[126] [137]Unserm teuren Körner

Am 2ten des Julius 1785


Sei willkommen an des Morgens goldnen Toren,
Sei willkommen unserm Freudegruß,
Dieses Tages holder Genius,
Der den Vielgeliebten uns geboren! –
In erhabener Pracht –
Schimmernd tritt er aus der Nacht
Wie der Erdensöhne keiner,
Groß und trefflich, wie der Sieben einer,
Die am Throne dienen, schwebt er her.
»Streut mir Blumen – – Seht, da bin ich wieder«
(ruft er lächelnd von dem Himmel nieder)
»Streut mir Blumen – Ich bins wieder,
Der den Teuren euch gebar,
Ich bin mehr, als meine andern Brüder,
Ihren Liebling nennt mich weit und breit
Unsre Mutter – Ewigkeit.«
(Stolz und Würde sprach aus der Gebärde)
»Einen Edeln gab ich dieser Erde!
Fühlt die Menschheit, wen ich ihr geboren?
Kennt die Erde meinen Liebling schon?«
Oder schallen leiser in der Menschen Ohren
»Seine Taten als vor Gottes Thron?
Las die Welt in seiner schönen Seele?
Beugte sich vor seiner großen Seele
Ehrerbietig sein Jahrhundert schon?
Wuchsen zur Vollendung auf die Keime,
Die ich damals in sein Herz gesät?
Ist die Welt so schön, wie seine Träume?
Fand er diesen, der ihn ganz versteht?
O dann laßt mich stolzer durch den Himmel schweben,
Ich hab ihn gegeben!
[137]
Jetzt vollend ich meinen Sonnenlauf,
Aber hinter meinem Rücken leuchtet
Schon ein neuer – schönrer Morgen auf.
Einen Engel tragen seine goldnen Flügel,
In des Engels silberklarem Spiegel
Liegt ein Himmel – und die Ewigkeit.
Schamrot stürz ich in das Meer der Zeit,
Nur das Leben
Konnt ich meinem teuren Liebling geben –
Dieser Engel – wie erbleicht mein Ruhm –
Wandelts in Elysium.«
Der Seraph sprachs – – – Du liegst in unsern Armen –
Wir fühlen, daß du unser bist.

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TextGrid Repository (2012). Schiller, Friedrich. Gedichte. Gedichte (1776-1788). Unserm teuren Körner. Unserm teuren Körner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-CF9E-9