[242] Auf dem Pik von Teneriffa
Wohin, o Herz,
Das fort und fort im Busen mich stachelt,
In welches Wagnis mich hast du verlockt?
Auf himmelnahem Gipfel,
Den kaum der Gedanke erklimmt,
Der einzig Atmende ich,
Im unendlichen Raume verloren;
Höher als ich nur der strahlende Orion,
Den Schild durchs Unermeßliche streckend!
Unten die Tiefe, die bodenlose,
Drin Meer und Inseln begraben.
Uralte Nacht,
Riesige Sphinx, die in dunkler Brust
Des Daseins Rätsel du hütest,
An deines Reiches Pforten
Hier steh' ich voll Grauen,
Und schwindelnd, jähen Sturzes,
Vom Kraterrande des Feuerberges
Gleitet der Geist mir hinab
In die unterirdischen Hallen,
Wo deine Kinder, die finsteren Erdgewalten,
Wie schlummernde Riesen
Auf ihren Lagern ruhn.
So durch des Menschen Seele
Führen tiefe Schachte,
Düstere, vielgewundne,
Hinab in Finsternis,
Und oft, hinunterstarrend,
In sich selbst zu versinken zagt sie.
Furchtbare Mächte
[243]Schlummern in ihrer Tiefe;
Weh, wenn die entsetzlichen,
Vom Unheil geweckt,
Die schlaftrunknen Häupter schütteln!
Wie die Titanen dort unten,
Des schwarzen Kerkers Pforten sprengend,
Ihr Fest der Zerstörung feiern,
Gewitternd so aus der Seele Abgrund
Steigen die grausen Dämonen
Verzweiflung, Wahnsinn,
Mit Wirbelrauch
Ihr todgeweihtes Opfer umhüllend.
Aber was zuckt durch das Dunkel?
Dämmernd am Himmelsrande
Glimmt es empor,
Ein Flammenglanz umspielt den Gipfel,
Wo gleich Adlern in Lüften ich schwebe;
Wie glühende Tropfen
Sinken die Sterne
In die Wirbel des steigenden Tages;
Unten in schwindelnder Tiefe
Leuchtet und blitzt mit den duftenden Inseln
Der unermeßliche Ocean,
Und allein, allein,
Wie in der Seele ein großer Gedanke,
Schreitet der Lichtgeist
Ueber den Weltrand.
Heil, Glorreich-Herrlicher!
Durch alle Räume
Bis in des Dunkels tiefste Falten,
Der Seele verborgensten Abgrund
Laß deine Feuerströme fluten,
Daß die finsteren Mächte
[244]Vor der Glanzfülle vergehn
Und die Welt dem erlösenden Strahl
In ewigem Hymnus erklinge.