[245] 2.
Rot schimmert durch das Laubgrün der Platane
Die Mohrenburg, auf der die Halbmondfahne
Durch acht Jahrhunderte geweht;
Noch flammen Koransprüche an dem Thore,
Noch an der Mauer rauscht die Sykomore
Zu Allah ein Gebet.
Ich schritt hinan; ringsum in Sprudelbronnen
Und Silberbächen rieselten die Wonnen,
Die der Prophet verheißen hat,
Und wie ein Zauberschloß verschollner Sagen
Sah ich Gewölbe, luft'ge Pfeiler ragen,
Als ich den Myrtenhof betrat.
Im Lichtglanz, der von Saal zu Saale sprühte,
Erschloß sich knospend das Gestein und blühte
Farbreich um Wand und Säulenknauf;
Mit ew'gem Klingen sprudelten Kaskaden
Zum Laubendach der schlanken Kolonnaden
Den Silberregen auf.
Ein Hauch von Eden, Bote ew'ger Freude,
Durchzitterte das blitzende Gestäude;
Der Bogengang am Löwenhof
Schien Nebeln gleich im Morgenwind zu schwanken,
Indessen schimmernd von Gezweig und Ranken
Der Tau herniedertroff.
Aus Rosenkelchen strömte sinnbetäubend
Wollüst'ger Duft, in leichten Flocken stäubend,
Wie Küsse von dem Mund der Braut;
Und an der Wand die rankenden Gedichte,
Sich lösend, atmend in dem Morgenlichte,
Entsandten einen Jubellaut.
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O Ton, der meiner Kindheit oft erklungen,
Mit dem mich Geister oft in Schlaf gesungen
Im sonn'gen Thal und dunklen Hain:
Hier tönst du, lang verstummter, mir entgegen,
Und jauchzend fällt mein Herz mit schnellern Schlägen
In deinen Jubel ein.