Frühschoppen
Ganz München war salvatortoll. Das berauschende junge Frühlingsbier wirbelte in allen Köpfen.
Im R.R.-Atelier war Salvator-Frühschoppen.
Aus Kisten und »Hockerln« war ein langer Tisch hergerichtet und mit Mal-Kitteln und Schürzen in allen Farben bedeckt. Darauf die steinernen Maßkrüge. Rund umher die mehr oder weniger viel versprechenden Genies der Malschule.
Gerötete Gesichter, heiserer Gesang aus bierbenommenen [282] Kehlen, umgestürzte Krüge, Bierlachen auf Tisch und Fußboden.
Das Gelage dauerte bis in den Nachmittag hinein, dann ging man ins Café.
Die Straße, über die der Zug paarweise ging, lag im hellen Frühlingsnachmittagsschein.
Es war ein junger Norddeutscher darunter, der sich kaum mehr auf den Füßen halten konnte. Seine Augen irrten verschwommen über die Straße und wichen blinzelnd dem Licht aus.
An einer Straßenecke stand sein bester Freund im Gespräch mit einem anderen Herrn. Der Berauschte wollte auf ihn zu und mit ihm reden.
»Kommst du mit ins Café?«
»Nein.«
»Sieht man dich denn später noch?«
Der Angeredete sah ihm fest in die geröteten, unklaren Augen: »Heute nicht«, drehte ihm den Rücken und ging ohne ein weiteres Wort.
Der junge Mann sah ihm nach, wollte ihm nach, aber einer seiner Trinkgenossen zog ihn mit fort.
Der Blick des Freundes hatte ihm die Scham in die Seele hineingebrannt und zugleich den Trotz.
Sein Freund hatte nicht gewußt, daß er seit Wochen gehungert hatte.
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