1.
Der Blaubauer hatte einen Sohn, den er einem reichen Mädchen verheiraten wollte; dieser aber hatte schon gewählt, ein hübsches und frommes, aber armes Kind. Der Vater drängte immer mehr, und die Lage der Liebenden wurde immer unerträglicher. Eines Abends hatte Röschen, so hieß das Mädchen, noch am Brunnen zu thun; auf einmal vernahm sie ein Seufzen; neugierig sah sie auf und erblickte einen Zwerg, der mit aller Anstrengung sein Krügerl Wasser nicht aus dem Brunnen hervorzuheben vermochte. Röschen lachte darüber, fühlte aber doch Mitleid, und hob auf einen bittenden Blick des Kleinen das Krügerl heraus und gab es ihm in die Hand. Da sagte das Zwerglein: »Was willst du zum Dank für deinen Dienst?« »Mir[307] kann Niemand helfen, denn Gott allein,« war die Antwort. »Warte ein wenig,« rief der Zwerg, »ich muß das Krügerl hineintragen, mein Weib hat Durst, ich bin gleich wieder da.« Derweil setzte sich das Mädchen auf den Brunnenring und weinte. Der Zwerg aber kehrte schnell zurück und setzte sich ihr auf den Schoß und ließ sich von ihrem Kummer erzählen, und wie er Alles vernommen, begann er: »Dein Harl war ein reicher Mann; sein Geld aber hat der Geizhals vergraben, und das Geheimniß ist mit ihm zu Grabe gegangen. Geh nun heim und hebe vom Herd in der Küche ... Doch nein, heute Nacht um 11 Uhr will ich deiner in der Küche warten und dir zu den Schätzen verhelfen, damit du nicht mehr eine arme Dirne bist.« Als nun Röschen etwas vor Mitternacht in die Küche trat, wartete ihrer schon lange der Zwerg und zankte sie, daß sie so spät komme. »Du hast lange geschlafen,« sagte er, »und unser Viere haben zu schütteln gehabt, um dich zu wecken.« Sie mußte nun die obere Decke des Herdes herabthun und mehrere Steine herausnehmen: es zeigte sich eine Oeffnung, die abwärts ging. Der Zwerg sprang hinein, das Mädchen ihm nach, ein Gang führte sie zu einem Gewölbe. Der Zwerg zog einen verrosteten Schlüssel heraus und öffnete es. Da standen die Schätze in grossen und kleinen Häfen. Nun war Röschen reicher, als die dem Geliebten vom Vater bestimmte Braut. Am andern Tage ging sie heiter und hüpfend dem Geliebten entgegen, der aber traurig den Kopf hing und nicht begreifen konnte, warum das [308] Liebchen heute gar so lustig sey; er selber habe keinen Grund, sich zu freuen: er sey auf des Vaters Befehl hier, um ihr zu entsagen. Röschen aber lachte und erzählte ihm von ihrem Glücke und der Vater war gewonnen.
Der Zwerg verließ die junge Hausfrau nicht; sie arbeitete zwar selbst sehr fleißig, aber der kleine Freund hatte seine Genossen mitgebracht und ging ihr mit diesen immer zu Handen und half, wo er konnte, die Arbeit fördern. Das Geschäft ging immer besser, die Kunden mehrten sich, der Reichtum wuchs zusehends an. Die Zwerge fegten und putzten, reinigten das Vieh im Stalle, gaben ihm Futter vor, sie halfen der jungen Frau bey ihren Geburten, warteten der Kinder, spielten mit ihnen. Als Lohn erbaten sie sich täglich dreymal warme Kuhmilch.
Später brachten sie auch ihre Weiber auf Besuch und ihre Kinder; diese lernten sogar lesen von der Bäuerin. Kamen die Zwergenweiblein hinwieder in's Kindbett, so besuchte sie die Bäuerin und gab den Kindern ihren Namen her. Dabey gingen die Zwerge in den kleinsten Gängen voran, die Bäuerin ohne Beschwerniß hintennach. Es war das innigste Verständniß zwischen beyden Theilen. Die Bäuerin bat daher einst die Zwerge, sie möchten auch ihren Kindern zur Seite bleiben, und erhielt zur Antwort: »Wohl, aber nur so lange sie gut bleiben.« – Wollte sie die Kleinen auf Besuch haben, so rief sie nur: »Mannla, kumts, d'Manna han furt!« und die Zwerge schlüpften sogleich aus den Spalten des Bodens hervor.