10.
Abendliche Geister wandeln
Durch das Laubwerk hin und wieder,
Doch, berauscht vom Duft der Mandeln,
Sinken sie in Schlummer nieder.
Funkelnd, groß wie eine Sonne,
Gießt der Wunderstern vom Süden,
Gießt Canopus süßre Wonne,
Heißern Traumglanz auf die Müden.
[255]
Nun noch einmal, Nacht der Nächte,
Zauberweib vom Morgenlande,
Zeig noch einmal dich als echte
Sultanin im Prachtgewande!
Einmal noch im Purpurflore,
Der um Thal und Hügel walle,
Zieh herein durch diese Thore
Zu der alten Königshalle!
Feur'ge Meteore lasse
Durch die Himmelswölbung schießen
Und auf Gärten und Terrasse
Rote Flammen niedergießen!
Bunte Wunderlampen hänge,
Wie sie Aladdin besessen,
In die Lauben, in die Gänge,
An die Zweige der Cypressen!
Wirf empor die Silberwellen
Aus den Alabasterschalen,
Daß sie hell wie Naphthaquellen
Durch der Gärten Dämmrung strahlen!
Auf den flüssigen Krystallen,
Wie sie kreisend sich verschlingen,
Wie sie steigen, wie sie fallen,
Mag ein Lied des Ostens klingen!
Ja, du nahst dich! Durch die Cedern
Säuselt wollustvolles Flüstern,
Plätschernd in den Marmorbädern
Regen sich die Wellen lüstern.
Heißer atmet's in den Rosen,
Heller leuchtet die Limone,
[256]Wie ein Mond, im regungslosen
Himmel ihrer Blätterkrone,
Und in allen Korridoren
Mit der Köschke goldnen Gittern
Scheint das Zauberschloß der Mohren
Von geheimer Lust zu zittern.
Ich indes auf goldnem Polster,
Frei von Wünschen und Bedürfen,
Einmal will ich noch in vollster
Seligkeit das Dasein schlürfen.
Laß die duft'gen Flocken stieben,
Die den Schlaf herniedertauen,
Und im Traume mich die sieben
Himmel des Propheten schauen!