[170] Sylla und der schlechte Dichter 1

Ein Mann, dem nie Minerva lachte,
Wiewohl er nach dem Ellenmaaß
Auf einem Speicher Verse machte,
Die niemand als er selber las,
Sang in des wilden Sylla Tagen,
Dem seine Muse sich geweiht,
Ein hohes Lied für seinen Magen,
Der hieß bey ihm die Ewigkeit.
Mit Phöbus Lorbeer in dem Haare
Und in Alcids halb nackter Tracht,
Reicht er dem Gönner seine Waare –
Der Gönner liest und gähnt und lacht,
Ein Fieberfrost ergreift den Dichter,
Der Schrecken bleichet sein Gesicht:
So steht ein Strauchdieb vor dem Richter,
Der ihm das Todesurtheil spricht.
[171]
Der Wüthrich sprach, doch nicht im Grimme
Nicht mit dem Tod in seinem Blick,
Er sprach mit gnadenreicher Stimme:
Nimm deinen Aberwitz zurück!
Ein Rittergut will ich dir geben,
Wenn du den leichten Eyd erfüllst,
Daß du in deinem ganzen Leben
Nicht einen Vers mehr machen willst.
Er schwört. Ich hätte selbst geschworen,
Und meine Leyer gleich zerstört.
Doch nun wird kein Mäcen gebohren,
Der so die Kunst zu schweigen lehrt.
Ein Sylla zwar ist aufgetreten
Im zweyten Rom; doch wie man weiß,
So stopfte dieser den Poeten
Den Mund um weit geringern Preiß.

Fußnoten

1 Cicero pro Archia.

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TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Erster Teil. Viertes Buch. Sylla und der schlechte Dichter. Sylla und der schlechte Dichter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-7242-C