11. Der Höllenbube in Hirschau.
Eine Bauerndirn ging zur Aerntezeit mit ihrem fünfjährigen Kinde zwischen zwey Getraidefeldern, um den Schnittern das Mittagessen zu bringen; das Kind blieb manchmal zurück, um Kornblumen aus den Feldern zu pflücken, und die Mutter achtete nicht viel darauf. Auf einmal aber war der Knabe verschwunden und kehrte nicht wieder, soviel man auch nach ihm forschte.
Zehn Jahre später ging die Dirne desselben Weges in gleichem Geschäfte, da stand der Knabe auf derselben Stelle, wo sie ihn verloren und erzählte, wie er vor zehn Jahren den Blumen nachgegangen sey, habe er plötzlich vor einem großen Thore gestanden, und unter [277] demselben ein alter Mann, der ihm freundlich winkte und ihn fragte, ob er nicht bey ihm bleiben wolle; er solle es gut haben, Essen und Trinken zur Genüge, jeden Tag sechs Kreuzer Lohn, und jedes Jahr ein neues paar Schuhe; zu thun habe er nichts als das Thor zu öffnen, so oft in der Kirche eine Leiche ausgeläutet werde; doch dürfe er die Vorübergehenden nicht fragen, woher sie kommen, und nicht nachschauen, wohin sie gehen. – So sey er nun geblieben und habe die Zeit her viele Bekannte aus Hirschau vorbeygehen sehen, zuletzt den Herrn Pfarrer; da konnte er sich nicht mehr halten, und blickte ihm nach und schaute nun eine Stube, und in dieser fassen alle, welche vor ihm vorübergegangen waren, vom ersten bis zum letzten. Am andern Tage kam aber der Greis, der ihn gedungen, und kündete ihm den Dienst auf mit den Worten: »Dieweil du das Gebot übertreten, das ich dir gegeben, hast du deinen Lohn; ziehe hin, wo du hergekommen bist!« – Der Mann lebte noch in dieser Zeit, war nicht traurig, lachte aber nicht, sprach wenig, hatte nicht viel Umgang, und sagte nur Vertrauten, was er gesehen, darunter der Mutter der Erzählerin.