[253] An Ida Brun
Anm. von 1806. Die jüngste Tochter der allgemein geschätzten Dichterin Friederike Brun; ein liebenswürdiges Mädchen von noch nicht vierzehn Jahren, welche unvergleichliche Anlagen besitzt, im idealischen Tanze etwas in der That Vollendetes zu leisten. Diese Benennung »idealischer Tanz« giebt indessen keinen völlig angemeßnen Begriff von ihrem Talent, denn in unsern besten darstellenden Tänzen ist immer noch zu viel bedeutungsleeres und was bloß körperliche Gewandtheit beweist. Mlle. Brun beschränkt sich nicht bloß auf mimische Plastik oder die Kunst ausdrucksvoller und zugleich malerisch schöner Stellungen, wodurch einige Frauen seit mehreren Jahren sich allgemeine Bewunderung erworben haben. Sie legt dramatischen Zusammenhang in ihre Darstellungen, und entfaltet nach einander die verschiedenen Grade der Empfindung und Leidenschaft, ihren Wechsel und ihre Uebergänge. Doch ist es wiederum nicht bloße Pantomime, sondern alle ihre Bewegungen sind musikalisch, das heißt, sie verhalten sich zum bloß natürlichen Geberdenspiel, wie das Schweben der Stimme im Gesange zur gewöhnlichen Rede. Auch läßt sie sich von Musik begleiten, jedoch mehr um Ton und Stimmung im allgemeinen anzugeben, als sich an ein bestimmtes Zeitmaaß zu fesseln. Wenn der Ausdruck einen gewissen Gipfel erreicht hat, so verweilt sie einige Augenblicke darin, und läßt an dem ruhenden Gemälde die veredelte Wahrheit der Geberde, die Schönheit der Stellung und den gelungenen Faltenwurf der Gewänder betrachten. Bloß festliche Handlungen weiß sie mit der höchsten Anmuth zu umkleiden, die aber auch bei der erschütterndsten Kühnheit und Tiefe im Ausdruck tragischer Leidenschaften sie nie verläßt. Ihre Kunst ist über ihre Jahre, ein solches Ahndungsvermögen in dem zartesten jungfräulichen Gemüthe muß durchaus als eine genialische Eingebung angesehen werden. Eine frühe Reise nach Italien in einem Alter, wo gewöhnliche Kinder noch keinen Blick und keine Seele für die Wunderwerke der bildenden Kunst haben, hat diesen herrlichen Keim zuerst angeregt, und die Leitung einer für alles Gute und Schöne empfänglichen Mutter gewährt ihm fortdauernd die günstigste Entwickelung. Der Verfasser folgenden Gedichtes, der in Genf öfters Gelegenheit hatte zu bewundern, was er zu schildern versucht hat, schätzt sich glücklich über diese Lieblingstochter der Grazien ein Wort huldigender Weihe sprechen zu dürfen.
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