[17] Guiscardus und Gismonda

In frauen Eren ton.


1516.

1.
Ein buch cento novella heist,
hat ein poet geschriben,
hundert histori es ausweist;
mir saget mein memori,
das buch sei Johannes Boccatius
Als noch ist mengem weisen kunt,
dem solich kunst tut lieben;
in dem gemelten buch ich funt
gar ein schone histori
von eim fürsten, hieß Tancretus,
Der war in der stat Salerno gesessen,
sein hocher adel der was ungemessen,
was doch darbei ein demütiger mone.
als in diser histori stet,
allein er einen erben het,
das was ein minnikliche tochter schone.
2.
Die was züchtig und darzu weis,
die het er lieb unmaße;
er zug sie auf mit ganzem fleiß,
wolt ir lang kein man geben;
Gismonda so was die tochter genant.
ein reicher herzog hat ein sun,
der zu Capua saße,
dem gab der fürst sein tochter nun
[18]
er daucht in darzu eben.
derselbig fürt sie mit im in sein lant;
Sein leben doch kürzlich ein ende name;
die tochter wider zu dem vatter kame.
in mitler zeit was ir muter gestorben,
mit dem vatter sie lang reigiert;
mit tugent so was sie geziert,
von manchem ritter wart um sie geworben.
3.
Ir vatter het sie herzlich holt,
zu ir er sich gesellet;
keim man er sie nit geben wolt:
des tet sich hart betriben
die frau, und offenbart es nicht vor schame.
Darvon sie ir gar heimeleich
ein jüngling auserwelet
schon, jung, gerad und sinnenreich,
den tet sie herzlich lieben
an irem hof, Guisgardus war sein name.
Sie schrib ein brief und tet den in ein rore,
damit macht sie dem jüngling offenbore,
das sie im trüg soliche lieb und gunste.
balt der jüngling den brief gelas,
zu stunt sein herz entzündet was
mit flammendem feuer der liebe brunste.
4.
In diesem brief wart er gelert,
wie er balt kumen mechte
in ir kamer unter der ert
durch ein heimlichen gange,
der durch ein fels den seinen eingang het
In einer dorenhecken groß.
der jüngling das ausspechte,
balt im wart geben dises loß,
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er saumet sich nit lange;
sein leib mit leder er bekleiden tet
Und ließ sich hinab in den holen steine;
da stunt die frau und wart mit freuden seine,
fürt in durch den berk in ir kamer weite;
da noßen sie der liebe brunn
in honigsüßer freud und wunn,
das triben sie darnach ein lange zeite.
5.
Darnach einsmals an einem tag
tet sie im aber kunde,
das er kem; und die weil, ich sag,
gieng sie in iren garten.
die weil ir vatter in ir kamer lief
Und wolt mit ir reden etwas,
und da er sie nit funde,
hinter ein fürhang er da saß,
wolt seiner tochter warten
bis das sie kem; in dem der her entschlief,
Der jüngling kam durch den eingang mit eile,
sach seinen herren nit, im zu unheile.
die frau sich heim balt in ir kamer machet,
da sie iren liebhaber fant;
sie hetten große freud zuhant;
der her hinter dem fürhang auferwachet.
6.
Er alle ding da hort und sach,
sein herz in zoren qualle;
iedoch er da kein wort nit sprach.
da ir freud het ein ende,
der jüngling wider in den eingang schloff;
Die frau beschloß dieselbe tir
und gieng hin auf den sale,
da sie dan fant ir junkfrau schir.
[20]
der her schleich gar behende
aus der kamer und bot an seinem hof
Zweien, das sie zu diser holen gingen
und, wer daraus schlüff, das sie im den fingen.
und zwen giengen hin zu der dorenhecken
und warten lang bei diesem loch,
bis der jüngling heraußer kroch
do er sie sach, wie hart gunt er verschrecken!
7.
Die fiengen in, bunden ihn hart,
fürten in für den heren,
der weinet und betrübet wart:
»we! daß bist geboren!
in meinem fleisch und blut hast mich geschmecht!«
Der jüngling sprach: »das mein gemüt
tet die streng lieb verkeren.«
der her in großem zoren wüt,
sprach: »werft in ein den toren
und hüt sein wol, bis das der tag hernecht.«
Zu morgen kam er zu der tochter gangen,
sein herz das war mit schmerzen umefangen:
»Gismonda, tochter, ich hab dich erzogen
in eren und in großer zucht;
tugent het ich bei dir gesucht,
ei! wie felschlichen hastu mich betrogen!
8.
Du pflagst mit Guisgardo der lieb,
sach ich mit meinen augen;
darum so muß der falsche dieb
mir lan sein junges leben;
auch gewinest du niemer mer mein hult.«
Die frau erschrak, was ungemut,
doch stunt sie one laugen:
»vatter, wir sint doch fleisch und blut,
[21]
als wol du, und merk eben:
darum hab wir den tot gar nit verschult.
Da du mir woltest geben keinen mane,
Guisgardum ich mir auserwelte hane
in rechter lieb, darum wil ich nit werben
um dein hult oder dein genad.
mit dem mein herz gelebet hat
in freud, mit dem wil es in leit auch sterben.«
9.
Do der her horet dise wort,
do gieng er also alte,
schuf, das der jüngling wurt ermort
heimlich, und nam sein herze
und leit das in ein kopf von klarem golt
Und rufet ein ritter für sich
und sprach: »bring hin gar balte
den gülden kopf gar kosbarlich
meiner tochter on scherze«;
sagt im darbei, was er ir sagen solt.
Der ritter ging hin zu der frauen kluge
und west doch nit, was er verdecket truge;
er grüßt die frauen und sprach unerschrecket:
»hie schickt dir dein vatter den trost
den du herzlich geliebet host.«
die frau nam den kopf und den balt aufdecket.
10.
Darin fant sie das herz und seit:
»nun bis mir got wilkumen,
ein herberg meiner wunn und freit,
du bist mein letzte gabe
von meinem vatter; doch durch falschen list,
O du freuntlich wunsames herz,
hastu dein ent genumen
auf diser welt mit großem schmerz.
in einem gulden grabe
leistu, des du auch gar wol wirdig bist.«
[22]
Den kopf drückt sie gar freuntlich an ir bruste:
das tote herz sie gar freuntlichen kuste.
sie sprach: »kein zeher wart um dich vergossen!
die wil ich auch mitteilen dir.«
mit dem druckt sie den kopf zu ir,
weint, das die zeher in dem kopf umfloßen.
11.
Ir junkfrau luffen hin und dar,
vor angsten mange schweiste,
westen nit wes das herze war,
darum die frau het leide;
Guisgardus tot der was noch ungemelt.
Da sie nun lang geweinet het,
sprach sie: »dein edler geiste,
der wart an mich auf diser stet,
bis das mein geist auch scheide
und mit dir far aus der betrübten welt.«
Sie machet ir ein trank von herbem gifte,
saget uns warlich von ir die geschrifte,
das selb sie gar balt auf das herze gusse
und das gar unerschrocken trank;
darnach sie auf das bett hinsank,
sein totes herz sie in ir arme schlusse,
12.
Und lag da in großer amacht.
zuhant luf ein junkfraue
und da den edlen fürsten bracht;
der gunt gar heißer weine,
do er sein tochter funt in todes zil.
Ir augen keret sie zu im,
tet in senlich anschaue
und sprach gar mit senlicher stim:
»behalt die zeher deine!
des zu geschehen war dein freier wil.
[23]
Tancrete, zu dir han ich noch ein bette;
den meinen leib zu Guisgardo bestette,
den du mir lebendig nit woltest gine.«
mit dem der tot fast mit ir rank,
das herz ir aus den armen sank.
damit so schid ir arme sel von hine.
13.
Dem fürsten große reue kam,
doch war es vil zu spate.
man leget in ein grab zusam
ir beider toter leibe
zu Salerno, uns die histori seit,
Darbei wirt uns klerlich bestimt,
wie solche lieb zugate
und ein trauriges ende nimt.
das merk du, man und weibe;
gib deinen kint ein man zu rechter zeit,
E das in strenge liebe angesiget.
ein tochter ist ein obs, das nit lang liget.
daraus maniger unglück ist erwachse,
das sie ist kumen um ir er,
die sie gewinet niemer mer.
zeit bringt rosen spricht von Nürnberg Hans Sachse.

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TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Gedichte. Geistliche und weltliche Lieder. Guiscardus und Gismonda. Guiscardus und Gismonda. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B03B-2