19.
Ein Schneider in Traunstein wurde sehr von der Drud geplagt; einmal rieth ihm ein altes Weib, wenn sie wieder komme, solle er zu ihr sagen: »Komm morgen früh um drey Spähne!« – Kaum war er zu Bette, so kam sie. Da sprach er: »Komm morgen früh um drey Spähne!«
Während er noch im Bette lag am andern Morgen, kam seine Nachbarin, die überhaupt schon allgemein als Drud und Hexe galt, und bat ihn um drey Spähne.[226] Da stand er auf und gab ihr deren vier, mit der Frage, was sie denn damit anfange: sie habe ja selbst mehr als er.
Das Weib aber entgegnete: »Heute säe ich Lein; weil mir aber der Flachs schon mehrere Jahre mißrathen ist, so hat man mir gerathen, Spähne zu entleiben, diese zu Asche zu brennen und die Asche unter den Leinsamen zu mischen, so werde ich Flachs bekommen.« Von nun an ließ sie den Schneider in Ruhe.