Sankt Reinold

Sankt Reinold als Einsiedel war
Der Andacht wohl ergeben,
Vergessen hatt' er ganz und gar
Des Ritters Lust und Leben.
Er sucht sich seine Wahlstatt aus
Bei Köln, der Stadt am Rheine,
Daselbst zu baun ein Gotteshaus,
Das wünscht er noch alleine.
[357]
Der Bau war all sein Augenmerk,
Er treibt es unermüdlich,
Vollenden will er sehn das Werk,
Sodann nur sterben friedlich.
Schon sieht er, wie der Bogen springt,
Der Chor an rechter Stelle;
Und wenn des Turmes Kunst gelingt,
Ist fertig die Kapelle.
Vom Bauen ist Verdruß nicht weit,
Herr Reinold muß es büßen;
Die Knechte waren arge Leut',
Die leben ihren Lüsten.
Der alte Ritter sich ihm regt
Ob diesem faulen Wesen,
Treulich mit Fäusten er sie schlägt,
Schilt sie mit frommen Reden.
»Wenn ihr zum Bau verdrossen seid,
Die Hand in Schoß wollt legen,
Mit Schwatzen bringen hin die Zeit,
Den Leib in Wollust pflegen;
So seid ihr schlimme Knechte wohl
Vor Gott und aller Augen,
Die man zur Arbeit zwingen soll,
Daß sie zu Frommen taugen.«
So treibt er's fürder Tag für Tag,
Streng haltend auf dem Rechte;
Vor Sonnenaufgang ist er wach,
Treibt an die faulen Knechte.
Kaum daß er sich gedulden kann
Das Gotteshaus zu schauen,
Da will er fürder beten dann,
Sein Grab sich selber bauen.
Indes die Knechte halten Rat,
Wie sie ihn möchten fassen,
Bereden sich zu schlimmer Tat,
Weil sie sein Strafen hassen.
Faulheit vor allem in der Welt
Ist wohl die ärgste Sünde;
Der Böse fest den Faulen hält,
Die alte Tück' entzündet.
[358]
Reinold, der redlich ihnen traut,
Kam wieder da gegangen;
Beginnen die zu murren laut,
So sollt' es nun anfangen.
Sie werfen nach ihm manches Stück,
Furchtsam ihn zu umklammern,
Bis endlich da er fällt zurück,
Schlagen sie ihn mit Hammern.
Als tot nun auf dem Boden lag
Der fromme Herr im Blute,
Da fliehn sie wie vom Donnerschlag,
Verrückt in wildem Mute.
Bauern des Weges fanden ihn,
Die ihn sogleich erkannten;
Erschrocken knien sie bei ihm hin,
Für ihn zu Gott sich wandten.
Prachtvoll ward er bestattet dann
Mit Singen und Geläute,
Die Fahne weht dem Zug voran
Der schwarzen Trauerleute,
Und in der schönen Fahne war,
Auf buntem Schmuckgefilde,
In schwarzer Farbe, brennend klar,
Roß Bayard abgebildet.
Panzer und Handschuh ziert den Sarg,
Den Helmbusch sieht man wehen
Am Steine, der den Helden barg,
Glöcklein und Stab daneben.
Und nun, wo er erschlagen war,
Auf dieser selben Stelle,
Ward neu errichtet ein Altar,
Man zeigt noch die Kapelle.

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TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Gedichte. Romanzen und Lieder. Sankt Reinold. Sankt Reinold. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D797-B