2.
Im Pfarrdorfe Hausen bey Kastl ist ein Gütler-Anwesen, zum Spitzbartlweber genannt. Davon erzählt man sich Folgendes:
In uralter Zeit war ein Weber darauf, der ganz arm war, aber desto mehr Kinder hatte. Einmal hatten sie gar nichts mehr zu essen; da nahm er die Art und ging hinaus in den Wald, um Holz zu stehlen, an eine wegen Geisterspuckes verrufene Stelle, um desto sicherer zu seyn. Da traf er aber auf einen grün gekleideten Zwerg, der ihn anredete, und als er des armen Mannes [353] Kummer erfuhr, in eine Felsenhöhle führte, voll aufgehäufter Schätze. Diese zeigte er ihm und gab ihm zugleich zu verstehen, daß sie Alle ihm seyn sollten, so er seinen Namen binnen drey Tagen errathen könnte: er sey vom ewigen Richter verdammt, diese von Räubern mit Blut erworbenen Schätze so lange zu hüten, bis ein armer Vater seinen Namen errathe und laut ausrufe. Damit verschwand Zwerg und Felsenhöhle. Tiefsinnig kehrte der Weber heim und erzählte dem Weibe, was er gesehen und gehört. Diese aber rieth ihm ab, den Zwerg wiederum aufzusuchen; es wäre sicher der Böse gewesen. Doch Hunger thut weh, und so ging das Paar am dritten Tage vor der Sonne in den Wald. In einer Feldkapelle am Wege beteten und weinten sie lange; am Saume des Waldes aber blieb das Weib zurück, während der Mann zur Stelle einwärts ging: sie kniete an einem Gebüsche nieder und betete noch inniger um des Himmels Schutz. Im Dickicht aber saß der grüne Zwerg und wehklagte mit betrübter Stimme, daß auch dieses Erdenkind keinen Muth habe, und es wäre doch so leicht, aus seinem »Spitzbärtl« seinen Namen zu wissen. Das hörte das Weib und freudig eilte sie ihrem Manne nach, und war schon nahe, als auch der Zwerg kam. Da bat sie, statt des Mannes das Räthsel lösen zu dürfen, und der Zwerg gestattete es um ihrer Treue willen. Sie rief nun den Namen »Spitzbartl« weit in die Luft hinaus und sogleich flog eine weisse Taube von der Stelle auf, wo so eben der Zwerg gestanden hatte, und der Felsen [354] spaltete sich und ließ das Geld erscheinen, welches die glücklichen Gatten sammelten und zu ihren Kindern heimtrugen.