[163] Mainacht

An deiner Seite so gerne
Durchträum' ich die Frühlingsnacht;
Treu halten die heiligen Sterne
Vor deinem Fenster die Wacht,
Indes wir in Armen uns hangen,
In Seele die Seele versinkt
Und Mund von Mund in langen
Zügen den Atem trinkt.
Aus Wipfeln, drin Vögel brüten,
Wirft sanft der duftende Mai
Seine Knospen und Blüten
Herab auf uns selige zwei,
Und durch die Fensterbogen
Nachtwandelnd weht der Wind
Deine Locken in Wogen
Ueber mein Haupt gelind.
Wir zittern, wir erblassen
Vor Liebe, und jedem quillt
Im wonnethränennassen
Auge des andern Bild.
Ach! steigt schon im Osten der rote
Schimmer des Morgens empor?
Nein, durch den Himmel lohte
Ein nächtliches Meteor.
Tausend Geheimnisse müssen
Wir noch einander vertraun,
Und tausend Küsse noch küssen,
Eh' der Morgen beginnt zu graun.
Was scheuchst du mit deinem Gesange,
O Schwalbe, so frühe die Nacht?
Schweig, schweig! Und haltet noch lange,
Ihr heiligen Sterne, die Wacht!

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TextGrid Repository (2012). Schack, Adolf Friedrich von. Gedichte. Gedichte. 1. Liebesgedichte und Lieder. Mainacht. Mainacht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B668-0