1.
In dem Heiligengeist-Busche bei Einbeck hat vor Zeiten eine heilige Jungfrau gewohnt, der dieses Gehölz gehörte. Bei ihrem Tode soll sie dasselbe dem Heiligengeist-Hospitale zu Einbeck geschenkt haben. Alle sieben Jahre läßt sie sich zu drei verschiedenen Malen und zwar Abends, wenn die Sonne untergeht, daselbst sehen. Sie hat ein schneeweißes Kleid an und trägt an der Seite ein Schlüsselbund. Zu gleicher Zeit sonnt sie dort Geld, welches ihr gehört. Sobald sie einen Menschen erblickt, hebt sie das Schlüsselbund hoch empor, winkt damit und ruft ihn herbei. Dieser muß sie alsdann dreimal um das Gehölz tragen. Das erste Mal ist sie ganz leicht und ohne alle Mühe zu tragen; das zweite Mal ist sie schon schwerer, doch kann man sie noch tragen; das dritte Mal aber ist sie so schwer, daß dem Tragenden bald der Athem stockt und er mit ihr nicht weiter kann. Wer sie nicht herumtragen kann, der muß sterben; wenn aber einer sie dreimal herumtrüge, so würde dieser sie damit erlösen und von ihr reich beschenkt werden. Da nun niemand sie dreimal herumzutragen vermag, so kann sie auch nicht erlöst werden. Deshalb erhebt sie auch jedesmal, wenn die Zeit [89] abgelaufen ist, wo sie erlöst werden kann, ein furchtbares Jammergeschrei.