13. Die sieben Soldaten.

Sechs Soldaten und ein Unteroffizier wurden an einem abgelegenen Orte auf Wache gestellt. Dreimal zwei Stunden hatten [280] sie daselbst schon gestanden ohne abgelöst zu werden. Endlich wurden sie so hungerig, daß sie zu desertiren beschlossen. Nachts um zwölf Uhr verließen sie ihren Posten und kamen am anderen Morgen, nachdem sie bis dahin in einem Walde gegangen waren, an ein altes, verfallenes, verwünschtes Schloß. Sie gingen hinein und gelangten in ein reines, schönes Zimmer. Sie setzten sich ohne weiteres hin, und der Corporal sprach: »wenn ich doch nur eine Pfeife Taback hätte, ich habe so lange nicht geraucht.« Alsbald trat ein Diener ins Zimmer und brachte sieben Pfeifen nebst Taback. Sie sahen sich verwundert an und wusten nicht, was sie dazu sagen sollten. Als sie eine Weile geraucht hatten, sagte der eine Soldat: »ich habe seit langer Zeit nichts gegessen, und es wäre gar nicht übel, wenn wir etwas zu essen hätten.« Abermals trat der Diener in das Zimmer und tischte die schönsten und besten Speisen auf. Sie wunderten sich nicht wenig, aßen aber und thaten sich gütlich. Als sie gegessen hatten, dachten sie ans Bett. Kaum hatte einer davon gesprochen, als auch schon der Diener wieder eintrat, ein Licht brachte und in eine Kammer ging, indem er ihnen zu folgen winkte, denn bis dahin hatte er noch kein Wort gesprochen. »Einer muß aufbleiben,« sagte der Corporal, »man kann nicht wissen, was vorfällt.« Da nun keiner freiwillig aufbleiben wollte, so muste das Loos entscheiden, und dieses traf den Corporal. Nachts um elf Uhr kamen sieben schwarzgekleidete Jungfrauen, nachdem sie zuvor angeklopft hatten, in die Kammer. Als der Corporal sich von dem ersten Schrecken erholt hatte, nahm eine der Jungfrauen das Wort und sprach zu ihm: »wenn er mit seinen Kameraden sieben Jahr im Schlosse bleiben wolle, so sollten sie alles im Ueberflusse haben, und was sie nur wünschen möchten, das werde sogleich da sein; nur dürften sie in den sieben Jahren nicht aus dem Schlosse gehn und an keine Jungfrau denken.« Er erwiederte: »er wolle das seinen Kameraden sagen und sich mit diesen besprechen.« Darauf sagte dieselbe Jungfrau: »morgen Abend wollen wir wieder kommen;« und damit waren sie verschwunden. Am andern Morgen erzählte er seinen Kameraden, was in der Nacht vorgefallen war. Sie besprachen sich darüber und beschlossen die sieben Jahre da zubleiben. »Nun will ich mich auch hinlegen, denn ich habe seit vier Nächten keine Ruhe gehabt,« sagte der Corporal und legte sich schlafen. In der nächsten Nacht traf das Loos [281] zu wachen wieder den Corporal. Die sieben Jungfrauen erschienen wieder, um die Antwort zu vernehmen, und freuten sich sehr, als der Corporal ihnen erklärte, er und seine Kameraden wollten die sieben Jahre im Schlosse bleiben. Von da an hatten sie alles in Ueberfluß und waren fröhlich und guter Dinge. Das Loos Nachts aufzubleiben traf jedes Mal den Corporal. So waren schon sechs Jahre glücklich vergangen, als einer der sieben, der Einsamkeit überdrüssig, nicht länger im Schlosse bleiben wollte. »Soll ich denn,« sprach er, »meine Lebenszeit in diesen Mauern, so einsam und ohne Frau hinbringen? nein, das will ich nicht.« Seine Kameraden baten ihn sehr zu bleiben und sagten, er könne sie alle und sich dazu unglücklich machen. Allein er ließ sich nicht halten, sondern verließ das einsame Schloß. »Heute Nacht gibt es wieder etwas,« sagte der Corporal, »und ich bleibe nicht auf.« Aber das Loos traf ihn wieder, und er muste aufbleiben. Um elf Uhr kamen die sieben Jungfrauen, sechs weiß gekleidet, die siebente aber war ganz schwarz gekleidet. Die sechs weißgekleideten waren erlöst, die siebente schwarzgekleidete aber nicht. Dieselbe Jungfrau, welche früher gesprochen hatte, fragte auch dieses Mal, weshalb sein Kamerad weggegangen wäre. Er sagte den Grund. Darauf fragte jene, ob er wohl seinen Kameraden noch kennen würde. »O ja,« antwortete er. Da öffnete die siebente schwarzgekleidete ihre Schürze und ließ daraus die Knochen seines Kameraden auf den Boden fallen. Der Corporal erschrack sehr, als er dies sah. Darauf fragte ihn jene, ob er wohl einen anderen an dessen Stelle anschaffen könnte? Er antwortete, er wolle es versuchen. Nun sagte sie ihm, in dem Stalle stände ein Pferd mit Reitzeug, Sattel und allem Erforderlichen; auch stände im Stalle ein Rennthier, das solle er vorauslaufen lassen und ihm auf dem Pferde nachfolgen, so werde er schon einen anderen finden. Als er in den Stall kam, fand er alles so, wie sie gesagt hatte; nur war das Pferdegeschirr sehr alt und ganz mit Spinngeweben überzogen, und das Pferd selbst ging auf drei Beinen. Er that, wie ihm gesagt war, und das Rennthier lief gerade auf die Stadt los, aus welcher er desertirt war. »Das wird gut gehn,« dachte er, »nun werden sie dich fangen und erschießen.« Doch als er ans Thor kam, fragten die Soldaten: was er zu befehlen hätte? – »Das geht gut,« sprach er bei sich, und ließ sich in ein Wirthhaus führen. Hier wurde [282] er aufs beste bewirthet. Dann fragte er den Wirth, ob er keinen Bedienten für ihn hätte. »Ich habe einen Ochsenknecht,« antwortete der Wirth, »der paßt dazu ganz gut; wie willst du ihn aber bezahlen?« Darauf erwiederte er, in der Nacht käme eine Post von seinem Schlosse, welche ihm Geld brächte; sie möchten ihn dann nur wecken. Er dachte dabei: wenn auch kein Geld kommt, so läßt dich der Wirth doch wohl ziehen. In der Nacht aber kam eine Post und brachte einen Koffer voll Geld, welches die Jungfrauen geschickt hatten. Am anderen Morgen reiste er mit seinem Bedienten nach dem Schlosse ab. Hier setzte er diesem alles aus einander, und er war bereit das Jahr da zu bleiben. In der Nacht kamen die Jungfrauen wieder und erklärten sich zufrieden gestellt. Als nun die Zeit abgelaufen war, herrschte am anderen Morgen in dem Schlosse die gröste Pracht. Die Prinzessin, welche immer gesprochen hatte, war eine Kaiserin, und die anderen sechs waren Königinnen. Die Kaiserin heiratete den Corporal, die Königinnen heirateten die sechs anderen. Sie gaben dem Corporal ein Horn, womit er auf einen Thurm gehn und aus den Löchern desselben blasen muste. Da war alles entzaubert; »hier waren Königreiche, da Hofstaat, da allerlei Thiere.« Sie lebten nun alle glücklich mit einander, und das Märchen ist aus.

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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. B. Märchen. 13. Die sieben Soldaten. 13. Die sieben Soldaten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BC70-A