2.
In Lauenberg lebte im Kochschen Hause eine alte Frau. Zu dieser kam einst ein Zwerg und forderte sie auf unter zwei Gaben eine zu wählen, entweder eine Rolle Garn, von der sie immer abhaspeln könne, ohne daß jemals das Ende käme, oder einen Kloben Flachs, von dem sie immer abspinnen könne, ohne daß er jemals ausginge. Jedoch dürfe sie keinem Menschen sagen, woher sie das Geschenk habe; sonst werde die Rolle Garn gleich einer gewöhnlichen abgehaspelt oder der Flachs gleich gewöhnlichem Flachs alsbald abgesponnen werden. Da sagte die Alte, sie wolle sich nur den Kloben Flachs wählen; denn wenn sie die Rolle Garn nähme, so würden die andern im Hause bald merken, wie es damit stehe. So schenkte ihr denn der Zwerg den Flachs, und sie spann immerfort auf das fleißigste, ohne daß er jemals zu Ende ging. Die Leute im Hause wunderten sich darüber und fragten, wie es zuginge, daß der Flachs gar kein Ende nähme; sie aber antwortete immer ausweichend und sagte, wenn sie nicht da oder schon schlafen gegangen wären, dann bände sie neuen Flachs ein. Als sie auf dem Todtenbette lag, sagte sie zu den Hausgenossen, jetzt wolle sie ihnen offenbaren, was für eine Bewandtnis es mit dem Flachse habe, [122] und erzählte ihnen alles. Als sie todt war, wurde der Flachs auch gleich abgesponnen.