktaschen schwer an die Beine schlugen, und griff in die eine und zog Roßäpfel heraus. Erzürnt warf er sie weg, hinter sich. Da war aber die andere Tasche nicht minder schwer, und er langte auch in diese und zog eine Handvoll Goldstücke heraus. Schnell kehrte er um und wollte die weggeworfenen Roßäpfel wieder aufklauben: er fand aber nichts mehr. So ging er heim, und gerade in seine Schmide. Da stand aber ein anderer Schmid am Feuer. Es waren seitdem zehen Jahre vorübergegangen und das Weib hatte einen Anderen geheiratet. Geisheim.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Dritter Theil. Fünfzehntes Buch. Ende der Welt. 7. Wodan im Fichtelgebirge. 7. Wodan im Fichtelgebirge. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-DFA9-0