[157] Zu Goethes Geburtstagfeier
28. August 1829.
Et Sophocle à cent ans charmait encore Athènes,
Et senatit son vieux sang bouilloner dans ses veines.
Corneille.
Die Vorzeit hat von einem Quell gesungen,
Des Zauberkraft die Jugend brachte wieder.
Der matte Greis, ganz von der Zeit bezwungen,
Er tauchte kaum in dieses Bad die Glieder,
So war zum Herzen frisches Blut gedrungen,
So regte Lebenslust ihr neu Gefieder.
Selbst Tithon fänd' in solchen Wunderfluten
Sein blondes Haupthaar, und der Liebe Gluten.
Die Sage, nicht aus eitlem Wahn ersonnen,
Kann heut wie vormals wahrhaft sich bewähren.
Die Poesie ist jener Lebensbronnen.
Sie weiß die Welt im Spiegel zu verklären,
Hervorzurufen längst entschwundne Wonnen,
Den süßen Glauben jeder Brust zu nähren;
Und wer sich labt an ihren Göttergaben,
Wird im Gemüth die ew'ge Jugend haben.
[158]Dein denk' ich hier, Verkündiger des Schönen!
Der Musen Bot' an das Jahrhundert! Goethe!
Du lehrtest Harmonie in allen Tönen,
Der Harfe, der Posaun' und sanften Flöte.
Wo giebt es Lorbeern, die dein Haupt nicht krönen?
Du kamest im Geleit der Morgenröthe:
Sei Tithon denn, stets geistig neu geboren,
Geliebt und nie betrauert von Auroren!
Gleich jenem Baum, dem Liebling der Pomone,
Der Nektar-Aepfel trägt mit goldnen Schalen,
Dem weiße Blüthen aus der dunkeln Krone
Zugleich mit Früchten jedes Alters strahlen,
Ausathmend Balsamduft der sonn'gen Zone,
In der glücksel'gen Inseln stillen Thalen:
So ward, ein Sprößling aus den Hesperiden,
Der Dichter unserm Vaterland beschieden.
Er überwölbt es mit den schatt'gen Aesten
Weit von den Alpen zu des Belts Gestaden.
Wie wir am Rhein, ist manche Schaar von Gästen
Zu gleicher Feier, nah und fern, geladen;
Viel Stimmen schallen heut in Ost und Westen,
Erwünschend ihm des Himmels reiche Gnaden.
Der Deutschland so viel Herrliches gegeben,
Soll in der Deutschen Brust unsterblich leben.