[81] Fünftes Kapitel
Nach den Freiheitsjahren

Die deutsche Eiche

Wie ihr zu dem Wahn gekommen,
Deutsche, daß für euern Baum
Ihr die Eich' habt angenommen,
Zu begreifen weiß ich's kaum.
Sie ein Bild von euerm Reiche?
Welch ein krüpplig Jammerbild!
Denn verkümmert wie die Eiche
Wächst kein Baum im Lenzgefild
Warum nicht, die höher strebet,
Buche mit dem Riesenschaft;
Oder die so zierlich schwebet,
Birke, säuselnd geisterhaft?
Beide, die dem Blick zu Troste
Schmückt der Lenz mit frühstem Laub,
Das nicht zittert vor dem Froste,
Dem die Eiche wird zum Raub.
Und dann nagt der Maienkäfer
Scharf dem Maienfroste nach;
Und dem armen deutschen Schäfer
Bleibt ein spärlich Schattendach;
Wo im hohen Sommergrase,
Hohes träumend, er sich streckt;
Bis im Herbstwind auf die Nase
Fallend ihn die Eichel weckt.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Rückert, Friedrich. Gedichte. Lyrische Gedichte. Erstes Buch. Vaterland. Fünftes Kapitel. Nach den Freiheitsjahren. Die deutsche Eiche. Die deutsche Eiche. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-A5AE-6