[314] Friedrich Schlegel
Scherzgedichte

[315] [317]Das Ideal

»Der ist zu schwer, der andre fällt ins Leichte,
Den strengen Ernst hier müßte man noch würzen,
Der Anmut Fülle dort sodann verkürzen,
Bald ist der Grund zu tief und bald zu seichte.«
So steht die Kunst dem Ideal zur Beichte,
Und kann den Knoten nie ganz richtig schürzen;
Es muß der Mensch auf eine Seite stürzen,
Wie fleißig er sich auch zur Bildung zeigte.
In jeder Kunst, im Leben, ja im Wissen,
Ist auch das Beste falsch, die ferne Scheibe
Scheint unerreicht die Schützen nur zu äffen;
Wir können nicht heraus aus unserm Leibe,
An allen wird der Kenner etwas missen,
Und einer kann den kleinen Punkt nur treffen.
Nur das Ganze, mein Freund, wie es lebt und im Leben sich spiegelt;
Das sei dein Ideal, frei von der Formel Gespenst.

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TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Gedichte. Scherzgedichte. Das Ideal. Das Ideal. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D7DB-6