6.

Vor langer Zeit, als es noch spukte, lebte in einem Dorfe ein Wirth mit seiner Frau gar nicht glücklich. Die Frau war nur darauf bedacht Geld zu erpressen und die Leute zu betrügen. Den Fuhrleuten, die bei ihr logirten, nahm sie den Hafer, welchen sie ihnen theuer verkauft hatte, heimlich wieder und verkaufte ihn an andere noch einmal. Die Fuhrleute merkten zwar bald, daß ihre Pferde immer magerer wurden, wusten aber die Ursache nicht. Armen Leuten gab sie nie etwas. Wenn ihr die Magd, der sie mit aller Strenge jedes Almosen verboten hatte, Vorstellungen darüber machte, so erwiederte sie, sie hätte genug Arme auf dem Stalle, womit sie ihre Schweine meinte. Eines Tags gab die Magd einem Bettler etwas von ihrem Essen und bekam dafür von der bösen Frau Schläge. Der Mann war mit diesem Verfahren seiner Frau sehr unzufrieden und meinte, die Magd habe ja dieses Essen ihrem Munde entzogen. Es dauerte nicht lange, so konnte Gott diesen schlechten Lebenswandel nicht mehr ansehen und nahm die böse Frau aus dieser Welt. Der Mann aber heirathete bald nachher die gute Magd. Von der Zeit an [231] spukte es jede Nacht im Hause. Das neue Ehepaar wuste sich gar nicht mehr zu bergen, allenthalben stand die weiße Gestalt der verstorbenen Frau. Auf dem Boden wurde der Scheffel immer hin-und hergerückt, weil sie damit bei ihren Lebzeiten den Fuhrleuten den Hafer zugemessen und dabei betrogen hatte. Der Wirth klagte nun dem Pfarrer sein Leid. Dieser sagte ihm, weit von da im Walde wohne ein Mann, der könne den Geist bannen. Als dieser herbeigeholt war, befahl er dem Wirthe einen Eimer mit Wasser in die Stube bringen zu lassen und in denselben zu sehen; er werde Feuer und Flammen und brausende Wellen darin wahrnehmen. Er wolle jetzt seine frühere Frau in die »offenbare« See bannen, darin wäre es schon sehr enge, denn es säßen dort bereits viele böse Geister. Wenn die Flammen und Wellen ruhig geworden wären, dann wäre sie an Ort und Stelle. Er citirte darauf den Geist. Mit lautem Brausen kam die verstorbene Frau in ihrer gewöhnlichen Kleidung in die Stube. Sie wollte sogleich die jetzige Frau kratzen und schlagen; der Banner hinderte es aber. Dreimal wurde sie citirt; das zweite und dritte Mal erschien sie mit noch viel stärkerem Brausen. Zuerst verlangte sie unter den Heerd gebannt zu werden, dann unter die Treppe, endlich unter den Schweinestall. Diese Plätze hatte sie aber gewahlt, um die neue Frau noch quälen zu können; doch der Banner schlug ihr alle drei Stellen ab und bannte sie in die offenbare See. Erst »stürmten« die Flammen und die Wellen in dem Eimer, allmählich aber legten sie sich und die Frau war in die See gebannt. Fortan lebte der Wirth mit seiner Frau in Ruhe.

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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. A. Sagen. 240. Gebannte Geister. 6. [Vor langer Zeit, als es noch spukte, lebte in einem Dorfe ein Wirth]. 6. [Vor langer Zeit, als es noch spukte, lebte in einem Dorfe ein Wirth]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BD0E-D