Erstes Buch

Baharam

An Bodmer.


Wie mancher Geck, der Kronen trägt,
Trüg itzt als Domherr die Calotte,
Hätt einst dem stolzen Aftergotte
Sein Volk die Arbeit auferlegt,
Wie Baharam sie zu erwerben.
Ein Königssohn aus Persien
War Baharam. Um seinen Erben
Nicht durch die Schmeichler zu verderben,
Ließ Hormuz in Arabien
Durch einen Weisen ihn erziehen.
Der gab ihm Adel, nicht sein Blut,
Und lehrte seinen kühnen Muth
Vor nichts als vor dem Laster fliehen.
Schon war auf dieser wilden Flur
Der Prinz zum Purpur reif geworden,
Als er des Vaters Tod erfuhr.
Er macht sich auf, verläßt die Horden
Und eilt auf den ererbten Thron.
[3]
Doch fern von seinem Vaterlande
Erwarteten Gefahr und Bande
Zwey Jahre lang den Königssohn.
Man glaubt ihn todt. Die Nation
Wählt einen andern Autokraten;
Prinz Kesra wars. Er herrschte schon
Ein Jahr in Hormuz weiten Staaten,
Als der befreyte Baharam
Einst unverhoft nach Casbin kam,
Und vor dem Schach und den Magnaten
Der Ahnen Reich in Anspruch nahm.
Kein Krieg soll unser Recht entweihen,
Sprach er, der Thron sey dem bestimmt,
Der zwischen zween ergrimmten Leuen
Das Diadem vom Kampfplatz nimmt.
Es ist, versetzt mit schlauem Witze
Der König, schon mein Eigenthum;
Du strebst nach dem, was ich besitze;
Wohlan, so kämpfe du darum.
Das will ich, rief mit edler Hitze
Der Prinz und wählt zum ernsten Fest
Den Tag, den Ort, die Ungeheuer,
Die man von Stund an hungern läßt.
Der Tag erscheint. Das Abentheuer
Zog eine Welt zum Rennplatz hin,
[4]
Auf dem in königlicher Feyer
Auch Kesra samt dem Hof erschien,
Versteht sichs ausser den Staketen
Auf einem marmornen Altan.
Beym ersten Schalle der Trompeten
Zeigt sich ein Herold auf dem Plan,
Und legt auf einem Purpurküssen
Die Krone zu des Prinzen Füssen,
Der in bescheidenem Gewand,
Mit einem Dolch an seiner Hüfte,
Still, wie ein Gott, im Kreise stand.
Itzt tönt die Losung durch die Lüfte,
Und plötzlich stürzt das Leuenpaar
Mit dampfend aufgesperrtem Rachen
Und mit dem Blick des Höllendrachen
Von beyden Seiten auf ihn dar.
Das Volk bebt laut. Mit kühler Seele
Jagt er dem ersten seinen Stahl
Ins Herz, und schnell, wie Schlag auf Strahl
Umklammert er des andern Kehle,
Bis ihn sein ehrner Arm erstickt.
Dann setzet er die Königskrone
Sich auf das Haupt. Heil, Heil dem Sohne
Des Hormuz! rief das Volk entzückt.
Und Kesra? – Starr von Schaam und Staunen
[5]
Lag er auf den Altan gebückt,
Bis ihn der Jubel der Posaunen
Und seines Volks Triumphgeschrey
Aus seinem schweren Traum erweckte.
Er eilt mit festem Schritt herbey.
Sey König! rief er laut, und streckte
Die Arme nach dem Sieger aus;
Ich steige fröhlich von dem Throne,
Der dir gebührt; dein Heldenstraus
Erwarb dir mehr als meine Krone –
Mein Herz. So sprach der edle Feind
Und ward, wie die Annalen melden,
Nicht nur der treuste Knecht des Helden;
Er ward und blieb sein treuster Freund.
So mußtest du den zwo Harpyen,
Der Dummheit und dem blassen Neid,
Den Lorbeer aus den Klauen ziehen,
Den Delos Gott für dich geweiht.
Erhabner Bodmer, o noch lange
Schmück er dein silberweisses Haar,
Bis deiner Schüler fromme Schaar
Ihn einst, bey leisem Flötenklange,
Mit einem Thränenopfer netzt
Und ihn auf deine Urne setzt!

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TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Zweyter Theil. Erstes Buch. Baharam. Baharam. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-7414-4