171. Das Schauteufelskreuz.

In der Nähe des alten Marktes in Hildesheim steht ein uralter Stein mit einer betenden Figur. Der Stein und der zunächst gelegene Platz heißt das Schauteufelskreuz. Es ist dieser Stein einem Schauteufel, der hier jämmerlich umkam, zum ewigen Gedächtnis errichtet. Die Sache verhielt sich so. Vor vielen hundert Jahren stellten die Hildesheimer jährlich einen großen Fastnachtszug an, wobei allerlei Scherze und Neckereien getrieben wurden. Dem ganzen Zuge vorauf liefen die Schauteufel, [156] die in ihrer schwarzen Mummerei mit Hörnern und blutrothen Zungen schrecklich anzusehen waren. Das war viele Jahre hindurch ganz gut gegangen. Aber man soll den Teufel nicht an die Wand mahlen und noch weniger sein Kleid anziehen. – Jetzt sind es nun bald vierhundert Jahre her, als ein ausgelassener junger Bursche sich beim Fastnachtsaufzug zu der gottlosen Mummerei hergab. Schon hatte er mit seinem Haufen viele Straßen die Leute neckend und ohrfeigend durchzogen, als er plötzlich auf der Stelle, wo jetzt das Schauteufelskreuz ist, vor Schrecken stillstand. Auch der ganze Zug war wie festgebannt, denn ihm gerade entgegen vom alten Markte her kam ein anderer Zug, der aus leibhaftigen Teufeln bestand. Allen voran stürmte der böse Feind daher und gab seinem unglücklichen Nachäffer eine solche Ohrfeige, daß er auf dem Platze blieb und starb. Da riß alles aus, was Beine hatte, und der höllische Spuk verschwand mit großem Lärm und Stank in der Luft. – Der Magistrat verbot seitdem das Schauteufellaufen ein für alle Male. –

Andere erzählen, das Schauteufelskreuz habe ein Schuster gestiftet, der vor vielen Jahren an der Ecke des alten Marktes wohnte. Dieser Schuster wuste vor Hunger und Kummer weder aus noch ein, und faßte endlich den gottlosen Entschluß einen Vertrag mit dem Teufel zu machen. Er stahl deshalb bei Nacht und Nebel von der Dombibliothek den Höllenzwang, der dort an einer großen Kette lag, und beschwor den bösen Feind. Dieser, der nie lange auf sich warten läßt, wenn er eine Seele wittert, die für seiner Großmutter Kaffeekessel reif ist, erschien auch bald und fragte nach seinem Begehr. Der Schuster verschrieb ihm gegen drei Himpten Geld seine Seele unter der Bedingung, daß ihm der Teufel die Seele lassen sollte, wenn er nach Jahresfrist wiederkehrte und fände, daß das ganze Geld bis auf Heller und Pfennig nur zu einem Gott wohlgefälligen Zwecke angewandt sei. Das war der Teufel gern zufrieden und fuhr hohnlachend davon; denn er konnte wohl denken, daß der verhungerte Schuster, wenn er auch Kirchen und Klöster reichlich bedächte, doch einen großen Theil des Geldes für seinen bellenden Magen und seine durstige Kehle verwenden würde, und wenn er einmal ins Wohlleben gekommen wäre, würde es mit andern Dingen, die Gott nicht wohlgefallen, keine Noth haben. Der Schuster aber war nicht von ehegestern und dachte bei sich: »hast du so lange in Hunger und[157] Kummer gelebt, so wirst du es auch noch ein Jahr aushalten,« trug also seine drei Himpten Geld zum Goldschmied und ließ ein großes silbernes Kreuz daraus machen: das nahm er mit sich nach Hause und erwartete nach Ablauf des Jahres ganz ruhig den Teufel. Dieser blieb auch nicht eine Minute länger aus, war aber sehr erstaunt, als er den halbverhungerten Schuster noch eben so wie vor einem Jahre in seiner ärmlichen Schusterstube den Pechdraht ziehen sah. »Was hast du mit dem Gelde gemacht?« fuhr ihn der Teufel an. – »Schau Teufel dieses Kreuz« rief der Schuster aufspringend und ihm das silberne Kreuz entgegenhaltend. Da zerschlug der Teufel bitter und böse ein Fach Fenster und fuhr fluchend und stinkend davon. – Der Schuster aber lachte ins Fäustchen, ließ sein Kreuz wieder einschmelzen und war von nun an ein steinreicher Mann. Zum Danke für seine Erlösung aus des Teufels Krallen, ließ er den Denkstein setzen, der noch heute das Schauteufelskreuz heißt. –

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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. A. Sagen. 171. Das Schauteufelskreuz. 171. Das Schauteufelskreuz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BEF3-0