[195] Eines Abends
Als dunkle Purpurrose möcht' ich sprießen,
Damascus Kind, an farb'gen Blumenwänden;
Und meiner Düfte seelenvolles Grüßen
Als Opferhauch zu dir, mein Dichter! senden.
Balsamgewürzt vom Schlaf auf Lotospfühlen
Möcht' ich als Lufthauch zärtlich dich umwallen,
Die Fiebergluten deiner Stirne kühlen
Und deine ew'gen Lieder wiederhallen.
Als Nachtigall möcht' ich vom Baume klagen,
Der dich mit seinem Schattenzelt erquicket,
Als Welle möcht' ich an das Ufer schlagen,
Dem deines Wandelns Spuren eingedrücket.
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Als süßes Traumbild möcht' ich dich beschleichen,
Als Trostoase deinem Blick begegnen,
Als Muse möcht' ich dir den Lorber reichen
Und dich mit einem Weihekusse segnen! –
Allein als Tochter dieser dunkeln Erde,
Der höh're Loose streng versagt geblieben,
Kann nichts ich bringen zu dem Opferherde,
Als nur mein Herz mit seinem tiefen Lieben.
Du aber wirst in dieser reinen Gabe
Den ernsten Gruß der Musa nicht vermissen;
Du wirst darin der Rosen würz'ge Labe,
Des Traumes milden Trost zu finden wissen.
Und fühlen wirst du, daß die Freuden alle,
Die einzeln unser flücht'ges Sein verschönen,
Mit gräbersprengendem, gewalt'gem Schalle
In einem Liebeswort zusammentönen.