[299] 23. Verlefränzchen.
In früheren Zeiten durften die Frauen nicht ohne Mütze vor die Hausthür gehen, sonst waren sie den Zwergen verfallen. Einst war nun eine junge Frau ohne Mütze vor die Hausthür gegangen, alsbald kam aus dem nahen Walde ein Zwerg und kündigte ihr an, am nächsten Sonnabend werde er kommen sie abzuholen; wenn sie jedoch rathe, wie er heiße, so solle sie frei sein, dreimal dürfe sie rathen. Darüber grämte sich die Frau sehr, denn sie glaubte es nimmer errathen zu können, wie der Zwerg heiße. Da begab es sich, daß ein Jäger, der durch den Wald ging, hier einen Zwerg sah, der wie unsinnig vor Freude über einen »Kreuzgalgen« sprang und dazu die Worte sang:
Als nun der Jäger aus dem Walde zurückkam, führte ihn der Zufall zu dem Hause der Frau, und er ging hinein. Weil sie nun so sehr betrübt war, so fragte er sie, was ihr fehle. Anfangs wollte sie nicht mit der Sprache heraus und meinte, es wäre ganz unnütz ihm das zu sagen, er könne ihr doch nicht helfen. Er aber erwiederte, das könne man nicht wissen; – an den Zwerg aber dachte er nicht im entferntesten. Da sagte sie es ihm endlich. Nun fiel dem Jäger sogleich der Zwerg ein, welchen er im Walde gesehen hatte, und er theilte ihr mit, was jener gesungen hatte. Doch fügte er hinzu, sie möchte nicht gleich das erste Mal den rechten Namen des Zwerges nennen, sondern das erste und zweite Mal einen falschen sagen, damit jener nicht merke, daß ein anderer ihr seinen Namen verrathen habe. Als nun am nächsten Sonnabend der Zwerg ins Haus kam, that die Frau genau so, wie ihr der Jäger gesagt hatte. Wie sie nun das dritte Mal fragte: »heißest du denn Verlefränzchen?« da kratzte sich der Zwerg gewaltig hinter den Ohren und zog betrübt ab.