[45] An Adalbert Stifter
Vertief ich mich in deine Blätter
Da wehts um mich wie Frühlingsduft!
Der Lerche jubelndes Geschmetter
Durchtönt die frische Morgenluft,
Die jungen Halme keimen, sprießen,
Vom Himmel strömt ein Meer von Licht
Und in die Menschenbrust ergießen
Sich Hoffnung, Ruh und Zuversicht.
Die falschen Freuden, nicht'gen Schmerzen,
Der Erde Wust und ihren Tand
Nimmst du hinweg von unserm Herzen
Mit leiser, liebevoller Hand.
[46]Von vielverschlungnen Irrewegen
Zurück auf ewig lichte Spur
Führt mild uns deines Wortes Segen,
Du treuer Dolmetsch der Natur.
Ob Kampf und Zwiespalt dich umringe
Und wirren Scheines Truggewalt,
Dein heller Blick erschaut die Dinge
In ihrer heil'gen Urgestalt.
Dein Geist durchbricht die engen Schranken
Von eitler Satzung aufgestellt,
Und führt den reinen Gottgedanken
Als heitern Sieger durch die Welt.
Drum winken deiner Dichtung Strahlen
Uns wie der Stern der Weisen zu,
Drum finden tausend bittre Qualen
Am Saume deines Mantels Ruh,
Drum bist du als Prophet zu ehren,
Den tröstend die Natur gesandt,
Und den, das Wunder noch zu mehren,
Die Menschen freudig anerkannt.
[47]
Kein Blitz, kein Schlag kann den erreichen
Der über den Gewittern steht!
So stehst du in des Geistes Reichen
In still erhabner Majestät.
Zu tiefem, ahnungsvollem Schweigen
Verklingt der Erdenstimmen Chor
Und nur der Liebe Düfte steigen
Wie Opferhauch zu dir empor.