169. Knabe dem Teufel entrissen.
In Spanbeck lebte eine Wittwe mit vielen Kindern in der bittersten Armuth. Eines Tages, als sie über ihr Unglück sehr weinte und klagte, kam der Teufel zu ihr und fragte sie nach dem Grunde ihrer Betrübnis. Sie antwortete, ihr Mann sei gestorben, und sie habe kein Brot um ihre Kinder zu ernähren. Da bot der Teufel der Frau an, er wolle sie und ihre Kinder bis an den Tod versorgen, wenn sie ihm ihren jüngsten Sohn zu eigen geben wolle, sobald er vierzehn Jahre alt geworden sei. In ihrer Noth nahm das Weib dieses Anerbieten an und lebte von nun an ohne Nahrungssorgen. Aber das bestimmte Jahr kam immer näher heran, und der Gedanke, daß sie ihr Kind dem Teufel übergeben müsse, machte die arme Frau immer trauriger. In ihrer Seelenangst ging sie zu dem Pfarrer und beschwor diesen alle Mittel aufzubieten, um ihren Sohn, der nichts von allem wuste, vom ewigen Verderben zu retten. Der Pfarrer ging an demselben Tage, an welchem der Teufel kommen sollte, mit dem Knaben auf den Kirchhof, zog dort einen Kreis, in welchen er einen Tisch und einen Stuhl stellte, und befahl ihm darauf sich hinein zu setzen und in der Bibel zu lesen. Um Mitternacht lärmte der Teufel schrecklich um den Kreis herum, konnte aber den Knaben nicht in seine Gewalt bekommen. In der Nacht darauf setzte sich der Knabe abermals in den Kreis, wo er, von dem schrecklichsten Teufelsspuk umgeben, das Lied dichtete: »Wach auf, mein Herz und singe«, und wurde auch dieses Mal gerettet. In der dritten Nacht ging er auf den Rath des Pfarrers in die Kirche und las dort das Lied, welches [155] er gedichtet hatte. Selbst hier ließ ihm der Teufel keine Ruhe. Die Orgel stürzte ein und die Kirche barst von oben bis unten; aber am andern Morgen war alles in dem vorigen Zustande, und der Knabe war nun dem Teufel entrissen.