Das narrenbad

In der radweis Lieben von Gengen.


15. decemb. 1536.

1.
Zu Meilant saß ein hochgelert
doctor der arzeneie;
all, die man im bracht beie,
beraubet irer sin,
er wider sinnig macht nachmals
durch ein seltsamen brauch:
Er hat ein hof, der war verspert,
darin ein tiefe lachen.
wen er wolt witzig machen,
den badet er darin,
setzt in erstlich nein bis an hals,
darnach bis an den bauch.
Der einer gieng um in dem hoff,
der schon halb sinnig ware,
und zu des hofes türe loff;
da kam geriten dare
ein jeger offenbare;
zwen winden loffen mit,
fürt ein falken nach jegers sit;
zu dem sprach der toll gauch:
[99] 2.
»Warauf sitzstu, das nenn du mir.«
ein pfert er im das nente.
»was fürst du auf der hente?«
sprach er: »das ist ein falk.«
er sprach: »was fürst am strick fürwar?«
er sprach: »es sint zwen hunt.«
Der töricht sprach: »was nützet dir
pfert, vogel, hunt darbeie?«
er sprach: »zu jegereie,
das ich die vogel walk.«
er fragt: »was kostens dich ein jar?«
er sprach: »wol tausent pfunt.«
Er sprach: »was sint die fogel wert,
die du mit tust ertappen?«
er sprach: »zwen gulden an gefert.«
»fleuch! hab dir drüs in lappen!
tet dich mein her erschnappen,
du großer narr und flat,
er setzet dich ins narrenbat,
sprach er, bis an den munt.«
3.
Noch fint man solcher narren vil
die doplich mer verzeren,
dan ir pflug mag ereren,
verachten alle straf,
bis sie verderben in den grunt,
e sie es werden in,
Mit hurweis, trunkenheit und spil,
singen, schießen und fechten,
krieglaufen, zank und rechten,
bauen, faulkeit und schlaf:
den wer das narrenbat gesunt
und scherfet in ir sin.
Ich weiß ein gutes narrenbad,
[100]
darein wil ich auch sitzen;
mich dünkt, es wer mir nit fast schad,
ob ich da möcht erschwitzen,
kumen zu rechten witzen
und halten weislich haus,
auf das ich kum mit eren aus.
wolauf, wer wil dahin?

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Gedichte. Geistliche und weltliche Lieder. Das narrenbad. Das narrenbad. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B0B6-A