[72] Zweiter Akt.
Ein Saal auf dem Schlosse des Grafen.
Alarcos. Donna Clara. Dagobert.
ALARCOS.
Jetzt geh, mein treu'ster Mann und Freund, und mache nun,
Was ich dir anbefahl, den Dienern allen kund.
Mein Schirm und meine Burg, ja auch mein Schwert sei du!
Wer, was du sagst, nicht schnell erfüllt in stiller Furcht,
Der büße solchen Frevel stracks mit seinem Blut;
Denn wilde Dinge hegt die eisenharte Brust,
Seit mir ein liebend Wort die Freuden all' erschlug.
DAGOBERT.
So folge Glorie dir und Sieg, mein Herr und Graf,
Wie deinem Worte schnell entspricht die treue Tat.
Du bist des Dagobertes Herz und er dein Arm;
Ja auch dein Auge will ich sein. Wie du befahlst,
Soll Schweigen diese Burg umgeben wie ein Grab,
Daß fern von ird'schem Laut allein sei dieser Saal;
Und wenn du mein bedarfst, bin ich dem Rufe nah,
So fordert es vielleicht, was du beschlossen hast.
Verborgnes Laster wird geheim mit Recht bestraft,
Und schwarze Sünde birgt sich oft in reinstem Glanz.
Was es auch sei, steht Dagobert gewaffnet da,
Am Tage dir getreu und jetzt um Mitternacht.
Ich weiß ja, wer du bist, und wer du immer warst,
Ganz bieder, ehrenvoll und adlig, was du tatst,
Im heißen Zorne selbst dem Rechte treu dein Rat.
[73]ALARCOS.
Hab' ich so zorn'ge Worte unbewußt gesagt?
Vergiß es, deut' es nicht zum Argen. Nein fürwahr,
Es war nicht arg gemeint, ich dachte nicht an Haß.
Ja freilich, Dagobert, drückt mich die schwere Last
Der bittern Sorgen hart, und wär' nicht mein Gemahl
Und du, fehlt' es mir, glaub' ich, bald an Mut und Kraft!
CLARA.
In Unschuld freudig träumt Verdienst von Kranz und Lohn,
Und heimlich schleicht Verleumdung in des Fürsten Ohr.
So ging der höchste Ritter traurig oft vom Thron!
Betrogen wird gar leicht, wer auf den Freund gehofft.
Wie selten ist der Treuste treu bis in den Tod!
Es tötet unaufhaltsam oft ein schnelles Wort:
Doch in der Liebe blüht für alle Schmerzen Trost.
Drum sprich, Alarcos, welches Unheil uns bedroht?
O träf' es mich allein, und bliebest du verschont!
ALARCOS.
Was ich zu sagen habe, flieht den lichten Tag.
Und was geschehen muß, geschehe nur in Nacht.
CLARA.
So tu nun, Dagobert, wie dir dein Herr gebot,
Und zögre länger nicht. Du stehest Wach' am Tor,
Wir wechseln insgeheim hier manch geheimes Wort.
DAGOBERT.
Ach teure Gräfin, heißest du mich selber gehn?
Erst war ich eisern ganz, das hat mein Herz bewegt.
ALARCOS.
Verräter, weibisch Ding, zaghaft ohnmächt'ger Wurm!
Zu handeln ohne Tränen, ist der Männer Ruhm.
Vollstrecke deine Pflicht, sonst schlage dich mein Fluch.
[74]DAGOBERT.
Verwirrt, zerrissen ganz hat dich der wilde Schmerz.
Ach Herr, wie schmähtest du wohl sonst den treusten Knecht?
Ich gehe nun, ich gehe, muß ja endlich gehn.
Wie unbeweglich du im heißen Zorne stehst,
Den großen Geist in blutgesinntem Grimm verzehrst,
So sah ich oft den Stier im wütenden Gefecht
Ganz angewurzelt stehn, das große Haupt gesenkt,
Der bald alsdann die grüne Flur mit Mord bedeckt.
Wie du jetzt furchtbar rot das Flammenauge drehst,
So blickt der Tiger seitwärts uns Entsetzen her.
Ich geh und grauses Unheil wird hier bald geschehn.
O weh dir, weh der Gräfin, weh uns allen, weh!
Dagobert geht ab.
CLARA.
Alarcos, Freund, Gemahl! nun sag', was meint dein Zorn?
O sprich! noch schlägt das bange Herz; bald bin ich tot,
Bald ist die letzte Kraft der schwachen Brust entflohn.
ALARCOS.
Der König war's, der König schaffte diese Wut.
Den König treffe Grausen, treffe ew'ger Fluch!
CLARA.
Ach nein, ich weiß, das ist es nicht. Ich sagt' es wohl,
Als glaubt' ich selbst, Alarcos, daß dein herber Groll
Sei durch Verrat erregt, der oft umgibt den Thron.
Doch seh' ich nur zu gut, es ist weit mehr wie sonst;
Es geht uns näher an, es ist ein tiefer Zorn,
Es hat der liebste Freund mit Undank dir gelohnt.
Alvaro zielt vielleicht nach dir mit gift'gem Dolch.
ALARCOS.
Rein von Verrat und Leidenschaft ist seine Brust.
O wären wir so frei, wie er, von arger Schuld!
[75]CLARA.
So bin ich selbst die Schuld'ge wohl mir unverhofft?
O sage, sprich, wie kam's, daß ich dein Herz verlor,
Und wenn ich es verlor, warum wird mein's verschont,
Das schon bereit zu sterben ohne Rat und Trost?
ALARCOS.
Es sterben schnell oft, die noch blühend und gesund;
Doch sah ich nie den kleinsten Fehl in deinem Tun.
CLARA.
Ganz fremd, verwandelt ganz, betratst du heut dein Schloß.
In froher Liebe naht' ich dir, dein Weib, getrost;
Du trittst zurück und machst mich vor den Dienern rot.
Es rührt dich nicht mein Blick, das Kind dich nicht im Schoß,
Ja seltsam heftig willst du und befiehlst, ich soll
Gleich es entfernen, fort aus deinen Augen, fort;
Ich war erstaunt, doch hab' ich schweigend dir gehorcht.
ALARCOS.
Es frißt am innern Leben oft ein bittrer Wurm;
Dann wird der kalte Schmerz der schönen Liebe stumm.
CLARA.
Brich dein furchtbar Schweigen endlich, schrecklicher Gemahl!
ALARCOS.
Worte gibt es nirgend für den Abgrund dieser Tat.
CLARA.
Konntest du beflecken alter Tugendehre Glanz?
ALARCOS.
Ehre selbst gebietet's, Ehre wandelt Lieb' in Haß.
[76]CLARA.
Weh der Liebe, steht sie mit der hohen Ehr' in Kampf!
ALARCOS.
Weh der Liebe, die um hohe Ehre mich gebracht!
Weh der Ehre, die der hohen Liebe Tod gebracht!
Weh mir selber, daß ich, um zu tilgen alte Schmach,
Neue Greuel schlimmer zu vollführen rasch versprach.
CLARA.
Also sind sie nur beschlossen und noch nicht vollbracht?
ALARCOS.
Nein, es soll geschehen diese Stunde, diese Nacht.
CLARA.
Sieh mich dir zu Füßen liegen, mich verläßt die Kraft.
ALARCOS.
Herz, ich halte dich nicht länger, Schmerzen, ihr seid frei!
Aus der innern Tiefe laß die bittern Leiden schrein!
Feige Schonung fliehe, heißer Blutdurst komm herbei!
Fluchen will ich und verwünschen, erst den Mutterleib,
Daß er mich geboren, der geboren nur zur Pein;
Dann der treuen Sorge, die gepflegt den bösen Keim,
Bis des Stammes Kraft gewaltig und an Zweigen reich;
Die verderben alle, weil das Gift im Marke schleicht.
Fluch dem Leben, Fluch dem Tode, der so lange weilt,
Bis das Bild des grausen Mordes alle Kraft zerfleischt.
Fluch der Sonne, die uns leuchtet, Fluch dem warmen Mai;
Denn zu bittre Dornen bringt der kurzen Freuden Zeit.
Fluch der Schönheit und der Liebe, die ihr lockend reizt,
Heimlich dann vergiftet den in Lust berauschten Geist,
Bis dem schreckenvollen Morde blutig er geweiht.
Fluch Alarcos, dir und verloren sei dein Heil,
Daß du sollst des Weibes Mörder, dann dein eigner sein!
[77]CLARA.
Kann ich sterbend dich erretten, sieh mich hier bereit.
Bittrer schneidet nicht das Eisen, als dein Klaggeschrei.
ALARCOS.
Dürft ich gleich mich selber töten, so dem Weh entfliehn!
Oder wärest du Solisa, und der König hier,
Ließ' ich nicht die Arme sinken, wie ein wehrlos Kind,
Ginge schnelle mit den beiden schrecklich ins Gericht.
CLARA.
So dacht' ich schnell es ahnend gleich im stillen Sinn;
Es kann nur die Infantin sein, denn sie, nur sie
Allein kann unhold mir beneiden, was ich bin,
So wie sie einst gestrebt, dich von mir wegzuziehn.
Es zeigt sich mir aus schwarzer Nacht ein schrecklich Licht!
Enthülle weiter, was mein Geist nur halb vernahm.
Wie ist's, daß du gehorsam willst, was sie befahl?
Wer gab der klugen Zaub'rin wieder solche Macht?
Warum wird Unschuld hingeopfert dem Verrat?
ALARCOS.
Vernimm denn, was ein Wort, ein Augenblick verbrach,
Was du nicht ahnen konntest, Seele ohne Falsch,
Was frei gestanden minder unheilbringend war,
Wenn nicht, was Leichtsinn schnell gesündigt, falsche Scham
So tief verhehlt, bis an das Licht das Unheil sprang,
Nun seine Wogen mich bestürmen ohne Maß,
Und ohne Rettung fort mich ziehn zu ew'ger Qual,
Wenn ich erst selbst entblättert meiner Ehre Kranz.
Zu jener Zeit, du warst noch meiner Hoffnung Braut,
Und unser Leben glich dem ros'gen Morgentraum;
Du weißt, wie diese Fürstin ihren Stolz vergaß,
Um Ehr und Herz mir liebeglühend zu vertraun.
Im heißen Sommerglanz der üpp'gen Jugendkraft,
[78] Verführt von fremder Schönheit, eignem Übermut,
Verstrickt in schlauer Reden süßverwirrend Spiel,
Absichtlich absichtsloser Winke künstlich Netz;
Ein rascher Augenblick, und ewig war's geschehn.
Ich gab der Ehre Wort, sie gibt es nie zurück.
Ich hab' es dir verhehlt, drum muß ich untergehn.
Ja, ich vergaß dich, Mitleid machte, daß ich schwur,
Ich hab' als künftige Gemahlin sie umarmt!
Nun mahnt mich die Infantin an das rasche Wort;
Der blutgesinnte König fordert deinen Tod,
Zeigt mir von ferne böser Taten goldnen Lohn,
Und freut im voraus tückisch sich des fremden Mords,
Wie er bezahlt im Hasse gegen euch den Dolch,
Der deines Bruders Blut gefärbt mit grausem Rot.
Der Ehre grades Recht ist unerbittlich streng,
Mir Lüg' und Schonung fremd; ich will nun untergehn.
CLARA.
Freud'ger geh' ich nun zum Tode, weil du frei von Schuld,
Was ich still geahnet, mir bestätigt hat dein Mund.
Da du nur in Worten fehltest, blieb ja rein die Brust.
Deine Ehre rein zu waschen, geb' ich froh mein Blut;
So mich nur Alarcos liebt, trag' ich hohen Mut.
Ruhe find ich keine, bis ich schnell dich freigemacht;
Hast du dann dein Wort vollzogen, folgest du mir bald.
ALARCOS.
Im Tod auch eins mit dir, das sei mein einz'ger Rat.
CLARA.
So laß es uns mutig vollenden.
Es kann ja die Schickung nicht Hoffen noch Furcht von uns wenden!
Was sollen wir bange denn klagen?
Das bleibe den Bösen; die mögen noch sterbend verzagen!
[79]ALARCOS.
Laß ab, zu streben nach dem Dolch mit rascher Hand.
CLARA.
O gib mir die leuchtende Waffe,
Daß ihr mich vermählend, ich himmlische Freiheit mir schaffe!
Nun rette mich, blutende Wunde,
Daß fern von den Banden, im Tod ich zum Leben gesunde.
Sie verwundet sich.
ALARCOS.
Es ist geschehn. Du warst zu wild gesinnt, zu rasch.
CLARA.
Es will noch nicht entfliehn das holde Leben;
Ich fühl in tiefer Brust es annoch leben.
Doch muß schon jeder ird'sche Schmerz entschweben
Dem Geist, der nur den Bildern hingegeben,
Die rosenhell der Kindheit Traum uns weben,
Und sehe fern Gesichte sich erheben.
ALARCOS.
Ein heitrer Tod sei deiner Tugend Ehrenkranz.
CLARA.
Du tatst, wie ich gewollt. Nun bitt' ich nur noch eins;
Ach laß mein Kind im Arm mich nochmals hegen,
Noch einmal Mutter an die Brust es legen,
Daß ich es seh' mit süßer Lust sich regen,
Die Augen, Händlein zu mir hinbewegen,
Es säugend mit den Herzensschlägen.
ALARCOS.
Wie sollt' ich grausam so verdoppeln deine Qual?
[80]CLARA.
Die Wunde traf recht tief ins innre Herz hinein,
So bittre Wunde fühlt ich nie, so wildes Leid.
Ach, Freund, laß ab zu töten dein getreues Weib!
ALARCOS.
Du redest irr, es täuscht dich, Teure, wilder Wahn.
CLARA.
Weh dir, Alarcos, wehe!
Mich dünkt, daß ich mit dir am Throne stehe,
Und wie ich bebend flehe,
In Schmerzen doch vergehe
Ein ewig Weh nur sehe.
ALARCOS.
Ein ewig Weh', ich fühle, daß mich's wütend faßt.
CLARA.
Mein Retter, Richter, Rater! sieh, ich wende
Zu dir hinauf in Demut flehnde Hände,
Daß bald ein selig Ende
Dein Engel hilfreich sende,
Und nicht der Schmerz den Geist mit Wahnsinn blende.
ALARCOS.
O Gott, jetzt gib mir Kraft, jetzt mache mich von Stahl!
CLARA.
Die Seele will im roten Blut verströmen;
Drum laß mich, eh' die letzte Kraft entschwunden,
Vom bleichen Mund prophet'sche Reden strömen.
Die, deren Rat mir schlug die herben Wunden,
Ihr Leib soll heimlich schwinden und vergehen,
Der schwarze Geist dann nimmermehr gesunden.
[81] In dreien Tagen soll'n zu Recht sie stehen,
Sie sind geladen hin vor Gottes Throne;
Nun laßt sie denken, wie sie da bestehen.
In dreien Tagen meldet euch zum Lohne,
Daß schuldig ihr so schuldlos Blut vergossen,
Und seht, wie euer dann der Ew'ge schone;
Und wenn umsonst ihr Tränen dann vergossen,
In manchem heißen Reuestrom um Gnade,
So denkt, daß ihr unschuldig Blut vergossen.
Vernehmt, wie ich vor Gottes Stuhl euch lade,
Trauend den Mächten, so die Unschuld schufen,
Daß ich die Wunden bald in Balsam bade.
Und dies mein letztes schmerzenlautes Rufen,
Ihr werdet bald trotz eurem Schlaf es merken,
Und dort erscheinen an den ew'gen Stufen,
Um zu empfah'n den Lohn von euren Werken.
ALARCOS.
Ich kann, ich will es nun nicht länger tragen;
O Hölle! komm, ich bin ja schon dein eigen.
Es sollen gleich die bleichen Lippen schweigen,
Die mir das innre Herz mit Reden spalten.
O Clara, konntest du so schnell erkalten,
Der Lieb' und inn'gen Treue nicht gedenken?
Willst du im Tode nur an Rache denken,
Darf ich mein Herz der Mild' und dir verschließen?
Nun laß von neuem Blut zum Blute fließen,
Und stirb du schönes Bild, zerbrich in Stücken!
In dir will ich mich wütend selbst zerstücken,
Und so im Wahnsinn vor der Angst mich retten.
Was es auch sei, ich sprenge diese Ketten;
O Herz! sei stark, du hast es ja geschworen.
Nun laß die weiße Brust mich gleich durchbohren,
Den reinen Leib zerrissen lieber sehen,
Als länger hören dies ihr schmerzlich Flehen!
Er tötet sie.
[82] Nun bist du frei, Alarcos; schon der erste Schritt
Geschehn. Was übrig noch, ist leichter zu vollziehn.
Was möcht' es sein, das dem noch Furcht und Schrecken gibt,
Dem schon das beste Blut aus eignem Herzen quillt?
Wie leicht, daß der nun jedes andre Blut vergießt!
Dein Will' ist jetzt vollbracht, Tyrann; und sei gewiß,
Daß ich, sobald du selbst es willst, dein Eidam bin.
Ob es dich aber nicht gereut, das weiß ich nicht.
Wie ist es jetzt so still! Mich dünkt, ich bin allein,
Und sehe niemand als der düstern Lampe Schein.
Wie seltsam! Wenn ich dieses Blut betrachte,
Dünkt mich, als wär' es mir, mir selbst entflossen,
Was eben in den Adern noch ergossen,
In wilde Flammen meinen Zorn anfachte;
Und wenn ich gleich der Phantasie nicht achte.
Fühl' ich mich doch von Mattigkeit umschlossen,
Der Blick ist an den Leichnam festgeschlossen,
Den stets der Lampe Schein noch bleicher machte.
Es ist, als läg' ich selbst vor mir erschlagen;
Es winkt mir, mich von neuem zu ermorden,
Als dürft' ich so die innre Angst wohl stillen.
Ich kann den Anblick länger nicht ertragen;
Ich will, an Furcht ein banges Kind geworden,
Die stumme Leiche jedem Blick verhüllen.
Er verhüllt die Leiche, Dagobert tritt herein.
DAGOBERT.
Ich wag' es, Herr, und tret' herein. Mit Ungeduld
Hab' ich geharrt, gehorcht am Tor auf deinen Ruf.
Ich weiß nicht wie, da ich nichts Böses mir bewußt,
Es überfiel mich draußen plötzlich eine Furcht;
Nun ich dich sehe, schlägt mir wieder frei die Brust.
Jetzt ist's vollbracht. Bestraft, nicht wahr, ist nun die Schuld,
Die Ehre wieder rein und still des Zornes Flut?
[83]ALARCOS.
Was meinst du Alter, redest wie im Traum verkehrt?
Die Gräfin ist ermordet, ja da hast du recht.
Doch hat sie nie sich mit der kleinsten Schuld befleckt,
Und hat die Ehre nie vergessen, noch sich selbst.
DAGOBERT.
Beschämt, erschrocken, ganz zerschlagen steh' ich da,
Mit einem Wort hast du ein dreifach Weh gesagt.
Die eben noch ein Rosenbild der Tugend war,
Verhüllt erblaßt dem Aug' ein leichenweiß Gewand;
Du selbst entadelt durch die ungerechte Tat,
Der sonst mein Haupt und Lebens Freude war, der Mann,
In argen Frevel nun verstrickt, der Hölle Sklav';
Sein eigner Herr der alte Dagobert fortan,
Sich selber unnütz und Allein im grauen Haar.
ALARCOS.
Das bist du nicht, nur bitt' ich, richte nicht zu schnell.
Ja freilich war es meine Hand; doch weit, weit mehr
Sind andre schuldig. Wisse, daß ich einst die Eh'
Der Fürstin allzu rasch versprach, mich selbst verschenkt.
Das ist des ganzen grausen Unheils einz'ger Quell!
Der König hat schon lang nach diesem Blut gestrebt;
Ihm nutzt das Wort, womit er tückisch mich erschlägt.
Du weißt nun zur Genüge alles was geschehn;
Was noch zu tun, ist sicher deinem Blick nicht fremd.
Ich habe, wenn mein Wort erfüllt, genug gelebt.
Vielleicht wird manche Leiche noch dahingestreckt
Durch diesen Arm, das letzte Opfer bin ich selbst.
Komm wieder denn an meine Brust, du wackrer Held!
Daß sie an deiner sich mit starkem Mut erhebt.
DAGOBERT.
Du mußt dem alten Diener, teurer Herr, verzeihn.
Gott mag es richten, Gott dein rechter Richter sein!
[84] Dein Wort ist dunkel, schwer zu schlichten dieser Streit;
Drum will ich ferner wie bisher vertraun auf dich.
Und wollt' ich gleich dich lassen, ach, ich kann es nicht!
ALARCOS.
Ja ich muß selbst erstaunen, kenne mich selbst nicht mehr.
Jetzt könnt' ich fühllos morden alles um mich her,
Dem König wohl das Haupt zerspalten, meinem Herrn,
Das flehnde Weib durchbohren grausam mit dem Schwert,
Totdrücken selbst den Säugling an mein eisern Herz.
Dann fühl' ich plötzlich wieder weich und möchte gern
In Tränen kniend Gott versühnen, alles Weh
Auf meine Brust nur häufen, die der Schmerzen wert,
Und jeden, den ich sehe, um Vergebung flehn.
Noch eines will ich dir vertrau'n, mein Dagobert!
Die Gräfin lud, eh' sie verschied, im Todesschmerz,
All' die vor Gottes Stuhl, die Schuld an diesem Werk.
O sage mir, glaubst du, ich müsse auch hingehn?
Glaubst du, daß diese Ladung auch auf mich gestellt?
DAGOBERT.
Ach, Herr! ich habe, was du fragst, schon oft erlebt.
Wen blut'ge Unschuld sterbend ruft in jene Welt,
Den sieht man plötzlich bleichen, schwinden und vergehn.
Seit alter Zeit hat uns Erfahrung das gelehrt.
Umsonst, daß du dem Höchsten zu entfliehen strebst;
Ihm hat sich ohne Schergen jeder noch gestellt.
Hat sie in stiller Seele, Herr, auch dich gemeint,
So leidet's keinen Zweifel, daß du dort erscheinst.
ALARCOS.
Erst war sie milde gegen mich, doch bald nachher,
Als Phantasie im Todessturm sie ganz beherrscht,
Hat sie mich mit den andern Schuldigen vermengt;
Drum muß ich ohne Zweifel bald vor Gott mich stell'n.
[85] Wohin sie mich geladen, werd' ich willig gehn.
Jetzt rufe alle meine Diener zu mir her;
Ich will zum letzten Male alle um mich sehn.
DAGOBERT.
Aufs erste Zeichen ist die ganze Schar bereit.
Die Diener des Grafen treten gewaffnet in den Hintergrund des Saals.
Du siehst, gewaffnet dringen alle sie herein,
Erwarten fern in stummer Ehrerbietigkeit,
Was dein Befehl gebieten wird, um dann sogleich
Freudig gehorchend zu vollziehn, was es auch sei.
ALARCOS.
Ihr Männer all', Grundfesten dieser alten Burg,
Genossen, Tapfre! die umkränzt mein Rittertum,
Des Glorie wir oft neugefärbt mit hoher Lust
In unsres kühnen Herzens eignem heißem Blut;
Die alte Ehr' in tiefer Brust, der lichte Ruhm
Dem festen Aug' in Nacht der einzig helle Punkt –
So folgten einem Stern wir all' vereint im Bund.
Der Bund ist nun zerschlagen durch den herben Fluch,
Der mich im Strudel fortreißt fremd und eigner Schuld.
Mich zwingt, von hier zu eilen, ein geheimer Ruf;
Nach fernen Orten muß ich in drei Tagen, muß
Ein groß Geschäft vollenden, und die Frist ist kurz.
Wer weiß, ich kehre nimmer wohl zu euch zurück,
Schau' nimmer wieder aus den Fenstern dieser Burg
Die Wälder, Ströme, Berg' und all' die grüne Lust,
Die mir im Frühling oft geschwellt den Übermut.
Drum lass' ich euch den Dagobert zum Schirm und Schutz,
Ihn mach' ich euch als euren Herrn und Führer kund.
Von Eisen scheint er ganz gebaut, doch in der Brust
Schlägt drinnen ihm ein freundlich Herz, und froher Mut
Erquickt uns leuchtend in dem Auge sonder Furcht.
Ein Bild der alten Zeiten scheint er selber uns,
[86] Sein Silberhaar ein hell Panier geweihten Ruhms.
Was dieser Mann gebietet, sollt ihr freudig tun.
Er sei mein Erbe, Haupt und Herr in dieser Burg;
Entlassen seid ihr aller Pflichten gegen uns.
DAGOBERT.
Verworrne dunkle Töne sagen dir den Schmerz,
Den deine Diener fühlen, weil du von uns gehst.
Sie denken treu, die Worte hat das Leid gehemmt.
ALARCOS.
Mich dünkt in ihrem Blick, Gebärden klar zu sehn,
Daß gern ihr Herz in dir den neuen Herrn erkennt.
DAGOBERT.
Oh, könnt' ich die Erschrocknen alle trösten in dem Weh!
Doch horch, was nähern sich für Stimmen fern dem Saal?
Wes frevler Mut hat einzudringen hier gewagt?
Sieh her! ein neues Schreckenbild. Cornelia naht,
Gleich einer Königin im Zorn an Blick und Gang,
Verwildert ganz von Schmerz die würdige Gestalt,
Das hohe Haupt umflossen vom gelösten Haar,
Das tiefgebeugt und trauernd, deutlich uns besagt,
Daß unser Frevel, dieses Leid ihr Herz schon traf.
Cornelia tritt ein.
CORNELIA.
Sage mir, Alarcos, ob sie lebet oder tot.
Sage, wo ist Donna Clara? Bringe mich zum Ort,
Wo sie zu verbergen dein Gewissen wohl gehofft.
Sieh, ich kam, um zu fordern; denn geflügelt schon
Eilt der Ruf von deinen Taten, dir zu hohem Lob,
Kam bei mir der Morgensonne eilend noch zuvor,
Drang bis zu der Kammer, wo mein Klagen einsam wohnt.
Wildes Chaos sind' ich alles hier im düstern Schloß;
[87] Alle Männer durcheinander, alle Bande los,
Oder stumm und schweigend, wie erwartend ihren Lohn.
Wie die Löwin für das Junge siehe mich im Zorn!
Gib mir meine Tochter wieder, wahrlich oder sonst
Dringet mit der Mutter Fluchen Schrecken in dein Ohr,
Bleibt von Hölle keine Ader, Blut'ger, dir verschont,
Wenn verwundend der Gedanke in dem Herzen tobt,
Daß du selbst gemordet, ewig blutest von dem Mord
All' dein Heil verloren bleibet und der Gnade Trost.
ALARCOS.
Dies weiße Tuch verhüllt, o Mutter, die du suchst;
Und weiß, schau her, ist auch der Leib, den du mit Lust
In frischer Kraft oft an dein großes Herz gedrückt.
Die roten Ströme dort verkünden meine Schuld,
Und wo solch Zeichen schreit, verstummt die starre Brust.
Du weißt was du gewollt, der Worte sind genug.
CORNELIA.
Keine Mutter hat so mütterlich wie ich gesorgt!
Keine Mutter hat so mütterlich wie ich geschont!
Keine Mutter hat so mütterlich wie ich gehofft!
Mutter bin ich nun nicht ferner, seit dies Blut hier floß,
Fühle wild und kann nur fluchen, denke Rach' und Mord.
ALARCOS.
O spare deine Worte! Was du fluchen magst,
In dreien Tagen wird's erfüllt, wenn ew'ge Nacht
Uns, die geladen sind, in dunkeln Armen faßt.
CORNELIA.
Es spricht zu laut die Tat, die keines Fluchs bedarf,
Noch werden die schuldigen Mörder dem Richter entfliehen,
Doch will ich, Alarcos, dir zeigen, wie Gott mir verliehen,
Aus prophet'scher Herzenstiefe Wunder ohne Zahl,
[88] Die dunkle Burg, den Ort der Angst, der Sünd und Qual.
Nie dringt des Vaters Sonnenstrom in dieses Tal,
Die liebeleuchtenden Augen der ewigen Mutter
Können nimmer nicht erleuchten diesen Schreckensort.
Da wird nie gesprochen, nie ein freundlich liebend Wort,
Da blüht auch keine Blume, alle denken Mord,
Und trachten im mordenden Hasse sich selbst zu zerreißen.
Du liebst das tückische Morden, ich kann dir verheißen,
Zur Genüge wirst du finden, was begehrt dein Mut;
Im Abgrund eine Riesenwelt von Tück' und Blut.
Wir alle sterblich, atmen Jammer, und die Flut
Bittrer Schmerzen facht den alten Neid zur wilden Glut.
Du siehst verwandelt zur Leiche in grimmiger Schlacht
Die grünende Erde; es öffnet die Wunde den Mund,
Zeigt in blut'gen Eingeweiden uns die Tiefe kund.
Doch die schlimmste Krankheit dieser Erd' ist Tand und Traum,
Des dreimal schlimmre Wahrheit wohnt in jenem Raum,
Wo nicht mehr wirkt der schöne Trieb hinauf zum Licht,
Die treibenden Kräfte zurück in sich dränget die Angst.
Uns Lebend'gen ward vom Himmel Tröstung noch erteilt,
Daß zurück zum Paradiese Freiheit tapfer eilt,
Fern erhaben von den Greueln, nur zu Gott gewandt,
Wie Pflanzen liebend aufwärtsstrebend nach dem Land,
Wo hell die blaue Unschuld Sternenkränze fand,
Wenn sich aus der Sündentiefe los die Tugend wand.
Im Dunkel dort ist aber Rettung unbekannt.
Wer den Abgrund einmal schaute, der wird nie gesund,
Fühlt ewig starr sein blutend Herz und kalt und wund,
In bittren Frost und heiße Wut sein Selbst geteilt,
Die Schmerzen von Schmerzen zerrissen und nimmer geheilt.
Zu neuem Marterleben erwacht die Welt der Sünde stets,
In der Qual des eignen Todes festgehalten lebt
Die Riesenleich' im ew'gen Sterben ewig fort,
Daß aus Krankheit, Laster, innrer Bosheit, Hitz und Gift,
[89] Nur neue Krankheit, Blut und Angst und Schmerz und Frost
Stets wilder sproßt, in sich verschlungner üppig wächst.
DAGOBERT.
Du hast mit herben Worten unser Herz durchbohrt,
Wo Schmerz und Grausen sich vermischen wie im Tod.
Doch schaut, welch schmerzbeladner Mann so langsam naht!
Es tritt gekleidet ganz in Schwarz, mit ernstem Gang
Die Reih'n durchwandelnd, Don Alvaro in den Saal.
Welch neu Verhängnis wird durch ihn uns überbracht?
Was deutet solche festlich stille Trauer an?
Alvaro tritt ein.
ALVARO.
Nun waffne, Don Alarcos, deine Seele!
Denn schwarz gekleidet bring ich schwarze Kunde.
So wie die Sonne heute seltsam zaudert,
Des Tages Licht in Dämmrung trüb ermattet,
So wird auch meine Rede furchtsam zögern,
Bis sie den traurigen Bericht erstattet.
Und oh, wie schmerzt mich, daß ich auserkoren,
Um dir zuerst zu schlagen diese Wunde!
DAGOBERT.
Auch uns sind Wunden hier nicht fremd und bittre Qual.
Hier steht mit stummem abgewandtem Blick der Graf,
Und dort der Mutter furchtbar schmerzliche Gestalt!
Du rätst nun leicht, wes Herz des Todes Sense traf.
ALVARO.
So hast du Leidenschaft, auch hier gewütet,
Und mit verworrnem Sinne wild verschwendet
Der langen Jahre Frucht, und rasch vollzogen,
Was nun kein Mut und keine Klugheit wendet?
[90]DAGOBERT.
So rede! Lautet deine Botschaft nur von Tod,
Von Schreck und Weh, so dringt sie leicht in unser Ohr.
ALVARO.
Du weißt wie die Infantin immer tiefer
Sich selbst verstrickt in selbstgeschaff'nes Leiden,
In wilde Liebe hoffnungslos verloren,
Am eignen Schmerze nur sich schien zu weiden.
Die liebe Jagd gab ihr nun keine Freude;
Sie blieb allein mit sich und ihrer Laute,
In Liedern lebend, Bildern, Zeichen, Briefen,
Den Angedenken, die sie dir vertraute.
Sie ward seit kurzem bleich, nicht mehr so klagend,
Doch krank in eigensinn'gen Phantasien;
Es schien ihr unsichtbar die Kraft zu rauben,
Sie heimlich von der Erde wegzuziehen.
Gestehend, daß die Kunst hier nichts mehr wisse,
Will auch kein Arzt dem tiefen Übel wehren,
Desgleichen keiner niemals noch gesehen;
So muß hilflos die Schöne sich verzehren.
O Freund, was soll ich langsam dich nur quälen?
Sie ist nicht mehr! Das Unheil ist geschehen,
Und dieses hier dein Bild, es war das letzte,
Wonach ihr Auge liebend hingesehen.
DAGOBERT.
So gebe Gott, daß dieses Bild, Musik und Jagd,
Die Briefe, Tränen, Locken, all' der Liebestand
Ihr helfe, daß des Ew'gen Spruch sie nicht verdammt,
Die Schuld des Blutes ihr nicht werde zuerkannt,
Des Schrei zum hohen Himmel schnell Gehör schon fand,
Wie uns bewährt der plötzlich schnelle Todesfall.
Soviel gilt dort der Unschuld still bescheidne Kraft!
[91]ALARCOS.
Zerbrochen lieg' am Boden hier das falsche Bild!
Es lügt nur Schönheit, Kraft und Stolz, ich bin es nicht.
Verflucht sei jene Stunde, jene Nacht, da ich
Vom Stolz geblendet, dieses stolze Weib geliebt,
Und ihr zum Angedenken gab dies Bildnis hier,
Des Urbild bald bei ihm in Stücken liegen wird!
Und du fahr' hin, ruchloser Mann, am Throne zu knien,
Den Staub zu lecken, atmend von des Königs Blick!
Auf wen die Höll' ihr Augenmerk gestellt, dem gibt
Sie solchen eiteln falschgesinnten Freund wie dich,
Des kalte Zunge unser grades Herz verwirrt,
Sich selbst nur fröhnend gern das Köstlichste verdirbt.
Enteile schnell, sonst wirst du meines Zornes Ziel!
Alvaro geht ab.
Oh, zürne nicht, Gemahlin! heil'ge Leiche, die
Voll Mitleid mir ins Auge schaut, o zürne nicht,
Daß noch in deiner Gegenwart der wilde Sinn
So heftig braust. Ich nah' in Demut betend dir,
Den Saum des weißen Kleides fassend, bitt' ich dich,
Es sei auch dieser letzte Fehltritt mir verziehn.
Bald bin ich ewiglich getrennt von deinem Licht,
Wenn mir im Tod die letzte Hoffnung noch verlischt.
Mein Wort ist frei, die schlimmste Furcht ist nun gestillt;
Das End' ist da, mein töricht Leben ausgespielt.
Fahr' wohl denn, Teure! sag' ich, eh' das Herz mir bricht,
Fahr' wohl du Reine, deren Lieb ich nie verdient,
Fahr' wohl du Schöne, himmlisch heilig Angesicht!
Mich hält die Hölle fest schon in den Armen,
Das Herz verstummt, bald schweigen auch die Klagen.
Wer Liebe treulos brach und Treu erschlagen,
Der sind't im eignen Herzen kein Erbarmen.
[92] Du Zeit, wo Sieg und Liebe sich umarmen,
O Jugend, wann wir königlich uns tragen,
Wie fühlt' ich stolz mein Herz zu Rosse schlagen,
Im Schoß der Freude glühend dann erwarmen!
Nun liegt der Schild, die Wappen da, zerbrochen,
Verweht der Jugend Federbusch im Sturme,
Zerrissen das Panier, die Lanz' ein Splitter!
Schon drohn im Abgrund brüllend die Gewitter,
Kein Panzer rettet mich vom Todeswurme,
Ich habe über mich den Stab gebrochen.
Ricardo und Octavio kommen.
RICARDO.
O weh des schreckenvollen Jammertages!
Und weh dem Lande, dessen Haupt gefallen!
OCTAVIO.
Weh dir, Alarcos, den mit Wohlgefallen
Als Sohn der König ehrte hoch im Glücke!
RICARDO.
Kein rechter Erbe bleibt dem Reich zurücke,
Das schöne Land steht offen den Barbaren.
OCTAVIO.
Vernichtet, tot ist alles was wir waren,
Da mit den Zweigen auch der Stamm zerschlagen.
RICARDO.
Wir kommen, dir ein großes Leid zu sagen;
Des Königs Tod mußt du von uns erfahren.
OCTAVIO.
Wie seine letzten Reden Leiden waren,
Die Zunge stockt verzagt, es auszusprechen.
[93]RICARDO.
Es hat den hohen Mann der Tod getroffen,
Inmitten seiner Pracht und Glückes Fluten.
Er durfte manchen hohen Sieg noch hoffen,
Da nahten grimmig ihm des Todes Fluten.
OCTAVIO.
Er sah, noch lebend, schon den Abgrund offen,
Und wilder tobten stets des Schreckens Fluten;
Es hielte Raserei sein Herz umwunden,
In Höllenketten Arm und Kraft gebunden.
RICARDO.
Er schrie heftiglich, die Haare starrten;
Beteuert hoch, er will noch nicht verderben,
Die Diener scheltend, die mit Lieb' ihn warten.
Dann ruft er: Jetzt ist's Zeit, ich soll nun sterben;
Glaubt, daß sie tückisch seinen Tod erwarten,
Beklagt sein Alter, daß es ohne Erben.
Entsetzt zu sterben, ist er so gestorben,
Hat wütend sich in Angst den Tod erworben.
OCTAVIO.
Es frommte nichts sein Wüten, Schelten, Schreien;
Er mußt' in Tod die starre Seel' ergeben.
Uns ziemt es nicht, ihn seiner Schuld zu zeihen;
Gott wollt' ihm alle gnädiglich vergeben.
Die Wachen sah'n erschreckt durch ihre Reihen
Ein weißes frauengleiches Wesen schweben;
Man hört' des Königs Namen dreimal schallen,
Und mit dem dritten Schrei ihn tot hinfallen.
DAGOBERT.
Habt ihr dies Zeichen selbst geseh'n, so schau't dorthin,
Ob es derselbe Geist wohl sei, den ihr erblickt!
[94] Die Gräfin ist's. – Des tück'schen Königs arge List,
Durch dessen Dolch Garcia auch gestorben ist,
Erzeugt' den Mord; doch hat er dessen nicht Gewinn.
Die Täter werden oft dem Opfer nachgeschickt.
Schon zeigt's sich schnell und deutlich, wer die Schuld'gen sind,
Die sie zum dritten Tag geladen vor Gericht;
Dem Todesengel dünkt zu langsam noch die Frist.
ALARCOS.
Ich komme, ja ich komme, folge schon dem Ruf.
Ich höre schmettern meinen Namen, sehe schon
Des Vaters zornig Auge, wie es tötend trifft,
Im Flammenkranze strahlend den gewalt'gen Thron,
Und wie des Todes blut'ge Fahne rauschend weh't,
Der Sturm in Falten den allmächt'gen Mantel schlägt,
Der blaue Glanz verdunkelt wird in blutig Rot,
Der sterndurchwirkte Teppich flatternd sich bewegt.
Die reine Leich' erscheint im hellsten Licht, zeigt noch
Die Wunden offen; schwarze Schatten heben fern,
Die Riesenglieder höllewinkend zu mir her,
Die Brust zerfällt und es verlischt der Hoffnung Stern.
Die Felsen reißen, brechen, wankend sinkt der Grund;
Die eisenfesten Mauern, Türme, alles bricht.
Die kühne Burg liegt da, zerstückt der alte Ruhm,
Und predigt noch in Trümmern Gottes streng Gericht.
Es tobt die wilde Furie siedend mir im Haupt,
Und laut und immer lauter schreit es in der Brust.
Verzweigung stößt den grimm'gen Arm ins eig'ne Herz,
Sich selbst zerschlagend in verworrner Todeslust.
Er tötet sich.
RICARDO.
So stürzt der Held nun hin zu eig'nen Handen,
Der eben noch geprangt in Übermute.
[95]OCTAVIO.
Der sicher ganz in Glückes Schatten ruhte,
Den hat daselbst das Unglück schnell erschlagen.
RICARDO.
Es wird der Enkel nach den Burgen fragen,
Dann zeigen Greise warnend die Ruinen.
OCTAVIO.
Der Tod ist hier im höchsten Glanz erschienen;
Weib, Mutter, Kind und Burg muß mit versinken.
RICARDO.
Die Mauern scheinen Unheil selbst zu winken;
Bald stehn verödet da die blut'gen Steine.
OCTAVIO.
Der Diener Schar, die Mutter dort alleine
Sind wie ein steinern Denkmal anzuschauen.
RICARDO.
Wie darf der Mann dem Übermut noch trauen,
Wenn Gottes Rache spricht in solchen Zeichen?
OCTAVIO.
In blut'gen Tränen reden diese Leichen
Von Unschuld, Schuld, Verzweiflung, Gottes Rache.
DAGOBERT.
Freiwillig ging von dannen so der stolze Held,
Erwartend nicht, bis seiner Freiheit Schmach gescheh'n.
Du hast vom Leben dich errettet mit dem Schwert!
Wer lebt, ist tot, der bittern Schmerzen feiger Knecht;
Die fesseln mich an diesen öden Mauern fest.
Ich bleibe hier. Ihr, liebe Waffenbrüder, geh't,
[96] Das Leben zu verdienen, Kämpfe zu besteh'n;
Es schütze euern tapfern Lauf ein bess'rer Stern!
Den Zweig, der noch zurückgeblieben vom Geschlecht
Alarcos, dieses einz'ge Kind des teuren Herrn,
Ich trag' es zu den heil'gen Schwestern in der Näh';
Da wird des zarten Mägdleins sicher gut gepflegt,
Bis sie dereinst mit andern Jungfrau'n Gott verehrt.
Ich bleibe bis zum Tode hier in meinem Schmerz,
Den Rosenkranz in Händen führend statt des Schwerts,
Zu frommer Buße angewandt der kleine Rest
Des mühevollen Lebens, treu im Dienst des Herrn,
Zum Kloster ganz die waffenlaute Burg verkehrt.
Und wenn dereinst der Wandrer stillesteht
Ob diesem Ort, berichtet ihn der Landmann gern:
»In Asch' und Trübsal wohnet da der Dagobert,
Des Klage sich zum Himmel Tag und Nacht erhebt.
Der alte Mann bewacht noch treu den alten Herd,
Und singt zur dumpfen Glocke traurig sein Gebet.«