[153] An Fräulein Albertina von Staël bei ihrer Vermählung
Pisa 20. Februar 1816.
Ich wollte von den alten Weisen lernen
Der Zukunft dunkle Räthsel zu erspähn;
Der Vögel irren Flug in luft'gen Fernen
Und den Gesang der Haine zu verstehn.
Geschrieben wollt' ich in den ew'gen Sternen
Die Freuden eines theuern Lebens sehn,
Und priesterlich, dieß hohe Fest zu weihen,
Dir aller Götter Segen prophezeien.
Der Tag erscheint, und meinen Wunsch zu stillen
Bewegt sich nun die lang verschloß'ne Brust,
Daß mir die Töne von den Lippen quillen,
Ergriffen von Apollos heil'ger Lust.
Ich frage nicht die Blätter der Sibyllen,
Der innern Offenbarung mir bewußt;
Ich frage nur zwei himmlische Gestirne,
Der Mutter Augen unter sinn'ger Stirne.
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Wann Deine Blick' in Ihren Blicken lesen,
Seh' ich der Seelen innigen Verein.
In solchem Bund muß jeder Gram genesen,
Die Thräne wird ein linder Thau nur sein.
Es glüht ein Strahl von Ihr in Deinem Wesen,
Noch halb verhüllt, ein holder Widerschein.
Früh hob dein Geist auf angebornen Flügeln,
Ihr nach, sich von der Erde niedern Hügeln
Schon in des Kindes ahndendem Gemüthe
Gedieh was irgend edel ist und zart.
Nun, prangend in der Jugend schönster Blüthe,
Hast Du die fromme Kindlichkeit bewahrt,
Und sanfte Heiterkeit und reine Güte
Entzückt an Dir, mit aller Huld gepaart.
Die Gottheit, die Natur, die Mutter schmückten
Mit allen Gaben Dich für den Beglückten.
Ein Schutzgeist naht sich aus vertrauen Hallen,
Den Du im Leben Vater oft genannt.
Ich seh' ihn der verehrten Gruft entwallen,
Fern vom Lemaner See zum Arnostrand.
Er schaut auf Dich herab mit Wohlgefallen,
Er leitet Dich an segensreicher Hand.
Nimm als Penaten mit zu Deinem Gatten
Der Mutter Bild und Ihres Vaters Schatten.