[Ernst Ludwig Wilhelm Nebel]
Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken
enthaltend eine Sammlung medicinischer Scherze, komischer Einfälle und sonderbarer medicinischer Geschichten und Gewohnheiten aus den besten Schriftstellern zusammengetragen

Erster Theil

[Motto]

Salubris risus est, si modum non excesserit, moderatus quippe risus calorem excitat nativum, spiritus reddit puriores ac vegetiores, principes facultates corroborat, ingenium quoque acuit, atque ad omnia vitae officia hominem reddit magis idoneum.

Mappas in diss. de risu. p. 16.

1. Anekdoten aus der medicinischen Litteratur
1. Manard's Nativität
1.
Manard's Nativität.

Johann Manard war zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts Lehrer der Arzneykunst zu Ferrara, und verdient noch heutzutage unter den Aerzten, welche das Studium der Hippokratischen Arzneykunde emporbrachten, und derer Schriften immer noch geschätzt werden, eine der vorzüglichsten Stellen. Er war so enthusiastisch für die alten Griechischen Aerzte eingenommen, daß er seinen Lehrer, den ehrwürdigen Leonicen, welcher eine Stelle aus dem Galen unrecht citirt hatte, einen Falsarius (Betrüger) nannte. – Die Art seines Todes ist eben so bekannt, als merkwürdig. Ein Sternseher hatte ihm die Nativität gestellt, [1] daß er einst in einer Grube umkommen würde, und gab ihm daher die Warnung, alle Löcher und Gruben sorgfältig zu vermeiden. Er that es, so gut er konnte, kam aber in seinem 74sten Jahr zuerst auf den Einfall, zu heyrathen, und wählte sich ein 20jähriges Mädchen. Er starb wenig Tage nach der Hochzeit, und ein witziger Kopf machte folgendes Sinngedicht auf ihn:


In fovea te periturum qui dixit aruspex,
Non est mentitus, coniugis illa fuit.

(Der Wahrsager, der da sagte, du werdest in einer Grube umkommen, hat nicht gelogen. Er redete von der Grube deiner Frau.)


Bayle macht hierbey die Bemerkung, es sey zu verwundern, daß ihn noch niemand mit den Bienen verglichen habe, welche nach dem Stiche sterben, den sie gegeben haben.


Animasque in vulnere ponunt.


VIRG. GEORG. l. III, v. 238.

2. Lorme
2.
Lorme.

Ein ganz anderes Schicksal, als Manard, hatte Lorme, ein Französischer Arzt, von dem Veit Patin manches erzählt. Er verehlichte sich zum zweytenmal in seinem 86sten Jahr, mit einem jungen Mädchen. Man prophezeihte ihm ein [2] ähnliches Schicksal, als dem Manard: allein der Erfolg zeigte gerade das Gegentheil. Die junge Frau verfiel bald in eine Schwindsucht und starb, nachdem man alle Hülfe der Arzneyen vergeblich bey ihr angewendet hatte. Patin rühmt sehr den guten Verstand und das erstaunliche Gedächtnis des Greises, und Bayle erzählt, daß er über hundert Jahre alt geworden sey, nachdem er noch vierzehn Tage vor seinem Ende recht artige Verse gemacht hätte.

3. Herrmann Conring
3.
Herrmann Conring.

Der große Polyhystor des vorigen Jahrhunderts, Herrmann Conring, war in allen Fächern der Gelehrsamkeit so vortreflich bewandert, daß er an seinem Hochzeittage seiner Braut zur Wahl vorlegte, ob sie am liebsten einen Doctor der Theologie, der Jurisprudenz, oder der Medicin zum Mann habe wollte? Sie wählte die Medicin, und sein Hochzeittag wurde auch sein Promotionstag. – Er gesteht selbst in einer seiner Schriften, daß ihm die letztere Wahl blos wegen seiner Vermögensumstände und wegen der Meinung des Pöbels die liebste gewesen sey. Er wurde bald Professor der Medicin, der Politik und des Staatsrechts zu Helmstädt, man bediente sich seiner als Abgesandten in den wichtigsten Staatsangelegenheiten, und seine Schriften, [3] unter welchen sich die medicinischen und theologischen nicht einmal befinden, füllen sechs große Folianten. Dieser am Geist große Mann war kleiner und bucklichter Gestalt. Ein kranker Landedelmann schickte einst seinen Wagen mit vier Pferden nach der Stadt, um ihn zu sich holen zu lassen; denn Conring practicirte als Arzt mit Ruhm. Der Wagen kam an, und Conring stieg ein, der Kutscher aber fuhr nicht ab. Man fragte ihn endlich, warum er nicht fahre. Er warte auf den Herrn, sagte er, den er abholen solle. Der sitze schon lang im Wagen, hieß es. Das ist der Herr? fragte der Kutscher voll Verwunderung, diesem zu gefallen hätte ich meine vier Pferde nicht anzuspannen nöthig gehabt; den hätte ich auf dem Arm hinaus tragen können.

4. Theophrastus Paracelsus
4.
Theophrastus Paracelsus.

Unter den Gelehrten aller Zeiten und Nationen hat vielleicht keiner sich einen größern Namen erworben, als Theophrastus Paracelsus; ein Mann, der durch seine entschieden große Talente, noch mehr aber durch seine Reformationssucht, durch seine beyspiellose Prahlerey und geheimnisvolle Dunkelheit, in seinem Zeitalter sich auszeichnete.


Sein Geschlechtsname war, wie Haller sagt, Höchener, welchen er aber, weil er ihm viel zu [4] einfach klang, mit dem prächtigen Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus Bombastus von Hohenheim vertauschte. Noch heutzutage nennt man nach ihm allen leeren Prunk, Bombast.


Er suchte vorzüglich das Ansehen Galen's und der Arabischen Aerzte zu stürzen, und auf dessen Trümmern sein neues chemisches System desto glänzender zu erbauen. Allein er zog auf eine sehr plumpe Art gegen sie zu Felde. An einer Stelle sagt er:


»Ich sage euch, mein Gauchhaar im Genik weiß mehr, dann ihr und all ewere Scribenten; und meine Schuhrinken seind gelehrter, dann ewer Galenus und Avicenna. Mein Bart hat mehr erfahren, dann all ewere hohe Schulen, und ihr dürfet nicht dahin riechen, wo ich geschmecket habe. Ich will die Stund greiffen, daß euch die Säu im Koth müssen umbziehen.«


An einem andern Ort heißt es:


»Mir nach, ich nit euch nach, ihr mir nach, und ich nit euch nach, Avicenna, Galene, Rhazis, Montagnana, Mesue; mir nach, ihr von Paris, ihr von Mompelier, ihr von Meissen, ihr von Kölln, ihr von Wien, ihr Inseln am Meer; du Italia, du Dalmatia [5] und Hispania, ihr von Athen, ihr von Arabia, und von Israel; ihr mir, und ich nit euch nach. Ich wird Monarcha und mein wird die Monarchey sein und ich führe die Monarchey und gürte all euch ewere Länden.«


Von seinen Collegen redet er mit großer Verachtung, so wie von der ganzen Gelehrsamkeit überhaupt, und er hält es blos mit dem Kopf, der sich immer selbst genug ist:


»Es ist nit damit ausgemacht, daß meines Herrn Doctors Ehrwürd auf einem Esel reit und Meister Hämmerle Arschkratzer 1 auf einer Merrhen. Es sollten die, so Allmusen geben zu den Spitälern, Gott um mehr Gnad bitten, daß ihr Allmusen zu Kräften erschiese und nicht daß Doctor Starwadel und sein Esel wohl gehalten werde, und Meister Hämmerle mit seiner gefärbten Büchsen, in denen der Kranken Heil nicht stecken.«


»Man wollt mich umstoßen mit Hebreischen, Griechischen und Arabischen. Aber was hilfft mich, Lügen mir interpretirt anzeigen, dieweil ich, als ein Arzt, der Wahrheit, [6] und nicht der Lügen soll ein Doctor seyn? Wer nichts kann auf deutsch, der disputirt auf Griechisch, und der nicht kan auf Latein, disputirt auf Alacutisch. 2«


Am Ende ruft er selbst gefällig aus:


»Was ist doch, daß man so viel Wesen von Lutheri und Zwinglii Schriften macht, so es doch eitel Bacchantenwerk ist, wenn ich anfangen wollte, zu schreiben, so wollte ich sie und den Pabst erst recht in die Schul führen.«

»Wie gefällt euch der Peregrinus? Wie gefällt euch der Waldesel von Einsidlen. 3«


Sein neues Lehrgebäude der Medicin hatte folgende Hauptsätze. Als Grundprincip der Körper nahm er Schwefel, Salz und Quecksilber an. Rothen Schwefel suchte er im Blut, Muskeln und in den Eingeweiden, gelben Schwefel in dem Fett, Mark und Knochen. Grünes Salz nahm er in der Galle an, leichtes Quecksilber in den Lungen, schweres hingegen in dem Fleisch und in den Knochen. Den Puls leitete er vom Mars, [7] Venus und Saturn her. Den Krebs hielt er für vitriolisch, die Pest für arsenicalisch, die übrigen Krankheiten für marcasit- oder weinsteinartig. Auch hatte er eine Universalarzney erfunden.


Oporin, sein vieljähriger Diener, versichert, daß er ihm die meisten seiner Schriften Abends in der Betrunkenheit in die Feder dictirt habe, welches von manchen Stellen gewiß nicht unglaublich ist. Helmont, sein würdiger Nachfolger, erzählt, daß er allen Lastern ergeben gewesen sey, nur nicht der Liebe gegen das andere Geschlecht, denn er habe im dritten Jahr seines Alters die Hoden verlohren, welche ihm ein Schwein abgebissen habe.

[8]
Fußnoten

1 Die Apotheker setzten damals Clystiere.

2 Calecutisch.

3 Einsiedeln, ein Dorf im Canton Schweiz, war sein Geburtsort.

5. Der Bezwinger der Aerzte
[8] 5.
Der Bezwinger der Aerzte.

Grossprecherey und Charlatanerie und die Verachtung aller Vorfahren und Zeitgenossen war von jeher die Sache derer, die sich durch die Arzneykunst schnell Ehre, Ruhm und Reichthümer erwerben wollten. Das auffallendste Beyspiel von allen Zeiten gab hiervon Thessalus der Methodiker.

Er ließ sich auf einer Heerstraße ein Monument errichten, auf welchem er sich selbst das Prädikat Iatronices (Bezwinger der Aerzte) beylegte.

[8] Einen Brief an den Kayser Nero fieng er mit folgenden Worten an:


»Da ich eine neue Lehre erfunden habe, welche allein die wahre und richtige ist; da alle Aerzte, welche vormals gelebt haben, lauter schlechte und unnütze Grundsätze geäusert haben, um die Gesundheit zu erhalten und die Krankheiten zu heilen; da Hippocrates selbst lauter verderbliche Lehren gegeben hat etc.«


Er richtete sich in allen Stücken nach dem Gelüsten der Kranken, und erlaubte ihnen, alles zu thun, was sie am liebsten wünschten. Allein, so gefällig er gegen diese war, so grob und unverschämt zeigte er sich bey jeder Gelegenheit gegen seine Handwerksgenossen und selbst gegen seine Lehrer. Er versprach öffentlich, daß er innerhalb sechs Monaten jedermann die ganze Medicin auf die leichteste Weise lehren wollte, und Schuster, Schmiede und Färber verließen, wie Galen berichtet, ihre Werkstätte, um sich in so kurzer Zeit zu vollkommenen Aerzten bilden zu lassen. Galen nennt ihn stets mit dem Beynamen eines Esels, und auch seine Schüler nennt er die Thesalischen Esel.

6. Besonderes Unglück des Themison
[9] 6.
Besonderes Unglück des Themison.

Themison, ein sehr berühmter Arzt seiner Zeit, hatte das Unglück, daß er in seinem Berufsgeschäfte von einem tollen Hund gebissen wurde. Er wurde wieder hergestellt, und beschloß, seine überstandene Krankheit zu beschreiben. So oft er aber mit Anstrengung darüber nachdachte, bekam er allemal von neuem einen Anfall von der Hundswuth, so daß er nach vielen vergeblichen Versuchen sein Vorhaben ganz aufgeben mußte.


Wenn man überdies bedenkt, was Juvenal 1 sprichwörtlich sagt:


Promtius expediam, quot amaverit Hippia moechos,
Quot Themison aegros autumno occiderit uno,
Quot Basilus socios, quot circumscripserit Hirrus
Pupillos –

(Ich kann leichter bestimmen, wieviel Buhler Hippia liebte, wieviel Kranke Themison in einem Herbst tödtete, wieviel Freunde Basilus, wieviel Waisen Hirrus betrog –)


so leidet seine Celebrität sowohl, als sein Unglück, keinen Zweifel.

[10]
Fußnoten

1 Sat. X, v. 220.

7. Cornarius und Fuchs
[11] 7.
Cornarius und Fuchs.

Die gelehrte Streitigkeiten zwischen Cornarius und Fuchs sind bekannt. Ersterer hatte in seiner Uebersetzung des Aetius an einigen Stellen den Sinn verfehlt, und deshalb griff ihn Fuchs in seiner historia stirpium sehr beißend an. Cornar antwortete eben so promt, und man kann sich aus den blosen Titeln ihrer Streitschriften eine Vorstellung von der Art machen, mit welcher sie ihren Streit führten.


Cornar schrieb: Vulpecula excoriata seu refutatio historiae Leonhardi Fuchsii. (Das abgezogene Füchslein, oder Widerlegung der Erzählung des Leonh. Fuchs.)


Fuchs schrieb hierauf seinen Cornarius furens. (Der rasende Cornar.)


Cornar setzte demselben sein Nitrum ac brabyla pro Vulpecula excoriata entgegen. (Salz und Schlehen für das abgezogene Füchslein.) Und endlich seine Vulpeculae catastrophe seu Fuchsiados libri III. (Die Katastrophe des Füchsleins, oder die Fuchsiade, in drey Büchern.)

8. Der wiederauflebende Hermippus
[11] 8.
Der wiederauflebende Hermippus.

Reinesius giebt von der Inschrift eines alten vorgefundenen Monuments Nachricht, für dessen Aechtheit er übrigens nicht bürgt. Sie ist folgende:


AESCULAPIO. ET. SANITATI.

L. CLODIUS. HERMIPPUS.

QUI. VIXIT. ANNOS. CXV. DIES. V.

PUELLARUM. ANHELITU.

QUOD. ETIAM. POST. MORTEM.

EIUS.

NON. PARUM. MIRANTUR. PHYSICI.

IAM. POSTERI. SIC. VITAM. DUCITE 1.


Dieses gab einem bekannten verstorbenen Arzt, J. H Cohausen Veranlassung, folgendes Buch herauszugeben,


»Der wiederauflebende Hermippus, oder Curioese physicalisch: medicinische Abhandlung von der seltenen Art, sein Leben [12] durch das Anhauchen Junger-Mädchen bis auf 115 Jahr zu verlängern, aus einem Römischen Denkmal genommen, nun aber mit medicinischen Gründen befestiget, und durch Beweise und Exempel, wie auch mit einer wunderbaren Erfindung aus der philosophischen Scheidekunst erläutert und bestätiget, von Johann Heinrich Cohausen etc. Gedruckt in der alten Knaben-Buchdruckerey. 1753«


In diesem Buch findet man folgende Erläuterung. Hermippus habe in einem Römischen Mädchen-Waisen-Hause oder Jungfer-Gymnasio das Amt eines Vorstehers oder Präceptoris verwaltet. Auch auf dem Titelkupfer findet man ihn auf seinem Lehrstuhl in einem Kreise von jungen Mädchen sitzen, von welchen er eins auf dem Schoos hält und den Athem desselben einhaucht, und zwey andere spielen zu seinen Füßen. Er wirft die Frage auf, ob es einem verständigen Manne dienlich und erlaubt sey, ein solches dünstiges Leben zu führen, damit er zu einem hohen Alter gelangen könnte? Er bejahet dieses, erinnert aber dabey, daß man sich der erwachsenen Jungfrauen nicht zu diesem Ende bedienen solle, weil das Anhauchen derselben lange nicht die heilsame Wirkung habe, als das von kleinen Mädchen; sie hätten vielmehr eine gewisse magnetische Kraft, die guten Säfte an sich zu ziehen. Auch warnt er, daß man sich ja alles Beyschlafens mit solchen jungen [13] Mädchen enthalten solle. Er belegt die Sache mit theoretischen Gründen und mit Erfahrungen, z.B. von dem König David und der Sulamithin. Zuletzt beantwortet er zwey Einwendungen.


1) Warum Salomo, bey der großen Anzahl seiner Weiber und Jungfrauen, nicht ein höheres Alter erreicht habe? Antwort. Wegen des beständigen Neides, Zankes und Eifersucht unter den 700 Königinnen. Hierzu kämen noch die 300 Kebsweiber, oder vielmehr soviel Nattern, soviel Brände, soviel unbändige Thiere, aufgeschwollene Wellen und böse Geister, welche durch Lügen, Betrug und Schmeicheley den König sich ganz zum Sklaven gemacht hätten. Endlich sey Salomo der Wohllust und Schwelgerey allzusehr ergeben gewesen, denn schon in seinem elften Jahr habe er, dem heil. Hieronymus zu Folge, seinen Sohn Roboam gezeugt.


2) Warum die Türkischen Sultane in ihrem Serrail kein höheres Alter erreichen? Dieses schreibt er der übermäsigen Geilheit der Türken zu. Sultan Selim, z.B. habe über hundert Kinder gezeuget, und Amurath der dritte sey Vater von 102 Söhnen gewesen, als er kaum das 50ste Jahr erreicht hatte, und nach seinem Tod habe er noch viele Concubinen schwanger hinterlassen.

[14]
Fußnoten

1 Dem Aesculap und der Göttin der Gesundheit setzt dieses L. Clodius Hermippus, der 115 Jahre 5 Tage durch das Anhauchen junger Mädchen gelebt hat, worüber auch nach seinem Tod die Naturkundige sich nicht wenig wundern werden. Ihr Nachkommen lebet auch also.

9. Preibisius
[15] 9.
Preibisius.

Christoph Preibisius war anfangs Arzt, nachher Jurist und Professor der Rechte zu Leipzig. Er hatte durch seinen Bart ein so fürchterliches und gräßliches Ansehen, daß einst ein Jäger, als er im Rosenthal bey Leipzig sich im Gebüsche ausgestreckt hatte, ihn für ein wildes Schwein angesehen und schon auf ihn gezielt haben soll, als er es noch zu rechter Zeit gewahr wurde und sich zu erkennen gab. – Er starb als der erste Rector zu Leipzig, und man setzte ihm die Inschrift auf sein Grab:


Hic primus exemplo docuit, Rectores Lipsienses esse mortales.


(an ihm sah man zuerst, daß Rectoren zu Leipzig sterblich sind.)
10. Herrmann Börhaave
10.
Herrmann Börhaave.

Der große Börhaave hatte sich dem Studium der Theologie gewidmet, und schon mehrere Jahre darauf verwendet. Die Gelegenheit, weshalb er es verließ und zur Medicin übergieng, war sonderbar genug. Er fuhr auf einem Schiff, und die Unterhaltung der Gesellschaft lenkte sich auf theologische Streitigkeiten. Man sprach über [15] Spinoza's Grundsätze, und alle schimpften auf die gröbste Art auf Spinoza und verdammten ihn. Börhaave, der bisher keinen Antheil an der Unterredung genommen hatte, äußerte, daß das System doch sehr philosophisch sey, daß es wenigstens eine genauere Prüfung verdiene, und daß man es nicht ungelesen verdammen müsse. Die andern erkundigten sich sogleich nach dem Namen des jungen Menschen, und bey ihrer Ankunft schrien sie ihn überall als den abscheulichsten Ketzer aus. Börhaave entschloß sich auf diese Veranlassung sogleich, die Theologie zu verlassen, und gieng zur Medicin über. Niemals hat wohl eine theologische Streitigkeit wohlthätigere Folgen für die Wissenschaft und die ganze Menschheit gehabt, als diese.


Er erlangte schon bey seinen Lebzeiten einen so großen Namen, daß einst ein Brief aus Indien an ihn ankam, welcher, da man seinen Wohnort nicht wußte, blos die Aufschrift hatte: an den Arzt Börhaave in Europa, und er kam richtig in seine Hände.

11. Andreas Rüdiger und Christian Thomasius
11.
Andreas Rüdiger und Christian Thomasius.

Rüdiger sagte einst, da er noch zu Halle Theologie studierte, zu Thomasius, er spürte bey [16] sich mehr Neigung zur Medicin, als zur Theologie; allein er glaubte sich durch einen göttlichen Beruf zum Theologen bestimmt; denn sein Name Andreas Ruidigerus heiße, durch ein Anagramm, rus dei arare dignus. (würdig, den Acker Gottes zu pflügen.) »Ey, wenn das ist, antwortete Thomasius, so satteln sie sogleich um, dennrus dei heißt der Gottesacker, und wenn sie ein Arzt sind, so wird der durch ihre Bemühungen gewiß tüchtig umgegraben werden.«

12. Robert Fludd
12.
Robert Fludd.

Kein medicinisches System ist wohl sonderbarer und lächerlicher, als das von dem Engländer Fludd. Astrologie, Mystik, Schwärmerey und Sympathie findet man auf jeder Seite seiner Schriften. Auf dem Titelkupfer seiner medicina catholica ist die Gesundheit in der Mitte als eine Festung abgebildet. Von den vier Seiten werden die vier Winde ausgeblasen, welche unter vier Feldherrn stehen, und diese haben wiederum sehr häßlich aussehende böse Geister unter sich, von welchen jeder eine gewisse Krankheit bedeutet, und diese suchen auf alle Arten die Festung anzugreifen und ihr Schaden zuzufügen. Allein innerhalb der Festung stehen wiederum vier kommandirende Generäle auf den vier Seiten, welche mehrere andere gute Geister haben, und welche die Festung vor [17] allen feindlichen Angriffen beschützen. Doch will er, daß blos die guten Menschen vor den bösen Geistern auf diese Weise beschützt würden, daß die bösen hingegen von den Krankheiten überfallen würden. Die Geister, welche innerhalb der Festung mit großen Schwertern stehen, sind Gabriel, Raphael, Uriel, Michael. In Abend commandirt auf feindlicher Seite Egyn; diesem ist Mahazael untergeordnet, der auf einer großen Kröte reitet. In Morgen commandirt Samael, der auf einer Schlange sitzt. In Mittag Azazel, auf einem Greif. In Mitternacht der Geist Paymon, und Azael, der auf einem Wallfisch reitet. Kleinere Geister schwärmen in Wespengestalt um diese herum.

13. Beyspiel einer Doktorpromotion unter Bedingungen
13.
Beyspiel einer Doktorpromotion unter Bedingungen.

Daß die Erhebung von Unwissenden und Unwürdigen zu befugten Aerzten nicht neu sey, lehrt das Beyspiel von Senan, einem Arabischen Arzt des zehnten Jahrhunderts 1.

Zu diesem kam ein alter sehr gut gekleideter Mann, und meldete sich zum Examen. Als der Präses die erste Frage an ihn gethan hatte, zog er, [18] statt zu antworten, seinen Beutel heraus und fieng an, zu zählen. »Ich kann, sagte er, weder ein Buch lesen, noch meinen Namen schreiben.« Indessen fuhr er immer fort zu zählen. Senan gerieth in Verlegenheit: endlich fand er einen Ausweg. – »Höre, sprach er, wenn du versprichst, keinem Kranken wirksame Arzneyen, weder Brechmittel noch Purgirmittel zu geben, noch ihnen zur Ader zu lassen, sondern dich blos des Oxymels und Syrupe zu bedienen, so will ich dir das Diplom geben.« Jener versprach es, und erhielt das gesuchte Privilegium. – Am folgenden Tag kam ein junger Mensch zu Senan mit einem gleichen Gesuch. Sobald dieser erfuhr, daß es der Sohn des Alten sey, gab er ihm ohne weiteres das Diplom, indem er ihm die Verhaltungsregeln seines Vaters einschärfte.

[19]
Fußnoten

1 S. Srengel's Geschichte der Medicin, B. II., S. 270.

14. Der Aderlaßstreit
[19] 14.
Der Aderlaßstreit.

Brissot behauptete wider Denys, daß man im Seitenstechen auf der leidenden Seite zur Ader lassen müßte; dieser hingegen beharrete, den Arabischen Aerzten zu Folge, hartnäckig auf dem Gegentheil, und seine Anhänger machten den größten Haufen aus. Die Universität zu Salamanka entschied für Brissot, daß seine Lehre, dem Hippocrates und Galen zu Folge, die wahre sey. Auch unter den Portugiesischen Aerzten entstand [19] wegen dieser Sache große Gährung, und sie wirkten einen Befehl vom Hofe aus, kraft welches es verboten wurde, den Kranken nach der neuen Brissotschen Art zur Ader zu lassen. Als die Entscheidung der Universität zu Salamanka gekommen war, appellirten Deny's Anhänger an den Kayser Carl V, und schilderten Brissot's Lehre als gottlos und für die Menschen verderblich, sie sagten sogar, daß sie in der Medicin von demselben Nachtheil sey, als Luther's Lehre in der Theologie, und nannten die Anhänger Brissot's in ihrer Schrift, medicinische Lutheraner. Um diese Zeit verfiel der Herzog von Savoyen, Carl der Dritte, in ein Seitenstechen und starb daran, ob man ihm gleich nach der Denyschen, und nicht nach der Brissotschen Lehre zur Ader gelassen hatte. Wäre dieses nicht geschehen, so ist kein Zweifel, daß der Kayser für Deny's Anhänger würde entschieden haben. So aber blieb der Proceß liegen.

15. Doktoreid bey der Universität zu Heidelberg
15.
Doktoreid bey der Universität zu Heidelberg.

Im Jahr 1580 wurde in den neuen Statuten der medicinischen Fakultät zu Heidelberg festgesetzt, daß der neue Doktor jedesmal eidlich angeloben sollte, kein Spiesglas und kein Quecksilber innerlich zu gebrauchen.

[20] Diese Eidesformel bestand bis 1655, wo sie durch Causius, mit Genehmigung des Kurfürsten aufgehoben wurde.

16. Toleranz Carl des Neunten
16.
Toleranz Carl des Neunten.

Carl der Neunte, König von Frankreich, welcher in die abscheuliche Pariser Bluthochzeit gewilligt, und selbst aus seinem Fenster auf die fliehenden Hugonotten geschossen hatte, erhielt doch bey diesem Zeitpunkt den Wundarzt Pare', indem er ihn unter seinem eigenen Bette versteckt hielt. Als man ihn um die Ursache dieser Schonung fragte, sagte er: »ist es wohl billig, einem Manne das Leben zu nehmen, der es durch seine Kunst so vielen erhalten kann?«

17. Eine Dedication
17.
Eine Dedication.

Arthur. Conrad. Ernstingii nucleus totius Medicinae quinquepartitae. Helmstadt. 1741. Die Dedication an Seine Majestät, den König von Preußen, hebt sich also an:


»Meine unerlaubte Kühnheit wollen Ihro Königliche Majestät allerunterthänigst zu Gnaden halten, dieweil mir unterstanden, diese meine geringe Arbeit Ihro Königliche Majestät [21] zu dediciren und mit Dero Namen zu beehren,« u.s.f.


In diesem Buche befinden sich unter andern folgende Kapitelrubriken:


Th. III. S. 97. Conceptio.
Th. V. S. 63. Mamma.
Th. V. S. 93. Penis
Th. V. S. 126. Vulva.
18. Eine andere Dedication
18.
Eine andere Dedication.

Ein Kurländer, der auf einer Deutschen Universität studierte, schrieb bey seiner Doctorpromotion eine Abhandlung de furore uterino 1, und machte die Zueignungsschrift an eine vornehme Prinzeßin.

[22]
Fußnoten

1 Von der Manntollheit.

19. Der Druckfehler
[22] 19.
Der Druckfehler.

In der Schrift eines nicht unberühmten Arztes kommt folgende Stelle vor:


»Man hat auch Beyspiele von Leuten, welche Gewürme, Schlangen, Eidechsen und Schwalben weggebrochen haben.«


[22] Am Ende des Buches findet man unter dem Verzeichnis der Druckfehler:


S. – Z. – statt Schwalben, lies Blutegel.


Vermuthlich war dieses ein bloßer Uebersetzungsfehler, und man hatte aus Eilfertigkeit irgendwo hirundines (Schwalben) für hirudines (Blutegel) gelesen.

20. Ein anderer Druckfehler
20.
Ein anderer Druckfehler.

Man hat ein Französisches Buch von Thevenot, welches den Titel führt: art de nager. (die Kunst, zu schwimmen). In einem neuern Handbuch der Volksarzneykunde liest man dieses angeführt, »art de noyer« die Kunst, zu ersäufen.

21. Anrede an die Spötter
21.
Anrede an die Spötter.
In der Frau Bourgeois Hebammenbuch findet man folgendes Motto wider die Spötter:
Wer Gottes Ordnung und Geschöpf verlachet,
Und aus der Natur Schimpf und Possen machet,
Und sich darüber dünken läßt,
Der soll mit den Lusitanischen Pferden,
Von der bösen Spanischen Luft empfangen werden,
Und unter den Loosen die aller gröst,
Die man im ganzen Böhmer Wald mag finden,
Soll ihn säugen sampt allen ihren Kindern,
Das wär für ihn das allerbest.
22. Noch eine Dedication
[23] 22.
Noch eine Dedication.

Bonaciolus, der über die Geburtstheile bey beyden Geschlechtern, über Erzeugung, Schwangerschaft, Geburt und Weiberkrankheiten ein weitläuftiges Werk schrieb, widmete sein Buch der Frau Lukrezia, Herzogin von Ferrara.

23. Beweis des höhern Alters der Chirurgie vor der Medicin
23.
Beweis des höhern Alters der Chirurgie vor der Medicin 1.

Der Beweis für das höhere Alter der Chirurgie vor der Medicin, den ein gewisser Schriftsteller führt, ist so sonderbar, und verräth eine solche Schwäche in den Anfangsgründen der Geschichte der Medicin, daß er eine Stelle in einem medicinischen Vademecum verdient.


»Soviel wir aus den heiligen Büchern wissen, hat Tubalkain zuerst die Kunst erfunden, Erz und Eisen zu bearbeiten, woraus er nicht nur Hausgeräthe, sondern auch Instrumente verfertigte, deren man sich bey gewissen Krankheiten zum Brennen bediente. Er soll auch der Erfinder einiger Maschinen gewesen seyn, [24] womit man Beinbrüche einrichten konnte. Man darf nur die Geschichte der Patriarchen durchgehen, so wird man finden, daß auch sie Chirurgie ausgeübt haben. – Chiron, von dessen Namen das Wort Chirurgie hergeleitet wird, war der erste, der die Kunst methodisch betrieb. – Sextus Empirikus will, daß die Alten ihren Medikus Jatros nannten, ein Wort, dessen Bedeutung im Griechischen von Wurfspieß oder Pfeil abstammet. – Einige Kranken haben sich durch Gelübde verbindlich gemacht, in den Tempeln des Aeskulaps Tafeln aufzuhängen, auf welchen nicht nur der Name des hergestellten Patienten, sondern auch selbst das angewandte Heilmittel aufgezeichnet war: andere ließen das nämliche in Säulen oder Marmortafeln graben, welcher Gebrauch auch hernach in den Tempeln der Isis und Hygiene eingeführt wurde.«

[25]
Fußnoten

1 Abh. der k.k. Josephinischen med. chir. Akademie. B.I.S. XIII.

24. Sauvages Heilung der Hundswuth durch Quecksilber
[25] 24.
Sauvages Heilung der Hundswuth durch Quecksilber 1.

Als Sauvages mit seiner Schrift über die Hundswuth den Preiß erhalten hatte, worinn er [25] zu beweisen suchte, daß das Quecksilber das beste und vorzüglichste Heilmittel gegen diese Krankheit sey, meldeten sich sogleich zwey Weltgeistliche und zwey Kapuziner bey ihm, die mit leichten Wunden an den Füßen zu ihm kamen. Sie gaben sich an, daß sie von einem tollen Hund seyen gebissen worden, sie gebrauchten die Salivationskur durch Quecksilber und wurden geheilt. Sauvages war von nichts gewisser überzeugt, als daß er sie von der Wuth geheilt habe, und prieß von neuem die großen Heilkräfte seines Mittels. Allein man entdeckte bald, daß diese Mönche nicht von tollen Hunden gebissen worden waren, sondern daß sie es blos vorgegeben hatten, um, ohne Vorwürfe befürchten zu müssen, Quecksilbermittel zu gebrauchen, und sich auf diese Art von einer ganz andern Krankheit als der Hundswuth, bey welcher das Quecksilber eine bekannte specifische Wirkung hat, heilen zu lassen.

[26]
Fußnoten

1 Girtanner in Blumenbach's medicin. Bibl. B. II. S. 390.

25. Die Wirzburger Versteinerungen
[26] 25.
Die Wirzburger Versteinerungen.

Behringer war Professor der Naturgeschichte zu Wirzburg und kein ungelehrter Mann. Einige hatten es sich zum Geschäfte gemacht, ihn auf die lächerlichste Art zu hintergehen, indem sie ihm allerley wunderbare, vom Bildhauer gemachte Versteinerungen brachten, welche sie in einem Berg in der Nähe von Wirzburg gefunden zu haben vorgaben. [26] Er war so leichtglaubig, daß er nicht das geringste Mißtrauen über diese Erscheinung hegte; er betrachtete vielmehr die Produkte mit der größten Aufmerksamkeit und mit Wohlgefallen, und ließ sich selbst von den Findern an den Berg führen. Diese streuten vorher noch allerley wunderbare Versteinerungen an den Ort aus, welche Behringer mit der größten Freude auffand und bewahrte. Noch heutzutage sieht man diese Stücke in mehreren Kabinetten, unter welchen sich wunderbare Sachen, sogar versteinerte Spinngewebe und hebräische Buchstaben befinden. – Er beschrieb sie sorgfältig und ließ sie in Kupfer stechen in seiner lithographia Wirceburgensis, welche im Jahr 1726 herauskam. Zu spat entdeckte er den Betrug, und vernichtete alle Exemplarien seines Buchs, deren er habhaft werden konnte; welches daher heutzutage eine große Seltenheit ist.

26. Der Haß John Hunter's
26.
Der Haß John Hunter's.

Der Graf Landriani zu Mayland, ein bekannter Schriftsteller und enthusiastischer Liebhaber der Naturgeschichte, konnte während seines Aufenthalts zu London das berühmte anatomische und naturhistorische Kabinet John Hunter's nicht zu sehen bekommen, auch mit Hunter selbst auf keine Art zu näherer Bekanntschaft gelangen. Denn dieser vermied ihn [27] auf das sorgfältigste, weil er erfahren hatte, daß Landriani ein vertrauter Freund des Spallanzani sey, auf welchen er, wegen der Theorie des Zeugungsgeschäftes, nicht gut zu sprechen war.

27. Noch ein Druckfehler
27.
Noch ein Druckfehler.

In der histoire de l'academie de sciences de Berlin von dem Jahr 1777, S. 29. werden Herrn Walters observations astronomiques angeführt, worin sich Abbildungen von den Blutgefäßen des Kopfs befinden.


Es sollte heißen, observations anatomiques.

28. Die gefangen genommene botanische Gesellschaft
28.
Die gefangen genommene botanische Gesellschaft.

Baumer, der verstorbene Giessensche Professor, gieng einst in Begleitung von vielen Studenten aus, um Pflanzen zu suchen. Er pflegte bey solchen Spaziergängen sich nach keinem Weg zu richten, sondern gieng queer über Aecker und Fluren dem Lauf der Sonne nach. Dabey machte er den sonderbarsten Aufzug, indem er mit einem großen Degen umgürtet war, und sich überdies mit einem langen Stachelstock bewaffnet hatte. Auch die [28] Studenten waren sämtlich, nach seinem Beyspiel, bewaffnet. Als er einst in großer Schnelligkeit mit seinen Begleitern über die Aecker nach einem benachbarten Walde zugieng, erblickten ihn die Bauern eines Dorfes, und da die Gegend wegen einer sich dort aufhaltenden Räuberbande schon lange Zeit berüchtigt war, so glaubten sie nichts gewisser, als daß die botanische Gesellschaft, welche sie in der Ferne gesehen hatten, eben diese Bande sey. Sie versammelten sich daher, giengen, mit ihrem Ackergeräthe und andern Werkzeugen bewaffnet, nach dem Walde zu, und umstellten ihn ganz, in der Absicht die Bande gefangen zu nehmen. Sie zogen sich allmählich näher um die botanische Gesellschaft zusammen, schlossen sie endlich ganz ein, und der Schulze trat auf den Professor mit zorniger Miene zu und that die Absicht seiner Annäherung kund. Baumern kostete es die größte Mühe von der Welt, die aufgebrachten Bauern zu besänftigen und sie von seiner Verrichtung in dem Wald zu überzeugen.

29. Monument auf Sänfftl und Branca
29.
Monument auf Sänfftl und Branca.

HIER. LIEGEN.

ZU. EWIGEM. NAMEN. VERDAMMT.

SAENFFTL. UND. BRANCA.

[29] SIE. LEGTEN. DEM. LEZTEN. DER. BAYERFÜRSTEN.

MUTTERGOTTESKUCHEN.

VON. AUSSEN. AUF. UND. GABEN. IHM.

VON. INNEN. GIFTIGE. ARZNEY.

SIE. TOEDTETEN. DEN. MANN.

ERREGTEN. DEUTSCHLAND. ZUM. KRIEG.

UND. BRACHTEN. IHRES. VATERLANDES.

EINEN. THEIL. UNTER. FREMDE.

GEWALT.

IEZT.

BÜSSEN. SIE. DIE. SÜNDEN.

ZEHNTAUSEND. IAHR. IM. FEGEFEUER.

UND. HOFFEN. NICHT.

DASS. DU. ZU. IHRER. ERLOESUNG.

EINEN. KREUZER. DEM. PRIESTER.

SCHENKST.


»Sänfftl, sagte ein berühmter Arzt der damaligen Zeit, hätte durch ein einziges Brechmittel die Ruhe von ganz Deutschland erhalten können.«

30. Belohnung der Geburtshelfer zu Hamburg im sechzehnten Jahrhundet
[30] 30.
Belohnung der Geburtshelfer zu Hamburg im sechzehnten Jahrhundet.

Anno 1522 ist allhier Doctor Veit verbrant. Er hat sich für eine Bademutter bey den Frauen in Kindesnöthen brauchen lassen.


S. Ausführlicher Bericht derer in Hamburg hingerichteten Missethäter etc.

31. Das Wort Chirurgus kommt aus dem Griechischen
31.
Das Wort Chirurgus kommt aus dem Griechischen.

Ein Arzt hatte einst in einer Schrift Chyrurgus statt Chirurgus gesetzt. Einer seiner Kollegen, dem der Aufsatz zu Gesicht kam, erinnerte ihn freundschaftlich, daß er bey diesem Wort ein i statt des y hätte setzen sollen. Ey was, antwortete dieser, Chyrurgus kommt ja aus dem Griechischen.

32. Linne's Sexualsystem
32.
Linne's Sexualsystem. 1

Bäck Gedächtnißrede auf den Ritter von Linne, S. 81.


[31] »Seine leichte und spielende Methode, welche in dem Blumen weibliche und männliche Theile, Brautbett und Paarung wies, lockte auch sogar das schöne Geschlecht, sowohl in England, als in Deutschland, Frankreich und Amerika an, die Botanik zu studieren.«


Ein Verzeichniß der Damen, welche dadurch zu dem Studium der Botanik ermuntert worden sind, befindet sich in einer beygefügten Note.

[32]
Fußnoten

1 Eintheilung der Pflanzen nach ihren Geschlechtstheilen.

2. Anatomie und Physiologie
1. Das päbstliche Interdikt
1.
Das päbstliche Interdikt.

Alle Theile der Gelehrsamkeit, und ganz besonders die Anatomie, fiengen unter der Regierung Kayser Friedrichs II. an, zu blühen, und die letztere fand an dem Kayser selbst einen eifriren Freund und Kenner. Allein diesen Bemühungen wurden durch das Päbstliche Interdikt gar bald Grenzen gesetzt. Pabst Bonifaz VIII. that durch eine Bulle alle diejenigen in den Bann, welche einen Menschen zergliedern würden, und verbot alles Auskochen und Untersuchen an den Skeletten auf das schärfste. Man findet die Bulle inBoehmer corp. iuris. canon vol. II. p. 1166. Dieses Verbot schreckte auch den berühmten Mundin ab, weiter in seinen Nachforschungen fortzufahren. Er sagt bey der Beschreibung der Theile des Ohrs, daß es Sünde sey, weiter nachzuforschen. [33] Seine Worte sind:ossa autem alia, quae sunt infra basilare, non bene ad sensum apparent, nisi ossa illa decoquantur, sed propter peccatum dimittere consuevi. (Die andern Knochen, welche unter dem Keilbein liegen, sind schwer kennen zu lernen, wenn man nicht jene Knochen auskocht, allein ich habe davon abgelassen, weil es eine Sünde ist.)

2. Das Rolfincken
2.
Das Rolfincken.

Rolfinck lebte im vorigen Jahrhundert als Professor der Anatomie zu Jena, und war einer der vorzüglichsten Wiederhersteller der Anatomie in Deutschland. Allein dieses Geschäfte war damals in den Augen des Pöbels etwas so abscheuliches und verdammtes, daß Rolfinck fast allgemein als der häßlichste Mensch verfolgt und angefeindet wurde. Er durfte Abends nicht einmal ohne eine starke Bedeckung außer seinem Hause es wagen, sich blicken zu lassen, denn man verfolgte ihn gewöhnlich mit Steinen. – Damals durften keine anderen Leichname zergliedert werden, als die der Missethäter von dem Galgen; und selbst diese baten es sich noch als die letzte Gnade aus, daß man sie nach ihrem Tode nicht möchte rolfincken lassen.

3. Unterschied des Skelets
[34] 3.
Unterschied des Skelets.

Die Unterscheidungszeichen des männlichen und weiblichen Skelets, welche in unseren Tagen so richtig bestimmt worden sind, waren schon zu Anfang des vorigen Jahrhunderts nicht unbekannt. Denn im Jahr 1630 wurden auf Befehl der damaligen Aebtißin zu Peraelet die Gebeine des heiligen Abälard von den Gebeinen seiner Heloise, welche beynahe 500 Jahre vermischt in einer Gruft geruhet hatten, ausgesucht und beyde besonders beygesetzt.

4. Ein Skelet stürzt in Lebensgefahr
4.
Ein Skelet stürzt in Lebensgefahr 1.

In den Diensten des Tzaar Feodorowitsch befand sich ein Holländischer Wundarzt Namens Quirinus. Dieser hatte ein Skelet über seinem Tisch an der Wand hängen, und diesem gegenüber pflegte er zuweilen die Laute zu spielen. Die wachehabenden Strelitzen wurden durch den Schall dieser Laute aufmerksam gemacht, sie giengen ihm nach, und wurden mit Grausen ein Todengerippe gewahr, welches sich an der Wand bewegte. Das Fenster stand nämlich offen, und das Skelet bewegtete [35] sich entweder von dem Windstoß, oder von den Stößen des Tisches; die Strelitzen aber glaubten, daß es sich nach den Tönen der Laute bewegte und an der Wand tanzte. Das Gerücht von dieser wundersamen Sache verbreitete sich schnell, so daß es dem Großfürsten und dem Patriarchen zu Ohren kam, und diese Leute abschickten, welche das Schauspiel beobachten sollten. Die Abgeordneten behaupteten einmüthig, daß das Todtengerippe nach der Laute getanzt hätte. Man berathschlagte sich nun, auf welche Art man sich von diesem Zauberer befreyen könnte, und faßte den Endschluß, ihn nebst seinem Gerippe zu verbrennen. Der Wundarzt erfuhr es heimlich, daß er ein Märtyrer der Anatomie werden sollte, und da er hierzu eben nicht Beruf in sich fühlte, wendete er sich durch einen seiner Deutschen Landsleute an den Fürsten Tscheraskoy, der bey Hofe viel galt, damit er dieses Unglück von ihm abwenden möchte. Der Kaufmann erklärte dem Fürsten, zu welchem Behuf ein Wundarzt ein Skelet brauchte, und bewies ihm, wie die Windstöße durch das Fenster, aber nicht die Töne der Laute die Bewegungen des Skelets verursacht hätten. Tscheraskoy war ein aufgeklärter Mann, und verwendete sich mit seinem ganzen Ansehen bey Hofe für den Beschuldigten. Durch seine Bemühungen richtete er endlich soviel aus, daß dem Beschuldigten das Leben geschenkt wurde, allein die Strafe der Landesverweisung vermochte er nicht zu hintertreiben. [36] Dieses geschah bloß wegen der Vorurtheile des aufgebrachten Pöbels, welchem überdies noch ein Fest mit dem Gerippe gegeben wurde: denn es wurde über die Moskwa geschleppt und auf einem Scheiterhaufen öffentlich verbrannt.

[37]
Fußnoten

1 S. Ad. Olearii Reisebeschreibung, S. 185.

5. Vesal's Tod
[37] 5.
Vesal's Tod.

Der berühmte Wiederhersteller der Anatomie im sechzehnten Jahrhundert, Andreas Vesal, hatte, wie man erzählt, einen erst ganz kurz verstorbenen Italienischen Edelmann zu zergliedern das Unglück gehabt, welcher unter dem Messer einen lauten Schrey that. Zur Strafe wegen dieser That wurde er von dem heiligen Vater mit dem Interdikt belegt, und mußte eine Wallfahrt nach dem heiligen Grabe thun. Er starb bey seiner Rückreise aus dem gelobten Land auf der Insel Zante, unter den dürftigsten Umständen.

6. Haller kam wegen der Anatomie in Lebensgefahr
6.
Haller kam wegen der Anatomie in Lebensgefahr.

Als Haller auf seinen Reisen sich mehrere Monate in Paris aufhielt, konnte er unmöglich seine Neigung, menschliche Leichname zu zergliedern, unbefriedigt lassen. Er verschaffte sich durch reichliche Bezahlung aus den Hospitälern heimlich [37] Leichname, und zergliederte sie in seinem Zimmer in der größten Stille. Ein Schneider, welcher neben seinem Zimmer wohnte, und den die Neugierde plagte, zu wissen, was doch ein Mensch in der größten Stille und so lange Zeit in seinem Zimmer verschlossen treiben möchte, bohrte ein Loch in die Wand, um ihn zu belauschen. Er sah mit Entsetzen, was hier vorgieng, und erschrack zugleich über den heftigen Gestank, der aus der Oefnung hervorkam. Er zeigte die Sache sogleich bey der Polizey an, und Haller, der das Loch gewahr wurde, und von der Sache überhaupt einen Wink erhielt, hatte kaum soviel Zeit, daß er in der größten Eile aus Paris entfliehen konnte, um einer gerichtlichen Untersuchung zu entgehen.

7. Winslow getraute keine Stecknadel von der Erde aufzuheben
7.
Winslow getraute keine Stecknadel von der Erde aufzuheben.

Der berühmte Französische Zergliederer Winslow war von der Sprödigkeit der Fibern in seinem eigenen Körper sosehr eingenommen, daß er es nicht wagte, sich schnell zu bewegen oder niederzubücken. Als einst in seiner Gegenwart sich jemand schnell nach der Erde bückte, um eine Stecknadel aufzuheben, sagte er: »das hätte ich nicht wagen mögen. Man kann sich auf diese Art leicht eine Fiber zerreisen.«

8. Der Knochen der Unsterblichkeit
[38] 8.
Der Knochen der Unsterblichkeit.

In dem sechzehnten Jahrhundert war der Knochen der Unsterblichkeit eine Lieblingsmaterie der Unterhaltung für Aerzte und Theologen, und die Gelegenheit zu häufigen Streitigkeiten. Dieser Knochen sollte unverbrennlich, unzerstörbar, ohne Schwere, unsichtbar und der Kern seyn, aus welchem bey der Auferstehung der menschliche Körper wieder hervorwachsen würde. Die Anatomiker suchten diesen Knochen, und die gelehrte Welt war für ihn eingenommen. Der kluge Vesal sagte, die Materie dieses Knochens sey ein Gegenstand der Theologie. Riolan widerlegte seine Existenz aus dem Urtheile der Scharfrichter, welche bezeugten, daß bey der Verbrennung eines Menschen nichts von einem Knochen übrig bliebe. Allein der gute Mann bedachte nicht, daß der Knochen unsichtbar sey. – In unserem Zeitalter erklärte sich Bonnet auf ähnliche Weise für die Existenz eines unverweslichen menschlichen Keims, und ein berühmter Physiologe widerlegt dieses dadurch, daß durch die Anatomie ein solcher Keim noch nicht wäre gefunden worden.

9. Neue Art Anatomie zu lehren
[39] 9.
Neue Art Anatomie zu lehren.
In dem Lektionskatalog der Universität ****, Michaelis 1780, steht gedruckt:

Herr Professor *** will die Anatomie lehren, mit besonderer Anwendung auf todte Leichname.


Dieses sollte wohl soviel heißen: Der Herr Professor wollte zuerst die Lehre von dem Bau und der Einrichtung der Theile vortragen, und dann an Leichnamen vorzeigen, er wollte also die Anatomie nicht bloß theoretisch d.h. ohne Kadaver lesen, auch keine Kupferstiche, Bilder und ausgeschnittene Papiere zum Grund seines Kollegiums legen.

10. Ursache des schnelleren Wachsthums der Weiber
10.
Ursache des schnelleren Wachsthums der Weiber.

In L. 2 C. de his, qui veniam aetatis impetraverunt, l. 15, wird von der früheren Majorennität und Mannbarkeit der Weiber gehandelt. Ein Glossator wirft hierbey die Frage auf, warum doch wohl die Weiber früher erwachsen wären, als die Männer? Er beantwortet sie:


quia mala herba cito crescit. (weil Unkraut geschwind wächst.)

11. Nachtheil der Kopfbedeckungen
[40] 11.
Nachtheil der Kopfbedeckungen.

Aus Faust, wie der Geschlechtstrieb der Menschen in Ordnung zu bringen. S. 131.


Durch die Schwere und den Druck der Bedeckungen des Kopfs wird das Uebergewicht desselben nach vorne vermehrt, so daß alsdann die Menschen das Gesicht niederschlagen, woraus dann wiederum viele moralische nachtheilige Folgen entspringen, u.s.w.

12. Sitz der Seele beym weiblichen Geschlecht
12.
Sitz der Seele beym weiblichen Geschlecht.

Zechini, Professor der Medicin zu Bologna, schrieb anonymisch ein Buch: Della dialectica delle Donne, von der Dialektik der Frauenzimmer. Bologna 1771. 8. In dieser Schrift sucht er einige paradoxe Sätze zu beweisen, und vorzüglich diesen:


Daß bey dem weiblichen Geschlecht die Seele ihren Sitz in der Gebärmutter habe, und daß man ebendaher ihre sonderbare Denkungsart, ihre eigensinnigen Launen und wunderlichen Einfälle herleiten müsse.

13. Parallele des alten und des heutigen Menschengeschlechts
[41] 13.
Parallele des alten und des heutigen Menschengeschlechts.

Baldinger im neuen Magazin, B. II. St. 5, S. 474, macht folgende Vergleichung zwischen der vorigen und der jetztlebenden Menschengeneration:


Alte und neue Helden.


Bey den alten Romanhelden wurden erst in den Turnieren die Knochen des Helden zerschlagen, ehe er zum Genuß kam. Bey unsern neuen Helden wird erst die Liebe gekrönt, und dann werden die Knochen von den Franzosen zerfressen.

14. Beyspiele von später Mannskraft
14.
Beyspiele von später Mannskraft.

Der berühmte Harvey zergliederte einen gewissen Thomas Parre, welcher in seinem 153sten Lebensjahre, wegen einer verübten Nothzüchtigung und Ehebruchs, zu Londen öffentlich enthauptet wurde.

In Blumenbachs medic. Bibl. B. II. S. 133 befindet sich ein Beyspiel von einem Mann von 96 Jahren, welcher eine Frau von 93 Jahren heyrathete, und ihr alle Pflichten eines Ehegatten leistete, öfters dreymal in einer Nacht. Erst drey Jahre nach dieser Heyrath spürte er Entkräftung und sein herannahendes Alter.

15. Ein Argument für den Sitz der Seele
[42] 15.
Ein Argument für den Sitz der Seele.

In einer Gesellschaft lenkte sich die Unterhaltung auf die Frage, wo der Sitz der Seele sey? Man hörte verschiedene Meinungen über diesen Gegenstand, und jeder suchte seine Behauptung mit Beweisen zu unterstützen. Ein Landpfarrer, welcher sich in der Gesellschaft befand, behauptete in vollem Ernste, daß der Sitz der Seele in dem Hintern sey. Er bediente sich hierbey dieses Beweises: Wenn ich, sagte er, auf der Jagd einen Hasen geschossen habe, und ich traf ihn in seine Hinterläufe, so sah ich, wie er auf der Stelle todt blieb; wenn ich ihn hingegen auf den Kopf oder nach dem Herzen schoß, so lief er noch zuweilen weg.

3. Zeichenlehre
1. Ein Leibarzt kostet den Urin
1.
Ein Leibarzt kostet den Urin.

Der Leibarzt eines Indianischen Sultans besuchte seinen Herrn, welcher an einer hitzigen Krankheit darnieder lag, und bey einem seiner Besuche betrachtete er den Urin, welchen sein Herr kurz vorher gelassen hatte, sehr aufmerksam. Ein Hofschranze, welcher dabey stand, sagte zu ihm, daß er ihn auch kosten sollte. Er hielt es für widerrechtlich, sich eine Nachläßigkeit zu Schulden kommen zu lassen, welche vielleicht mit dem Tode hätte bestraft werden können, und kostete ihn ohne Verzug.

2. Zeichen aus dem Urin durch den Geschmack
2.
Zeichen aus dem Urin durch den Geschmack.

Schaarschmidt fodert von einem Arzt, daß er den Urin seiner Kranken nicht nur besehen, [44] sondern auch schmecken soll. Denn er führt, in seiner Semiotik, eben so wohl die Zeichen des Urins aus dem Geschmack, als die aus der Farbe an.

3. Ein Bauer läßt den Urin besehen
3.
Ein Bauer läßt den Urin besehen.

Ein Bauer kam in die Stadt zu einem Arzt und brachte ihm den Urin, damit er aus demselben nicht nur die Krankheit, sondern auch die Person und alle Umstände des Kranken erkennen und Erklärung darüber geben sollte. Ehe sich der Arzt auf die Beschauung des Urins einließ, legte er dem Bauer allerley verfängliche Fragen vor, in welchen er sich zwar nicht geradezu nach der Person und den Umständen des Kranken erkundigte, aber doch aus den Antworten und Erläuterungen des Bauers bald auf diese schloß. Nunmehr nahm er die Miene des Forschers an, betrachtete den Urin aufmerksam von allen Seiten, und fieng seine Wahrsagung an, »ich sehe, euer Patient ist eine Mannsperson und euer Sohn, und er ist eine Treppe hinuntergefallen und hat ein Bein gebrochen.« Der Bauer war über diese Erklärung des Arztes sehr vergnügt. Aber, fieng er an, Herr Doktor, kann er mir auch wohl sagen, wieviel Stufen er herunter gefallen ist? Der Arzt, um die angefangene Komödie fortzusetzen, mußte sich jezt auf das Errathen legen, und rieth zehn. Nein, antwortete der Bauer das hat er doch nicht gesehen, es waren zwölf gewesen. [45] Der Arzt wußte sich gut aus der Verlegenheit zu helfen. Er fragte, ob denn dieser Urin hier alle der sey, welchen er gelassen habe? Nein, sagte der Bauer, es blieb noch ein wenig zurück, welcher nicht mehr in das Glas hineingieng. »Das glaube ich wohl, versetzte der Arzt, ihr habt den Urin nicht ganz hinein gefüllt, wenn ihr mir ihn aber ganz gebracht hättet, so würde ich die zwey anderen Stufen auch noch gesehen haben.« Mit dieser Antwort war der Bauer sehr wohl zufrieden.

4. Der Urin von einer Epidemie
4.
Der Urin von einer Epidemie.

In einem Dorfe lag der größte Theil der Einwohner an einer epidemischen Krankheit darnieder. Sie kamen mit einander überein, daß sie einen Arzt in der Stadt zu Rathe ziehen wollten, einer von ihnen sollte sich ein Recept schreiben lassen, und da sie sämtlich nur eine Krankheit hätten, so wollten sie alle die Arzney gebrauchen. Der Schulze gab dagegen den Rath, daß es nicht einmal nöthig sey, daß einer von ihnen sich dem Doktor zeige; sondern sie wollten den Urin von allen Einwohnern im Dorfe sammeln, in ein Faß gießen, und dieses dem Doktor schicken, damit er daraus die Krankheit ersehen könnte. Dieser Vorschlag fand allgemeinen Beyfall, und das Faß voll Urin wurde wirklich dem Doktor vor sein Haus gefahren.

5. Der am unrechten Ort gefühlte Puls
[46] 5.
Der am unrechten Ort gefühlte Puls.

In Wien machte der Leibarzt bey einem Kayser des vorigen Jahrhunderts einen Besuch. Der Monarch lag im Schweiß, und hielt die beyden Arme unter der Bettdecke fest an den Leib angeschlossen. Der Leibarzt bat, daß Seine Majestät sich nicht aus dieser Lage verändern möchten und fuhr, um den Puls zu fühlen, mit der Hand unter die Decke; allein er kam an einen ganz andern Theil des Körpers, als an den Arm. Der Monarch rufte sogleich ziemlich kaltblütig:hoc est membrum nostrum Caesareo regium, und der Leibarzt wurde mit großer Bestürzung seinen Irrthum gewahr.

6. Ein Arzt, der sich am besten aus der Verlegenheit hilft
6.
Ein Arzt, der sich am besten aus der Verlegenheit hilft.

Einst kam ein Bauer zu einem Arzt und wollte den Urin besehen lassen. Der Arzt, welcher aus dem vorgehaltenen Urin nichts Widernatürliches erkennen konnte, und auch durch allerley vorgelegte dem Scheine nach gleichgültige Fragen nichts von dem Bauer herauszubringen vermochte, fieng an, blindlings zu errathen, indem er sich an das Allgemeine hielt: der Patient sey seine Frau, er habe Frost und Hitze, Mattigkeit, Kopfwehe [47] u.s.w. Der Bauer sagte zu allen diesen Dingen ein gleichgültiges Ja. Endlich aber fieng er lächelnd an: »Herr Doktor, diesesmal hat er es gar nicht gerathen, ich will es ihm besser sagen, der Patient bin ich selbst und der Urin ist von mir, rathe er nun, was mir fehlt.« Der Arzt ergriff die klügste Parthey, statt daß ein anderer in Verlegenheit gerathen wäre. Er stieß den Bauer mit den Worten zur Thüre hinaus: ich will mich von keinem dummen Bauer zum Narren gebrauchen lassen.

7. Einige Zeichen der Jungferschaft
1. Das Pförtchen des heiligen Wilfrids
1. Das Pförtchen des heiligen Wilfrids.

Unter den Kennzeichen der unverletzten Jungferschaft erzählt Schurig zuerst, acus Sancti Wilfridi, (das Pförtchen des heil. Wilfrid.) Es war in einem geheimen Kreuzgang des Tempels zu R. in England. Die Jungfrauen wurden durch die Mönche hineingeführt, und die, welche keusch waren, konnten ohne Schwierigkeit hindurch gehen; diejenigen aber, welche keine reine Jungfrauen waren, blieben durch ein Wunderwerk stecken und konnten nicht aus der Stelle.

2. Die wunderthätige Statue
2. Die wunderthätige Statue.

Zu Rom war ein Tempel, welcher heutzutage der Tempel der Aegyptischen Maria ist, in welchem [48] sich eine marmorne Statue mit weit aufstehenden Lippen befand, die man bucca veritatis (Backen der Wahrheit) nannte. Diese besaß die Wunderkraft, daß sie den Jungfrauen, welche keusch waren und ihr die Hand in den Mund legten, keinen Schaden zufügte, da sie hingegen die Unkeuschen in die Hand biß. Riolananthropogr. lib. II. c. 35. Venette Th. II Cap. I. Art. 1.

3. Das Pfeifen
3. Das Pfeifen.

In dem Tempel des Pan zu Ephesus war eine Grotte, welche durch ein Pfeifen eine unverletzte oder eine verlohrne Jungferschaft verkündigte. Wenn die Jungfrau hineingegangen war, und man einen sanften angenehmen Ton hörte, so war dieses ein gewisses Zeichen der Keuschheit. Die Thorflügel fuhren alsdann von freyen Stücken zu, und die Jungfrau kam mit einem Fichtenkranz gekrönt wieder heraus. Vernahm man hingegen ein häßliches widriges Geheul, so erkannte man daraus eine verlohrne Jungferschaft. Schurig parthenologia, p. 275.

4. Das Urinlassen
4. Das Urinlassen.

Eine unverletzte Jungfrau läßt den Urin in einem dünnen Strohm und mit einem gewissen Zischen: eine Frau hingegen wird allezeit in einem breiten Strohm und mit weit größerem Geräusch ihr Wasser lassen. Denn bey den ersteren sind die Urinwege verengert, bey den andern weit und [49] erschlafft. Schurig, S. 281. Gruner Semiot. §. 654.

5. Andere Zeichen aus dem Urin
5. Andere Zeichen aus dem Urin.

Alberti iurisprud. med. t. I. c. 3. §. 7 führt noch zwey Zeichen aus dem Urin an. Nämlich, der Urin der Jungfrauen sey klar und rein, der von Frauen hingegen sey trübe und dick. Ferner, die Jungfrauen könnten in einem Bogen das Wasser lassen, welches die Frauen nicht könnten, wegen der Schlaffheit der Theile. Scaliger, comm. in. II. hist. anim. Arist. text. 51. versichert, daß er Jungfrauen gesehen habe, welche Wände hoch hätten pissen können, andere hingegen (defloratas), welche dieses so wenig gekonnt hätten, daß sie sich vielmehr allemal selbst benetzt hätten. Amman, irenic. p. 128, erzählt sogar, daß einige aus dem Geschmack des Urins auf die Jungferschaft hätten schließen wollen. Allein er erklärt alle Harnpropheten dieser Art für Thoren. Zacchias l. IV. tit. 2.qu. 2. n. 15. nennt diese Bemühungen aquam e pumice postulare. (Wasser im Bimsstein suchen).

6. Räuchereyen
6. Räuchereyen.

Forest erzählt obss. l. XXVIII. n. 55, daß, wenn man Mangold (lapathum) zu Pulver zerreibe und auf Kohlen streue, und damit eine Frauensperson durchräuchere, eine Frau sich alsbald bepisse, eine reine Jungfer hingegen sich nicht [50] auf diese Art verunreinige. Schon Plinius sagt, daß der Rauch von Gagat eben diese Tugend habe, und Soran rühmt ebenfalls die Blätter des Sauerampfers. Reies nennt noch die Samen von Porzlaak, die grüne Malve und die Blätter von bardana persanata.

7. Arzneymittel
7. Arzneymittel.

Placentin behauptet, daß zu Pulver zerstoßener Achat denen, die keine reinen Jungfrauen mehr sind, heftiges Brechen errege, daß ihn reine Jungfrauen hingegen ohne Schaden nehmen könnten. Sebiz versichert, daß ein Quentchen Aloenholz bey reinen Jungfrauen keine Wirkung äußere, bey unreinen hingegen sogleich den Urin errege.

8. Der Bienenstich
8. Der Bienenstich.

Daß eine reine Jungfrau niemals von den Bienen gestochen werde, lehrt Sebiz de notis virgin. p. 369.Juxta alios, virgines ab apibus, irritatis licet, minime feriuntur. In der curieusen Hausapotheke, Frft. am Mayn, 1700. S. 135. lieset man folgendes:


»Die Bienen lieben die rechte Jungfern, nicht die befleckte, oder die das Menstruum haben, da sie jene niemaln mit ihrem Stachel verletzen, sie müssen sie dann darzu veranreitzen.« Auch findet man daselbst noch andere Kennzeichen. »Ein Oelzweig von einer reinen Jungfer gepflanzet, [51] soll leichtlich Früchte bringen; von einer unreinen Person aber jedesmal verderben. So sehr liebet er die reine Jungferschaft, und hasset das Unreine. Eine unkeusche Dirne beflecket einen Spiegel, also daß eine andere ehrliche Jungfer einen Abscheu davor hat. Ein Türkis von einer unzüchtigen Person getragen, wird voller Flecken.«

9. Der Magnet
9. Der Magnet.

Bonaciolus giebt von der wunderbaren Kraft des Magnets Nachricht, daß, wenn man ihn einer schlafenden Frauensperson auf den Kopf lege, diese sogleich, wenn sie keine Jungfrau mehr sey, vor Furcht und Schrecken aus dem Bett auffahre oder herausfalle. Sey sie hingegen keusch, so reize der Magnet auf eine sanfte Art zu der Umarmung eines Mannes (ad mariti complexum impellit).


Wer verkennt wohl hier die wunderbare Kraft des Magnets, welche unsere heutigen Magnetiseurs öfters versucht haben?

10. Die Stimme
10. Die Stimme.

Weiber sollen eine gröbere und rauhere Stimme haben, als Jungfrauen, und diese sollen, sobald sie aufhören, Jungfrauen zu seyn, ihre helle, reine Stimme alsbald verändern und einen unangenehmern Ton bekommen. Zacchias l. IV. c. 2. qu. 2. n. 17.

11. Die Ausmessung des Halses
[52] 11. Die Ausmessung des Halses.

Bey den Alten war es ein gemeines Kennzeichen der Jungferschaft, daß man einen Faden um den Hals einer Jungfrau spannte, und daß man alsdann dieselbe Länge von der Spitze der Nase an dem Kopf dicht anzog, und das Ende des Fadens bis an den Anfang der Pfeilnaht reichte. Reichte es weiter, so war dieses ein Kennzeichen der verlohrnen Jungferschaft. Andere gaben in der Länge soviel zu, daß man den Anfang des Fadens mit den Schneidezähnen fassen dürfte 1. Andere maßen vor der Hochzeit den Hals ihrer Braut, und nach der Hochzeit wiederum. Wenn sie fanden, daß der Hals bey der letzten Messung nicht an Weite zugenommen hatte, sondern der Umfang blieb, wie er vorher gewesen war, so war ihnen dieses ein schlimmes Kennzeichen. Musitanus versichert, daß er diesen Versuch tausendmal gemacht habe, und daß er ihm allemal richtig zugetroffen sey. Sogar Stahl sagt, daß die Ausmessung durch einen Faden kein ganz trügliches Kennzeichen sey, denn durch die große Bewegung der Säfte und der Lebensgeister bey dem ersten Beyschlaf entstände eine Anschwellung des Halses.


Non illam nutrix oriente luce revisens
Hesterno collum poterit circumdare filo.
CATVLL. de nupt. Pelei et Thetid. v. 377.
[53]
Fußnoten

1 Sollte man wohl bey einem lebenden Menschen die Stelle der Pfeilnaht und Kranznaht so genau bestimmen können?

12. Der Vogel
[54] 12. Der Vogel.

Es ist ein Vogel, Porphyrio, von so wundersamen Gaben, daß er mit Recht der Keuschheitsvogel genannt zu werden verdient. Er beobachtet die Frauenspersonen, welche allein wandeln, voll Sorgfalt und Eifersucht. Feile Dirnen flieht er, wie das Feuer, und wenn er sie einige Zeit ansieht, so stirbt er. Sieht er eine Ehebrecherin, so bringt er sich selbst um's Leben. Aelian. de nat. anim. l. III. c. 42.

13. Der Brunnen der Keuschheit
13. Der Brunnen der Keuschheit.

Zu Ephesus befand sich ein Brunnen, welcher Styx hieß; in diesen warfen die Jungfrauen den Eid ihrer Jungferschaft, eigenhändig auf ein Pergament geschrieben, hinein. Blieb er hell und klar, so war es ein gutes, wurde er hingegen trübe und brauste hoch auf, so war es ein schlimmes Kennzeichen. Schurig p. 276.

14. Die Feuerprobe
14. Die Feuerprobe.

Daß die Jungfrauen und Weiber, die wegen ihres Wandels verdächtig waren, ihre Unschuld dadurch darthun mußten, daß sie durch einen brennenden Scheiterhaufen hindurchgiengen, ist bey vielen alten Nationen Sitte gewesen. Dionys von Halykarnaß erzählt von zwey Vestalinnen, welche die Probe, ohne sich im mindesten zu verletzen, bestanden hätten. Eben dieses erzählt man von den Gemahlinnen Karls des Dicken, [54] Otto des Dritten und Heinrich des Voglers. Die letztere bestand die Probe mit einer glühenden Pflugschaar in der Hand, und noch heuzutage wird ihr wunderthätiger unversehrter Mantel zu Merseburg vorgezeigt. – Von den Aethiopiern und einer Malabarischen Prinzeßin erzählt es Kämpffer.

15. Die Wasserprobe
15. Die Wasserprobe.

Die Vestalischen Jungfrauen, welche wegen ihres Wandels verdächtig waren, mußten Wasser in einem durchlöcherten Sieb aus der Tiber schöpfen. 4 Mos. Cap. 5. v. 12. wird eines bitteren und verfluchten Wassers erwähnt, das die Priester zu trinken gaben, und welches, wenn der Leib davon anschwoll, die verlohrne Ehre einer Frauensperson bewies. Die alten Deutschen warfen sogar, nach Tacitus, ihre neugebohrnen Kinder in den Rhein, um zu erforschen, ob sie aus einer reinen Ehe gezeugt wären. Sonst findet man nicht, daß Jungfrauen, so wie alte Weiber, welche man für Hexen hielt, in einen Fluß geworfen wurden, und ihre Unschuld durch Schwimmen darthun mußten.

16. Zweykampf
16. Zweykampf.

Diese Probe der Keuschheit war bey den alten Deutschen, bey den Hunnen und Gothen eingeführt. Die Gemahlin Kayser Heinrichs III. mußte ihre Unschuld dadurch darthun, daß ihr [55] Zwerg einen Kampf mit einem Riesen bestehen mußte. Der Riese wurde dabey glücklich erlegt. Kämpffer Amoen. exot. p. 456.

17. Chiromantie
17. Chiromantie.

Auch aus den Lineamenten der Hand haben Zigeunerinnen vormals die Jungferschaft ersehen können. Allein schade, daß diese Kunst bey uns nicht mehr gilt: es müßte denn die Entdeckung auf eine Art geschehen, wie sie Amman irenic. p. 128. erzählt. Eine Zigeunerin wurde von einer Gesellschaft aufgefordert, aus den Lineamenten der Hand eines jungen Mädchens zu erklären, ob sie noch eine reine Jungfrau sey oder nicht. Diese gerieth hierüber in eine solche Verlegenheit, daß sie die Wahrsagerin bey Seite nahm, sie durch Versprechungen auf ihre Seite brachte und ihr gestand, daß sie schon entjungfert sey, aber nicht durch eine Mannsperson, sondern, wie es heißt, a phallo artificiali 1.

[56]
Fußnoten

1 Diese Geschichte, welche sich im Jahr 1682 zu Leipzig zutrug, ist ein Beweis, daß die Klagen über das große Sittenverderbniß unsers Zeitalters ungegründet sind. Denn schon vor mehr als hundert Jahren thaten die Menschen so, wie jezt.

18. Das Krocodill
[56] 18. Das Krocodill.

Bey den Malabaren und Siamesern ist, nach Kämpffer's Bericht, der Gebrauch, daß diejenigen [56] Personen, welche wegen Unkeuschheit oder auch wegen eines andern Verbrechens verdächtig sind, sich in einem Fluß, in welchem sich Krokodille auf halten, eine bestimmte Zeit baden müssen. Werden sie von diesen aufgefressen, so ist man überzeugt, daß sie durch die Schickung des Himmels die Strafe ihres Verbrechens gelitten haben.

19. Der Geruch
19. Der Geruch.

Feile Weibspersonen und Neuverheurathete sollen einen specifiken Bocksgeruch von sich geben. Hierzu möchte wohl eine so feine Nase gehören, als sie Cardan hatte, von dem man erzählt, daß er durch den Geruch der Ausdünstung Männer und Weiber, und sogar Weiber und Jungfrauen unterscheiden konnte. – Bohn sagt, daß die mannbaren Jungfrauen eben so gut einen Bocksgeruch von sich geben, als Verheyrathete.

20. Die Augen
20. Die Augen.

Nach einem vorhergegangenen Beyschlaf werden die Augen trübe und die Augenlieder schwellen auf; man sieht einen blauen Kreis um dieselben, und sie erhalten niemals ihren vorigen Glanz und Feuer wieder.

21. Die Nase
21. Die Nase.

Bey Jünglingen sowohl, als Jungfrauen, welche nicht mehr rein und keusch sind, läßt sich der Nasenknorpel, wenn man auf die Spitze der [57] Nase drückt, breiter machen und scheint sich unter dem Finger in zwey Theile zu spalten. Spaltet er sich nicht, so ist es ein gutes Zeichen. Bey denen die schon Liebe gepflogen haben, werden die Nasenlöcher größer und stehen mehr auseinander. Die Nase, welche vorher spitz war, wird stumpfer.

22. Das Gesicht
22. Das Gesicht.

Das Gesicht, welches vorher hell und glänzend war, wird bey Jungfrauen, welche aufgehört haben, es zu seyn, mehr trübe und verliert seinen Glanz. Demokritus von Abdera besaß hierinn eine so gute physiognomische Kenntniß, daß er eine Sklavin des Hippokrates an dem einen Morgen als Mädchen begrüßte, an dem andern Morgen als Frau, weil er die Veränderung, die in der Nacht mit ihr vorgegangen war, an ihrem Gesicht erblickte, wie Mercurialis var. lect. l. VI. c. 6. erzählt.

23. Die Schamhaare
23. Die Schamhaare.

Hiervon sagt Reies, elys. camp. p. 476. Pili pudendorum in mulieribus crispiores, in virginibus lenes, longi ac minime tortuosi erumpunt: quippe in illis, qui coitu utuntur, partes illae incalescunt, ac ideo materia pilorum magis adusta redditur; unde fit, ut non ita lenes ac blandi pili oriantur.

24. Schlankheit
[58] 24. Schlankheit.

Reine Jungfrauen sind schlank und hager: sobald sie Weiber sind, werden sie dicker, und die Venen auf der Oberfläche des Körpers werden erweitert. Schurig, p. 292.

25. Aderlassen und Schröpfen
25. Aderlassen und Schröpfen.

Das reine und gute Blut geht, wie man schloß, nach einer Empfängniß, oder auch wohl nach jedem Beyschlaf, nach den inneren Theilen des Unterleibes zu, und also muß daß schlechte und unreine sich auf der Oberfläche des Körpers befinden. Von einem Barbier, der diese Probe unternommen hatte, und dessen schickliche Abfertigung in einem gegebenen Gutachten der medicinischen Fakultät zu Giessen, liest man bey Valentini pandect. med. legal. p. 44.

26. Moralität
26. Moralität.

Aus dem Erröthen schamhafter Jungfrauen, so wie aus ihren Mienen und ihrem ganzen Betragen, nimmt man den Beweis ihrer Keuschheit. Doch sagt man, daß eine übertriebene Schamhaftigkeit und Delikatesse ein eben so schlimmes Kennzeichen sey, als keine. Auch aus der Liebe der Jungfrauen hat man ein Zeichen hergenommen, und Reies elys. camp. Quest. 40. untersucht weitläuftig die Frage, cur foeminae plerumque eum amore prosequantur, cui primum suae virginitatis florem delibarunt, homines e contra quam primum [59] agnoverunt, odio habeant? (warum Frauenspersonen denjenigen lieben, den sie zuerst die Blume ihrer Jungferschaft aufgeopfert haben; Mannspersonen hingegen die, welche sie erkannt haben, hassen?

8. Die Probe der Jungferschaft
8.
Die Probe der Jungferschaft.

Bey den Arabern und mehreren orientalischen Nationen ist der Gebrauch, daß in der Brautnacht den Neuvermählten ein weißes Tuch untergelegt wird, welches man am andern Tag öffentlich zur Schau aushängt. Die großen blutigen Flecken in diesem Tuch gereichen der Braut zur besonderen Ehre; findet man keine darin, so wird die Braut verstoßen. Allein man hat dort kein Beyspiel von einer Verstoßung aus dieser Ursache; denn die Mütter pflegen ihre Töchter jedesmal auf den Nothfall mit einer Portion Kälber- oder Bocksblut zu versehen. Auch bey den Juden war dieser Gebrauch nach 5 Mos. 22. 13.


Claudian epithal.


Et vestes Tyrio sanguine fulgidas
Alter virgineus nobilitet cruor:
Tum victor madido prosiliat thoro
Nocturni referens vulnera praelii.
4. Krankheitslehren und Kuren
1. Kur eines gelähmten Hoffräuleins
1.
Kur eines gelähmten Hoffräuleins.

Freind erzählt in seiner Geschichte der Medicin, im Anhang, folgende merkwürdige Geschichte von dem Arabischen Arzt Bactischua.


Erraschid, der Calife, hatte eines unter seinen Frauenzimmern, welches er vorzüglich liebte. Diese hatte das Unglück, daß ihr der Arm lahm wurde, und sie ihn auf keine Weise bewegen konnte. Nachdem lange Zeit innerliche und äußerliche Mittel, Pflaster und Salben, von den Aerzten vergebens waren angewendet worden, zog man den Bactischua zu Rathe. Dieser bat sich zu Anfang seiner Kur von dem Califen freye Gewalt aus, und versprach, die Kur glücklich zu beendigen, wenn man ihm in dem Fortgang derselben kein Hinderniß in den Weg legen würde. Er machte hierauf die Anordnung, daß der ganze Hofstaat, so [61] wie es bey Feyerlichkeiten zu geschehen pflegte, sich um den Califen versammeln sollte, und er stellte sich mitten in die Versammlung. Hierauf ließ er das Fräulein kom men, und sobald sie in den Saal eintrat, bückte er sich nieder und hob ihr mit der Hand die Röcke auf. Diese, in der größten Verwirrung und Scham, griff mit ihrem lahmen Arm ebenfalls schnell nach den Boden und hielt ihre Röcke fest. O Behrrscher der Gläubigen, rufte der Arzt aus, siehe sie ist geheilt! Er ließ den Arm nach allen Seiten bewegen, und die Kur war vollendet.


Als ihn der Calife vorher gefragt hatte, was er in der Arzneykunst wüßte, gab er zur Antwort, ich kann das warme kalt, das kalte warm, ich kann das trockne feucht und das feuchte trocken machen. Der Calif sagte lächelnd, das ist ja alles, was zu einem Arzt gehört. – Gar sonderbar war die Ursache der Lähmung, die er einem Freund also angab. Profudit se in puellae istius membra inter venerem humer tenuis prae motu et caloris diffusione, et cum subito a motu coitus quiesceret, congelatus est in interiori parte nervorum, ita ut nisi a motu consimili solvi non posset. Usus sum ergo commento, quo dilatato calore, solutus est humor superfluus.

2. Das Scharlachfieber
[62] 2.
Das Scharlachfieber.

Ein Arzt wurde einst zu einem kranken Schönfärber gerufen. Er fühlte den Puls und sagte zu der Mutter, euer Sohn ist sehr krank, er hat das Scharlachfieber. Woraus schließen sie das, Herr Doctor? sagte die Mutter. Aus seinen rothen Händen, gab der Arzt zur Antwort. Darauf dürfen sie nicht gehen, sagte die Mutter, er ist ein Schönfärber. So, war die Antwort des Doctors, das ist noch ein großes Glück für ihn, er wäre sonst in der äußersten Gefahr.

3. Die Receptlotterie
3.
Die Receptlotterie.

Zu Rom war vormals, so wie an mehreren Orten, der Gebrauch, daß die Kranken ihr Wasser, ohne allen weiteren Bericht, zu dem Arzt schickten, damit er daraus ihre Krankheit ersehen, und ein schickliches Recept dagegen verordnen könnte. Ein gewisser Arzt daselbst hatte einen großen Receptvorrath, welcher sich in einem geräumigen Sack befand. Wenn jemand das Wasser zu ihm schickte, so schüttelte er seine Recepte durcheinander, fuhr mit der Hand in den Sack und hohlte eines blindlings hervor und sagte: bittet Gott, daß er euch ein gutes Recept gebe.

4. Der Pflegmatische
[63] 4.
Der Pflegmatische.

Ein Mann von äußerst pflegmatischem Temperament, der sich nicht leicht in Leidenschaft bringen ließ, sollte eines Tages eine Arzney einnehmen, wobey der Arzt verordnete, daß man ihn vorher in Zorn zu bringen suchen möchte, damit sie desto besser wirkte. Sein Kammerdiener gab sich alle Mühe von der Welt, um dieses zu bewirken. Er gieng früh Morgens zu dem Bette hin, riß die Vorhänge mit Hastigkeit auf und schrie ihn an. Allein, statt böse zu werden, fragte er ganz gelassen: um welche Zeit ist es? Hierauf ließ der Kammerdiener das Hemd, das er seinem Herrn wärmen mußte, anbrennen, und brachte es ihm so hin; er sagte nichts, als: wärmet mir ein anders. Der Diener goß ihm den Kaffee ganz heiß ein, so daß er sich den Mund verbrannte. Allein er spuckte ihn gelassen aus und sagte: lasset ihn kalt werden. Darauf stieß er mit dem Ellbogen einige Tassen von kostbarem Porcellain um, welche sein Herr sehr werth hielt, daß sie auf die Erde fielen und zerbrachen. Er sagte nichts weiter, als: es ist schade, sie waren schön. Der Kammerdiener verzweifelte ganz, daß er seine Absicht erreichen würde. Endlich gerieth er auf den Einfall, einen Mann zu bestellen, welcher seinem Herrn eine sehr verwickelte Sache vorbringen, und dabey mit einem tafftnen Kleid ein solches [64] Geräusch machen sollte, daß man seine Worte nicht verstehen könnte. Dieses geschah, und der Mann gerieth, nach einigen vergeblichen Erinnerungen, in Affekt, und rief zuletzt aus: wenn sie reden wollen, so lassen sie ihr Kleid schweigen, sonst mag ich sie nicht hören. Jetzt gab man ihm geschwind die Arzney ein, und sie that die erwünschte Wirkung.

5. Börhaave's Behandlung eines Phlegmatischen
5.
Börhaave's Behandlung eines Phlegmatischen.

Börhaave wurde einstmals zu einem Pensionär von Holland gerufen, von welchem er wußte, daß er ein äußerst phlegmatischer Mann war. Er machte den Versuch, ihn vorher in Affekt zu bringen, ehe er ihn Arzney nehmen ließ, damit diese desto besser wirken möchte. Er trat unangemeldet und ohne ihn zu grüßen, in die Stube, und fieng in folgendem Ton an: »Nun, Herr Pensionär, habt ihr euch wieder so vollgefressen, wie ein Schwein? Ein unvernünftiges Vieh weiß doch, wenn es zur Genüge hat und aufhören soll, allein ihr fresset und saufet, bis daß es euch zum Halse heraus kommt. Ihr wißt doch, daß ich euch schon oft solche Fressereyen und Schlemmereyen verboten habe. Allein ihr achtet auf so etwas gar nicht, ihr lebet blindlings in den Tag hinein, als ob ihr von dem Teufel verblendet wäret. [65] Jetzt sind die saubern Früchte da, aber ich werde künftig nicht ein einzigesmal mehr zu euch kommen, und mir um einen solchen Schweinpelz fernerhin keine Mühe mehr geben.« In diesem Ton fuhr er einige Zeit fort: der Pensionär hörte lange die Schmähworte mit der größten Kälte an, endlich wurde er aber doch empfindlich und antwortete hastig mit einigen Worten. Börhaave griff nun nach der Thüre, machte ihm eine verbindliche Verbeugung und sagte, »jetzt habe ich meine Absicht erreicht, ich wollte sie gern in Affekt bringen, nehmen sie sogleich die bestellte Arzney ein, sie wird die erwünschte Wirkung thun.«

6. Mittel gegen das Jucken
6.
Mittel gegen das Jucken.

Ein Bauer kam zu einem Arzt und klagte, daß er an seinem Körper starkes Jucken verspürte, und verlangte ein Mittel dagegen. Der Arzt antwortete: da weiß ich für euch einen recht guten Rath: kratzt euch.

7. Krankheitsbericht einer Jungfer
7.
Krankheitsbericht einer Jungfer.
Wohlgebohrner Herr,

Hochzuehrender Herr Doctor.


Sie Sein ja allzugüdig indemm sie mit dem wehnigen zufrüden sein wolten, ich aber will doch [66] dero Viele Bemühungen noch vergüden, ich bedaure nur, daß so mit einem Brief beschwerlich incommodiren muß, vor 3 Mohnatten wie ich nach Ihnen gesieckt hate begab sich den andern Dag eine wunderbare Schickung an mir ich fülte etwas in dem bewusten fleck, ich sahe so Gleich zu. Klauben sie mir aber wie ich Ihnen schreibe, so ists geschehen, es war also ein würmgen ungefehr wie eine spennadel lang auch nur so dick solches verbergte sich also in den Fleck ich Konnte es nicht erhaschen. Vermuhtlich war es durch den Stuhl Gang gekommen, solches wühtette 2 Dage in der Gebuhrt herrum, das es weh daht. Den 3 Dag fühlte ichs gantz dief inwendig nur noch in ein Jugckens. Außerordentliche Anst überfüll mich doch klaubte ich das würmchen könte gestorben sein Heraus ists schwerlich wieder gekommen. ich brauchte nach Dero Befehl die Ader laß die GeKreütergedranck, darbey wahr mir wohl, wie solches Verbraucht gieng die Anst aufs neue wieder an, wan sonst das Blut Jugt so wars ichs Gewohnt. Aber da spürte ich Jugckens und laufen in der Haut däglich in dem fleck und auch in dem Hinderbacken nach dem Affter zu: solches hat nun die 3 Mohnate getauret und noch jetzo vor Etlichen Dachen nun spüre ich es so stark nicht mehr in den dicken Beinen laufts eben so. mein Glaube ist so als wann daß Würmgen geheckt häte welche nun verborgen in der Haut herumzehrren, schmertzen fühle ich Keine ich hoffe es doch [67] nicht das dem so sey, ich bilte mir es wohl immer ein, darum will ich von Ihnen vernehmen, ob solche Dinge möglich wehren oder ob es daß Blut schärffe seyn könnte wollen sie Etwas schicken. Die Würmer abzutreiben so weiß man ja nicht ob dem so ist und könnte mir die Natur verderben, dahingegen aber hab ich nun so kroß Zutrauen zu Ihnen, ob sie wohl nicht aus mein schreiben erachten könnten obs Würmer oder schärffe sey. Vor Vieler Medicin fürchte ich mich, halten sie davor, das dem Uebel nicht so ist, wollte ich nur bitten um Etlige Laxsier Mittel in safft vermischt auch wenn sie es erlauben, wolte ich bis Freudag Ader laßen. Daß Blut und Aensten sint mir alle in Kopf gezogen, immer Hize und Dobes ohne Auf hören im Kopf, erlauben sie mir das Ader lassen nicht, so habe ich keine Ruh. Der Bewußte Fleck ist zeither immer so blaulich roht um das Zäpffchen auch zeigen sich etliche Blößchen auch Hab ich brant daselbst ich befürgte noch immer die Deile am Zäpffchen möchten abprechen, daß weiß Geblüt hab noch, am Affter ists als wann Etlige Knötgen da wehren, sie sint nicht roht gehen nicht auf, obs nur so die Adern sint. es Juckt darinnen ist mir auch im Leibe immer nicht wohl. Gar nicht bin ich jetzo Gesunt, Auch noch fält mir ein, daß Wasser hier daß ich zum reinichen des Fleck gebrauchen muß, allemahl durch ein Duch geseit worden alwo sich kleine Gewürmse drinnen aufhalten, ob die etwa im [68] wasser sein geblieben und häte solche bey mich Gebracht, die in mir Gewachsen, noch ohne daß was ich Ihnen schon geschrieben, es ist Kein reines Gutes Waßer Hier, es will mir auf dem ***berg gar nicht gefallen. Verlassen sie mich nicht Helfen mir aus dieser Anst sehr gerne möchte ich Ihnen zukünftiges Frühjahr noch einmal sprechen. sonst diesen winder wenn sie auch nach G**** kämen, so könnte ich nicht dahin gehen, ich hoffe gewis das sie mich daß Frühjahr sprechen werden, anmit habe die Ehre zu Sein das ich

zeitlebens Ihre ergebenste

Dienerin bin

****

***berg
den 27. Dec.
1782.
Bartteniren sie mich jetzo noch ins Künftige will ich Viel schreiben.
8. Die Herleitung einer Krankheit
8.
Die Herleitung einer Krankheit.

Ein graduirter Arzt wurde von einem Mädchen wegen ihrer Gesundheitsumstände um Rath gefragt, und gab ihm folgenden Aufschluß über ihre Krankheit: »Mein Töchterchen, ihr Blut ist an der linken Seite ihres Körpers faul, danke sie Gott, [69] daß sie auf den Einfall gekommen ist, Hülfe bey mir zu suchen; ich will schon sorgen, daß sie nicht zu befürchten habe, es möchte auf der andern Seite auch faul werden, sondern daß sie ihre Gesundheit wieder erlange.« Das Mädchen verließ den Arzt, ihn fein verlachend, und suchte bey einem andern Hülfe.


Reichard, medic Wochenblatt, 1781. S. 190.

9. Der Durst bey einem hitzigen Fieber
9.
Der Durst bey einem hitzigen Fieber.

Ein Kranker, der an einem hitzigen Fieber darnieder lag, wurde von einem unerträglichen Durst geplagt. Die Aerzte, welche um das Krankenbette herumstanden, berathschlagten sich, was sie für ein schickliches Mittel finden könnten, um den Durst zu stillen. Nachdem sie mancherley in Vorschlag gebracht hatten, und sich über kein Mittel vereinigen konnten, unterbrach sie der Kranke: »sorgen sie nur erst dafür, meine Herrn, wie sie mir das Fieber wegschaffen, den Durst will ich hernach wohl selbst vertreiben.«

10. Die Arzney gegen das Fieber
10.
Die Arzney gegen das Fieber.

In Venedig bekam ein Deutscher das kalte Fieber. Nachdem er verschiedene Mittel vergeblich [70] gebraucht hatte, bekam er plötzlich heftiges Verlangen nach einer Erbsensuppe, und forderte sich eine von seinem Wirth. Dieser gab sie ihm auch ohne Bedenken, und ohne den Arzt gefragt zu haben. Das Fieber blieb nicht lange nach dem Genuß dieser Erbsensuppe weg. Als der Arzt die Wirkung dieses neuen Heilmittels vernommen hatte, merkte er sich folgende Worte in seinem Tagebuch an: Erbsensuppe ist ein vortrefliches Mittel gegen das kalte Fieber. Kurz darauf bekam ein Italiener auch das kalte Fieber, und der Arzt verordnete ihm nichts, als Erbsensuppe. Allein der Kranke starb bey dieser Kur. Der Arzt setzte daher bey seine obige Note: aber nur für einen Deutschen.

11. Das halbdreytägige Fieber
11.
Das halbdreytägige Fieber.

Ein Arzt hatte versprochen, gegen eine gewisse Summe Geldes jemanden das dreytägige Fieber zu heilen. Der Kranke befand sich während der Kur immer übler, so daß man am Ende sich genöthigt sah, einen andern Arzt herbeyzurufen. Dieser bewies, daß der vorige Arzt durch seine verkehrte Behandlung das Fieber aus einem dreytägigen in ein halbdreytägiges(hemitritaeus) verwandelt habe. Der erste foderte darauf die Helfte der ausbedungenen Summe, weil das Fieber schon halb durch ihn gehoben sey.

12. Die von zweyen behandelte schöne Frau
[71] 12.
Die von zweyen behandelte schöne Frau.

Marat, vormals Leibarzt des Grafen von Artois, nachher eine der Hauptpersonen bey der Französischen Revolution, wurde nebst Doctor Seiffert zu Madame Tournon, einer der schönsten und allgemein angebeteten Frauen von Paris, gerufen. »Wäre es nicht möglich, sagte Marat zu Seiffert, diese Dame zu retten? Ich weiß, sie verstehen sich am besten auf die Brüste, und ich mich am besten auf Leberkrankheiten. Behandeln sie die Brust, ich will die Leber vornehmen: vielleicht stellen wir sie auf diese Art wieder her.«

13. Entdeckung einer geheimgehaltenen Liebe
13.
Entdeckung einer geheimgehaltenen Liebe.

Antiochus, der Sohn des Seleukus Nikanor, Königs von Syrien, wurde krank und zehrte ganz ab, ohne daß er über Schmerzen klagte, und niemand konnte die Ursache seiner Krankheit entdecken. Sein Arzt Erasistratus, nachdem er lange auf mehrere Ursachen gerathen hatte, schloß endlich auf eine geheimgehaltene Liebe, von welcher ihm die blasse Farbe, die schwache Stimme, das erloschene Feuer der Augen und die häufigen Thränen ohne vorherige Ursache vorzüglich Zeichen zu [72] seyn schienen. Um seiner Vermuthung Gewißheit zu geben und den Grund der Sache zu entdecken, bediente er sich folgender List. Er ließ alle weibliche Personen, welche an dem Hofe des Königs waren, in das Zimmer kommen, und legte dabey seine Hand an das Herz des Kranken. Der Prinz blieb bey allen, welche hereintraten; ohne die geringste Veränderung in seinen Mienen. Als aber seine Stiefmutter hereintrat, veränderte er plötzlich die Farbe, und der Schweiß brach ihm aus; er fieng am ganzen Leibe zu zittern an, und das Herz pochte ihm außerordentlich.

14. Heilung des viertägigen Fiebers durch einen Schrecken
14.
Heilung des viertägigen Fiebers durch einen Schrecken.

Ein Italienischer Prinz hatte lange Zeit das viertägige Fieber gehabt, und konnte durch kein Arzneymittel davon befreyt werden, obgleich die größten Aerzte ihre Kunst an ihm versucht hatten. Sein Kammerdiener, welcher ihm äußerst ergeben war, und seine Wiederherstellung heiß wünschte, hatte gehört, daß ein plötzlicher Schrecken und Alteration einst ein Fieber augenblicklich weggenommen habe, und faßte daher den Entschluß, seinen Herrn auf eben diese Art davon zu befreyen. Er faßte den Vorsatz, nachdem er schon einige vergebliche Versuche gemacht hatte, den Prinzen, wenn er auf einem Fluß fahren würde, unversehens [73] in das Wasser zu stoßen, und Leute mit Kähnen in Bereitschaft zu halten, welche ihn sogleich herausziehen und an das Ufer bringen sollten. Er führte diesen Vorsatz wirklich aus, und der Erfolg befriedigte völlig seine Erwartungen: der Prinz wurde gerettet und an das Ufer getragen, und das Fieber blieb von dieser Stunde an ganz weg.


Allein diese Kur, so glücklich sie auch für den Prinzen ablief, hätte für den Kammerdiener beynahe den übelsten Erfolg gehabt. Denn dieser hatte, sobald er sein Wagestück vollendet hatte, sein Heil in der Flucht gesucht, und als er den glücklichen Ausgang vernahm, wendete er sich schriftlich an den Prinzen und betheuerte, daß ihn bloß die Sorge für seine Wiederherstellung zu diesem Schritt bewogen hätte. Der Prinz, welcher die vieljährigen treuen Dienste in Erwägung zog, und jetzt bey dem glücklichen Ausgang der vollkommensten Gesundheit genoß, konnte unmöglich auf seinen Diener den Verdacht der Verrätherey werfen; aber doch glaubte er, daß eine solche Handlung vor den Augen der Welt eine Strafe verdiente, und ließ daher seinem Diner den Proceß machen. Er betrieb ihn auch so eifrig, daß am Ende der Verbrecher zur Todesstrafe verurtheilt wurde. Er nahm völlig die Miene an, als ob er die Execution wollte vollziehen lassen; und nur am Tage vor der anberaumten Hinrichtung schenkte [74] er seinem treuen Diener nicht allein das Leben, sondern nahm ihn auch wieder in sein Haus auf, und gab ihm überdies ein ansehnliches Geschenk.

15. Die garstige Arzeney
15.
Die garstige Arzeney.

Einem Kranken wurde eine Arzney verordnet, welche äußerst ekelhaft einzunehmen war, und er konnte sich auf keine Weise entschließen, sie zu sich zu nehmen. Er goß sie vielmehr in seinen Nachtstuhl. Als der Arzt bald darauf seinen Besuch machte, so fieng er an, das, was sich in dem Nachtstuhl befand, zu besehen, und rief endlich mit der Miene von Ekel aus: pfuy, was das für garstiges Zeug ist, ich wünsche Ihnen Glück, daß sie es nicht mehr bey sich haben. »Da haben sie völlig recht, antwortete der Kranke, ich habe es auch aus dieser Ursache nicht zu mir genommen.«

16. Walter Shandy's medicinische Vorschriften für seinen Bruder Tobias Shandy
16.
Walter Shandy's medicinische Vorschriften für seinen Bruder Tobias Shandy, als er verlobt war.

Wird dein Esel vom Hafer gestochen, so mußt du dazu thun und erst ein paar Unzen Blut unter den Ohren lassen, nach Gewohnheit der alten [75] Scythen, welche durch dieses Mittel die unmäßigsten Anfälle von Begierden dämpften.


Avicenna ist nächst diesem dafür, den Theil mit Syrup von Helleborus zu bestreichen, und gehörige Ausleerungen und Reinigungen des Körpers zu gebrauchen, und zwar mit Recht, glaub' ich. Aber du mußt wenig oder gar kein Ziegenfleisch, noch von Rothwild essen, und dich aufs sorgfältigste, das heißt soviel du kannst, enthalten von allen Pfauen, Kranichen, Wassertäuchern und Wasserhühnern –


Was das Getränk betrifft, brauch ich dir nicht zu sagen, daß es die Infusion von Verbena und von dem Kraut Hanea seyn muß, wovon Aelian solche Wirkungen erzählt. Sollte sie aber dein Magen nicht vertragen können, so setze von Zeit zu Zeit damit aus, und nimm statt dessen Gurken, Melonen, Porzlak, Wasserlilien, Geißblatt und Lattich. – Für jetzt fällt mir nichts mehr für dich bey.

17. Die Furcht vor dem Blasenstein
17.
Die Furcht vor dem Blasenstein.

Ein Delinquent, welchen man zum Galgen führte, aß auf dem Wege noch mit Appetit, und schabte das an den Semmeln unten hängende Mehl [76] sorgfältig ab. Denn, sagte er, ich habe allezeit gehört, daß man davon leicht den Blasenstein bekommen kann.

18. Französische Franzosenkur
18.
Französische Franzosenkur.

Aus Baldingers neuem Magazin, B. II. St. 3. S. 286.


Einer Ziege Quecksilbereinreibungen zu machen, und mit der Milch venerische Kinder zu tränken, ist in Frankreich als etwas Großes angerühmt worden. In Deutschland bekommen die Ziegen vom Quecksilber die Maulsperre und fressen nicht mehr. Wir müßten uns also Französische Ziegen anschaffen.


B. macht hierbey folgende Anmerkung:


»Es ist zu verwundern, daß noch keiner unserer jetzigen Erfinder die analogische Entdeckung gemacht hat, Schweine mit der schleimichten Quecksilberauflösung zu füttern, um auf diese Weise eine lebendige Neapolitanische Salbe zu erhalten. Man bedürfte dann keiner Einreibung. Man könnte den Thieren auch ein wenig Terpenthin allenfalls nebenher geben.«


»In England werden die Kinder schon lange mit Brey von Sarsaparille gefüttert, und [77] Chinawurzel 1, die Vesalius sosehr in Ansehen gebracht hat, ist in ihrer Heimat das gewöhnliche Schweinefutter, wie bey uns die Kartoffeln.«

[78]
Fußnoten

1 Die Wurzeln der China und der Sarsaparille sind, in heißen Ländern vorzüglich, die bewährtesten Mittel gegen die Lustseuche.

19. Das eingenommene Recept
[78] 19.
Das eingenommene Recept.

Ein Bauer ließ sich bey einem Arzt für seine kranke Frau ein Recept geben. Er empfieng es mit der Ermahnung, »daß er dieses gebrauchen sollte.« Bald nachher kam er wieder zu dem Arzt und verlangte ein anderes Recept, welches jedoch nicht so schlimm einzunehmen sey. Denn, sagte er, das vorige konnte sie gar nicht hinunterbringen, sie mochte es kauen, so lange sie wollte. Dem Arzt kam es befremdend vor, daß seine Arzney so schlimm einzunehmen gewesen sey, und er vernahm bald bey einer wiederhohlten Nachfrage, daß der Bauer seine Frau das Recept in natura hatte nehmen lassen.

20. Der Doktor, welcher fährt, ist der beste
20.
Der Doktor, welcher fährt, ist der beste.

In einer ansehnlichen Stadt erkundigte sich einst ein Bauer nach einem guten Doktor, bey [78] welchem er sich Raths erholen könnte. Man nannte ihm einen. Er befand sich auf dem Wege, zu demselben hinzugehen, als ein Mann in einem sehr niedlichen Wagen daher gefahren kam, welcher seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er fragte, wer dieser Mann sey, und als er hörte, daß er ein Doktor sey, fragte er weiter, ob er denn derjenige sey, welchen man ihm zuerst genannt hatte. Allein er hörte einen andern Namen: er erkundigte sich nun, ob denn der andere Doktor auch in einem so schönen Wagen führe, und als er hörte, daß dieser stets zu Fuße seine Krankenbesuche mache, sagte er: »das ist mir lieb, daß ich das gehört habe, ich will jetzt zu dem gehen, welcher fährt, denn dieser muß gewiß der beste Doktor seyn.«

21. Die Arzney wohl umgeschüttelt zu nehmen
21.
Die Arzney wohl umgeschüttelt zu nehmen.

Ein Arzt gab einem Bauer, welcher ihm eine Krankheit seiner Frau vorgebracht hatte, ein Recept mit der Anweisung, »daß er es vorher wohl umschütteln sollte.« Nach einiger Zeit erschien der Bauer wieder und sagte, daß sich seine Frau noch gar nicht besser befände, das Umschütteln sey ihr allemal sehr übel bekommen, auch habe sie sich sehr dagegen gesträubt. Wie, fieng der Arzt an, ich will doch nicht hoffen, daß ihr eure Frau [79] werdet umgeschüttelt haben? Ja freylich, Herr Doktor, sagte der Bauer, er hat es ja so haben wollen, ich habe sie allemal bey dem Kopf genommen, und mein Sohn bey den Füßen, und so haben wir sie aus dem Bette gehoben und tüchtig umgeschüttelt.«

22. Arzney, die auf einmal genommen wurde
22.
Arzney, die auf einmal genommen wurde.

Eine Frau erhielt aus der Apotheke ein Glas voll Arzney, nebst der Verordnung, daß sie alle zwey Stunden einen Löffel voll davon einnehmen sollte. Sie glaubte, daß eine so geringe Portion unmöglich viel wirken könne, und entschloß sich daher, das Arzneyglas auf einmal auszuleeren. Sie wurde hierauf gesund. Als sie der Arzt wieder besuchte, erzählte sie ihm, daß sie gesund geworden sey, aber nicht nach seiner Vorschrift, sondern sie habe es besser gewußt, nämlich sie habe das ganze Glas voll auf einmal genommen. – Der Arzt half sich schnell durch eine List aus der Verlegenheit. »Das habe ich wohl gewußt, sagte er, daß sie davon gesund werden würden, allein das wollte ich nicht haben, daß sie so schnell wieder gesund werden sollten, denn mein eigner Vortheil leidet darunter, wenn ich allzugeschwind kurire.«

23. Auf dreymal zu nehmen
[80] 23.
Auf dreymal zu nehmen.

Einem Patienten wurde von seinem Arzt ein Brechmittel verordnet und dabey die Vorschrift gegeben, daß er es auf dreymal einnehmen sollte. Diejenigen, welche die Arzney abgeholt hatten, verstanden die Vorschrift verkehrt, zum größten Nachtheil, oder doch zum größten Leid des armen Kranken. Denn sie zwangen ihn, nachdem er auf das eingenommene Brechpulver sich einmal erbrochen hatte, das Weggebrochene noch einmal einzunehmen, und nachdem er auch dieses ausgebrochen hatte, mußte er es, Trotz aller Bitten und Gegenvorstellungen, noch einmal hinunterschlucken.

24. Frage, welches Recept das beste ist
24.
Frage, welches Recept das beste ist.

Ein Bauer kam in eine Stadt, um sich bey einem Arzt Raths zu erhohlen. Er erfuhr dort, daß zwey Aerzte in der Stadt seyen, und als er fragte, welcher von den beyden der beste sey? so erhielt er von niemanden eine befriedigende Antwort auf diese Frage. Er gieng deswegen zu jedem derselben, brachte seine Umstände vor und lies sich ein Recept verschreiben; hierauf gieng er zu dem Apotheker, gab diesem beyde Recepte und sagte, daß er ihm dasjenige, welches das beste sey, zurechte machen sollte.

25. Ein Affe kurirt ein Lungengeschwür
[81] 25.
Ein Affe kurirt ein Lungengeschwür.

Der reiche Cardinal Antonio Saliviani lag an einem Lungengeschwür tödlich krank darnieder, und ob er gleich vormals ein großer Freund von Scherz und Munterkeit gewesen war, so lag er doch jezt in traurigen Aussichten vertieft. Sein Affe, der ihn sonst durch seine Streiche und Lebhaftigkeit oft belustiget hatte, saß mit trauriger Gebehrde neben seinem Herrn ganz stille und sah ihn theilnehmend an. Da er nach dem Urtheil der Aerzte nicht mehr vier und zwanzig Stunden zu leben hatte, so machten sich die Bedienten diesen Zeitpunkt zu Nutze; sie trugen alle Sachen von Werth weg, deren sie nur habhaft werden konnten, und er mußte dieses alles mit Gelassenheit ansehen, weil er kein Wort reden konnte. Als der Affe sah, daß die Bedienten so viele Sachen wegschleppten, wollt er an seinem Theil auch nicht müsig sitzen, sondern hohlte den Cardinalshut aus dem Behälter hervor, drückte ihn mit beyden Händen in den Kopf und lief damit mit der poßierlichsten Gebehrde nach der Thüre zu. Als der Cardinal dieses sah, konnte er sich des Lachens nicht enthalten; er brach in ein so heftiges Gelächter aus, daß sein Geschwür davon aufbrach und er in kurzer Zeit genas.

26. Leo der X. besteigt durch seine Krankheit den päbstlichen Stuhl
[82] 26.
Leo der X. besteigt durch seine Krankheit den päbstlichen Stuhl.

Varillas anecdotes de Florence, liv. VI. S. 253, erzählt eine merkwürdige Anekdote von Leo X. welche auch in dem Buch, Ueber die Reformation. Berlin 1780, S. 157, zu lesen ist.


Der Cardinal Medicis 1 war kaum vor drey Monaten wieder nach Florenz zurückgekehrt, als er durch die Nachricht von dem Tode des Pabstes Julius II. genöthigt wurde, dasselbe zu verlassen und wieder nach Rom zu reisen. Er ließ sich dahin in einer Sänfte tragen, wegen eines Geschwürs, welches er an dem Gliede hatte, das die Schamhaftigkeit zu nennen verbietet. Er reiste auch aus dieser Ursache so langsam, daß das Leichenbegängniß des Pabstes bereits vorbey war, als er in Rom ankam. Das Conclave zur Wahl eines neuen Pabstes war schon eröfnet und man sah einem langen Zwist entgegen, weil die jungen und die alten Kardinäle auf einer gleichen Hartnäckigkeit bestunden und keine der beyden Parteyen der andern nachgeben wollte. Die Wahl eines neuen Oberhauptes würde sich also nicht so bald [83] bald geendigt haben, wenn die Cardinäle nicht durch eine sonderbare Begebenheit zu einer einstimmigen Wahl veranlaßt worden wären. Der Cardinal von Medicis hatte bisher seine Besuche, die er jede Nacht bey den Cardinälen seiner Partey ablegte, mit so außerordentlicher Anstrengung gemacht, daß seine Geschwüre wieder aufgebrochen waren, und dieses verursachte einen solchen Gestank, daß alle Zellen, welche sämtlich nur durch einen breternen Verschlag unterschieden waren, angefüllt wurden. Die alten Cardinäle, welche die Gegenparthey des Cardinals ausmachten, empfanden diese verdorbene Luft am heftigsten und erfuhren auch bald die Ursache des allgemeinen Gestanks. Sie zogen die Aerzte des Conclave bey diesen Umständen zu Rath, und erkundigten sich, wie es um die Leibesbeschaffenheit des Cardinals von Medicis stände? Diese, welche den Cardinal besucht hatten und mehr nach dem äußeren der Krankheit, als nach den übrigen Umständen und der sonstigen guten Constitution, vielleicht auch wohl durch Bestechungen verleitet, fällten das Urtheil, daß die Umstände des Cardinals so bedenklich seyn, daß er vielleicht keinen Monat mehr zu leben habe. Die alten Cardinäle glaubten nun, eine schickliche Gelegenheit gefunden zu haben, ihre Gegner zu überlisten und ihnen ein Vergnügen machen zu können, welches ihnen bald den größten Verdruß verursachen würde. Sie erklärten sich daher, daß sie endlich beschlossen hätten, [84] von ihren Vorsatz abzugehen, und unter der Bedingung, in die Wahl des Cardinals von Medicis einzuwilligen, daß man ihnen in einem künftigen Fall eine gleiche Nachgiebigkeit erwiese. Auf diese Art wurde der Cardinal zum Pabst erwählt, da er kaum fünf und dreyßig Jahr alt war, und kurz nach seiner Erhebung genas er völlig.


Jovius elog. virorum illustrium p. 193 erzählt dieselbe Geschichte, doch sagt er dabey nicht ausdrücklich, daß das Geschwür an dem männlichen Glied gewesen sey. Varillas ist übrigens ein bigotter Catholik.

[85]
Fußnoten

1 Johann von Medicis war der Name des nachmaligen Pabstes Leo X.

27. Uebersicht der Liebeskrankheiten
[85] 27.
Uebersicht der Liebeskrankheiten.
I. Stumme Sünden.

1. Onania.
2. Magnetismus.
3. Erotomania, wie Siegwart, Werther.
4. Paederastia.
5. Fellatores.
6. Sodomia.

II. Laute Sünden.

Fornicatio. (Hurerey) hierzu gehören gonorrhoea (Tripper), syphilis (venerische Seuche).

[85] III. Himmelschreyende Sünden.

Stuprum violentum, (Nothzüchtigung.)


1. Simplex.

2. Duplex, wenn zugleich Entjungferung geschieht.

3. Triplex, wenn außer der Entjungferung Schwangerschaft erfolgt.

4. Quadruplex, wenn außer der Nothzüchtigung, Entjungferung und Schwängerung noch venerische Ansteckung hinzukommt.


S. Typus nosologiae nov-antiquae de morbis amatoriis, in Baldinger's neuen Magazin, B. XI. St. 6.

28. Krankheiten von langen Predigten
28.
Krankheiten von langen Predigten.

In Erfurt wurde den 18. April 1778 eine Doktordisputation vertheidigt, de morbis ex concionatoribus prolixis et impetuosis metuendis, von einem gewissen Weygand.


Diese Schrift ist in zwey Kapitel abgetheilt. Das erste handelt von denen Krankheiten, welche den Predigern selbst, das zweyte von denen, welche den Zuhörern zustoßen können. Den letztern werde das lange Predigen schädlich, weil es die Luft verderbe, woher Ohnmachten entstehen. Vollblütige [86] Personen leiden dabey am meisten. Im Winter erfriere man. Viele Menschen, welche sich an eine pünktliche Diät gewöhnt hätten, würden von der Natur an ihre tägliche Ausleerung zu der gewohnten Stunde erinnert, welche sie bey einer langen Predigt zu großen Nachtheil ihrer Gesundheit bey sich behalten müßten. Auch Jungfern und alten Weibern schadeten die lange Predigten. Jene bekämen davon ihre Reinigung unordentlich. Besonders sey Schwangern das lange Predigen nicht zuträglich etc.

29. Subtile Untersuchung der Pest
29.
Subtile Untersuchung der Pest.

In des frommen Christian Friedrich Richter's, Arztes an dem Waisenhause zu Halle, Dissertation von der Pest werden folgende Fragen untersucht.


1) Ob Gott der Herr sich bey der Pest eben so betrage, als bey andern Krankheiten?
2) Ob die Pest eine ansteckende Krankheit sey?
3) Ob die Pest eine Krankheit der armen Leute sey?
4) Ob Gott der Herr bey der ersten Schöpfung auch die Pest erschaffen habe?
5) Oder ob er allemal von neuem eine Pestseuche erschaffe?
6) Ob der Lauf der Sterne etwas zur Pest beytrage?
7) Ob die Pest auch die Wiedergebohrnen befalle?
30. Die Arzney nach dem Tode
[87] 30.
Die Arzney nach dem Tode.

Desault, Oberwundarzt an dem Hotel Dieu zu Paris, erhielt Befehl von den Administratoren desselben, daß er das Hospital Sankt Louis, welches unter den Administratoren des Hotel Dieu steht, untersuchen sollte. Er kam an ein Krankenbett, in welchem mehrere Kranken lagen, und fand auf dem Gestelle des Bettes neun Gläser stehen, welche sämtlich mit einerley Arzney angefüllt waren. Wer von euch nimmt seine Medicin nicht? fragte Desault die Kranken, diese versicherten alle, daß keiner von ihnen Befehl bekommen habe, die Arzney zu gebrauchen. Der Oerwundarzt ließ den Krankenwärter herbeyrufen, welcher sich auf die bemerkte Zahl des Apothekers berufte, und dieser rechtfertigte sich wieder mit der Verordnung des Arztes, die er in seinen Büchern vorzeigte. Endlich fand es sich, daß der Doktor jeden Tag die Arzney für einen Kranken hatte wiederholen lassen, der bereits vor neun Tagen gestorben war.

5. Arzneymittellehre
1. Allerley Blumen-Wasser
1.
Allerley Blumen-Wasser.

Das sogenannte eau de mille fleurs, oder aqua florum omnium, allerley Blumen-Wasser, wird aus dem Kuhmist im Monat May verfertigt, weil man in diesem allerley Blumen concentrirt zu finden glaubt. Die Vorschrift zur Bereitung dieses Wassers ist in den meisten Apothekerbüchern zu finden: z.B. bey Triller.


»Nimm frischen Kühkoth, im Monat Junius gesammelt, 1 Pfund, thue ihn in einen leinen Sack, gieße 3 Pfund Brunnenwasser darüber, thue es in eine Retorte und destillire es bey gelindem Feuer, so daß du aus einem Pfund Koth 11/2 Pfund Wasser bekommst.«

2. Ein Mittel, die Blatternarben zu heilen
[89] 2.
Ein Mittel, die Blatternarben zu heilen.

Danielis Lipsii Rathschlag und Bericht, wie bey denen Kindern die anjetzo grassirenden Blattern, beneben den Masern zu erkennen und zu heilen. Erfurt, 1624. 4. S. 53.


»Es kann gebraucht werden, Allerley-Blumen-Wasser, (wird im May ex Fimo vaccino 1 destilliret) die Mähler und Narben oft damit gewaschen. Sodenn mit Menschenfeist beschmieret. Die alten Erzte haben insonderheit Eselfeist mit Rosenöl zerlassen, weil aber nit wohl zu bekommen, so ist Hennen- und Atzel-Fett auch gut. Füllen alle die Gruben und Narben aus.«

[90]
Fußnoten

1 aus Kuhmist.

3. Wider die schwere Noth beym Ausbruch der Blattern
[90] 3.

In dem eben genannten Buch, Rathschlag und Bericht Iusti Lipsii, befindet sich Seite 59 folgende Vorschrift.


Wider die schwere Noth beym Ausbruch der Blattern.


Innerlich kann und soll man gebrauchen und eingeben:

[90] Keyser Maximiliani I. Pulver.
Marggraff Albrechts Pulver.
D. Ioh. Pontani Pulverlein.
D. Ratzenbergers Pulverlein.
D. Starkens Pulverlein.
D. Hubeners Pulverlein.
D. Simlers Pulverlein.
D. Dornkeils Pulverlein.
Der Nürnberger Kinderpulver,
Der Augsburger Kinderpulver.
Pononien Wasser.
Hünerdarm Wasser.
Schwarz Kirschwasser.
Item D. Joh. Langen Kinderwasser.
4. Die Dreckapotheke
4.
Die Dreckapotheke.

Neuvermehrte Heilsame Dreck-Apotheke, wie nemlich mit Koth und Urin fast alle, ja auch die die schwerste, gifftigste Krankheiten, und bezauberte Schaden, vom Haupt bis zu den Füßen inn- und äußerlich glücklich curiret worden; durch und durch mit allerhand curieusen, so nütz- als ergetzlichen, Historien und Anmerkungen, auch andern feinen Denkwürdigkeiten, Abermals bewährt, und üm ein merkliches vermehrt und verbessert von Kristian Frantz Paullini. 1697. 8.


[91] Eine Probe aus der Vorrede mag genug seyn.


»Es wird ohne Zweifel mancher träge Bankbruder, und dünkelwitzige Stumpffhirn, abermals die Nase über meinem neu-vermehrten, heilsamen, und so schleunig abgegangnem, auch ernstlich wieder verlangten Dreck rümpfen, dessen Muthwillen ich zwar nicht hemmen kann. Ein Weiser erinnerte sich hiebey, wie er aus Leimen gemacht sey und darum billich alles für Dreck achten sollte, und sein Fleisch üm und üm würmicht und koticht, er selbst Thon, und eitel schändlicher Koth, oder, daß ich etwas höflicher rede, Erde und Asche sey, auf daß er Christum gewinne, und stetz mit Hiob sagen: Gedenke doch, daß du mich aus Leimen gemacht hast, und wirst mich wieder zu Erden machen. Wir sind Thon, du aber bist unser Töpfer, und wir sind alle deiner Hände Werk. Darum errette mich aus dem Koth, daß ich nicht versinke, daß ich errettet werde von meinen Hassern. Unsere erste Herberg, darinn wir unter mütterlichen Herzen neun Monat lang eingekerkert liegen, ist traun sehr schmutzig, zwischen Koth und Urin. Mein Körper ist Dreck, und eben darum habe ich so dreckichte, unflätige, wohllüsternde Gedanken, sagt der fromme Burgunder und Abt zu Clarevall, Bernard. Und wenn ich mich gleich mit Wasser wüsche, so wirst du mich doch im Koth dunken. [92] Wenn in Engelland sich einer eine Spanne höher dünkt, als der andere, titulirt man ihn Lord. Die Dänen aber verdollmetschen das Wort in ihrer Sprache Dreck. Ist gar wohl getroffen. Denn ein Lord ein Lord. Wir stammen alle von Koth und Leimen her, sowohl die, so sich in Purpur, als groben Leinwand hüllen. Zur Erinnerung dieser dreckigten Herkunft und unflätiger Heymat, hat mir beliebt, die theuren Schätze und merkwürdige Geheimnisse des Koths etwas tiefer zu untersuchen, und die längst versprochne, auch nochmals verlangte, neu vermehrte, und von vielen groben Truckfehlern gesauberte Dreck-Apotheke abermals dir zu schenken. So lang wir Dreck haben, haben wir auch Brot. Dünge deinen Acker nicht, und harre denn auf reiche Erndte etc.«

»Als die höchstgebenedeyte Dreyeinigkeit ihr größtes Kunst- und Meisterstück, den Menschen, bilden wollte, brauchte sie Koth und Erde. Und siehe da, es war sehr gut. Fürsten und Herrn gehen mit nichts liebers, als gelbem Dreck um. Wer ihnen den am meisten zuschantzen kann, ist ihr lieber Getreuer, der Höchste am Bret. Auf diesen Dreck prägen sie ihre Bilder, wir heben solche auf, stutzen damit, und hängen sie gar an Hals. Ohrendreck auf eine glüende göldene Müntz geschmiert, vermehrt ihr Gewicht merklich. Streuen wir nicht Dreck, Puder wollte ich sagen, [93] in die Haare, und schwäntzen so einher? O du dreckigter Hochmut!«


»Sey nimmer müßig: Hör, und schaue Gottes Wunder
Sind auch im kleinsten Dreck. Ein' jede Creatur
Ist dessen Güte Pfand, und seiner Liebe Zunder,
Im Koth und im Urin liegt Gott und die Natur.
Kuhfladen können dir weit mehr als Bisam nützen,
der bloße Gänsedreck geht Mosch und Ambra für.
Was Schätze hast du oft im Kehrich und Mistpfützen,
Der beste Theriak liegt draussen vor der Thür.
Wie schön riecht der Profit!« u.s.f.
5. Zubereitete menschliche Nachgeburt
5.
Zubereitete menschliche Nachgeburt.

S. das Wirtembergische Apothekerbuch, Dale's Pharmakologie, Triller's Dispensatorium u.a.m.


»Man nehme einen Mutterkuchen, ziehe die Häute und den Nabelstrang davon ab, reinige und wasche ihn in einer genugsamen Menge guten Weins, schneide ihn sodann in Stücke und trockne sie langsam. Bewahre sie an einem lauwarmen Ort.«


Der Nutzen ist, daß sie, in Pulver gegeben, die Kröpfe vertreiben, auch werden sie gegen die [94] fallende Sucht empfohlen und zu Liebestränken gebraucht. Ihr größter Nutzen ist aber bey einer schweren Geburt. Die Dose ist ein Scrupel bis ein halbes Quentlein.

6. Ein sonderbares Augenwasser
6.
Ein sonderbares Augenwasser.

Diodor von Sicilien erzählt, daß ein König von Aegypten, welcher zehn Jahre blind gewesen war, vom Orakel den Rath bekommen hätte, daß er seine Augen mit dem Urin einer Frau, welche die Treue gegen ihren Mann niemals gebrochen hätte, waschen sollte, um sein Gesicht wieder zu erlangen. Er gebrauchte zuerst den Urin seiner Gemahlin, darauf von allen seinen Hofleuten und von vielen Weibern seiner Residenzstadt. Allein keiner von allen verschaffte ihm sein Gesicht wieder. Endlich hatte der Urin einer armen Gärtnersfrau für ihn die gewünschte Wirkung, die er so lange vergeblich gesucht hatte. Er ließ alle Weiber, deren Untreue er auf diese Weise erprobt hatte, umbringen, und nahm die Gärtnerin zur Gemahlin.

7. Die Gefahr durch den Cremor Tartari
7.
Die Gefahr durch den Cremor Tartari 1.

In der Schlacht bey Wilna 1658 war unter andern auch der Litthauische Feldmarschall [95] Gosiewitz in Rußische Gefangenschaft gerathen. Man bewachte ihn streng auf einem Schloß, und als er kränklich wurde, erhielt er auf sein Bitten einen Arzt, einen Italiener, der in den Diensten des Zaars war. Als dieser den Kranken besuchte, fand er ihn auf dem Hofplatze, wohin er, um frische Luft zu schöpfen gegangen war. Beyde unterhielten sich im Herumgehen mit einander, so daß der wachthabende Officier ihr ganzes Gespräch mit anhören konnte. Sie sprachen von der Krankheit des Feldmarschalls, und der Arzt empfahl ihm unter andern Mitteln den Cremor Tartari besonders, und rühmte die herrliche Wirkungen desselben in ähnlichen Fällen, die er öfters erprobt hatte. Der Officier gieng sogleich zu einem Minister und hinterbrachte es ihm als etwas sehr bedenkliches, daß der Gefangene und der Arzt sehr viel von den Crimmischen Tartarn miteinander geredet hätten. – Unglücklicher Weise hatte der Minister Tags vorher Nachricht von Feindseligkeiten erhalten, welche die Tartarn an den Grenzen ausgeübt hatten. Es wurde deswegen die strengste Untersuchung wegen der Unterredung bey der vorgenommen, und der Minister machte dem Arzt wegen seiner Treulosigkeit die bittersten Vorwürfe. Dieser konnte sich anfangs seines Gespräches mit dem gefangenen Polen nicht mehr entsinnen, bald aber fiel es ihm bey und die Sache wurde ihm klar, daß sie ein lächerlicher Misverstand gewesen sey. Er überzeugte den Minister, [96] aber nur mit vieler Mühe, daß keinesweges von den Crimmischen Tartarn, sondern von einem sehr unschuldigen Heilmittel die Rede gewesen sey.

[97]
Fußnoten

1 Mayenbergii iter in Moschoviam. p. 47.

8. Besondre Eigenschaft der peruvianischen Rinde
[97] 8.
Besondre Eigenschaft der peruvianischen Rinde.

»Was erwarten sie hier von der Rinde für eine Wirkung?« fragte in einer medicinischen Conferenz ein Arzt seinen Amtsbruder, welcher mitten in einem hitzigen Rheumatismus China gegeben hatte.


Ihr Aether, war seine Antwort, wird die scharfe Krankheitsmaterie durch die Ausdünstung zerstreuen und das Blut, gleich der fixen Luft, gegen die Fäulniß balsamiren.

9. Ein gutes Mittel zu Stillung der Blutflüsse
9.
Ein gutes Mittel zu Stillung der Blutflüsse.

(Aus Fabricii Hild. obs. 73.)


Von dem Säw-Kath, vnd dessen Nutzen im Schweissen.


»Daß das Schweissen der allergefährlichste Zufall sey, kan der Leser auß der vorhergehenden [97] Observation leichtlich schliessen. Ist also Vonnöthen, daß ein Wund-Artzt mit den besten vnd bewehrlichsten Mitteln darfür versehen seye. Aber es ist an denselben allein nicht genug, wann man nicht allen Fleiß zugleich anwendet wie derselbe recht zugebrauchen. Etliche erheben den Säwkath vnder den geheimen Artzneyen zum Blutstellen. Vnder welchen war Christophorus Landreus ein französischer Medicus in seinem Buch das er Oecoiatriam oder Haußbuch nennet. Er nimmt aber deß Säwkaths, vnd deß von dem Kranken entgangenen Bluts jedes gleichviel, vermischet es vnder einander vnd röst es in einer Pfannen in Butter, vnd gibt es dem Kranken zu essen.«


»Daß aber dieses Mittel, ob es gleich Herrn Christophoro Landreo, wie er selbsten erzehlet, nach Wunsch angeschlagen, jedoch nicht allezeit in so hochgefährlichem Zufall, welcher kein Verweilen oder langes Auffschieben leidet, sicher seye, das hab ich vor diesem bey meinem Stieff-Vatter Petro Cranzio, seeliger Gedächtnuß, gesehen. Welchem ob man gleich diese mit Bescheidenheit dreckete Artzney eingegeben, vnd von aussen gebraucht, so hat es doch wenig gefehlt, daß er wegen gar zu starcken Nasenschweisses die Schuld der Natur bezahlt. Vnderdessen weil die Vmstehenden einen Glauben an diese Artzney hatten, vnd auff die erwünschte Würckung vnd Hülff gewartet, so hat er so viel Bluts verlohren, daß ob er gleich [98] noch jung vnd starck, er doch eine übele Leibs-Beschaffenheit bekommen, vnd hernacher ein elendes Leben geführet, vnd zugebracht, biß er endlich wegen Ringerung der angebohrnen Wärme vnd Verzehrung der Natürlichen Feuchtigkeit gantz außgemärgelt, sein Leben beschlossen.

10. Ein Laxiermittel, das nicht für alle Stände paßt
10.
Ein Laxiermittel, das nicht für alle Stände paßt.

Ein Bauer im Pusterthal gab sich mit Kuriren ab, und hatte ein sehr heftiges Laxiermittel, welches er gegen gute Bezahlung häufig an den Mann brachte, denn es griff sehr heftig an. Sein erster Kundmann war ein Schmid, ein Kerl von starker Leibesbeschaffenheit. Dieser gebrauchte die Arzney und befand sich wohl dabey. Der zweyte war ein Schuster, welchem durch die Heftigkeit des Mittels seine Gesundheit so sehr geschwächt wurde, daß er seit der Zeit immer kränkelte. Der Dritte war ein Schneider, welcher zwey Stunden nach eingenommenen Laxiermittel starb. Der Bauer pflegte über seine Kuren ein Tagebuch zu führen, und merkte sich daher folgendes an: ein Laxiermittel, gut für einen Schmid, mittelmäßig für einen Schuster, schlecht für einen Schneider.

11. Ein sicheres Mittel zur Heilung der Muttermäler
[99] 11.
Ein sicheres Mittel zur Heilung der Muttermäler.

In Hafenreffers nosodochium cutis S. 57 findet sich in dem Capitel von Flecken und Muttermälern am Ende folgender Abschnitt.


Kur. Warum die Nachgeburt die Muttermäler wegnimmt?


»Ob man gleich ein Muttermal gewöhnlich für unheilbar hält, so weiß ich doch aus öfterer Erfahrung, daß man mit der Nachgeburt, wenn sie noch warm ist, diese Mäler abwischen kann, und daß sie öfters davon weggegangen sind. Die Sache hat ihren natürlichen Grund. Denn dasjenige Blut, woraus das Kind entstanden ist, hat auch die Kraft es zu reinigen: und diese Kraft ist um soviel gewisser, wenn man die Mäler ganz heimlich damit abwischet und kein Wort dabey redet (ohn beschriehen). Die Ursache dieser Erscheinung, daß man nichts dabey reden darf, überlasse ich andern zu untersuchen. Sind die Mäler roth und erhaben, so kann man sie nicht nur mit der Nachgeburt wegwischen, sondern man kann sie auch öfters mit dem Blut der monatlichen Reinigung salben.«

6. Chirurgie
1. Die chirurgia curtorum
1.
Die chirurgia curtorum 1.

Tagliacoti, ein Italienischer Wundarzt, erfand eine Methode, wie man abgehauene und verlohrne Glieder des menschlichen Körpers durch Ansetzung von fleischichten und häutigen Theilen anderer Körper wieder ersetzen könnte. Unter andern erzählt man eine Geschichte, wie er einem Edelmann seine Nase, welche durch einen Hieb verlohren gegangen war, wieder ergänzt hatte. Er brachte einen armen Mann durch eine große Summe Geldes und durch Versprechungen dahin, daß er einen Theil seines Hintern zu dieser chirurgischen Operation hergab. Er machte in diesen kleine Einschnitte und den Rest der verlohrnen Nase schnitt er ebenfalls ein, so daß beyde Theile wund[101] wurden. Hierauf mußte der Edelmann sein Gesicht in den also zubereiteten Theil des Hintern stecken und in dieser äußerst unbequemen Stellung einige Wochen ausharren, bis daß der Rest seiner Nase völlig angewachsen war. Alsdann schnitt der Wundarzt die ganze Nase aus dem Hintertheil des Andern heraus und gab ihr durch sein Messer die Form einer neuen und zierlichen Nase. Sie verheilte bald ganz, und das Glied war so schön und unversehrt, als man sich nur eine Nase wünschen mochte.


Diese Erzählung, so abentheuerlich sie auch lautet, hat durch die Zeugnisse von Schriftstellern, welche Augenzeugen waren und von den Unternehmungen dieses Wundarztes reden, einige Glaubwürdigkeit. Allein der Ausgang, welchen Tagliacoti in seinem Buche erzählt, ist eben so wunderbar, als er die ganze Geschichte unglaubhaft macht. Nämlich der arme Mann, dessen Eigenthum vorher die Nase des Reichen gewesen war, starb einige Jahre nachher, und sobald dessen Körper in die Verwesung übergieng, verschwand auch die angesetzte Nase und fiel ab.

[102]
Fußnoten

1 Antheilung der verstümmelten Glieder.

2. Die künstlich angesetzten Finger
[102] 2.
Die künstlich angesetzten Finger.

Garengeot, ein Französischer Wundarzt, erzählt, daß sich einst zwey Leute auf der Straße [102] veruneinigt hätten, daß der eine dem andern im Handgemenge zwey Finger abgebissen und sie darauf mit Füßen getreten hätte. Er sey einige Stunden darauf hinzugerufen worden, und habe sogleich die beyden Finger aus dem Koth von der Straße wieder hervorgesucht. Er habe sie abgewaschen, künstlich angesetzt, und bald seyen diese Glieder völlig verwachsen und hätten ihre vorige Brauchbarkeit wieder erlangt.

3. Der ohne Schaden gebrochene Hals
3.
Der ohne Schaden gebrochene Hals.

Der fromme Abälard erzählt von sich selbst, in seiner bekannten epistola calamitatum, daß er einst vom Pferde gefallen sey und den Hals gebrochen habe, ohne jedoch großen Schaden zu nehmen:


de nostra lapsum equitatura, manus Domini vehementer collisit, colli mei canalem confringens.


(ich fiel von meinem Pferde, und die Hand des Herrn strafte mich hart, indem sie die Säule meines Halses entzweybrach.)

4. Die gefährliche Wunde
4.
Die gefährliche Wunde.

Ein Wundarzt wurde zu einem Menschen gerufen, der eine Wunde empfangen hatte. Als er [103] sie besah, sagte er, »wie gut ist es, daß ich dazu gekommen bin!« Bestürzt rufte der Andere: ist es denn so gefährlich? »Das nicht, war die Antwort, aber, wenn ich nicht dazu gekommen wäre, so würde es von selbst geheilt seyn.«

5. Die Verwundung am unrechten Fuß
5.
Die Verwundung am unrechten Fuß.

Ein Student kam von einem Duell zurück und ließ, da er sich verwundet glaubte, eiligst einen Wundarzt rufen. Als dieser erschien, reichte er ihm den einen Fuß hin und sagte, »ziehe er mir den Stiefel aus, da wird die Wunde seyn.« Es geschah: da aber der Wundarzt nirgends eine Verletzung finden konnte, äußerte er seine Verwunderung darüber. Nun, so ziehe er mir den andern Stiefel aus, sagte der Student, vielleicht findet es sich an diesen.

6. Der herausgezogene Splitter
6.
Der herausgezogene Splitter.

Eine Frau hatte sich einen Splitter hinten in den Fuß gestoßen. Ein Wundarzt wurde herzugerufen, um ihn herauszuziehen, allein er suchte lange Zeit vergeblich. Während des langen mühsamen Suchens und der unbequemen Lage, ließ die Frau einen Wind streichen. Gottlob, sagte der [104] Wundarzt, der war heraus! Hierauf antwortete die Frau: so kaue er ihn und lege ihn darauf. Sie glaubte, es sey von dem Splitter die Rede.

7. Der alte Schaden
7.
Der alte Schaden.

Ein Wundarzt wurde zu einer Frau gerufen, welche mit dem bloßen Hintern gegen einen heißen Ofen gefallen war und sich stark verbrannt hatte, so daß alle Figuren des Ofens nebst der Jahrzahl an der Stelle zu sehen waren. Er besichtigte den Ort, und als er die Jahrzahl 1700 erblickte, rufte er erschrocken aus, das ist gar ein alter Schaden, da werde ich wenig ausrichten können.

8. Eine künstlich ersetzte Nase
8.
Eine künstlich ersetzte Nase.

Einem Officier wurde im Duell die Nase ganz weggehauen. Der Feldscheer, dem er sich anvertraut hatte, bedeckte die Wunde beständig mit Salben und Pflastern, und als hierauf viel wildes Fleisch zum Vorschein kam, freuete er sich darüber und beförderte es auf alle Weise, anstatt es zu verhindern. Endlich beschnitt er mit seinem Messer das wilde Fleisch gar zierlich und gab ihm die Gestalt einer Nase, und glaubte auf diese leichte Art das Glied sehr wohl ersetzt zu haben. – Daß der Erfolg der Kur der Erwartung nicht entsprach, [105] und daß der Feldscheer am Ende weggejagt wurde, ist leicht zu erachten.

9. Merkwürdige Luxation
9.
Merkwürdige Luxation.

Ein Praktikus erzählte in einer ansehnlichen Gesellschaft, daß ihm unlängst durch einen Fehltritt die Kniescheibe bis in die Mitte des Schenkels hinaufgefahren sey, allein durch schleunige Anwendung eines guten Handgriffs und vermittelst seiner Kenntnis von der Lage der Theile, habe er sie sogleich wieder eingerichtet, und alle böse Folgen dieses Uebels in der Geburt erstickt.

10. Operation einer Thränenfistel
10.
Operation einer Thränenfistel.

Ein Wundarzt, welcher sich jedoch mehr mit dem Bartscheeren, als mit der Wundarzneykunst beschäftigte, erzählte einst eine von ihm unternommene Operation. Es sey ihm eine Thränenfistel vorgekommen, welche er operirt habe, und er habe sich dabey genöthigt gesehen, die ganze glandula lacrymalis herauszuschälen. Die Kur sey sehr gut abgelaufen und der Patient sey völlig wieder hergestellt worden, nur habe er die Inkommodität behalten, daß ihm öfters Thränen aus den Augen geträufelt wären.

[106] Eben so gut hätte der Operateur, nachdem man ihm seine Zunge herausgeschält hätte, seine gemachte Operationen vorperoriren können.

11. Mehrere Arten Zähne auszubrechen
11.
Mehrere Arten Zähne auszubrechen.

Ein Zahnarzt wollte jemanden die Kunst lehren, sich den Zahn selbst auszuziehen. Er band deswegen den schadhaften Zahn seines Schülers an einen Ambos, nahm hierauf eine glüende Zange und wollte mit derselben, wie er sagte, den Zahn anfassen. Der Kranke erschrack hierüber so heftig, daß er zurücksprang und sich dadurch den Zahn selbst auszog.


Ein anderer band den Zahn an einen Polzen, und legte ihn auf eine Armbrust, und so wie er losdrückte, fuhr der Zahn leicht heraus.


Ein dritter zog mit seinem Degen den Zahn heraus. Er brachte nämlich mit vieler Geschwindigkeit einen Pelikan 1 nebst dem Degen an den Zahn und zog ihn auf diese Art heraus. Diese letztere Art gefiel den Bauern auf einem Jahrmarkt am meisten, und sie kamen haufenweise herzu, um sich mit dem Degen die Zähne ausnehmen zu lassen.

[107]
Fußnoten

1 Ein Zahninstrument.

12. Heilung der Verrenkungen durch eine Zauberformel
[108] 12.
Heilung der Verrenkungen durch eine Zauberformel.

Der alte Cato, welcher ein großer Freund von Hausmitteln und von sympathetischen Kuren war, empfiehlt mit dem größten Ernste folgende Beschwörungsformel zur Einrichtung verrenkter Glieder 1.


»Wenn ein Glied verrenkt worden ist, so heile es mit folgender Beschwörung. Nimm einen Staab und fange an, folgende Formel herzusagen; sanitas. fracto. motas. vanta. daries. derdaries. astatataries. Dieses wiederhole auf gleiche Art, bis daß die Glieder zusammengehen. Oder auch also: huat. henat. huat. ista. pista. sista. domiabo. damnaustra. et luxato. Oder auch wohl so: huat. haut. haut. ista. sis. tar. sisardanabon. damnaustra.«

[108]
Fußnoten

1 De re rustica, cap. 160.

13. Der gefällige Wundarzt
[108] 13.
Der gefällige Wundarzt.

Wundarzt.

Wo hat sie denn nun zum letztenmal gelassen, Frau Muhme?

Fr. Muhme.

Am linken Fuß.

[108] Wundarzt.

So müssen wir diesesmal am rechten lassen.

Fr. Muhme.

Ich habe zeither immer so eine Empfindung darinnen gehabt –

Wundarzt.

Ey, da gratulire ich ihr, Frau Muhme, das bedeutet einen Jungen. Aber wir müssen bey den Umständen doch zur Ader lassen, wir wollen lieber noch einmal den linken nehmen?


Fr. Muhme.

Es ist mir an beyden bedenklich. Wie wenn wir zur Hälfte am linken, und zur Hälfte am rechten ließen?


Wundarzt.

Ich bin von Herzen dazu bereit.

Fr. Muhme.

Oder wollen wir's lieber noch anstehn lassen?

Wundarzt.

Ich bin es auch zufrieden. Aber man läßt doch immer gern so um diese Zeit.

Fr. Muhme.

Oder, weiß er was, wir wollen lieber den Arm nehmen.

Wundarzt.

Auch recht gut! Man wills ohnedem in manchen Umständen am Arm für besser halten.

Fr. Muhme.

Den rechten Arm kann ich nur keine Stunde entbehren.

[109] Wundarzt.

So müssen wir den linken nehmen.

Fr. Muhme.

Da hab' ich schon einmal dran gelassen. Aber es ist mir übel bekommen. Vierzehn Tage darauf bekam ich ein Gallenfieber.


Wundarzt.

So ist ja immer noch der rechte Arm da.

Fr. Muhme.

Ach, ich glaube, ich kann das Lassen am Arm überhaupt nicht recht vertragen.

Wundarzt.

Ja, das ist freylich auch immer, wie's ist.

Fr. Muhme.

Am Ende müssen wir denn doch wohl bey dem rechten Fuß bleiben.

Wundarzt.

Ja, das wollt' ich ihr auch wohl rathen, Frau Gevatterin.
14. Eine neue Art, die Kugeln auszuziehen
14.
Eine neue Art, die Kugeln auszuziehen.

Ein Mann war auf der Jagd aus Unvorsichtigkeit geschossen worden, und hatte viele Schrotkörner in dem Fuß stecken. Der Wundarzt, der ihn zu behandeln hatte, verursachte ihm durch sein ungeschicktes Herausbohren der Bleykügelchen unsägliche Schmerzen, so daß er es am Ende einmal [110] für allemal betheuerte, er würde es niemals zugeben, daß man ihm wieder eine Kugel herausbohrte. Der Wundarzt stand lange Zeit nachdenkend da, endlich brach er aus, es sey gar nicht nöthig, daß man die Kugeln herausschnitte, sondern es falle ihm jetzt ein sehr leichtes Mittel bey. Nämlich wenn man ein Zugpflaster von spanischen Fliegen auf die Wunde legte, so würde dieses bald alle Schrotkörner herausziehen.

15. Die Consultation des kalten Brandes
15.
Die Consultation des kalten Brandes.

König August I. von Pohlen hatte an der großen Zehe des rechten Fußes schon viel ausgestanden, und die Kunst seiner Aerzte und Wundärzte scheiterte an der Heilung derselben. Die Stelle wurde zuletzt so schlimm, daß in einer allgemeinen Berathschlagung der Leibärzte der Schluß gefaßt wurde, für jetzt nichts daran vorzunehmen, sondern man wollte den berühmten Wundarzt Petit von Paris kommen lassen, damit dieser durch seine große Kenntnisse einen Weg zur Heilung sagen, oder doch durch sein Ansehen alle Vorwürfe, die man hätte auffinden können, entfernen sollte. Petit erschien, so eilig, als es die große Entfernung von Paris bis auf das Schloß, das bey Warschau lag, erlaubte, nach einer Frist von zwölf Tagen. [111] Bey seiner Ankunft wurde sogleich eine Versammlung der Aerzte und Wundärzte gehalten, und man legte ihm den Fall mit allen Umständen vor, so wie er vor 12 Tagen, ehe man ihn hatte rufen lassen, gewesen war. Petit erkannte sogleich aus allen Kennzeichen, daß der kalte Brand an der Zehe sey, und er sagte, daß der König blos durch ein Wunderwerk die zwölf Tage hindurch hätte am Leben bleiben können. Die ganze Versammlung verfügte sich nun in das Krankenzimmer, und der erste Leibarzt bekam den Auftrag, den Verband abzunehmen. Allein, wie erschrack dieser, als er sah, daß der König keine Zehe mehr hatte, sondern daß sie abgenommen war. Alle waren in der größten Bestürzung, als der König selbst sie mit Lächeln davon befreyte, er zeigte auf seinen Kammerdiener, welcher ihm im Schlafe nach einer guten Gabe von Mohnsaft diesen wichtigen treuen Dienst geleistet hätte. Petit umarmte hierauf den Kammerdiener (der wackere Mann hieß Weisse), und rufte aus, daß diesem allein der König die Erhaltung seines Lebens zu danken hätte.

16. Eine leichte Amputation
16.
Eine leichte Amputation.

Bey einem Aufruhr zu Paris wurden viele Verwundete in das Hotel-Dieu gebracht, und Desault nahm die nöthigen Operationen öffentlich an ihnen vor. Es kamen dabey, wie Augenzeugen [112] versichern, Verwundungen vor, wie man sie seit hundert Jahren nicht im Hotel-Dieu gesehen hatte. Unter andern wurde einem Betrunkenen sein zerschmetterter Arm aus dem Schultergelenk abgelöset, welcher während der ganzen Operation ruhig schlief. Am folgenden Tag suchte er überall im Bette seinen Arm und erhob einen großen Lermen deswegen. Er konnte sich weder der erhaltenen Wunde, noch seines jetzigen Aufenthalts, noch der Amputation entsinnen, sondern wußte nur so viel, daß er wacker gezecht hatte.

17. Eine sehr mißliche Operation
17.
Eine sehr mißliche Operation.

Ein deutscher Wundarzt wurde von dem Zaar in Asiatischer Kleidung an eine Sultanin geschickt, um die krebshafte Brust, welche sie hatte, zu untersuchen. Der eifersüchtige Sultan wollte sich lange nicht hierzu verstehen, endlich gab er es aber zu, daß es in seiner Gegenwart geschehen sollte. Er lies den Wundarzt von Verschnittenen mit bloßen Säbeln umgeben, und in dem Augenblick, da er die Brust befühlte, fuhr ihm der Sultan hastig an die Beinkleider, und schwur, daß er ihn in Stücke würde hauen lassen, wenn er fände, daß er unkeusche Begierden habe.

18. Die Operation, welche Heister nicht lehrte
[113] 18.
Die Operation, welche Heister nicht lehrte.

Als Heister auf dem Todbette lag, versammelten sich seine Collegen und seine Schüler um sein Lager und berathschlagten sich, ob kein Mittel mehr zu finden sey, den Kranken zu retten. Unter andern Dingen wurde auch beschlossen, ihm ein Clystier zu geben. Der Wurdarzt wollte aus Höflichkeit die Application einem der Studenten überlassen, und foderte den ältesten derselben auf, daß er seinem Lehrer diesen Dienst erweisen möchte. Dieser stand lange unschlüßig da, und alle sahen die Verlegenheit deutlich auf seinem Gesichte. Endlich brach er aus,


hanc ego operationem nunquam a celeberrimo Heistero vidi. (diese Operation habe ich niemals von dem berühmten Heister gesehen.)

19. Einrichtung eines verrenkten Arms
19.
Einrichtung eines verrenkten Arms.

Einem jungen Menschen war der Arm aus dem Schultergelenk ausgewichen, und er wurde ihm, auf den Rath der zusammenberufenen Verwandten, auf folgende Art wieder eingerichtet. Er mußte sich auf einen Stuhl stellen und seinen Arm über die Stubenthüre, welche geöfnet war, hinhalten; [114] hierauf zogen zwey starke Männer an seiner Hand auf einmal unterwärts, und der Arm trat glücklich auf diese Art in das Gelenk zurück. – Eine weit natürlichere Folge wäre gewesen, daß der Arm zerbrochen wurde.

20. Die erste Aderlaß hilft gegen den Tod
20.
Die erste Aderlaß hilft gegen den Tod.

Es ist ein Vorurtheil des gemeinen Haufens, daß die erste Aderlaß bey einem gefährlichen Zeitpunkt ein schleuniges Rettungsmittel gegen den Tod sey. Ein Delinquent, welcher zum Galgen geführt wurde, bat den Scharfrichter, daß man ihm eine Ader öfnen möchte: Denn er hätte immer gehört, daß die erste Aderlaß gegen den Tod helfe.

21. Muster einer Französischen chirurgischen Consultation
21.
Muster einer Französischen chirurgischen Consultation.

Der durch seine Reisebeschreibung rühmlich bekannte Marchese Malaspina von Pavia nahm auf seiner Reise wegen einer chronischen Augenentzündung seine Zuflucht zu dem bekannten Louis in Paris und begehrte seine Hülfe. Dieser fand die Krankheit so wichtig, daß er versicherte, ohne die Zuziehung anderer Männer von Einsicht und Erfahrung [115] nichts unternehmen zu können. Der Marquis war dazu bereit. Louis erschien hierauf an dem festgesetzten Tage in dem Zimmer des Marquis mit dreyen seiner Amtsbrüder. Die Steifigkeit und das komische Ansehen der Schwarzröcke und Zipfelperuken und die gelehrte Miene der Doktoren übertraff sogleich alle Erwartungen des Marquis, so daß er sich des Lachens kaum enthalten konnte. Louis eröfnete mit großem Ernst die Consultation, und nachdem sie sich sämtlich um den Marquis herumgesetzt hatten, wendete er sich auf die rechte Seite zu seinem Nachbar, mit folgenden Worten,

Monsieur, ie lui conseille la scarification de ses yeux.

Sein Nachbar versetzte hierauf, Monsieur, ie ne saurai rien aiouter à Vos sages conseils.

Der dritte sagte hierauf mit vielem Anstand, Vous aves touché la verité autant qu'il est posibles à l'homme, de la toucher.

Zuletzt stand der jüngste auf, machte eine langsame Verbeugung gegen seine Collegen und beschloß die Berathschlagung mit den Worten, Messieurs, vous etes mes maitres.

Und hiermit war die ganze Consultation zu Ende.

7. Geburtshülfe
1. Der Durchmesser des weiblichen Beckens
1.
Der Durchmesser des weiblichen Beckens.

Wöchentliche Unterhaltungen über die Chrakteristik der Menschheit. Erster Jahrgang. 14–26. Stück.


S. 354. Wir versprachen unsern Lesern, einen Auszug aus der lehrreichen Schrift des Herrn Hofgerichtsraths Sömmering zu liefern.


S. 364. In einem erwachsenen Mohren betrug der größere Durchmesser des Beckens 3 Fuß 101/2 Zoll!! der kleinere 3 Fuß 71/2 Zoll!! Dagegen hatte in einem erwachsenen Europäer, der noch kleiner, als jener Mohr, war, der größere Durchmesser [117] seines Beckens eine Länge von 4 Fuß 6 Zoll, und der kleinere, von 3 Fuß 11 Zoll!!!

2. Ein Geburtsfall
2.
Ein Geburtsfall.

Ein bekannter verstorbener Geburtshelfer, Hagen, hatte einen sehr schweren Geburtsfall bey einer Prinzeßin gehabt, und da man ihm wegen fehlerhafter Behandlung mancherley Vorwürfe machte, so gab er, zu seiner Rechtfertigung, die Beschreibung der ganzen Geschichte im Druck heraus. Zur Erläuterung fügte er ein Kupfer bey, auf welchem die Geburtstheile der Prinzeßin abgebildet waren.

3. Von einer Frau, welche durch die Kraft der Einbildung schwanger war
3.
Von einer Frau, welche durch die Kraft der Einbildung schwanger war.

In dem iournal encyclopedique, und zwar in der Recension der elemens du droit des Herrn Troussel, ou traduction du Digesse, wird aus dem vorigen Jahrhundert ein Exempel von einer Schwangerschaft erzählt, die von der Kraft der Einbildung kam.

[118] Die Frau von Aiguemere kam nach einer vierjährigen Abwesenheit ihres Gemahls mit einem jungen Sohne nieder. Eine solche Begebenheit war gewiß das größte Unglück für eine unbescholtene Frau, allein die Frau von Aiguemere ließ sich dadurch so wenig aus der Fassung bringen, daß sie vielmehr mit der größten Unbefangenheit und mit der Miene der Unschuld ihre Rechtfertigung vorbrachte. Sie behauptete nämlich, ihre Schwangerschaft sey blos die Wirkung eines süßen Traums gewesen, indem sie ihren abwesenden Gemahl mit allen dabey gewöhnlichen Empfindungen zu umarmen sich fest eingebildet hätte. Sie sagte, daß in ebenderselben wohllüstigen Nacht das Kammerfenster offen gewesen sey und daß die Bettdecke etwas abgeworfen gewesen wäre, und diese Umstände dienten vorzüglich dazu, ihrer Aussage noch mehr Nachdruck zu geben. Durch diese Erzählung entkräftete sie jede üble Nachrede des Pöbels, die veranlaßte gerichtliche Untersuchung endigte sich zu ihrer Ehre, und sie legte durch den Ausspruch der Richter ihre unbefleckte Tugend der Welt unwidersprechlich vor Augen. Das Parlement zu Grenoble erkannte in dem am 13ten Februar 1637 publicirten Urtheil, daß die Aussage der beschuldigten Aiguemere für gültig und ihre Unschuld für erwiesen zu halten sey. Dieser gerichtliche Ausspruch gründete sich vorzüglich auf das Urtheil der Aerzte und alten Frauen. Denn nach dem Zeugniß dieser konnte ein wohllüstiger Traum gar wohl eine [119] Schwangerschaft bewirken, und um desto mehr, wenn der Zephyr durch ein offenes Kammerfenster frey einwehen und die in ihm befindliche fruchtbarmachende Kraft, wenn die Bettdecke aufgeschoben wäre, an den Ort ihrer Bestimmung gelangen könnte. – Gewiß ein merkwürdiges und für die Frauen interessantes Beyspiel! Nur Schade, daß heutzutage die Wirkung der Einbildungskraft in etwas engere Grenzen eingeschränkt ist: Denn schwerlich würde eine Frau ihre Unschuld auf ähnliche Weise mehr darthun können.

4. Ursache der Schönheit der Florentinerinnen
4.
Ursache der Schönheit der Florentinerinnen.

Die schöne Bildung der Florentinerinnen hängt von der Einbildungskraft der Mutter ab, welche sich von den 150 nackten Statuen, die in Florenz stehen, das Original nimmt. Auch ein Mann, der die Mediceische Venus öfters sieht, kann niemals ein häßliches, sondern nur ein schönes Weib beschlafen, folglich kann er mit einer schönen Gattin auch nur schöne Kinder zeugen.


Domeier Fragmente über Italiens Medicinalanstalten, in Baldingers neuen Magazin, B. XII. St. 2, n. 5.

5. Unterthäniges Schreiben eines Schulmeisters an seinen Metropolitan, betreffend einen partum praematurum
[120] 5.
Unterthäniges Schreiben eines Schulmeisters an seinen Metropolitan, betreffend einen partum praematurum 1.

Gestrenger aber doch gerechter Herr Patron!


Die Unschuld muß endlich an das Licht kommen. Da Eu. Hochwürden bekannt, daß ich vor 1/2 Jahr geheurathet, meine Frau aus großer avection vor 3 Tagen mit 2 Töchterlein ins Kindbett gekommen, so habe ich hierdurch der Unschuld zuvorkommen wollen, da man mir auf Seiten des Herrn Pfarrers droht, puplicam potentiam zu thun, und zwar ecclesiam, weilen meine Frau zu früh ins Kindbett gekommen. Dieses ungerechte Verfahren habe ich Eu. Hochwürden unterthänig bekannt zu machen und Ihren Beystand zu suchen. Ich habe über die Frühzeitige Geburt meine Frau auf das künstlichste examiniret, sie will aber von keinem andern wissen, als von mir. Soll und muß ich Vater zu den 2 armen Würmerchen seyn, so haben sie das Licht der Welt übernatürlich erblicket, und ich wünsche sehr, sie hätten noch im verborgenen gelegen. Doch ich konnte Ihnen den Ausgang nicht versperren. Wenn der [121] Apfel reif ist, so fällt er vom Stamm. Aber diese Kinder sind ausgefallen. Ich habe mich über diese seltsame Begebenheit bey unserm Herr Doctor Vernhagen zu C*** befraget, dieser hat mich versichert, partus septem ester könnte ohne Schwierigkeit pass- und repassiret werden, weilen eine Ganß nur 4 Wochen zu brühen habe, ja ein Spatz in 8 Tagen seine Jungen machte. Dieses will der HerrDoctor zu meiner Vertheidigung auf Verlangen an das Hoch-Fürstliche Consistorio einschicken. Damit ich aber in Zukunft vor den Anfällen des Herrn Pfarrers gesichert seyn kann, so bitte Eu. Hochwürden, die Patronität für mich und meine Frau zu haben, den Herr Pfarrer dahin anzuweisen, mich wegen der beschuldigten criminositeten in Ruhe zu lassen, anders ich mich genöthiget sehe, processus zu exerciren, und solche fama ad ulteram mit allen Rechten auszumachen. Ich bin zu Euro Hochwürden Patronitet Eu. Hochwürden


unterthänigster Knecht und Schuldiener Johan Heinrich Schefer.


Geschrieben zu Hauß unter allen beschuldigten criminositeten.
Heringshausen d. 6. July 1767.
[122]
Fußnoten

1 Frühzeitige Geburt.

6. Ein kleiner Junker wird getrunken
[123] 6.
Ein kleiner Junker wird getrunken.

Ein Edelmann auf dem Lande reiste zum Besuch zu einem seiner Freunde. Ueber Tische wurde am Abend wacker gezecht, und der Fremde begab sich hierauf in seinem Zimmer zu Bette. In der Nacht wachte er wegen des heftigsten Durstes, den er empfand, auf und suchte in dem ganzen Zimmer nach Wasser umher, allein er suchte vergeblich und sah sich genöthiget, ohne seinen brennenden Durst gestillt zu haben, wieder ins Bette zu gehen. Allein der Durst nahm immer mehr zu, so daß er ihn auf keine Weise mehr ertragen konnte. Er sprang wüthend aus dem Bette und suchte von neuem in dem Zimmer alles durch, damit er irgend etwas von einer Feuchtigkeit entdeckte. Endlich fand er auf einem Bret, das oben an der Wand befestigt war, ein gläsernes Gefäß, welches ihm eine Flüßigkeit zu enthalten schien: er holte es, so behutsam es ihm sein rasender Durst und die Dunkelheit erlaubten, herunter, setzte es an den Mund und leerte es begierig aus.


Am folgenden Morgen erzählte er diesen Vorfall der Haushälterin und sagte dabey, daß es ein sehr sonderbares Gefäß gewesen sey und daß die Feuchtigkeit wie Branntwein geschmeckt habe, auch sey etwas festes darinn gewesen, welches er zugleich geschluckt habe. Die Haushälterin, als sie [123] diese Erzählung vernahm, lief spornstreichs und ohne ein Wort zu reden in das Zimmer, und als sie das ausgeleerte Gefäß vorfand, lief sie sogleich mit großem Geschrey wieder zurück, »ach, das Gott erbarm, sie haben unsern gnädigen Junker getrunken!«


Die gnädige Frau hatte nämlich vor einigen Wochen einen Abortus gehabt, und man hatte den abgegangenen kleinen Junker in diesem Gefäß auf bewahrt.

7. Ein Mittel zu Beförderung der Geburt
7.
Ein Mittel zu Beförderung der Geburt.

Eine Erstgebährerin von 25 Jahren brachte wegen Mangel guter Wehen 15 Stunden unter der Geburtsarbeit zu. Die Hebamme, um die Kreisende von ihrer Marter zu befreyen, gab den Rath, daß der Ehemann sich mit beyden Füßen auf die Schultern der Kreisenden setzen sollte, und in dieser Stellung ausharren, damit, wie sie sagte, er durch die Schwere seines Körpers die Frucht aus dem Mutterleib heraustriebe. Bald darauf, aber gewiß aus ganz andern Ursachen, stellten sich die guten Wehen ein, und die Mutter wurde von einem gesunden Kinde entbunden.


Reichards medic. Wochenblatt, 1781. S. 46.

8. Herausziehung des Kindskopfes
[124] 8.
Herausziehung des Kindskopfes.

Eine Frau hatte schon viel an den heftigsten Geburtsschmerzen ausgestanden und vermochte nicht, die Geburt zu vollbringen, obgleich der Kopf des Kindes schon zum Vorschein gekommen war. Die Hebamme hatte schon eine geraume Zeit aus allen Kräften an dem Kindskopf gerissen und konnte ihn auf keine Weise zur Geburt bringen. Endlich nahm sie zu einem neuen Mittel ihre Zuflucht. Sie machte nämlich die Anordnung, daß die ganze Familie des Hauses in dem Zimmer zusammenkommen sollte, daß der Mann die Hebamme mit beyden Armen um den Leib fassen, und daß sich an diesen die Kinder und die übrige Familie auf ebendieselbe Art anschließen sollten; sie wollte alsdann selbst den Kindskopf anfassen und so wollten sie sämtlich mit vereinten Kräften ziehen. Der Anschlag wurde genau befolgt, und die Wirkung war, daß der Kopf vom Rumpf abgerissen wurde. Man mußte nun einen Geburtshelfer herbeyrufen, welcher mit vieler Mühe den Rumpf herausholte.

9. Kur der Hysterie
9.
Kur der Hysterie.

Rhasis ad regem Almansorem. L. IX. c. 87 De praefocatione matricis.


[125] Cuius curatio est, ut obstetrici praecipiatur, ut digitum oleo bene redolente inungat, et in circuitu oris vulvae, dum est intus, bene commoveat.


Von der Mutterbeschwerung. Die Heilung derselben ist diese: Die Hebamme soll ihren Finger mit wohlriechendem Oel bestreichen und damit in den Eingang der Gebärmutter hineinfahren, und wenn er darinnen ist, mit demselben nach allen Seiten herumrühren.

10. Ob Adam und Eva einen Nabel gehabt haben
10.
Ob Adam und Eva einen Nabel gehabt haben?

Chr. Tob. Ephr. Reinhard, ob unsere ersten Urältern Adam und Eva einen Nabel gehabt? Hamburg, 1752. Berlin, 1753. Frankfurt und Leipzig, 1755.


Der §. 13 ist dieser.


»Nachdem ich endlich beschrieben, was der Nabel sey (§. 4.) und behauptet habe, daß alle lebendig geborne Menschen und Thiere, nach den Gesezzen der Natur mit einem Nabel begabt seyn müssen (§. 4. und 7.), die Bestandtheile der Nabelschnur gezeiget (§. 5), derselbigen Nothwendigkeit in Ungebornen dargestellt (§. 6.) und endlich bey Erwachsenen die gänzliche Verschwindung und Verlöschung der Nabelblutgefäße (§. 4. und 11.) bewiesen habe, so leitet mich nunmehr die Ordnung der Sache [126] immer näher zu der Untersuchung der Frage, ob unsere ersten Urältern Adam und Eva von Gott mit oder ohne Nabel geschaffen worden sind? Ich nehme keinen Anstand, mich lange zu besinnen, sondern beantworte die Frage kurz und sage: Adam und Eva haben keinen Nabel gehabt. Ich bin aber gleichwohl überzeugt, daß kein Vernünftiger, der seine Sinnen und Vernunft zu brauchen weiß, mit dieser Antwort vergnügt seyn werde, und ich kann es auch mit gutem Gewissen niemanden zumuthen, einer so wichtigen Sache, auf eine so kurze Antwort, ohne hinlänglich gegebenen Grund und hinreichenden Beweiß, so leichte Glauben zuzustellen. Ich merke schon, wo es hinaus will, und daß man gesonnen sey, mir zur Last zu legen, daß ich meine Worte mit besseren Gründen glaubwürdig machen soll.«


Der §. 15.


Da es eine unumstößliche Wahrheit bleibt, daß unsre ersten Stammältern nicht geboren worden sind, so muß es auch wahr seyn, daß sie keinen Nabel nöthig gehabt haben. Denn da dieselbigen niemals im Mutterleibe verborgen gewesen, so hat ihnen freylich keine Nabelschnur zu statten kommen dürfen (§. 6.) Haben sie nun keine Nabelschnur nöthig gehabt, so haben sie auch keinen Nabel, als dessen Ueberrest (§. 4.) dieselbe ist, besitzen können.«

8. Gerichtliche Medicin
1. Ein übel gegebenes Gutachten
1.
Ein übel gegebenes Gutachten.

Einige Handwerksgesellen geriethen in der Schenke in Streit und schlugen sich untereinander, und die Sache wurde sogleich bey der Obrigkeit angezeigt. Da einer der Gesellen besonders heftig geschlagen war, so wurde der Physikus des Orts abgeschickt, um sein Gutachten über den Verwundeten zu geben; die andern wurden alle gefänglich eingezogen. Das Gutachten fiel sehr ungünstig für die Gefangenen aus: denn nach demselben waren die Verwundungen so stark, daß der Geschlagene nur noch wenige Tage zu leben hätte. Als dieser aber die Nachricht hörte, so erschrack er über das bevorstehende Schicksal seiner Kameraden; er nahm deßwegen am andern Morgen seinen Ranzen und gieng auf und davon.

2. Gründe und Gegengründe für die Hosen
[128] 2.
Gründe und Gegengründe für die Hosen.

In einem Brief des Hn. Faust in Blumenbachs medic. Bibl. 1 kommen einige Argumente für die Schädlichkeit der Hosen vor.


»Daß die Hosen die vorzüglichste Ursache der frühern Reife der Menschen sind, ist wahr: denn es folgt nothwendig aus unwandelbaren Gesetzen der Natur, aus denen Huyghens und Newton die Gestalt der Erde bewiesen. Es könnte seyn, daß Zergliederungskunst, Einsprützungen und Versuche die Wahrheit nicht augenscheinlich zu beweisen schienen; dieß ist nur Schein, und beweiset, wie Caßini's Ausmessungen, nichts gegen Naturgesetze: denn nach diesen muß Wärme und Reiz anhaltend wirkend durch einen Zeitraum von 8 bis 10 Jahren nothwendig Samen destiliren, nothwendig um einige Jahre früher destiliren, als es geschehen seyn würde, wenn die Hoden durch den freyen Zutritt der Luft kühl, kalt, stark und beruhigt – und ungereizt und ungedruckt wären.«


»Also ist es Wahrheit, daß die Hosen, dies Treibhaus der Hoden, die Menschen um einige [129] Jahre früher reifen und blühen machen, als es der heiligen Ordnung der Natur nach seyn sollte, ehe der Körper und die Seele reif sind, und daß die Menschen dahinwelken, comme la vigne, à qui l'on fait porter du fruit au printemps, languit et meurt avant l'automne.«


»Der auffallende Unterschied der Größe und Stärke der Geburtstheile zwischen den behoseten Europäern und den unbehoseten Bergschotten, ›daß feile Dirnen den Beyschlaf eines Bergschotten dem Beyschlafe zweyer Engländer oder Deutschen vorziehen,‹ ist äußerst wichtig.«


»Werden die Hosen der Kinder abgeschafft, so werden folglich die männlichen Geburtstheile der Europäer, die jetzt zu den weiblichen in einer üblen Disproportion stehen, um vielleicht zehn und mehrere Procent größer und stärker werden. Sicher eine große Verbesserung der Menschen.«


»Mit den 100000 Brüchen, die in einer Generation allein in Deutschland auf Rechnung der Hosen kommen, hat es sicher seine Richtigkeit. – Daß der große Unterschied zwischen den Brüchen der Männer und Weiber auf der starken Arbeit, und nicht auf den Hosen beruhen solle, ist mir kaum glaublich. – Die Knaben sind am ähnlichsten den Vätern, und so könnten durch die Hosen vieler Generationen die Bauchringe des männlichen Geschlechts widernatürlich schlecht geworden seyn. [130] Also wenigstens 100000 Brüche durch die Hosen – und die werden wegfallen. – Das ist ein großer Gedanke, und er allein macht schon warm.«


»Und nun das freye, leichte, schöne, reine, wohlfeile Gewand, – Kopf, Hals, Brust offen und unbedeckt – der Körper frey und leicht, von freyer Luft umgeben. – Da werden die Menschen an Körper, Kopf und Herz zu einem ganz andern Menschengeschlechte emporwachsen, als das jetzige ist.«


Den oben angeführten Grund von der Kraft der unbehoseten Bergschotten widerlegt Hr. Banks 2.


»Des Verfassers Meinung differirt gänzlich von derjenigen Aerzte ihrer, die ich darüber befragt, und unter welchem selbst Schottische Hochländer befindlich sind.«


»Sie versichern einstimmig, daß diejenigen von ihren Landsleuten, die nie Hosen tragen, in Rücksicht der Größe gewisser Theile ihren behoseten Nachbarn eher nachstehen, als daß sie dieselben darinn übertreffen sollten.«


»Ferner sagen sie, daß die Lustseuche bey ihnen weit hartnäckigere Zufälle errege als bey denen, die ihre Genitalien warm halten und nicht [131] nicht frey hängen lassen. Auch, daß der sogenannte Wasserbruch unter denselben weit häufiger sey, als unter andern Nationen.«


»Zuverläßig scheinen mir auch unter den wilden Völkern, die ich gesehen habe, diejenigen, die ihre Genitalien ganz unbedeckt trugen, in Rücksicht der Größe derselben den Europäern kaum gleich zu kommen, geschweige sie zu übertreffen.«


Gegen Hrn. Faust's Buch,


Wie der Geschlechtstrieb der Menschen in Ordnung zu bringen, und wie die Menschen besser und glücklicher zu machen. Braunschweig, 1791. 8.


worinn die Hosen als die allgemeine Quelle der Ausartung des Menschengeschlechts geschildert werden, hat Hr. Schulz eine artige Apologie der Hosen gegeben 3.


Gründe gegen die Abschaffung der Beinkleider.


»Herr Faust hat, im Namen der Aerzte, seine Deduktion über die Verderbtheit des jetztlebenden Menschengeschlechts in dem angeführten Buche weitläuftig vorgetragen. Er ist für die Abschaffung der Beinkleider, denen er alle Uebel, [132] welche die Menschheit jetzt plagen, zuschreibt. Aber ich sehe mich, um der Menschheit und seines eigenen Wohls willen, zu dem Wunsche gedrungen, daß er behutsam gehen möge. Seine Grundsätze hierüber streuen den Samen zu einer allgemeinen Kalamität aus. Er vergesse nicht, daß er dadurch jährlich Millionen Ellen an Tuch, Serge, Nankin, Kaschemir zu Ladenhütern macht; daß er Tausenden von Hirschen, Rehen, Ziegen und Böcken die Haut läßt, da es doch ein großer Zweig des menschlichen Kunstfleißes ist, sie ihnen abzuziehen; und daß er mithin der Schafzucht, der Wollenkämmerey, der Spinnerey, der Weberey, der Baumwollenmanufaktur in Europa und Indien, der Tuchapretur, dem Tuchhandel, der Försterey, dem Vergnügen der Fürsten, den Loh- und Weißgerbern, den Lederhändlern, den Hosenmachern, (besonders dem harmlosen Hosenmacher in Hannover,) den Schneidern und den Zwirnhändlern unsäglichen Abbruch thut. Er berechne diesen Schaden gegen den Nutzen, den er sich von seinem Vorschlage verspricht, und er wird finden, daß er tausende von Menschen an den Bettelstab bringt, um es andern Tausenden etwas luftiger, er weiß wohl, wo? zu machen.«


»Ich gebe ihm ferner zu bedenken, was er für eine Revolution in den Sitten dadurch veranlassen wird. Wir Männer haben in neueren Zeiten die Weiber mit uns ausgesöhnt. Sie sind [133] gerne mit uns in gemischter Gesellschaft, und ihre Schamhaftigkeit ist ruhig. Wie aber, wenn wir nun alle auf einmal ohne Beinkleider erschienen? Welches Frauenzimmer von feinem Gefühl würde in unserer Gesellschaft bleiben wollen? Welche Dame würde mit einem Mann über die Straße gehen, der Herrn Faust's Rathe gefolgt ist? Hier wäre die schrecklichste Alternation. Wir bekämen entweder lauter Nonnenklöster oder Harems, oder lauter Kunstliebhaberinnen, die sich über das Nakte hinausgesetzt hätten.«


»Viele Ehemänner würden dann mit weniger Gefahr und mehr Leichtigkeit zu Hahnreyen, viele weibliche Tugenden, die jetzt doch noch Schutzwehren von Leder oder Tuch haben, bezwingbar werden.«


»Welches unschuldige Mädchen würde dann noch den Unterschied zwischen beyden Geschlechtern wissen?«


»Einen wichtigen moralischen Grund lege ich Herrn Faust ans Herz: Ein großer Theil des menschlichen Geschlechts besteht aus Poltrons. Wie tief würde das Herz dieser sinken müssen, wenn sie keine Beinkleider mehr trügen? –«


»Weiter gebe ich Herrn Faust zu überlegen, ob er nicht einer orientalischen Trägheit Thor und Thür öfnen würde? Tausend Menschen, die bloß durch ihre Beinkleider abgehalten werden, mit [134] untergeschlagenen Beinen den ganzen Tag da zu sizzen, würden dann freyen Spielraum dazu finden. –«


»Ich skizzire nur, um Herrn Faust nicht zu sehr zu erschrecken. Aber noch ein letztes Inconveniens muß ich ihm vorstellen, daß sein eignes Leben, oder doch seine Freyheit in Gefahr stehe, weil er die Existenz der Könige und Fürsten in Gefahr gebracht haben würde. Ich zittere für ihn, da ich es niederschreiben soll. Er würde – o, dreymal Weh' über ihn! die ganze jetztlebende Generation zu ›Sans-Culottes‹ machen.«

[135]
Fußnoten

1 B. III. St. 3.

2 Blumenbach a.a.O.

3 Mikrologische Aufsätze. S. 62.

3. Physische Erfodernisse der Erbfähigkeit der Kinder
[135] 3.
Physische Erfodernisse der Erbfähigkeit der Kinder.

Ploucquet über die physischen Erfodernisse der Erbfähigkeit der Kinder. Tübingen, 1779. 8.


»Ein direkter Beweis, daß ein Kind von einem bestimmten Vater erzeugt sey, fiindet nirgends statt, außer da, wo man geradezu beweisen könnte, daß die Frau mit keinem andern Manne habe zusammenkommen können, als auf einer wüsten Insel, in wohlverwahrten orientalischen Gynecäen, unter dem welschen Schlosse, oder endlich alsdann, wenn ein Mann drey Monate nach der Hochzeit, oder einem Wochenbette sich gänzlich [135] enthält, während daß die Frau auf irgend eine Art von allem Zugange der Mannspersonen gänzlich verwahrt seyn müßte, alsdann aber ihr beywohnt, und sie wiederum drey Monate noch sicherer verschließt, als Danae, damit kein goldener Regen eindringen könne. Wenn nun die Frau nach sechs und dreyßig bis vierzig Wochen, vom Beyschlaf an gerechnet, ein zeitiges Kind gebiert, so ist ganz gewiß, daß dieses Kind weder vor, noch nach jenem Beyschlaf erzeugt sey, und also sein Daseyn diesem bestimmten Vater zu danken habe.«

4. Eine erörterte Frage
4.
Eine erörterte Frage.

Franciscus Ranchini opuscula medica. Lugduni, 1627. 4. wirft unter andern Fragen auch folgende zur Untersuchung und Entscheidung auf:


An liceat confricare vulvam mulierum et virginum in hysterico paroxysmo?

(Ob es erlaubt sey, die Scham der Frauen und Jungfrauen bey einem hysterischen Anfall zu reiben?)

Er bejahet diese Frage, mit einigen Einschränkungen.
5. Vorschlag zur Rettung eines Ertrunkenen
[136] 5.
Vorschlag zur Rettung eines Ertrunkenen.

Im Sommer 1791 ertrank auf einer Akademie in einem großen Flusse, dicht vor dem Thor, ein erwachsener Mensch.


Nun war die erste gewöhnliche Schwierigkeit, daß man nicht wußte, wo der Untergegangene eigentlich zu finden sey.


Eine Menge von Menschen suchte ihn, als zwey Professoren der Medicin dazu kamen.


Der eine rief, »man solle eilig zum nächsten Becker laufen, ein großes Brod holen, ein Loch in die Rinde machen, und die ganze Höhle mit Quecksilber ausfüllen, die Oefnung wieder verschließen, und so diese Quecksilber-Pastete auf den fließenden Strom werfen, da werde sie auf derselben Stelle stehen bleiben, wo der ertrunkene Mensch liege.«


Der zweyte Professor, ein Physiker und Chemiker, sagte: das sey ja ein lächerliches Entdeckungsmittel. Denn die Quecksilberpastete müßte, nach hydrostatischen Gesetzen, auf jeder Stelle untersinken, wohin man sie werfe.


Der erste Professor, der diesen weisen Rath gab, ist schon durch mehrere ähnliche Erfindungen [137] und Entdeckungen bekannt. Nun fragt sich, ob dieses seine eigene Erfindung war, oder ob sie schon irgendwo in einem Buch stehe.


Ein Student der Medicin, der ein guter Schwimmer war, tauchte unter und fand den Todten sogleich. Allein er war todt und blieb es.


Anhang zum medic. Wochenblatt. Frft. am Mayn 1791. N. XXIV.

6. Ein visum repertum
6.
Ein visum repertum.

Nach dem sich Justus Buchenau von Ulfen bey mir gezeig das ich doch seinen sohn fißitiren sold hab ich das selbige auch gethan bey der undersuchung Hab ich 4 Starke Kafiteten mit einer Stinckenten Caroese Guche Wahr genomen


1) Apostema an dem linken Bedum.
2. ober dem Knie.
1 in der mite des ober schenkels.

und noch ein otema oben vor dem Holen Leib so das sich der pactient fast selbst nicht Helffen Kan das ichs fast vor Kribel Haft erkennen muß und vor in Curabel er Kent Habe weß Halben ichs dem Iustus Buchenau auch atestiren Kan.


Fellscherer Schelhas.


Ulfen den 28 Decempr. 1790.
7. Eine künstliche Ruthe
[138] 7.
Eine künstliche Ruthe.

Eine besondere Gattung einer künstlichen Ruthe hatte ein gewisser in Mainz, München und Augsburg vor mehreren Jahren renommirter Graf von Danis. Er war in Augsburg verheyrathet, und im Begriff, zur zweyten Ehe zu schreiten, als durch eine gerichtliche Untersuchung entdeckt wurde, daß der Herr Graf ein Mädchen war, welches sie manchem als ein Geheimniß vertraut hatte, indessen sie andere äffte. Die an dem Becken befestigte Maschine, welche einer Ruthe sehr ähnelte, konnte vermittelst einer Feder gespannt werden. Der Mechanismus d'ella bella inventione, ma grandissimo peccato wurde sehr weise unterdrückt. Durch Bestechungen der Wache wurde von dem Mitschuldigen die Flucht und Befreyung von der verdienten Strafe bewirkt.


Hofer's Lehrsätze des chirurgischen Verbands Th. II. Abth. II. S. 312.

8. Gerichtliche Klage eines Perukenmachers
8.
Gerichtliche Klage eines Perukenmachers.

Ein Perukenmacher hatte einen venerischen Chanker, welcher so heftig war, daß dem Arzt kein Mittel zur Rettung übrig blieb, als das [139] männliche Glied größtentheils abzulösen. Als er wieder genesen war, empfand er den Verlust seines Gliedes so übel, daß er den Arzt gerichtlich belangte, er habe ihn wider alles Recht und Befugniß an seinem vornehmsten Theil verstümmelt, denn er habe ehemals in Paris an demselben Uebel gelitten, allein dort habe man weit ehrbarer mit ihm verfahren.

9. Proceß eines Apothekers
9.
Proceß eines Apothekers.

In B. einer Stadt in H. wurden die Häuser auf obrigkeitlichen Befehl gezählt und die Numer über jedes einzelne Haus geschrieben. Durch ein bloßes Ungefähr traf es sich, daß der Apotheker die Zahl 99 an sein Haus bekam. Dieser hielt es sich für die größte Beschimpfung, welche er denen, die beym Zählen die Aufsicht führten, zuschrieb. Er kam deswegen mit einer gerichtlichen Klage gegen sie ein, worinn er sieiniuriarum belangte.

9. Miscellaneen
1. Der Maler, ein Arzt
1.
Der Maler, ein Arzt.

Ein Maler, der bey seiner Kunst in die dürftigsten Umstände gerieth, und keinen Weg zum Unterhalt für die Zukunft vor sich sah, fieng an, sich auf die Arzneykunst zu legen. Als ihn einer seiner Bekannten um die Ursache dieser Veränderung fragte, gab er zur Antwort: bey meinem vorigen Handwerk fielen die Mängel allzusehr in die Augen, allein bey dem jetzigen werden sie begraben.

2. Der Priester, ein Arzt
2.
Der Priester, ein Arzt.

Ein Priester, der ein sehr unruhiger Kopf war, wurde nach langem Proceßiren von seinen Oberen abgesetzt. Er sagte hierauf an verschiedenen Orten, daß seine Absetzung vielen Menschen [141] das Leben kosten würde. Man gerieth hierüber in einige Verlegenheit, und nöthigte ihn, noch einmal vor Gericht zu erscheinen, und sich zu erklären, wie man diese Aeußerung verstehen sollte. Ich werde Medicin studieren, sagte er.

3. Vorrang der Juristenfakultät vor der medicinischen
3.
Vorrang der Juristenfakultät vor der medicinischen.

In einer Gesellschaft wurde die Frage aufgeworfen, warum doch wohl auf Universitäten die Juristen den Vorrang vor den Aerzten hätten? Hierauf gab jemand die Antwort: »Quia fur praecedit, carnifex sequitur.« (weil der Dieb vorangeht und der Henkersknecht hintennach.)

4. Edikt des Kaysers Claudius
4.
Edikt des Kaysers Claudius.

Der Römische Kayser Claudius hatte, wie Sueton erzählt, beschlossen, ein Edikt ergehen zu lassen, vermöge dessen es jedermann erlaubt seyn sollte, bey einem Gastmahl oder öffentlichen Versammlung einen Wind streichen zu lassen. Denn er wußte, welche Beschwerden aus der Zurückhaltung derselben entständen, und hatte gehört, daß einst jemand von einem verhaltenen Wind in Lebensgefahr gerathen sey.

5. Der Arzt und der Scharfrichter
[142] 5.
Der Arzt und der Scharfrichter.

Frage.

Wie verhält sich ein Scharfrichter zur Arzneykunst?

Antwort.

Wie ein opus ad extra zu einem opus ad intra.
6. Weise Vorsicht einer medicinischen Fakultät
6.
Weise Vorsicht einer medicinischen Fakultät.

Auf einer gewissen Universität muß, wie man erzählt, der Candidat allemal schwören, daß er in dem Lande, das zur Universität gehört, nicht prakticiren will. Man hat daselbst niemals Ursache gehabt, jemanden abzuweisen. Will der Candidat diesen Eid nicht leisten, so muß er sich auf ein sehr scharfes Examen stellen.


Ein Dekan auf einer andern Universität erkundigte sich vor der Eröfnung des Examens sorgfältig, ob der Herr Candidat in Germania aut extra fines Germaniae (in oder außer Deutschland) prakticiren wolle.

7. Summi in medicina horrores
[143] 7.
Summi in medicina horrores.

Auf dem Titelblatt einer Inauguraldissertation stand durch einen sonderbaren Druckfehler »pro capessendis summis in medicina horroribus« statt honoribus, (um den höchsten Schauder in der Medicin zu erlangen, statt die höchste Würde.) Ein dritter äußerte dabey, daß es freylich oft ein horror sey, wo nicht diesen, doch so manche andere Untaugliche zu Doctoren der Medicin gemacht zu sehen.

8. Dissertatio inauguralis medico-aquosa
8.
Dissertatio inauguralis medico-aquosa.

Ein Student, der schon viele Jahre auf Akademien gewesen war, und dem sein Vater sowohl, als seine Bekannten sehr dringend vorstellten, daß er doch endlich einmal an seine Promotion denken möchte, entschloß sich rasch, zu versuchen, ob er nicht eine Dissertation zu Stande bringen könne. Er hatte sich irgend einen Mineralbrunnen zum Gegenstand gewählt, und fieng an, das Titelblatt aufzusetzen. Weiter vermochte er es aber nicht zu bringen, und ließ mißmuthig seine Arbeit liegen. Am andern Tag kam ein Bekannter zu ihm, welchem er freudig erzählte, daß er schon den Titel fertig habe, und las ihm denselben vor: dissertatio [144] inauguralis medico-aquosa de acidulis **** (medicinisch-wässerichte Inauguraldissertation von dem **** Sauerbrunnen.) – Er hatte nämlich gehört, daß man dissertatio medico-chirurgica oder medico-chemica zu sagen pflegte.

9. Seltsame Ursachen der Scham
9.
Seltsame Ursachen der Scham.

Ein Mensch auf der Straße sah in der Ferne einen Arzt kommen; er lief deswegen in eine Seitengasse und versteckte sich, bis daß der Arzt vorüber gegangen war. Einer seiner Bekannten fragte ihn um die Ursache. Ich muß mich schämen, sagte er, daß ich so lange nicht krank gewesen bin.

10. Die schlechte Zeit für die Aerzte
10.
Die schlechte Zeit für die Aerzte.

Ein Arzt kam einst in eine Apotheke, um ein Recept zu verschreiben, in der er lange Zeit nicht gewesen war. Ey leben sie noch Herr Doktor, redete ihn der Apotheker an, ich habe sie ja in langer Zeit nicht gesehen. Ach! sagte der Doktor, es ist jetzt eine gar schlechte Zeit. Ja wohl, antwortete der Apotheker, Gott sey es geklagt, es sind gar schlechte Zeiten, es will kein Mensch krank werden.

11. Eine neue Heilige
[145] 11.
Eine neue Heilige.

Ein Schwede wurde zu Rom von einem hitzigen Fieber befallen, bey welchem er heftig phantasirte. In der großen Hitze, welche er auszustehen hatte, rief er mehrmals aus: o Filibunka, Filibunka! welches in der Schwedischen Sprache frische Milch bedeutet. Die Anwesenden glaubten, daß diese Filibunka eine Schwedische Heilige sey, welche er anrufe. Sie fielen also auf die Knie nieder und riefen; heilige Filibunka! bitte für uns.

12. Ein Gasconier im Hotel Dieu
12.
Ein Gasconier im Hotel Dieu.

In dem Hotel-Dieu zu Paris wurden die Kranken von jeher so schlecht verpflegt, daß nur wenige darinn geheilt wurden, sondern bey weitem die meisten starben. Ein Gasconier, welcher das Unglück gehabt hatte, in dieses Hospital zu kommen, und bey fünf andere in ein Bette gelegt wurde, wurde von dem Arzt gefragt, wie es um ihn stände? Es muß ja ganz wohl um mich stehen, antwortete er mit einem Seufzer, denn Gott hat mir schon eine Wohnung in seinem Hause gegeben.

13. Eine Charakteristik der Aerzte
[146] 13.
Eine Charakteristik der Aerzte.

Aus Sophiens Reise von Memel nach Sachsen. Th. I. S. 597.


»Ich war kein Windbeutel mit Reden, und die Mienen des klugen Tiefsinns hatte ich auch nicht, überdem konnte ich die Pracht in Kleidern nicht leiden, foglich konnte ich nicht werden, was ich so gern geworden wäre, ein Medicus.«


Baldinger macht hierbey die Anmerkung. N. Mag. B. III. St. 4. S. 378. Die alten Priester des Aesculaps hätten, dem Pausanias zu Folge, die Miene des klugen Tiefsinns gemacht, und goldbortirte Kleider angezogen. Aber nach der Zerstöhrung des Tempels hätten die Aerzte mit dem Priesterthum auch alles dazu nothwendige Anhängsel abgelegt.

14. Die Vertreibung der Schmerzen
14.
Die Vertreibung der Schmerzen.

Ein Kranker klagte über heftige Schmerzen bey seiner Wunde, welche ein complicirter Beinbruch war. Sein Wundarzt verordnete ihm alsbald eine Arzney und sagte dabey: »seyn sie nur getrost, wenn wir einmal nur die dolores weggebracht haben, so wird es sich mit den Schmerzen schon von selbst geben.«

15. Das membrum Virgilii
[147] 15.
Das membrum Virgilii.

Ein Marktschreyer bot auf dem Jahrmarkt seine Tropfen zu Kauf aus und pries deren herrliche Tugend in allen nur denkbaren Krankheiten an. Unter andern rief er mit vielem Nachdruck aus: »auch für alle diejenigen, so einen Fehler oder Gebrechen an dem membro Virgilii haben, ist hier in diesem Glas die allerbeste Medicin.

16. Das Verbot des Pferdefleisches
16.
Das Verbot des Pferdefleisches.

Pabst Gregor's III. diätetisches Breve an den Bischof Bonifacius.


»Wir haben von euch erfahren, daß ezliche unter euch seynd, so wildes und zahmes Pferdefleisch essen: also ermahne ich euch, erlaubet dieses Niemand, sondern verhindert es durch die möglichsten Mittel in Christo Jesu, und belegt sie mit Buße.«

17. Unterschied zwischen einem Arzt und Soldaten
17.
Unterschied zwischen einem Arzt und Soldaten.

Als einst jemand die Frage aufwarf, was für ein Unterschied zwischen einem Arzt und Soldaten sey, gab ein anderer zur Antwort, daß beyde das [148] Privilegium hätten, die Menschen ungestraft ums Leben zu bringen, die ersteren thäten es mittelbar, die andern unmittelbar.

18. Der physiognomische Arzt
18.
Der physiognomische Arzt.

Ein praktischer Arzt in D., der übrigens ein denkender Kopf und ein Mann von vieler Erfahrung war, hatte die Schwachheit an sich, daß er an jedem seiner Kranken und an jedem Menschen eine gewisse Physiognomie zu finden glaubte, welche sich auf das Naturell eines oder des andern Thieres zurückführen ließe. Er suchte diese vor allen Dingen sorgfältig auf, und richtete auch seine Kurart nach diesem ein. Einst hatte er einen seiner Verwandten, einen jungen Arzt, bey sich, welchen er mit zu seinen Krankenbesuchen nahm. Dieser hörte da manches von Wolfs-, von Fuchs- und Rabenphysiognomie schwatzen, und da ihm dieses lauter fremde Sachen waren, so bat er sich eine Erklärung aus, welche ihm der Arzt ungefähr mit folgenden Worten ertheilte:


»Jeder Mensch hat einen eigenen Charakter und eine eigene Physiognomie; und es ist höchstnothwendig, dieselben genau zu kennen, um sich in der Kur in seinem ganzen Betragen darnach richten zu können. Ich mache mir es allemal zu meinem Hauptaugenmerk, sobald als ich einen Menschen, [149] er sey ein Gesunder oder ein Kranker, erblicke, seine Physiognomie genau zu studieren. Bey ihnen, zum Exempel, habe ich gefunden, daß sie mit einem Schimmel viel Aehnliches haben. Ich weiß es, daß ich mit einem Windspiel sehr vieles gemein habe. Aber zuweilen hält es schwer, die Sache ganz zu ergründen, und ich gerathe oft in Verlegenheit, wenn ich jemanden sehe, der zwey Physiognomien zugleich hat. So fand ich kürzlich einen, der vieles von einem Fuchs und auch von einem Rebhuhn an sich hatte. Die, welche am häufigsten vorkommen, sind die Physiognomien von einem Rappen, von einem Wolf, Hund und einer Katze. Ich kann hieraus schon viele Folgerungen zum voraus machen, welche ein anderer nicht im Stande seyn würde, zu machen. Ein Schimmel, zum Beyspiel, ist weit empfindlicher, als ein Rappe. Manche Menschen können aus diesem Grunde niemals in Wasser baden.

19. Die Zahl der Aerzte ist die größte
19.
Die Zahl der Aerzte ist die größte.

Bey einem Herzog von Ferrara fiel einst über der Tafel die Rede darauf, welcher Stand in der Stadt der zahlreichste seyn möchte. Man entschied allgemein für den geistlichen Stand, nur der Hofnarr allein behauptete, daß die Aerzte den größten Theil ausmachten, und ließ sich durch keine Einwendungen in seiner Behauptung irre machen. [150] Er erbot sich, daß er es unwidersprechlich beweisen wolle, und schloß zu diesem Ende eine Wette mit dem Herzog. – Bald darauf gab er vor, daß er krank sey, band sich ein Tuch um den Kopf und klagte über heftige Zahnschmerzen. Als er sich in dieser Gestalt sehen ließ, fragte ihn jeder seiner Bekannten, sowohl am Hof als in der Stadt, um die Ursache, und jeder gab ihm ein bewährtes Mittel gegen Zahnschmerzen an. Er merkte sich alle Personen, die ihm einen solchen Rath ertheilt hatten, in seine Schreibtafel an, und erschien darauf bey einer feyerlichen Gelegenheit am Hofe in eben diesem Aufzug. Der Herzog fragte ihn nun selbst, worüber er klage und sagte ihm am Ende ebenfalls ein gutes Mittel gegen Zahnschmerzen. Er zog sogleich seine Schreibtafel hervor, und zeichnete sich auch den Namen des Herzogs auf. Dieser fragte ihn nunmehr, was er sich da aufgezeichnet habe, und der Hofnarr erklärte ihm, daß er sich die Aerzte der hiesigen Stadt anmerke, um zu sehen, ob ihr Stand wirklich der zahlreichste sey. »Jetzt habe er ungefähr zweyhundert, sagte er, unter welchen sich auch Seine Herzogliche Durchlaucht befinden, und ich zweifle nicht, daß ich noch mehrere bekommen und meine Wette zuverläßig gewinnen werde.« Der Herzog lächelte und gestand, daß er seine Wette auf diese Weise verlohren habe.

20. Evidenter Nutzen vieler Aerzte
[151] 20.
Evidenter Nutzen vieler Aerzte 1.

Im ganzen heiligen Römischen Reiche ist wohl keine Stadt, in welcher das Verhältniß der Aerzte zur Volksmenge so auffallend groß wäre, wie zu ***. Dagegen ist der Fall auch wohl einzig in seiner Art, daß der Todengräber, welcher die ganze Neustadt in seinem Bezirk hat, und folglich den größten Theil von allen Toden beerdigt, bey dem Gerichtsschulzen S. eine Klage einzugeben genöthigt wurde, worinn er über seinen schlechten Verdienst Klage führte, und um Unterstützung, durch Anleihe eines Kapitals, zu Ernährung seiner Familie bat.

[152]
Fußnoten

1 Salzburger med. chir. Zeitung. 1790. B.I. S. 176.

21. Evidenter Schaden vieler Aerzte
[152] 21.
Evidenter Schaden vieler Aerzte 1.

Ein Gegenstück zu dem vorigen.


Im ganzen heiligen Römischen Reiche ist wohl keine Stadt, in welcher ein so auffallend großes Verhältniß der Aerzte zur Volksmenge wäre, als zu –burg. Man zählt höchstens 8000 Seelen, und [152] und 12 befugte Aerzte; unbefugte und Wundärzte nicht dazu gerechnet. Dessen ungeachtet starb im vorigen Jahr der 20ste, und andere Jahre der 25ste bis 28ste Mensch, da im Gegentheil auf dem Lande, wo gar kein Arzt sich befindet, kaum der 35ste bis 40ste stirbt. Da in dieser Stadt die Schuld unmöglich auf jene Dinge geschoben werden kann, auf welche man sie in großen Städten zu schieben pflegt, (denn man treibt die Kühe und Schweine aus, auch stehen an den Schmieden Pflugkarren und Leiterwägen, wie in jedem anderen Dorfe) und da ein Unbefangener keine Ursache finden wird, warum hier mehrere, als auf dem Lande sterben sollten, so fällt dieselbe nothwendig auf die große Menge der Aerzte. Nimmt man den noch immer aufrecht und fest stehenden Satz des Philosophen von Genf an, daß die Aerzte, so wie sie sind, mehr schädlich als nützlich sind, so erhellet daraus, daß die Schädlichkeit mit ihrer Zahl wächst, und da bey der Vermehrung der Aerzte auch das Verdienst derselben sich vermindern muß, so verliert sich die Aussicht zur Verbesserung der Heilkunst immer mehr und mehr: denn so lange die edelste aller Künste um Brod arbeiten muß, so kann sie nichts zu ihrer Verbesserung thun. Es wäre deswegen zu wünschen, daß es weniger Aerzte geben möchte.

[153]
Fußnoten

1 Ebendas. S. 432. Die Stadt ist wohl Marburg.

22. Sonderbares Vermächtniß
[154] 22.
Sonderbares Vermächtniß.

Hr. Ganti, ein rechtschaffener Priester, wurde gegen das Ende seines Lebens blind, und vermachte in seinem Testament Hrn. Mery seine beyden Augen, um ihre Fehler zu entdecken und zum Nutzen der Welt bekannt zu machen.


Baldinger's neues Magazin, B. XI. S. 1. n. VII.

23. Wovon sich ein Arzt nährt
23.
Wovon sich ein Arzt nährt?

Ein Arzt, der mit den bey Gerichten üblichen Schnörkeln völlig unbekannt war, wurde in einer Sache zum Zeugen angegeben, und unter andern wurde ihm die gewöhnliche Frage vorgelegt: Wovon Zeuge sich nähre? Er nahm dieses als einen Scherz auf, ob es gleich der ganze Ernst des Aktuars war. »Ich lebe von Anderer Tode,« sagte der Arzt; und diese Antwort ist in den Akten zu Elrich bis auf den heutigen Tag zu finden, denn der Aktuar hatte die Antwort treulich niedergeschrieben.

24. Warum ein Leibarzt kein Vermächtniß bekommt
[154] 24.
Warum ein Leibarzt kein Vermächtniß bekommt.

Wie kommt es doch, fragte ein Arzt den andern, daß noch kein großer Herr seinem Leibarzt im Testament etwas vermacht hat? Vermuthlich deswegen, gab der andere zur Antwort, weil sie glauben, daß der Leibarzt gerade der erste seyn werde, den der Nachfolger mit Belohnungen überschütten wird.

25. Die Hysterolithen
25.
Die Hysterolithen.

Die Hysterolithen oder Punzensteine sind Versteinerungen von gewissen Seemuscheln, welche den Namen von ihrer Figur bekommen haben. Plinius redet schon B. XXXVII. Cap. 10 seiner Naturgeschichte, von einem Stein, der die Zeugungsglieder beyder Geschlechter vorstellt.


Sie fanden sich ehemals in großer Menge zu Braubach in der Grafschaft Katzenellnbogen. Ein Engländer, dem auf seiner Reise durch Deutschland die große Menge derselben bey Braubach äußerst auffallend war, glaubte, daß es Reliquien von den eilftausend Jungfrauen seyn müßten, welche [155] bey Braubach in den Berg gerathen und daselbst versteinert seyen 1.


In der Valkenierschen Sammlung im Haag soll ein Hysterolith zu sehen gewesen seyn, dessen labia mit Haaren besetzt waren, und an welchem man clitoris und hymen deutlich unterscheiden konnte 2.


Daß diese Steine heutzutage bey Braubach sehr selten gefunden werden, soll, wie Valentini 3 berichtet, daher kommen, quod persona quaedam illustris exinde grottam sibi parari curaverit. (Daß eine gewisse vornehme Person sich davon eine Grotte erbauen ließ.) Eine Tradition fügt hinzu, daß der Pfarrer des Orts sich über die Erbauung dieser Grotte so sehr entrüstet habe, daß er durch die Bauern alle Hysterolithen sammeln, in Stücke zerschlagen und in den Rhein werfen ließ.

[156]
Fußnoten

1 Uffenbachs Reisen. Th. III. S. 380.

2 Ebendas. S. 381.

3 Prodromus hist. nat. Hassiae, Anhang zu s. Armament. naturae. S. 18.

26. Lobgedicht auf den Thee
[157] 26.
Lobgedicht auf den Thee.

In Valentini's historia simplicium, S. 134, lieset man folgendes Lobgedicht auf den Thee. Der Deutsche Text ist von einem Ungenannten aus P. Martini atlas Sinicus in Reimen gebracht, und die Lateinische Version rührt von Valentini selbst her.


1.
Wilt du der Gesundheit pflegen,
Und vor Kranckheit mancher Art
Biß ins Alter seyn verwahrt,
Laß dir diß seyn angelegen:
Recipe
Edlen Thee,
Der verschafft durch seine Tugend,
Daß wir werden wie die Jugend.
2.
Wo der Magen ist geschwächet,
Wo dein Blut entzündet ist,
Und du kranck im Haupte bist,
Wann du auch zu viel gezechet,
Recipe
Edlen Thee.
Der befreyet Haupt und Magen
Gar geschwind von allen Plagen.
[157] 3.
Hastu noth von vielen Winden,
Ist der Darm so voll gepfropfft,
Die Passage ist verstopfft,
Und der Außgang nicht zu finden,
Recipe
Edlen Thee,
Der wird besser, als clystieren
Auf den rechten Weg es führen.
4.
Will dich Gicht und Scharbock quälen,
Greifft das Zipperlein dich an,
Das kein Artzt dir helfen kann,
Dieses Mittel wird nicht fehlen,
Recipe
Edlen Thee,
Der wird deinen lahmen Füßen
Ihre Schmerzen bald versüßen.
5.
Flecken, Finnen, Eyterbeulen,
Kupfer-Nasen, und Gesicht,
Da der Wein mit Macht ausbricht,
Willstu aus dem Grunde heilen,
Recipe
Edlen Thee,
Der wird von Gesicht und Nasen
Solchen Unflat bald wegblasen.
[158] 6.
Macht die Colic dir viel Schmertzen,
Zeucht der Krampff die Sennen an,
Das dir niemand rathen kann,
Und betrübet dich von Hertzen,
Recipe
Edlen Thee,
Der wird alles bald curiren,
Und das Hertz zur Freude führen.
7.
Ist der Vater dir gestorben,
Wolte gerne seine Pflicht
Legen ab und kann doch nicht,
Und die Mutter auch verdorben,
Recipe
Edlen Thee,
Der wird ihn zu Liebes-Wercken,
Kräftig auch die Mutter stärcken.
8.
Hat der Ehstand dir versaget
Einen Erben anzusehn,
Und thust traurig einhergehn,
Ey, nur nicht zu bald verzaget,
Recipe
Edlen Thee,
Der wird in die Nieren lauffen,
Daß du bald wirst lassen tauffen.
[159] 9.
Summa, alles was da kräncket,
Unser Leib und Glieder all,
Deren beyden ohne Zahl,
Und was nur zur Krankheit lencket,
Nimmt ohn Weh
Weg der Thee;
Drum so preise seine Kräffte
Höher als die Lebens-Säffte.
10.
Diß nur hab ich wahrgenommen,
Daß, wer Noth an Würmern spürt,
Und davon will seyn curirt,
Nicht muß an diß Mittel kommen,
Weil ich seh,
Daß der Thee,
Mehrt die Würmer fast mit Hauffen
Denen die ihn täglich sauffen.
[160] Die Lateinische Uebersetzung ist folgende:
1.
Sanitati si consultum,
Et a morbis variis
Tutus senex esse vis,
Tibi semper esto dictum:
Recipe
Potum Thee,
Qui per nobilem virtutem
Tibi reddet iuventutem.
2.
Stomacho debilitato,
Fermentante sanguine
Dolenteque capite,
Damno crapulis parato,
Recipe
Potum Thee,
Caput, stomachum curari,
Senties mox liberari.
3.
Flatus quoque si affligit,
Transitus si pristinus
Est infarctus, crastinus
Obicem si dies figit,
Recipe
Potum Thee,
Melius clystere dabit
Viam, exitum parabit.
[161] 4.
Si te afficit scorbutus,
Et arthritis despicit
Artem, opem reiicit,
Ab hac uno sis adiutus:
Recipe
Potum Thee,
Hic dolore te levabit,
Pedibus et gressum dabit.
5.
Pustularum tu foetorem,
Foetam varis faciem,
Vini et progeniem
Pellere si vis colorem,
Recipe
Potum Thee,
Maculis deletis, vultum
Faciet nitore cultum.
6.
Dolor si quis colon tangit,
Partes trahit nerveas,
Nec quicquam solatur eas,
Id quod mentem valde angit,
Recipe
Potum Thee,
Hic dolore te levabit,
Gaudiumque cordi dabit.
[162] 7.
Si amoris coniugalis
Deficit iucunditas,
Uterique bonitas
Non est maior, sed aequalis,
Recipe
Potum Thee,
Ad amandum inflammabit,
Uterumque confortabit.
8.
Nullus si succedit haeres,
Sterile coniugium
Demit omne gaudium,
Nolim ideo desperes.
Recipe
Potum Thee,
Renes tibi stimulabit,
Et haeredem brevi dabit.
9.
Omne quicquid corpus angit,
Quicquid artus cruciat,
Quo id caro sentiat,
Theae potus tollit, tangit
Sine fraude
Summa laude.
Ergo comparate notum
Succis vitae Theae potum.
[163] 10.
Sibi sentient nocere,
Qui vermiculosi sunt
Et curari cupiunt,
Thea sese abstinere
Est consultum,
Quia multum
Vermes apta adaugere
Per creberrimum sorbere.

Zweyter Theil

1. Anekdoten aus der medicinischen Litteratur
1.

Jakob des Parts, ein Arzt, der im funfzehnten Jahrhunderte zu Paris lebte, und Leibarzt des Herzogs von Burgund, Philipps des Gütigen, und hernach Karls VII., Königs von Frankreich war, mußte sich über Hals über Kopf aus Paris retten, weil er der Obrigkeit angerathen hatte, den Gebrauch der Bäder zur Pestzeit nicht zu gestatten. Die wütenden Bader wollten ihn ermorden.

2.

Der berüchtigte Großpraler, Philippus Aureolus Theophrastus Bombastus Paracelsus ab Hohenheim, auch Goldmacher und Arzt, rühmte [1] sich, durch ein Elixir, das er selbst bereitete, Methusalems Alter erreichen zu wollen, und dann zuzusehen, ob es ihm beliebte, zu sterben. Er sof sich aber schon im 47sten Jahre, in einer Schenke, todt.

3.

Asklepiades, aus Prusium in Bithynien, wettete, daß er nie krank werden würde. Sonst sollte man ihn für keinen Arzt halten! Er gewann auch die Wette: denn er starb sehr alt, und ohne vorhergegangene Krankheit, von einem Falle.

4.

Peter von Apone, ein Römischer Arzt, ließ sich von einem Patienten, der außerhalb der Stadt wohnte, für jeden Tag 150 Franken bezahlen, und vom Pabst Honorius IV., der ihn brauchen wollte, forderte er täglich 400 Dukaten.


Sehr edelmüthig war dagegen Dexippus, aus der Insel Kos, ein Schüler des Hippokrates. Die Söhne des Königs von Karien, Mausolus und Pexodares, waren so gefährlich krank, daß alle Aerzte sie aufgaben. Dexippus ward endlich gerufen, und war so glücklich, sie zu heilen. Was hätte er jetzt nicht für eine Belohnung bitten und erhalten können! Aber der großmüthige Arzt bat um nichts, als um Frieden für sein Vaterland, das der König von Karien bekriegte.

[2] 5.

Der gelehrte Arzt Polquet würde viel älter geworden seyn, wenn er sich damit begnügt hätte, zu essen, ohne sich darum zu bekümmern, wie er verdaue. Allein er wollte sich nicht von der Natur, wie ein Pferd von seinem Reiter, regieren lassen. Da er den Milchgang (der den aus den Speisen bereiteten Milchsaft ins Blut führt) entdeckt hatte, so konnte er sich einbilden, er verstehe nun die Verdauung weit besser, als andre ehrliche Leute. Seine Vernunft spielte ihm hier einen garstigen Streich. Er hielt die Bewegung nicht für das rechte Mittel, die Verdauung zu befördern. Der Branntwein schien ihm, nach vielem Grübeln, geschickter dazu. Er bediente sich also desselben, und zwar mäßig. Eine Zeitlang befand er sich wohl dabey; nach und nach aber zog der Branntwein Magen und Gedärme so sehr zusammen, daß sie nichts mehr, als Flüßigkeiten, hindurch ließen. Und so ward er endlich mitten in seinen Verrichtungen ohnmächtig, und starb.

6.

So sehr Paracelsus Scharlatan war, und so wild er in den Tag hinein lebte, so hat er doch auch manches Verdienst. Seit den ältesten Zeiten hatten die Aerzte ihre Mittel fast blos aus dem Pflanzenreiche hergenommen. Wurzeln, Blätter, Blüthen, Sprossen, Rinden, Hölzer, Früchte, Säfte, [3] u.s.w. wurden überall gebraucht, und sonst nichts. Galen und die übrigen alten Aerzte verordneten ihren Kranken große Humpen Kräuter, und wer damals stark medicinirte, hätte fast nöthig gehabt, sich seine Arzneyen auf Schubkarren bringen zu lassen. Paracelsus führte zuerst chemische Heilmittel ein. Er fand im Mineralreiche große Schätze für die Gesundheit. Er bereitete sie gehörig, und konnte nun mit sehr wenig Arzney eben so viel und mehr wider die Krankheiten ausrichten, als man vorher mit dem größten Kräutervorrath vermocht hatte. Seitdem sind die Pulver, Pillen, Essenzen, Mixturen, und ähnliche Arzneyen Mode geworden.

7.

Helmont hoffte die Unsterblichkeit, wenn er das Ens primum aus einer Zeder vom Berge Libanon herauszöge; denn freylich, da die Zeder ein fast unvergänglicher Baum ist, so muß ihr Saft oder Geist wohl unsterblich machen! – Paracelsus suchte die Lebenskraft in der Niesewurz, die alle bösen Säfte aus dem Körper vertreiben sollte, und die er deshalb Daura nannte. Viele andre Thoren glaubten, man könne aus dem Golde einen Spiritum Rectorem ziehen, der eine Arzney gegen alle Krankheiten seyn, und Unsterblichkeit verschaffen würde.

[4] 8.

Jaques Molin (nicht Dü Moulin) war den 20sten April 1666 geboren. Bis in sein eilftes Jahr versprach er wenig. Nun aber verschlang er gleichsam das Griechische und Lateinische. – Er studierte darauf die Arzneykunst zuerst in Montpellier mit unbegrenztem Fleiße. Dann gieng er nach Paris, und ward bald zu mancherley akademischen und praktischen Geschäfften gebraucht. Bey den Armeen in Katalonien und Italien erhielt er Aemter und Titel. Während eines Feldzuges in Italien verlangte ihn der König von Sardinien, der damals Frankreichs Feind war, und er heilte ihn glücklich. Nach seiner Zurückkunft stieg sein Ruhm. Eine glückliche Kur, die er an dem Großvater des Prinzen Condé verrichtete, zog die Blicke des Hofs und der ganzen Stadt auf ihn. Ludwig XIV. selbst gebrauchte ihn in seinen letzten Jahren; und noch mehr Ludwig XV.


Molin's Methode bestand vornehmlich darin, daß er seine Kranken genau studierte, und Alle, die um sie waren, ausfragte, ohne den kleinsten Umstand zu verschmähen. Blos aus einem flüchtigen Anblick, aus einer leichten Betastung des Pulses, aus der Beschaffenheit des Bluts und des Urins zu urtheilen, überließ er betrügerischen Empirikern.


Dieser berühmte Arzt starb, den 21sten März 1755, 89 Jahre alt, ohne weder Kinder noch [5] Schriften zu hinterlassen. Dagegen hat er viele geschickte Aerzte gebildet, und sein Name lebt doch.


Es war unmöglich, daß ein so viel gesuchter Mann, auch ohne Geiz, nicht große Reichthümer hätte sammeln sollen. Er hat wirklich 1600000 Livres am Werth hinterlassen, so wie Boerhaave, der nur 69 Jahre alt wurde (er starb 1738), 4 Millionen. Beyde lebten aber auch äußerst mäßig, und ersahen ihren Vortheil, wo sie mit Ehren konnten. Wenn Molin zu Kranken gerufen wurde, die ihm vermögend schienen, so kam er nicht wieder, wenn man ihn nicht gleich bezahlte. Unbemittelten Kranken hingegen stand er selbst mit Gelde bey. Etwas geizig war er aber doch, wie folgende Anekdote beweist.


Ein Geizhals hörte, daß Molin noch geiziger, als er, wäre. Er gieng also einmal im Winter, Abends um 8 Uhr, zu ihm. Molin saß in einem rauchtigen Zimmer, bey einer kleinen Lampe, in einer sichtbaren Dunkelheit. »Mein Herr, fieng der Fremde an, ich habe gehört, daß Sie der sparsamste Mann auf Erden sind. Ich lege mich auch ein wenig auf die Kunst zu sparen, und wünsche von Ihnen etwas zuzulernen.« – »Kommen Sie um weiter nichts, erwiederte Molin kurz, so setzen Sie sich auf diesen Stuhl.« Mit diesen Worten blies er die Lampe aus, und fuhr fort: »Zum Reden brauchen wir nicht zu sehen, und wir werden uns so desto wenigerzerstreuen.« [6] – »O genug! rief der Fremde: Ich sehe wohl, daß ich im Sparen ein Kind gegen Sie bin.« Und so fühlte er sich wieder aus Molin's Zimmer hinaus.

9.

Cardanus hatte seinen Todestag prophezeiht. Allein er befand sich um die Zeit, da er sterben sollte, ganz wohl. Um Recht zu behalten, hungerte er sich todt.

10.

Vouvard soll Ludwig dem XIII., dessen Leibarzt er war, in Einem Jahre 215 Purganzen, und 212 Lavements gegeben, und ihm 47 mal zur Ader gelassen haben.

11. Der schlimme Pflasterer
11.
Der schlimme Pflasterer.

Der berühmte Arzt, D. Radcliff, wollte seinen Pflasterer nicht bezahlen. Du hast, sprach er, schlechte Arbeit gemacht, und sie nachher mit Erde bedeckt.

Und es ist, gab der schlimme Pflasterer zur Antwort, meine schlechte Arbeit nicht allein, die mit Erde bedeckt wird.


Sturz Schriften 1ste Sammlung S. 206.

[7] 12.

Doktor Monro, welcher der vornehmste Arzt des Narrenhospitals in London ist, hatte sich einst allein unter die Kranken desselben gewagt, die alle einig wurden, ihn in einen großen Kessel, worin Suppe für sie gekocht wurde, lebendig zu werfen. Das Urtheil würde auch gewiß gleich seyn vollzogen worden, wenn der Doktor ihnen nicht vorgestellt hätte, es sey nöthig, daß er sich erst die Kleider ausziehe, damit er die Suppe nicht verderbe; wodurch er, da er sich auskleidete, als ob er nicht in Eile wäre, so viel Zeit gewann, bis der Aufseher und andre dazu kamen, und ihn retteten.


Wendeborn's Zustand von Großbrit. 2ter Th. S. 169. Berlin 1785.

13. Etwas vom Doctor Coctier
13.
Etwas vom Doctor Coctier, und von der medicinischen Fakultät zu Paris unter Ludwig XI.

(Aus K. Sprengels Beyträgen zur Gesch. der Med. I B. St. S. 195.)


Ludwig XI. war einer der feigsten, nichtswürdigsten und grausamsten Tyrannen, die je das französische Volk behrrscht haben. Selbst sein Lobredner, Philipp de Comines, läugnet es nicht, daß er mehr als 4000 Menschen aus bloßer Mordlust habe hinrichten lassen, und mit Vergnügen ihren [8] Quaalen zugesehen habe. Fast das einzige wahre Verdienst, welches er sich um seine Unterthanen erworben, besteht in der Errichtung der Posten, die jedoch Anfangs nur königliche Depeschen und Briefschaften führten. 1


Sein Betragen in seiner letzten Krankheit kann die Welt überzeugen, wie schrecklich die Gewissensbisse eines Bösewichts seyn müssen, der, nach einem so ruchlosen Leben, der Ewigkeit entgegen geht. Ludwig ließ im ganzen Reiche Processionen bestellen, die zur Erhaltung seiner Gesundheit dienen sollten: ganze Wagen voll Reliquien wurden in das Kastel Plessis lez Tours, wo er krank lag, gebracht. Seinen eigenen Kindern traute er nicht: er lag in einem eisernen Käfig, und niemand kam vor ihn, als Coctier, Meister Olivier, sein Barbier, und Tristan. Das heilige Oelfläschchen, der Stab Moses, und die Ruthe Aarons, mußten herbeygeschafft werden, um ihn gegen die Schrecken des Todes zu waffnen. 2 Auch hat man einen großen Folianten, worin blos die Quittungen aller Klöster und Kirchen über die Geschenke stehen, die ihnen Ludwig XI. während [9] seiner letzten Krankheit gemacht hat. 3 Daher kam es denn auch, was dieChronique scandaleuse sagt: Il avoit mis son peuple si au bas, que au jour de son trespas étoit presque au désespoir. Il avoit donné et aliené la pluspart du domaine de son Royaume. 4 Ein Eremit aus Kalabrien, Franz Markotilo, Stifter des Ordens der Minimi, der sich den Ruf eines heiligen wunderthätigen Lebens erworben, mußte auf ausdrückliches Verlangen des kranken Königs nach Frankreich kommen, um seine Wunderkraft an ihm zu beweisen. Der König schmeichelte dem Eremiten, fiel sogar vor ihm auf die Kniee, und flehete ihn um Fristung seines Lebens: zwey Klöster wurden für den Orden gestiftet, wozu der Mönch gehörte, eines bey Plessis lez Tours, das andre beym Kastel d'Amboise; aber vergebens: der Eremit war kein Schmeichler: er ermahnte den König zur Buße, und zur Vorbereitung auf die Ewigkeit. 5


Endlich gerieth der König an einen Pariser Arzt, Jacob Coctier, der, ein Muster aller Charlatans, meisterlich die Kunst verstand, aus der [10] Feigheit des Königs unermeßliche Vortheile zu ziehen. Für jedes Recept, welches er verschrieb, mußte ihm der König ein Gut schenken: mit wichtiger Mine verordnete er dem unglücklichen Tyrannen lauter mysteriöse Mittel, auch wohl solche, wodurch das menschliche Gefühl empört wird; z.B. mußte sich der König mehrere Tage lang in dem Blute unschuldiger Kinder baden, um seine Säfte zu versüßen. Er ließ sich, da die Krankheit immer langwieriger wurde, monatlich 10000 Ecus bezahlen: auch ward er Bailly du Palais, und Président de la Chambre des Comptes: und sein Neffe Bischof von Amiens. Einmal war der König, wegen der unerschwinglichen Summen, die ihm dieser Scharlatan kostete, seiner so überdrüßig, daß er seinem Liebling, dem Prevot Tristan befahl, den Coctier aus der Welt zu schaffen. Als Coctier davon Nachricht erhielt, ließ er dem Könige wiedersagen: er für sein Theil wollte gern sterben, aber er wisse gewiß, daß der König ihn nicht acht Tage überleben werde. Dies babe er aus den Gestirnen gelesen. Der König zitterte, als er diesen Ausspruch seines schlauen Arztes hörte, und hob das Todesurtheil auf. Acht Monate hatte Coctier den König behandelt, da dieser den 29sten August 1483 starb: und in dieser Zeit waren nicht weniger als 98000 Ecus d' or 6 [11] in seine Kasse geflossen. Natürlich machte diese Prellerey ein erstaunliches Aufsehen. Karl VIII., der Nachfolger Ludwigs XI., hatte das Geld noch nöthiger, als sein Vorfahr, unter dem schon die Militärstellen verkauft wurden, und es hieß, man wolle Coctier'n den Prozeß machen. Dieser wußte sich aber auch hier wieder aus der Sache zu ziehen. Als Karl VIII. sich zu seinem Feldzug nach Neapel rüstete, bot Coctier ihm ein Darlehn von 50000 Ecus d' or an, und entzog sich dergestalt allen fernern Untersuchungen. 7

Eben dieser Ludwig XI. galt zu seiner Zeit für einen gelehrten Fürsten, weil er die Flüchtlinge aus Konstantinopel und Griechenland wohl aufnahm, die Universität Paris reformirte, und die Bibliothek ansehnlich vermehrte, die sein Großvater, Karl V., in Fontainebleau hatte anlegen, und Karl VI. nach Paris ins Louvre bringen lassen. Robert Gaguin wurde von ihm als Bibliothekar angesetzt, und mußte für die Anschaffung neuer Bücher sorgen. 8 Auch das große Werk des [12] des Muhhammed Arrazi (Rhasis), welches unter dem Namen Alchawi oder Continens bekannt ist, sollte für die königliche Bibliothek angekauft werden, und man wußte es nirgends zu finden. Endlich hörte Gaguin, die Universität besitze ein Exemplar, welches aber für keinen Preis verkauft werden könne. Er meldete dies dem Könige unmittelbar. Auf Befehl des Letztern mußte nun der Präsident des Comptes, Jean de la Driesche, an die medicinische Fakultät schreiben, und sie im Namen des Königes bitten, ob sie gegen ein beliebiges Unterpfand jenes kostbare Werk zum Abschreiben nicht verborgen wollte. Die Fakultät willigte in dies Begehren, und bekam zum Unterpfande vom Könige zwölf Mark Silbers 9, an goldenen und silbernen Geschirren, und außerdem mußte ein gewisser Malingre noch eine Caution von 100 Ecus d' or (62 Rthlr. 12 Gr.) machen. Doch hier folgt das Schreiben der Fakultät selbst: 10


Nostre souverain Seigneur, tant et si très humblement, que plus pouvons, nous nous recommandons à Vostre bonne grace, et Vous plaise [13] sçavoir, nostre souverain Seigneur, que la Président, Jean de la Driesche, nous a dict, que luy avez rescript, qu'il Vous envoyast totum continens Rasis pour faire escrire: et pour ce qu'il n'en a point sçachant, que nous en avons un, nous a requis que luy voulussions bailler.


Sire, combien que tousjours avons gardé très précieusement ledit livre, car c'est le plus beau et plus singulier thresor de nostre Faculté et n'en trouve on gueres de tel: neantmoins nous, qui de tout nostre coeur desirons Vous complaire et accomplir ce qui Vous est agréable, comme tenus sommes, avons delivré audit Président ledit livre pour le faire escrire, moyennant certains gaiges de vaiselle d'argent et autres cautions, qu'il nous a baille en seureté de le nous rendre, ainsi que selon les Statuts de nostre Faculté faire se doit, lesquels nous avons tous jurez aux sainctes Evangiles de Dieu, garder et observer, ne autrement ne les pouvons avoir pour nos propres affaires. Priant Dieu etc. Ce 29 Novembre, 1471.


Weiter unten stehen die Worte: Fuit pignus Facultati statutum 12 Marcarum argenti cum 20 Sterlinis, una cum obligatione ... Malingre, qui constituit se fideiussorem pro 100 scutis auri, ultra pignus traditum.


[14] Auffallend wird jedem Leser die Freymüthigkeit seyn, womit die medicinische Fakultät von ihrem Souverain ein beträchtliches Unterpfand verlangt, wenn er Bücher von ihr geborgt haben will. Dagegen sich manche unserer medicinischen Fakultäten von ihren Fürsten und deren Günstlingen die wichtigsten Vorrechte entreissen lassen, ohne auch nur bescheidene Gegenvorstellungen zu thun. Und unsere Fürsten sind doch gewiß keine Despoten, wie Ludwig XI. war. Aber die Pariser Fakultät hatte sich auch ein ganz anderes Ansehen zu erwerben gewußt, als unsere Fakultäten haben. Kurze Zeit nachher, als Ludwig XI. zur Regierung gekommen war, setzte er einen Regierungsrath fest, der aus sechs Mitgliedern des Parlements, sechs Professoren der Universität, und sechs Notablen bestand: 11 und so hatte in unzähligen andern Fällen die Universität einen wichtigen Einfluß in die Regierung des Landes bewiesen.


Die Summe, welche sich die Fakultät als Pfand und Caution zahlen ließ, wird auch nicht übermäßig erscheinen, wenn man bedenkt, daß damals, als die Buchdruckerkunst noch nicht so ausgebreitet war, die Bücher durchgehends in verhältnißmäßigem Preise standen. Der Herzog von Berry kaufte 1404 den alten Roman Lancelot du Lac, den wir aus unserm Wieland kennen, für [15] 300 Ecus d' or (187 Rthlr. 12 Gr. 12) Alphons V. bezahlte einen geschriebenen Livius mit 120 Scudi d' oro, und als Johann Fust 1452 zum erstenmal eine gedruckte lateinische Bibel für sechzig Kronen verkaufte, erstaunte man über die unerhörte Wohlfeilheit, und gab ihn natürlch für einen Hexenmeister aus, da eine lateinische geschriebene Bibel bis 400 Kronen gekostet hatte.

[16]
Fußnoten

1 Mezeray Abrégé, vol. II. p. 318.

2 »Oncques homme ne craignit plus la mort, et ne fit tant de choses, pour y cuider mettre remede, comme luy,« sagt Comines, vergl. Jean de Troyes chronique scandal. p. 282.

3 Daniel Histoire de France, vol. VI. p. 554.

4 J. de Troyes chron. scand. p. 284. (8. Bruxell. 1723.)

5 Mémoires de Messire Phil. de Comines, ed. de Godefroy, liv. VI. ch. 8. et 12.

6 Ein Ecu d' or galt zu Ludwigs XI. Zeiten, vor 1473a 27 Sous und 6 Deniers, seit dieser Zeit aber wurde der Werth bis auf 30 Sous erhöht. (Abot de Bazinghen traité des monnoies, vol. II. p. 175. 176. 4. Paris 1764.) Also betrug Coctier's Honorarium 61250 Reichsthaler pr. Cour.

7 Mém. de Comines, liv. VI. ch. 12. p. 427. –Mezeray Vol. II. p. 323. – Guyon d' Olois leçons diverses, p. 310.

8 Du Breuil antiquitez de Paris, vol. I. p. 1043. – Martene et Durande collect. ampliss. vol. I. p. 1545.

9 Eine Mark Silbers betrug noch 1471 acht Livres, funfzehn Sous. (Abot de Bazinghen l.c.) Zwölf Mark Silbers waren also so viel, als 26 Rthlr. 20 Gr. pr. Cour.

10 Mém. de Comines, vol. III. p. 38.

11 Mezeray, vol. II. p. 290.

12 Laboureur histoire de Charles VI. Introduct. p. 76.

[16] 14.

In Salzburg, auf dem Kirchhofe zu St. Sebastian, liegt Theophrastus Paracelsus begraben. Die lateinischt Grabschrift lautet auf deutsch so: Hier liegt begraben Philippus Theophrastus, weltberühmter Doktor der Arzneykunde, welcher die schrecklichsten Krankheiten, Aussatz Podagra, Wassersucht, und andre gefährliche Seuchen, durch seine Wunderkuren gehoben, und sein Vermögen unter die Armen auszutheilen verordnet hat. Er starb 1541 den 24sten September.

2. Anatomie und Physiologie
1. Von einer sechs und vierzigjährigen Frucht
1.
Von einer sechs und vierzigjährigen Frucht.

Anna Müllerin, (aus Leinzell, bey Gemünde) von einem trocknen und schlanken Körper, starb, bis auf den letzten Augenblick sehr munter und vergnügt, im 94sten Jahre. Vor 46 Jahren hatte sie geglaubt, schwanger zu seyn: die Reinigung war ausgeblieben; der Leib schwoll auf; und sie empfand um die gehörige Zeit Wehen: allein sie waren ohne Erfolg, außer daß die Wasser abgiengen. Nachdem diese 3–7 Wochen gedauert hatten, so verloren sie sich plötzlich auf ein, von einem Afterarzt gegebenes, Mittel; die Frau befand sich auch vollkommen wohl; außer, daß der Leib geschwollen blieb, und daß sie die Empfindung eines Gewichtes verspürte. Nach einer andern [17] Nachricht soll, auf jenes eingenommene weiße Pulver, etwas im Leibe geborsten seyn. Unsere Frau wurde bald zum andernmale schwanger; der Leib wurde, unter großen Beschwerden, übermäßig ausgedehnt; endlich gebar sie ein einziges Kind. Eben dies erfolgte noch einmal; und beyde Kinder leben noch. Die ehemalige Geschwulst verlor sich nicht; sie behielt ihre drückenden, etwas brennenden, Schmerzen (besonders wenn sie sich bewegte, oder auf die rechte Seite legte,) in der linken Seite unter dem Nabel, in der Fläche von einer Hand groß: sie beklagte sich bis ans Ende ihres Lebens über eine Schwangerschaft; so wenig man es ihr auch glauben wollte. Sie starb im 94sten Jahre, nach einem asthmatischen Anfalle, und immer mehr abnehmenden Kräften, und man öffnete sie hierauf, nach ihrem ehemals geäußerten Verlangen. Alle Eingeweide waren gesund, außer den Lungen; die Mutter war, besonders gegen die linke Seite zu, aufgetrieben. Nach ihrer Oeffnung fand man eine knöcherne Kugel von der Größe, wie die zum Kegelschieben gebräuchlichen von der größten Art: sie hieng an der linken Seite, mittelst eines schwammichten Fleisches, von der Größe eines Guldens, fest an; und eben daselbst fand man viele drüsichte Auswüchse. Aeußerlich war diese Kugel ganz knöchern, 8 Pfund schwer, rauh, und mit kleinen Hervorragungen besetzt; da, wo sie an der Mutter fest saß, war sie gewissermaßen knorpelartig, und nicht so hart, wie im[18] übrigen Umfange. Als man sie spaltete, so fand man inwendig ein todtes, männliches, zur Geburt reifes Kind, das nicht faul, sondern bleyfarbig, oder, nach Einigen, etwas bräunlich, wie geräuchertes Fleisch, war; nach des Wundarztes Berichte aber hatte es das Ansehen, wie eines abgestorbenen Kindes, und es war ohne allen Geruch. Alle Theile waren ungewöhnlich hart, und ausgetrocknet: es hatte vollkommen alle Glieder, selbst die Nägel, und man fand weder in denselben, noch in der Kugel, irgend eine Feuchtigkeit. Die Lage des Kindes war übrigens natürlich. Der Nabelstrang war 4 bis 5 Finger breit vom Nabel an die umgebenden Hülle angewachsen: der übrige Theil gieng unter der Schulter nach hinten zu, und hieng daselbst, an dem knorpelartigen Theile, von neuem sehr fest an. Nahe bey dem Munde hatte die rechte Hand eine Art von Grube eingedrückt: die Dicke der umgebenden Schaale war mehrentheils wie eine Schreibfeder stark. – Die Richtigkeit dieser Beobachtungen ist durch mehrere Anwesende bestätigt, u.s.f.S. D. L. Crells Auszug aus v. Hallers Beyträgen zur Beförderung der Gesch. und Heilung der Krankheiten. 1781. I. Band. S. 621.

2.

Vor etwa 200 Jahren lebte in Italien ein gewisser Sanctorius, der sich durch eine dreyßigjährige [19] Geduld und Unverdrossenheit unsterblich und nützlich gemacht hat. Dieser Mann saß ganze 30 Jahre in einer Wagschale, und nahm weder Speise noch Trank zu sich, und entledigte sich keiner Unreinigkeit, ohne dies Alles, und dann auch sich selbst, auf das genaueste zu wägen. Nach der genauesten Berechnung des Zusatzes und Abgangs fand er sich dennoch immer um vieles leichter, als er hätte seyn müssen, wenn nichts, als das Sichtbare, von ihm gegangen wäre. So entdeckte Sanctorius, wie viel ein Mensch durch die unmerkliche Ausdünstung verliere. Er fand und bewies, daß dieser Verlust in 24 Stunden 5 Pfund betragen könne.

Bey Wärme und Bewegung dünstet man übrigens mehr (in einer Stunde etwa 8 Loth), bey Kälte und Ruhe hingegen weniger (etwa in einer Stunde nur 1 Loth) aus: ebenso, nach Sanctorius Bemerkung, im Schlafe noch einmal so stark, als im Wachen. Unzers Arzt I. Bd. 5tes St.

3.

Der Tod der nach dem thierischen Tode übriggebliebenen mechanischen Natur erfolgt gewöhnlich durch die Verwesung. Diese löst nach und nach die Struktur der Maschine auf, und zerstört die weichsten Drüsen, und die härtesten Gebeine.

[20] Die Natur verhütet zuweilen diesen zweyten Tod der Menschen durch Mittel, die wir ihr noch nicht haben ablernen können. Man hat erst kürzlich 1 in England Leichname von 80 Jahren ganz frisch und unverwest gefunden. Im Dom zu Bremen ist ein Gewölbe, worin die beygesetzten Leichen, ohne alle Spuren der Verwesung, in ihrer völligen Gestalt, blos vertrocknet und hart sich erhalten haben. Uffenbach und Hanway haben sie gesehen, und der letztre erzählt, daß die dermaligen Domprediger keine Leiche mehr in diesem Gewölbe wollten beysetzen lassen, weil es in der Bibel heiße: der Mensch solle wieder zur Erde werden! – Füßli fand in einem Begräbniß der Zürchischen Herrschaft Sax den Leichnam eines Freyherrn von Sax, der 1596 von seinem Bruder war umgebracht worden. Sarg und Kleider waren vermodert, aber der Leichnam selbst lag unverwest da, und glich einem alten abgelebten Körper, der (wie man zu sagen pflegt) nur aus Haut und Knochen zusammen hängt. Das Gesicht war ganz kenntlich. Die Augen waren geschlossen. Der Hieb über dem linken Schlaf war sehr gut zu unterscheiden; und verschossenes Blut bezeichnete die Haut oder Wunde. – Eben so sieht man zu Warberg, ohnweit Helmstädt, in einem Gewölbe drey Leichen, die daselbst schon seit 1694 liegen, und deren Glieder und Kleider noch ganz unverwest [21] sind. Der Leichnam des einen Mannes zeigt sich in seiner korpulenten Fülle. Obgleich aus dem geöffneten Munde sich Anfangs eine Gährung aus dem Magen über das Sterbekleid ergossen hat, wie die Spuren zeigen, so ist doch das Leinenzeug und der Körper selbst vom Moder unangegriffen. Ein Kind, das im Julius gestorben war, hat am Munde Merkmale einer angefangenen Fäulniß; aber sie hat nicht weiter um sich gegriffen, und man sieht die Zähne, die Zunge, das ganze Gesicht, die Füße und die Bekleidung noch ganz unverwest. – – Ebend. Bd. I. St. 36.

[22]
Fußnoten

1 vor 30 bis 40 Jahren.

[22] 4.

Quesnay hat berechnet, daß ein erwachsener Mensch, wenn er sich im natürlichen Zustande befindet, ohngefähr 8 Pfund Fett haben müsse. Das mittlere Gewicht eines Menschen ist 160 Pfund. Es hat aber Leute gegeben, die 400, 500, ja sogar 600 Pfund schwer gewesen sind, und 6 Zoll hoch Fett unter der Haut gehabt haben. – Bey den Thieren findet man ähnliche Beyspiele. Es giebt Schweine, deren Haut 15 Zoll vom Knochen absteht. Ein Ochse, der gewöhnlich 500 Pfund wiegt, kann eine Schwere von 2600, ja 2800 Pfund erlangen, welches die Hälfte des Gewichts eines Elefanten ist.

Diese erstaunlichen Abweichungen der Natur können unmöglich glückliche Folgen haben. Auch [22] sind sehr fette Leute (wegen des erschwerten Umlaufs des Bluts durch die verengerten Gefäße, wie Böerhaave meint) zu Schlagflüssen und andern Zufällen geneigt, und sterben früh. Ein Mann, der 600 Pfund schwer, und dabey sehr behend war, dessen Weste sieben Männer (mirabile dictu!) von gewöhnlicher Stärke umspannte, ohne daß ein einziger Knopf absprang, dieser Mann starb schon im 29sten oder 30sten Jahre. – Ein Anderer, Louis Coute, der, um den Nabel herum gemessen, 8 Fuß maß, und dessen Fett von der Haut bis zu den Bauchmuskeln eine Höhe von 13 bis 14 Zoll hatte, kurz, ein Mann von 800 Pfund, starb im 46sten Jahre am Schlagflusse. Die Gedärme waren weder dicker noch fetter, als bey einem andern gesunden Menschen. Seine Leber hingegen war dreyeckigt und verhärtet, und bestand nur aus Einem Stück. Auch war sie 5 Finger breit am Zwerchfelle festgewachsen. – Ebendas. 59. St.

5.

Den Einfluß der Sorgen, der Leidenschaften, und des vielen Nachdenkens auf den Körper beweist der berühmte Swift. So lange er mit Sorgen und Leidenschaften kämpfte, und seiner Vernunft mächtig war, blieb er ungemein mager. Als seine Seelenkräfte erschöpft waren, und er endlich gar in Wahnsinn verfiel, ward er sehr fett.

[23] 6.

Wie wichtig für die Gesundheit reine Luft sey, beweist unter andern das Schicksal der englischen Besatzung im Fort William zu Calcutta in Bengalen, im Jahre 1756. Die Besatzung bestand aus 146 Personen. Diese wurden von den Indianern in ein Gefägniß von 18 Fuß ins Gevierte, und zwar von 8 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, eine schwüle Nacht hindurch, eingesperrt. Schon in der ersten Stunde starben Viele, und die Meisten wurden vor Durst wütend. Der Athem fehlte ihnen; sie kamen von Sinnen. Endlich wurde ihnen durch ein Fenster Wasser gereicht, wozu sich Alles so wütend hinzudrängte, daß Viele todtgedrückt und zertreten wurden. Der Anführer, Hollwell, bemerkte, daß das Wasser seinen Durst nicht minderte, sondern daß ihn ärger dürstete, je mehr er trank. Um den Mund frisch zu erhalten, netzte er seine Aermel, und sog daran. Um 12 Uhr Mitternachts war Alles, wegen des Mangels an Luft, in Verzweiflung, und die Meisten der noch Lebenden starben bald. Um 5 Uhr Morgens waren nur 23 noch am Leben, wovon Mehrere nicht mehr stehen konnten. Der Gestank der Leichname war unerträglich. Morgens nach 6 Uhr wurden endlich die noch übrigen 23 Unglücklichen im erbärmlichsten Zustande aus ihrem Kerker heraus gelassen. Gentleman's Magazine, 1758.

[24] Merkwürdig und hierher gehörig ist auch folgende Geschichte, die Vega erzählte. In der lieben Frauenkirche zu Paris ward im August 1744 eine Leiche in einem Gewölbe beygesetzt. Der Todtengräber stand noch auf der Leiter, als ihn schon Konvulsionen befielen, und er todt in die Gruft hinunterstürzte. Ein Anderer, der sich an einem Stricke hinab ließ, wollte den Todtengräber eben beym Kleide fassen, als auch er den Athem verlor. Man zog ihn sogleich heraus, aber er war halb todt, und hatte die ganze Nacht Konvulsionen, Ohnmachten, Zittern und Herzklopfen. Ein Dritter ward schon am Rande der Gruft bleich und entstellt, weil ihm der Athem ausblieb. Der Vierte, der sich für sehr stark hielt, und den Todten herausholen wollte, blieb selbst auf dessen Körper todt liegen. Der Bruder des Todtengräbers, der diesen wenigstens retten wollte, machte den Beschluß. Denn weil er den Körper des zweyten Todten, der auf seinen Bruder gefallen war, erst wegräumen mußte: so hielt er sich zu lange in der Höhle auf, und empfand ein heftiges Drücken, das ihn nöthigte, beraufzusteigen. Hierauf tauchte er sein Schnupftuch in Ungarisches Wasser, nahm das Tuch zwischen die Zähne, und wagte sich zum andernmal in die Gruft. Allein man sahe ihn bald taumelnd die Leiter wieder heraufsteigen, und von der dritten Sprosse stürzte er schon leblos zurück. Man zog endlich diese Todten mit Haken heraus. Ihre Kleider stanken [25] unerträglich. Die Lichter erloschen, wenn man sie an die Oeffnung der Gruft brachte. Hunde, Katzen und Vögel, die man hinein hielt, starben in zwey Minuten konvulsivisch, und hineingelassene leere Flaschen, die man nachher verstopfte, löschten nach 6 Wochen noch Lichter aus, und zeigten schädliche Wirkungen auf Thiere.


Eben so verderblich ist die Luft auf lange verschlossen gewesenen Kornböden, in Brunnen, die lange zugedeckt gewesen sind, u.s.f. – Ebendas. 65. St.

7.

Die festen Theile der thierischen Körper würden in einen Kalkstaub zusammen fallen, wenn sie nicht durch einen zähen Leim mit einander verbunden wären. Dieser Leim ist ihnen so fest einverleibt, daß ihn die Knochen 2000jähriger und älterer Mumien noch besitzen, weil sie der Ueberguß vor dem Zugange der Luft gesichert hat. Dagegen zerfiel Alexanders Leichnam zu Alexandrien unter Augustus Fingern in jenen mürben Staub, in den alle Knochen zerfallen, wenn der Hinzutritt der Luft jenen Leim allmählig aufgelöst hat.

8.

Thiere und Menschen haben zuweilen das Unglück, daß ihnen die Knochen so weich und mürbe [26] werden, daß sie sich wie Wachs biegen, oder wie Glas zerbrechen. Man hat viele Beyspiele von Leuten, denen ein Arm zerbrochen ist, wenn sie eine Kleinigkeit, z.B. eine Tabackspfeife, aufheben wollten. Dagegen lebte vor etwa 30 Jahren eine gewisse Madam Supiet zu Paris, der alle Knochen so weich, und hierauf von ihren eigenen Muskeln so verbogen und verzerrt worden waren, daß ihre Gestalt einem Scheerbeutel glich, indem sich Schenkel und Füße gänzlich unter den Rücken zurückgebogen hatten.

9.

Wie viel die Einbildungskraft über uns vermöge, beweisen folgende Anekdoten, die Unzer (Der Arzt 69. St.) erzählt.


Ein Mensch hatte das Unglück, daß ein Brett auf dem Boden, über das er gieng, zerbrach. Er stürzte hinunter und brach ein Bein. Obgleich er nun vollkommen geheilt war, so vermochte er doch seitdem nicht, ohne Zittern und Schwindel, über ein Brett zu gehen, wenn es auch auf der Erde lag, und also mathematisch gewiß nicht brechen konnte. So lebhaft erinnerte er sich dann immer an jenen unglücklichen Fall.


Bonetus gab einem Menschen, der von ihm durchaus Frankfurter Hauptpillen zum Purgiren verlangte, eine Portion Pillen von übersilberten [27] Semmelkrumen. Der Mensch nahm sie ein, in der Ueberzeugung, daß es Purgirpillen wären, und hatte davon einmal Erbrechen und 5 Stuhlgänge.


Eben derselbe Arzt kannte ein Mädchen, das an einem Abend hatte Rhabarber einnehmen sollen, es aber aus Furcht vor dem übeln Geschmacke unterlassen hatte. In der Nacht träumt ihr, sie nehme Rhabarber ein, und sie purgirt am Morgen nicht anders, als ob es wirklich geschehen wäre.


Eben so nahm (wie Pechlin erzählt) ein Mensch 20 Gran von der Hundszungen-Pillenmasse zum Purgiren ein, weil er alle Pillen für Purganzmittel hielt; und er purgirte wirklich von dieser opiatischen Arzney, die einen andern verstopft haben würde. – Ein Anderer schwitzte von 15 Gran weißen Vitriols, weil er die Brechpulver für dienlich zum Schwitzen hielt.


Plater erzählt von einem Menschen, daß er sich einst in einem Teiche gebadet, und darin Froschleich bemerkt habe. Seit dieser Zeit bildete er sich ein, er hätte einen lebendigen Frosch im Magen: die Blähungen quackten ihm wie Frösche, und Plater konnte ihm seinen Wahn nicht benehmen.


Ein hypochondrischer Student beklagte sich bey Thomas Bartholin, daß er fühle, wie oft [28] der Teufel, als ein Wind, ihm durch den After in den Leib fahre. Er lärme dann fürchterlich in seinem Leibe herum, steige ihm nach dem Kopf, und beunruhige seinen Geist, bis er endlich durch fleißiges Beten genöthiget werde, auf eben dem Wege und in der nämlichen Gestalt wieder auszufahren.


Wenn vollblütige Leute, wegen einer unnatürlichen Lage im Schlafe, Herzensangst, Beklemmung, Krämpfe, und davon blaue Flecke bekommen: so ist die Phantasie gleich geschäfftig, und zeigt ihnen im Traume einen großen Mann, einen Bär, einen Bock, einen Teufel, der auf sie fällt, sie ängstigt, kneipt und prügelt. So sah (nach Bonetus Erzählung) ein Mann im Traume einen großen Polaken, der ihm mit einem Steine in die Herzgrube schlug. Beym Erwachen fühlte er wirklich einen heftigen Schmerz an dieser Stelle, und man sahe daselbst einen großen runden Fleck, einer Faust groß, der nach 5 Tagen durch Arzneyen vertrieben wurde.


Wird die Einbildungskraft übermächtig, verschlingt sie gleichsam alle übrigen Seelenkräfte, und wirft sie sich endlich mit ihrer ganzen Stärke auf Eine Idee, die sie zernagt, so erfolgt Wahnsinn, oder etwas dem Aehnliches. – So glaubte ein Maler, seine Knochen wären so weich, daß er beym Aufstehen in einen Klumpen fallen würde; und er brachte deshalb einen ganzen Winter im [29] Bette zu. – Eine Frau bildete sich ein, sie wäre gestorben, und Gott habe sie zwar wieder ins Leben zurück geschickt, aber ihr Herz im Himmel behalten, worüber sie sehr melancholisch war. – Thomas Bartholin erzählt von einem Mann, daß er geglaubt habe, seine Nase sey so groß, daß man ihm darauf treten werde; und er sey deswegen nicht ausgegangen. – Einen Menschen, der keinen Kopf zu haben glaubte, überzeugte Philodotus nur durch das Gewicht eines bleyernen Hutes, den er ihm machen ließ, daß er wirklich einen Kopf habe. – Endlich bildete sich sogar ein Arzt in Venedig ein, er sey zur Zeit der Hundstage ein irdener Topf, und wohnte während der Hundstage ganz oben unter dem Dache, um nicht erdrückt zu werden.

10.

Boerhaave hat aus den öffentlichen Geburts- und Sterbelisten gesehen, daß die gesündesten Kinder im Januar, Februar und März geboren werden. Am besten wäre es also, sich im April, May oder Junius zu verheyrathen. Geburtslisten beweisen, daß es in diesen Monaten auch am meisten geschieht.

11.

Die Malabaren sind weit in der Physiologie. Sie wissen, daß es am menschlichen Körper 96 [30] Tattuw angöl (auf Deutsch, Das weiß ich nicht) giebt. Ferner besitzt, nach ihrer Meinung, der Mensch fünf Leben und fünf Stockwerke im Kopf und im Oberleibe. Wenn die Seele ins untere Stockwerk steige, so falle sie in einen tiefen Schlaf. –

12.

Ob ein Mensch ohne Testikel zur Ehe geschickt sey, ist eine Frage, die mit Ja und Nein beantwortet wird. Sixtus V., der Franziskaner gewesen war, erklärte 1587 (den 25sten Junii), in einem Briefe an den Spanischen Nuncius: »Man müsse eine Ehe trennen, wenn der Mann keine Testikel habe.« Philipp II. gehorchte diesem Befehle. Aber wie konnte ein Mann, der Franziskaner gewesen war, nicht wissen, daß es Menschen giebt, deren Testikel im Bauche sitzen, und die nur desto geschickter zur Ausübung der ehelichen Pflicht sind? Ich wenigstens habe drey Brüder von vornehmer Herkunft gekannt, wovon der Eine drey, der Andere Einen, und der Dritte, dem Anschein nach, gar keinen Testikel hatte. Dieser Letzte war der mannhafteste unter ihnen. Voltäre Quest. sur l'Encyc. Art. Testicules.

13.

Einer unsrer berühmtesten Geburtshelfer hat einen merkwürdigen Fall beobachtet, den er ausführlich schreiben wird.

[31] »Ein Frauenzimmer mit einer vagina et utero duplici fragte ihn um Rath, ob sie heyrathen könne? Sein Gutachten gieng dahin: beständig die eine vagina, und nie die Andre zu gebrauchen.

»Sie kam ins Kndbett – und genoß eines Kindes.Sed quid sit? – Das Septum reißt, und aus der vagina duplici wird eine simplex. Das Frauenzimmer wird wieder schwanger, und kommt ins Kindbett; aber nach drey Monaten kommt sie von neuem mit einemfoetu perfecto nieder, zum sichern Beweis, daß sie zweymal zu verschiedner Zeit concipirt. Gewiß einer der sonderbarsten Fälle. Balding. Neues Mag. 6. Bd. S. 473.

14. Cromwells Gehirn
14.
Cromwells Gehirn.

In dem Anabaptisticum et enthusiasticum Pantheon etc., unter der Abtheilung: Der verschmitzte Weltmann und scheinheilige Tyrann in England, Oliver Cromwell, steht im 40sten §. folgende Nachricht von Cromwells Leichenöffnung:

»Nach diesem öffnete man des Cromwells todten Körper; da denn die Eingeweide ziemlich wohl bestellt, die Leber aber angesteckt, und das Gehirn sechs und ein Viertheil Pf. schwer befunden worden.«

15. Eine merkwürdige Leichenöffnung
[32] 15.
Eine merkwürdige Leichenöffnung.

Als ein Soldat von der Churf. – Armee, der plötzlich gestorben war, geöffnet wurde, fand man in dessen Magen einen Vorrath von 16 Pf., sage sechzehn Pfund Kartoffeln – ohne die andern Speisen von Schinken und Würsten.

16. Merkwürdiger Hexenproceß
16.
Merkwürdiger Hexenproceß.
Zu Sevilla wurde 1781 (!) eine Hexe verbrannt, die Eyer gelegt haben sollte.

Der Kirchenbote St. 1. 1783. S. 85.

17. Glückliches Gedächtniß
17.
Glückliches Gedächtniß.

Von dem berühmten Rechtsgelehrten, dem Hofrath Becmann (er starb vor einigen und zwanzig Jahren) erzählt sein Bruder, im Leben desselben:


– »Nulla lex alicuius momenti, praesertim in Corpore Iuris Iustinianei – quae ipsi non familiaris fuerit.«


Mehrere Beyspiele eines glücklichen Gedächtnisses findet man in Hallers großer Physiologie, Artik. Memoria.

18. Ein Beytrag zur Iatro-mathematica
[33] 18.
Ein Beytrag zur Iatro-mathematica.

Ein Docent wollte im Collegio begreiflich machen, warum den Schwangern im Mutterleibe das Kind leicht zu tragen würde, und sagte: es schwimme ja imliquore amnii, und Körper in einem Fluido verlören ja von ihrem Gewichte!


Dabey fiel mir die Anekdote von jenem Handwerkspurschen ein, der blind auf der Post fuhr, und seinen Ranzen sorgfältig auf dem Schooße behielt.


Der Postillion sagte: legt doch den Ranzen neben euch!


Ja, sagte der Handwerkspursche, wollt ihr denn so gut seyn, und mir meinen Ranzen auch mit fahren?


In Wolfs Versuchen steht einer, der zeigen soll, daß das Wasser um so viel schwerer wird, als ein Körper Gewicht in ihm verliert. Ich habe immer geglaubt, Wolf habe die Deutlichkeit für einen, der Menschenverstand hat, zu weit getrieben, aber ich sehe nun wohl, daß man in unsern aufgeklärten Zeiten nicht zu deutlich seyn kann.


Balding. Neues Magaz. 7. Bd. S. 564.

19. Eine Vision der Jungfer Antoinette Bourignon
[34] 19.
Eine Vision der Jungfer Antoinette Bourignon, betreffend die Generationem hominis.

(Aus Baldingers N. Magaz. 1787. S. 329.)


Vorbericht.


Alle Visionen und theosophische Herzensandachten sind morbi mentis. Die Bourignon war bekanntlich die Stifterin einer berühmten Sekte. Es ist noch immer ein Mirakel, wie Swammerdam, der über Bienen und Insekten so gründlich schrieb, und dessen Bibel der Natur ein so richtig durchdachtes Werk ist, auf den Einfall kam, sich zu der Sekte dieser Schwärmerey zu schlagen.

Ihre Lebensbeschreibung, (ein dickes Buch) theils von ihr selbst, theils von einem ihrer Bekannten, abgefaßt, kam 1684 zu Amsterdam in gr. 8. heraus.

Die Vision steht S. 452.


* *

*


»Gott ließ sie (sagt der Lebensbeschreiber) in ihrem Geiste, ohne Zwischenkunft der leiblichen Augen, die an einer so großen Herrlichkeit würden hängen geblieben seyn, die Schönheit der ersten [35] Welt, und die Weisen, wie er sie aus dem – ungeschickten Mengelklump (Chaos) gezogen, sehen. Alles war glänzend, durchscheinend und strahlend, von unaussprechlichem Lichte, und von der unendlichsten Herrlichkeit. Er ließ sie (die Bourignon) sehen auf eben dieselbe Weise den ersten Menschen Adam, dessen Leib viel reiner und durchscheinender war, als ein Krystall, ja, so zu reden, ganz leicht und fliegend. In demselben und durch denselben hin sahe man Gefäße und Bächlein voll Lichtes, welche von innen nach außen zu durch alle seine Schweißlöcher drangen, 1 ja Gefäße, die allerhand ganz durchsichtige Feuchtigkeiten von allerley lebendigen Farben, nicht allein vom Wasser und von der Milch, sondern auch vom Feuer und von der Luft und andern Dingen in sich herum drehten. Seine Bewegungen gaben einen wundernswürdigen Zusammenklang.«


Alles war ihm gehorsam: nichts widerstand ihm, und konnte ihm schaden. Er war etwas länger und größer, als die jetzigen Menschen. Er hatte ein kurzes, geringeltes oder gekräuseltes Haar, das sich nach der schwarzen Farbe zuneigte. Die Oberlippe war mit einem zarten Haar bedeckt, und anstatt der thierischen Glieder, die man nicht nennen [36] darf, war er gebildet, gleich wie unsre wieder erneuerten Leiber im ewigen Leben seyn werden, und daß ich nicht weiß, ob ich es sagen soll.


Er hatte in dieser Gegend die Gestalt einer Nase, die eben so gestaltet war, als dieselbe des Angesichts: und allda befand sich ein Kwäl des lieblichsten Geruchs 2, und wundernswürdigsten Rauchwerks. Von da sollten auch die Menschen herausgehen, deren ganzen Ursprung er in sich begriffe.


Denn in seinem Bauche lag ein Gefäß, worinne kleine Eyer wuchsen, und noch ein andres voll Feuchtigkeit, welche diese Eyer fruchtbar machte. 3 Wenn der Mensch sich in der Liebe seines Gottes erhitzte, da machte die Begierde, die er hatte, daß noch andre Geschöpfe seyn möchten, als er, die große Majestät Gottes zu loben und anzubeten, daß sich die gemeldete Feuchtigkeit, durch das Feuer der Liebe Gottes, auf eines oder mehr dieser Eyer mit einer unbegreiflichen Wollust ausbreitete, und dieses Ey, nachdem es also fruchtbar gemacht war, begab sich über eine Zeit durch diese Röhre oder Rinne aus dem Menschen in Gestalt [37] eines Eyes, daraus ein wenig darnach ein vollkommener Mensch hervorschlupfte.

[38]
Fußnoten

1 Wenn man Thom. Bartholin. de Luce hominum et brutorumgelesen hat, so träumt einem so was leicht.

2 Linnee vergleicht den Geruch desjenigen, was die Jungfer in ihrer Schamhaftigkeit für eine Nase ansah, mit dem odore hircino.

3 Swammerdam hätte die Bourignon dietheoriam generationis viel besser lehren können.

[38] 20.

Ein gewisser Mann brachte eine Weibsperson, welche in der zartesten Jugend durch die Blattern ihrer Augen beraubt worden war, ihn also niemals gesehen hatte, zu Fall, und heyrathete sie alsdann. Die frühzeitige und einzige Frucht dieser Liebe ist nun ein Mann, der seinem Vater Zug für Zug vollkommen gleicht. Also gute Nacht Einfluß der Einbildungskraft!


Aber wie reimt sich dieses dazu?


Anderthalb Meilen von hier (Marburg) kommt ein Bettler vor das Fenster eines Müllers mit gebrochener und wunderlich geheilter linker Hand und Fingern. Die hochschwangere Müllerin öffnet das Fenster, entsetzt sich über den Mann, und bringt zu seiner Zeit einen Sohn zur Welt, dessen linke Hand nebst den Fingern eben so fehlerhaft, wie die des Bettlers, gebildet war. Ich sah solche oftmals. Die Mutter lebt noch.


Nicht ganz eine Meile von hier geht, vor ohngefähr 15 Jahren, eine Bauersfrau in ein benachbartes Städtchen. Sie alterirt sich dort über die ungeheure Mode-Coeffüre eines ihr begegnenden Frauenzimmers. Bald daraus kommt sie, [38] doch zu rechter Zeit, nieder; allein mit vieler Mühe, weil das Kind auch mit einer hohen Haube versehen war, welcher der Accoucheur erst den Weg weisen mußte.


Eine andre Frau gebar, nach ähnlicher Veranlassung, ein Kind mit einer schwarzen Schornsteinfegerkappe.


Möchte bey dergleichen Fällen nicht auch die Regel aus der Logik statt finden: Vnius positio non est alterius exclusio?


Balding. N. Magaz. 1788. S. 381.

21.

Sonderbar ist Agrippa's Beweis, daß an Ehrbarkeit das männliche Geschlecht von dem weiblichen übertroffen werde.

»Praeter – admirandam pulchritudinem, sagt er,etiam honestatis quadam dignitate mulier dotata est, quod viris non contingit. Nam capilli mulieris in tantum promittuntur, ut omnes corporis partes pudentiores operire possint. Adde, quod has corporis partes in naturae operibus mulieri contrectare, id quod viris adsolet usui venire, nunquam est necesse. – Ad miram denique decentiam natura ipsa mulieribus inguina ordinavit, non prominentia uti viris, sed intus manentia, ac secretiori tutiorique loco seposita.« – –


[39]Verecundiae honestatem etiamnum moribundae mortuaeque retinent; ut in his patet maxime, quae in aquis pereunt. Nam auctore Plinio atque experientia teste, mulier prona iacet, pudori defunctarum parcente natura, vir autem natat supinus.


Vultus insuper in viris barba illis odiosissima, adeo saepe deturpatur, pilisque sordidis operitur, ut vix a belluis discerni possint; in mulieribus contra remanente semper facie pura atque decora. – – Munditiac etiam ac puritatis ipsius mulieris omnibus vel hoc evidentissimum argumentum est, quod, mulier semel munde abluta quoties post aqua pura diluitur, aqua ipsa nullam recipit immunditiae maculam: Vir autem quantumcunque ablutus, quoties denuo abluitur, turbat aquam et inficit.


S. Henr. Cornel. Agrippae ab Nettesheim De Nobilitate et praecellentia Feminei sexus, eiusdemque supra virilem eminentia, libellus.


Was den letzten Punkt betrifft, so sollte es dem Agrippa doch schwer geworden seyn, zu beweisen, daß die Weiber nie ein Wasser getrübt haben.

[40] 22.

Ein Beweis, wie weit menschliche Eitelkeit gehen kann, ist eben dieses Agrippa Schluß seines Werks:De Incertitudine et vanitate omnium scientiarum et artium. Er lautet so:


Inter Divos nullos non carpit Momus.
Inter Heroes monstra quaeque insectatur Hercules.
Inter Daemones Rex Erebi Pluton irascitur omnibus umbris.
Inter Philosophos ridet omnia Democritus.
Contra deflet cuncta Heraclitus.
Nescit quaeque Pyrrho.
Scire se putat omnia Aristoteles.
Contemnit cuncta Diogenes.
Nullis hic parcit Agrippa:
Contemnit, scit, nescit, ridet, irascitur, insectatur,
Carpit omnia,
Ipse Philosophus, Daemon, Heros, Deus, et Omnia.

(Unter den Göttern stichelt auf alle Momus. Unter den Heroen verfolgt alle Ungeheuer Herkules. Unter den Geistern zürnt Pluto, der König der Hölle, auf alle Schatten. Unter den Philosophen belacht Alles Demokritus, beweint Alles Heraklitus, weiß nichts Pyrrho, glaubt Alles zu wissen Aristoteles, verachtet Alles Diogenes. Keinen [41] schont hier Agrippa. Er verachtet, weiß, weiß nicht, lacht, zürnt, verfolgt und höhnt Alles; ist selbst Philosoph, Geist, Heroe, Gott, und Alles.)

23.

Wie sehr der Schrecken auf den menschlichen Körper wirke, beweist folgende Anekdote:

Der Herzog Nikolaus von Ferrara hatte schon lange das viertägige Fieber. Die Aerzte erschöpften ihre Kunst, und riethen ihm endlich eine Veränderung des Klima's. Der Herzog begab sich daher auf ein Landhaus am Po, wo er seine Genesung abwarten wollte. Er pflegte oft am Flusse spazieren zu gehen, und liebte besonders ein kleines Gehölz an dessen Ufer. Diesen Umstand benützte Gonnelle, ein Liebling des Herzogs. Er hatte gehört, daß der Schrecken ein vortreffliches Mittel gegen das Fieber sey, und beschloß, seinen Herrn auf diese Art zu heilen, indem er ihn in den Fluß stürzte. Der Fluß war in der Gegend des Gehölzes, wo die Kur vor sich gehen sollte, nicht tief. Um aber ganz sicher zu gehen, fuhr Gonnelle über zu einem Müller, dessen Mühle dem Gehölze gegenüber lag, und sagte ihm: der Herzog wolle sich einen Spaß machen, und bey seinem nächsten Spaziergange am Fluß seinen Kammerdiener in den Fluß werfen. Sobald er den Herzog am Ufer erblicke, solle er, unter dem Schein des Fischens, heranfahren, und den Kammerdiener gleich wieder herausziehen. [42] Am nächsten Morgen spazierte der Herzog, wie gewöhnlich, am Flusse, Gonnelle lockte ihn dicht ans Wasser, stieß ihn hinein, sprang dann schnell zu Pferde, und flüchtete nach Padua zu des Herzogs Schwiegervater. Der Müller hatte indeß den Herzog sogleich gerettet, und was Gonnelle gewünscht hatte, war geschehen: das Fieber war vertrieben.

Nikolaus liebte Gonnelle sehr. Er und mehrere Hofleute vermutheten seine gute Absicht. Des Müllers Aussage sprach ganz für ihn. Der Herzog wollte sich indeß eine Lust mit ihm machen. Er übergab die Sache dem Kriminalgerichte zu Ferrara, und dieses urtheilte, daß Gonnelle, als Majestätsverbrecher, wenn man seiner habhaft würde, geköpft, und sonst auf ewig aus dem Lande verbannt seyn sollte. Dies Urtheil ward unter Trommelschlag in Ferrara bekannt gemacht. Gonnelle hörte davon. Ihn verlangte, wieder bey Nikolaus zu seyn, den er sehr liebte. Er ließ also einen Wagen halb mit Erde bewerfen, versah sich mit Attestaten, daß diese Erde von Padua sey, und fuhr so nach Ferrara. Als er angekommen war, schickte er seinen Knecht zu dem Herzog, und bat ihn um einen Geleitsbrief für einen Menschen, der ihn gern sprechen, und seine Unschuld bezeugen wolle. Der Herzog merkte, daß es Gonnelle sey. Um ihn zu ängstigen, ließ er ihn sogleich festnehmen, Trotz seiner Einwendungen und Attestate. Er wurde ins Gefängniß gebracht, und nach einigen [43] Tagen ward ihm sein Todesurtheil verkündigt. Um ihn in dem Glauben zu bestärken, daß alles Ernst sey, mußte des Herzogs Beichtvater ihn fleißig besuchen. Kurz, Gonnelle war seines Todes gewiß. Endlich erschien der Hinrichtungstag. Ganz Ferrara lief zum Richtplatz. Alles glaubte, wie Gonnelle selbst, daß die Exekution ernstlich gemeint sey. Nur der Scharfrichter wußte das Wahre der Sache: denn ihm war heimlich befohlen, dem Unglücklichen, wenn er niedergeknieet wäre, blos einen Eimer Wasser über den Kopf zu gießen. Als Gonnelle wirklich auf dem Blutgerüste niedergeknieet war, und ihm die Augen verbunden waren, bat er Gott noch einmal mit Thränen um Verzeihung seiner Sünden, und betheuerte dann öffentlich, daß er bey dem unglücklichen Vorfalle blos die Heilung des Herzogs beabsichtigt habe. Hierauf goß ihm der Scharfrichter das Wasser über den Kopf, und das Volk, welches dies nicht wußte, und Gonnelle bedauerte, schrie erbärmlich. Bey diesem Geschrey fiel Gonnelle hin, man nahm ihn schnell auf; man wandte alle Mittel an, ihn zu sich zu bringen; allein die Todesangst und der Schrecken über das Aufschreyen des Volks waren zu heftig gewesen: er blieb todt, und Nikolaus bedauerte den zu weit getriebenen Spaß zeitlebens.

3. Zeichenlehre
1.

Ein Mönch zu Prag konnte die Leute durch den Geruch unterscheiden, und sogar Weiber unter Jungfern herausriechen. Er starb über der Schreibung eines »Traktats vom Geruche,« der auf alle Fälle sehr merkwürdig gewesen wäre. Journal des Savans 1684.

2.

Ein Doktor Avenbrügger zu Wien (um 1750) machte in einem besondern Werke bekannt, daß er die Brust der Menschen wie eine Tonne betrachte, die bekanntlich, wenn sie voll ist, beym Anklopfen einen dumpfen Ton von sich giebt; ist [45] sie aber ledig, einen hellen und deutlichen. Nach Avenbrüggers Meinung kann man aus dem verschiedenen Schalle der Brust, wenn man mit den fünf zugespitzten Fingern methodisch daran klopft, dem Arzte die Gegenwart mancher Krankheiten entdecken, die sonst unerkannt bleiben würden. Das Anklopfen muß (glaubt er), nach der Verschiedenheit des Alters und der Kräfte der Personen, stärker und schwächer seyn. Die Hand des Arztes muß mit einem Fingerhandschuh bekleidet seyn, oder das Hemde des Patienten muß auf der Brust liegen bleiben, weil die bloßen Finger auf der bloßen Brust die Natur des Schalls, den man sucht, verändern, und das Zeichen ungewisser machen. Ferner muß man mehrmals anklopfen, sowohl wenn die Lunge voll Luft gezogen, als auch, wenn sie luftleer ist. Der Kranke muß dabey den Kopf gerade, und die Arme zurück halten. Die Haut, die Muskeln und Rippen sind dann gespannt, und der Ton ist deutlicher. Dies ist übrigens die Vorrichtung, wenn man vom an der Brust anklopfen will. Will man eine Seite der Brust klopfen, so muß der daselbst befindliche Arm auf den Kopf gelegt werden. Soll der Rücken geklopft werden, so muß der Kranke die Arme um einander schlingen, und den Rücken krumm biegen. Jeder, der die Wirkungen dieses Klopfens an sich und andern, auch bey gesunden Tagen, versuchen will, wird (nach des Doktors Meinung) an der Verschiedenheit der Töne abnehmen, wie sicher [46] dies Mittel sey, den innern Zustand der Brust zu erforschen. Wenn die Brust auf der einen Seite dumpfer klinge, als auf der andern, so sey sie da krank, wo sie dumpfer klinge. Auch müsse man natürlicherweise durch das Anklopfen an gesunde Brüste erst eine Fertigkeit erlangen, ihren natürlichen Ton von dem Ton kranker Brüste zu unterscheiden. – Avenbrügger bestimmt nicht, ob dieses Anklopfen ein Geschäfft der Aerzte, oder der Wundärzte, und bey dem schönen Geschlechte vielleicht gar der Bademutter seyn solle. Allein ein Arzt hat das Klopfen der Brüste erfunden; also ist es billig, daß die Aerzte allein klopfen. Unzers Arzt, 133. St.

3.

Ein ähnliches Verfahren räth Lanfrancus in seiner Wundarzney, Frankfurt, 1566. 8. Kap. VII., um den Bruch der Hirnschale zu erkennen. Es heißt daselbst:


»Nimm ein leichtes Stöcklein von Weidenholz, oder Pinnenbaum, und schlage damit auf die Schale, und horch eben drauff, dönet es hell, so ist die Hirnschale ganz, lautet es aber thumm, wie ein zerbrochene Glock, so ist sie entzwey, und verlaß dich nit uff die andern Zeychen, als da ist essen und trinken, und schlaffen, welches betrügliche Zeychen sind.«

4. Sonderbare Pulsbefühlung
[47] 4.
Sonderbare Pulsbefühlung.

Ein deutscher Arzt wollte vor Kurzem einem seiner Kranken weiß machen, der Puls befühle sich nicht so gut an der Handwurzel, als (risum teneatis!) – am großen Zehen.

5.

Ein unwissender Doktor hielt die Zeichen des Fleckfiebers für Flöhstiche, und sagte, als der Kranke gestorben war: Es ist mir ein fataler Streich passirt: die verfluchten Flöhe haben mir einen Patienten todt gebissen.

4. Arzneymittellehre
1.

Die Heilung der Vicekönigin in Peru, del Cinchon, von einem hartnäckigen Wechselfieber durch die Chinarinde, im Jahre 1638, machte diese Rinde zuerst bekannt. Anton Boll beschrieb sie zuerst, und da sie manche, sonst für beynahe unheilbar gehaltene, Krankheiten 1 glücklich hob, so kam sie bald in ein erstaunliches Ansehen. Die Ursachen ihres nachher folgenden übeln Rufs waren theils Verwechselungen, theils Betrügereyen mit andern Rinden, und der Eigennutz verschiedener Aerzte, [49] welchen die dadurch abgekürzte Kurart mißfiel. In Italien wurde sie aus den Apotheken in einige Klöster verbannt. – Ramazzini und Bagliv gehören zu ihren ersten Gegnern; und noch 1711 vertheidigte sie Joh. Gottfr. Berger und Heinr. Dav. Stieler in einer Disputation: De Chinchina ab iniquis iudiciis vindicata. Viteb. Aber die unzähligen Erfahrungen von dem großen Nutzen der Fieberrinde, die seit der Erscheinung dieser Schrift gemacht sind, haben alle Verunglimpfungen dieses unschätzbaren Mittels endlich entscheidend überwunden.

Die Chinarinde ist übrigens nicht nur in Wechselfiebern, und in andern Krankheiten sehr nützlich; sondern d' Acquin, Bister, Bohn, Monginot, Sydenham, Jones, Decker, und viele andre Aerzte, haben auch bemerkt, daß sie den Magen außerordentlich stärke, den Körper erwärme, die Kräfte herstelle, und die Ausdünstung, selbst den Schweiß, auch den Abgang des Harns befördere. – S. Crells Ausz. aus Hallers Beyträgen zur Bef. der Gesch. und Heil. der Krankheiten Th. II. S. 41. ff.

[50]
Fußnoten

1 Z.B. das viertägige Fieber; daher die Rinde unter andern auch Cortex antiquartius hieß. Der Name Chinarinde kommt wahrscheinlich von dem Namen der Gräfin, del Cinchon, her.

[50] 2.

Avicenna und andre alte Aerzte haben schon gelehrt, daß man die Luft mit Windfächern reinigen müsse, wenn man an eingeschlossenen Oertern ohne Gefahr leben wolle. In neuern Zeiten haben [50] besonders die Engländer und die Franzosen sich bemüht, die Menschen vor den Gefahren einer mit faulen Dünsten angefüllten Luft zu retten. Besonders schrecklich fand D. Stephan Hales die Wirkungen einer solchen Luft in Gefängnissen und auf den Schiffen. Beyden schlug daher dieser verdiente Arzt eine Maschine vor, die eine Art von einem großen künstlichen Blasebalg (Ventilator) 1 war, der durch Röhren mit den Zimmern der Gefängnisse, und mit den Böden der Schiffe Gemeinschaft hatte. Durch diese Röhren, die eine künstliche Zugluft verursachten, zog die faule Luft heraus. Vielleicht war dem Doktor das Verfahren der Perser bekannt, die, um sich in ihren Zimmern frische Luft zu verschaffen, durch künstlich gemauerte Luftfänge jeden Wind in das Untere der Häuser leiten, und die Zimmer durchwehen machen. Wie dem aber sey, die Wirkungen seiner Maschine waren über alle Erwartung groß. Es wurden in dem Gefängnißhause zu Newgate einige solcher Ventilators, die vermittelst einer Windmühle wirkten, aufgestellt. Die Röhren waren in 24 Zimmer geleitet, und es starben in den ersten vier Monaten nur 7 Gefangene, da man in jedem der 6 vorhergehenden Jahre 90 bis 100 Todte gehabt[51] hatte. – In dem Gefängnisse Savoy waren die Ventilators 4 Jahre lang gebraucht. Im Jahre 1749 starb daselbst von 200 Gefangenen nur Einer, und zwar an den Blattern. Im Jahre 1750 starben von 240 Gefangenen nur 2, die an 3 Monat gesessen hatten. Im Jahre 1751 starb Niemand, im folgenden Jahre nur ein einziger heißhungriger Mensch. Dies geschah vier Jahre hintereinander in einem Gefängnisse, worinn, ehe die Ventilators angelegt waren, Jahr aus Jahr ein, 50 bis 100 Personen von der ungesunden Luft starben; obgleich die Gefangenen oft in die freye Luft geführt, und die Zimmer sehr reinlich gehalten wurden. – Unzers Arzt I. Bd. 4. St.

[52]
Fußnoten

1 Sutton's Methode, die Luft auf den Schiffen, vermittelst gewisser blecherner Röhren, die aus allen Räumen des Schiffs nach dem Feuerheerde gehen, durchs Feuer zu reinigen, ist auch vortrefflich.

3. Heilmittel der Lappländer
[52] 3.
Heilmittel der Lappländer.

– So gering die Zahl der Krankheiten bey den Lappen ist, 1 so gering sind auch die medicinischen Kenntnisse dieses Volkes. Die Lappen überlassen die Heilung aller Krankheiten den Hausmüttern, und diese kennen keine andere Arzneymittel, als die ihnen ihr Vaterland und vieljährige Erfahrung an die Hand geben.

[52] Unter ihren innern Arzneyen verdient die wilde Angelika (angelica sylvestris C.B., die von den Dodon. und Tabernämont. angelica Islandica oder Norvagica, von andern auch Scandiaca genannt wird) den ersten Platz. Die Wurzel dieser Pflanze ist runzlich, länglich, aber kleiner, als die der wahren Angelika; sie schmeckt angenehm bitterlich, und gewürzhaft, und hat einen starken Geruch. Aber nicht blos die Wurzel, sondern auch die Stengel, und die noch unentwickelten Blumen werden gebraucht. Die letztern, in denen die ganze Kraft der Pflanze gleichsam vereinigt ist, werden von den Lappländerinnen gesammelt, und in Rennthiermolken bis zur Dicke eines Extrakts gekocht, das sie dann zum Gebrauche aufheben. Dies Extrakt schmeckt etwas bitter, aber nicht unangenehm. Wenn es gebraucht werden soll, so vermischen sie eine kleine Dosis davon mit einigen Maaßen Brühe von frischem Fleische, und lassen diesen Trank nach und nach den Kranken heiß genießen, wobey sie, nach Beschaffenheit der Umstände, alle andere Nahrungsmittel verbieten. Folgt hierauf ein Schweiß, so halten sie das für ein gutes Zeichen. Dies Mittel brauchen sie bey allen inflammatorischen und katarrhalischen Fiebern, auch bey Zufällen, die ihren Sitz im Blutwasser haben. Sie halten es ferner für ein vortreffliches Stärkungsmittel, und brauchen es gegen Durchfälle und Koliken, indem sie es, mit Rennthiermilch zu einer Lattwerge oder einem Brey gekocht, [53] in reichlichen Dosen eingeben. In Ermangelung der Milch lösen sie den Rennthierkäse im Wasser auf, und kochen ihn, mit diesem Extrakt vermischt, zur Dicke eines Breyes. Auch als Gewürz brauchen sie dieses Extrakt, so wie den Sauerampfer, an ihren Speisen.

Außer den Blumen der Angelika brauchen die Lappländer aber auch ihre Stengel. Nach Scheffer nehmen sie entweder die Stengel, wenn sie eben den Saamen ansetzen wollen, schälen sie ab, und kochen sie einen ganzen Tag in Molken, bis sie anfangen roth zu werden; oder sie nehmen auch, bey dem Sammeln der noch nicht aufgeblüheten Blumen dieser Pflanze, die zarten Stengel, und schneiden die innere weiche Substanz derselben, der Länge nach, in seine Stückchen, die sie Fathno nennen, und mit Milch zu einem Brey kochen. Beydes brauchen sie bey Brustzufällen; die weiche Substanz, oder den Mark aber genießen sie auch, so wie das aus den Blumen bereitete Extrakt, an den Speisen; und die Weiber entbehren diese Kost eben so ungern, als die Männer den Tabak. – Die frischen, in der Asche gebratenen und abgeschälten Stengel sind ihnen im Sommer das geschwindeste und sicherste Mittel wider den Husten. Auch sind sie Eins ihrer liebsten Leckerbissen. – Die zur gehörigen Zeit gesammelten und an der Luft gedörrten Wurzeln kauen sie wider Katarrhalzufälle; zuweilen schlingen sie dieselben auch, so gekaut, nieder, ohne alle Beymischung. – Wider [54] Kolik und Durchfall nehmen sie, wenn sie das Extrakt nicht haben, die zerstoßenen Wurzeln mit Fleischbrühe oder Fischsuppe, wozu sie bisweilen ein Stück Käse thun. – Auch in Ermangelung des Tabacks kauen sie diese Pflanze.


Aus allem diesen erhellet, daß die Lappen alle bekannten Kräfte der Angelika kennen, daß sie nämlich Giften widersteht, verdünnt, auflöst, eröffnet, und den Schweiß treibt. Auch wenden sie dieselbe vernünftig an. Nur gegen Fiberbewegung sollten sie diese Pflanze nicht brauchen.


Ihr zweytes Arzneymittel ist ein Moos, das sie nicht nur, mit Milch gekocht, täglich genießen, sondern auch als Arzney wider Kopfschmerz, Katarrhal, und Brustzufälle brauchen. Sie nennen dies Moos Jarth, und es ist nichts anders, als der muscus Islandicus, von dem Stobäus sagt, daß er nicht allein gut nähre, und daher Schwindsüchtigen empfohlen werde; sondern daß die nordischen Völker ihn auch zu Brod bücken, und mit Milch zu Brey gekocht äßen. Auch halte ich es für eben das Moos, von dem Thom. Bartholin 2 sagt: »In Island wächst ein Moos, das bisher kein Botaniker gekannt hat, und das die Einwohner der Insel im Anfange des Frühjahrs als ein Abführungsmittel brauchen. Im Sommer, wo es zum Abführen unbrauchbar ist, zermalmen [55] sie es, und kochen einen sehr nahrhaften Brey daraus.« Ob aber die Lappen die Purgirkraft dieses Mooses, wenn es frisch ist, kennen, weiß ich nicht.


Unter die Brustmittel der Lappen gehört auch das Tannenharz, das sie des Sommers, wenn es aus den Bäumen schwitzt, sammeln. Mit der ölichten Flüssigkeit, die sie aus geröstetem Rennthierkäse pressen, vermischt, und in warmer Fleischbrühe aufgelöst, gebrauchen sie es wider Engbrüstigkeit, Husten und Heiserkeit. Sie gebrauchen diese Mischung auch mit Nutzen wider Frostbeulen, und zum Zeitigen und Zertheilen der Geschwülste. Mit Rennthierfett vermischt, dient ihnen dies Harz als Pflaster oder Salbe auf alte und frische Wunden. Sie bereiten auch Pillen von der Größe einer Erbse daraus, und gebrauchen zwey oder drey solche Pillen wider Dysurie und Strangurie.


Des Fichtenharzes bedienen sie sich nicht so häufig. Des angenehmen Geschmacks wegen kauen es aber die Lappländerinnen häufig. Das Balsamische dieses Harzes verhindert bey ihnen das Riechen aus dem Munde; es befestiget das Zahnfleisch, verhindert das Hohlwerden der Zähne, und macht sie weiß. Ihm ist es auch wohl zuzuschreiben, daß die Lappländerinnen so wenig von Zahnschmerzen wissen.


[56] So kennen also die Lappländer die zertheilenden und balsamischen Eigenschaften, die diese Harze wirklich, nach dem Ausspruch aller Aerzte, besitzen.


Die Beeren des Kellerhalses (daphne mezereum, L.) gebrauchen die Lappen wider den Tiefsinn, und wider hysterische Zufälle.


Den Rennthierkäse gebrauchen sie auch äußerlich als ein erweichendes und zertheilendes Mittel. Das aus dem gerösteten Käse gepreßte Oel wenden sie äußerlich wider alle Arten von Geschwülsten an; und wider Frostbeulen kennen sie es, als das gewisseste Heilmittel. Auch Kindern, wenn sie heftig husten, legen sie diesen Käse auf die Brust. Mit Rennthiermich zu Brey gekocht, geben sie ihn wider den Husten, sowohl Kindern als Erwachsenen, innerlich. – Sie legen diesem Käse eine erwärmende Eigenschaft bey, und würzen daher oft ihre Fleischsuppe damit; nicht blos, um sie wohlschmeckender zu machen, sondern auch zur Erwärmung des Magens. Reichere kochen auch ein Stückchen Käse mit ihrem gewöhnlichen Trinkwasser, das sie meist aus Schnee gewinnen. Der Rennthierkäse schmeckt übrigens angenehm, fast wie Schafkäse, und wenn er geröstet wird, zerfließt er fast in Oel, das, wie Baumöl, in der Kälte gerinnt.


Die Bärengalle ist bey ihnen, so wie überhaupt bey den mitternächtlichen Völkern, eine Panacee. [57] Die Lappen gebrauchen sie innerlich wider alle Krankheiten, besonders aber, in Fleischbrühe oder Branntewein aufgelöst, wider Bauchgrimmen und Windkolik. Ferner kennen sie die Bärengalle als ein erwärmendes, stärkendes, auflösendes, und erweichendes Mittel (dergleichen auch das Bärenfett ist): denn sie brauchen es als eine Salbe wider Gicht- Hüft- und Nierenweh, ja selbst wider Lähmung und Schwind.


Das Bibergeil brauchen sie fast gar nicht; wohl nicht aus Unkunde seiner Kräfte, sondern wahrscheinlich, weil ihnen der Verkauf desselben ansehnlichen Vortheil bringt. Aus dem Schwanze des Bibers aber braten sie das Fett aus, und nehmen es, zur Beförderung des Eiters, und wider die Bräune, löffelweise, entweder unvermischt, oder mit Branntwein; auch mit Fleischbrühe.


Wider alle Arten von Augenkrankheiten gebrauchen sie, als eine Salbe, die Galle vom Schwan, vom Adler, oder vom Wolf; und bey serösen Augenkrankheiten (wo die große Schärfe der Galle Schmerzen, oder gar Entzündungen, verursachen kann) auch mit dem besten Erfolg den kalcinirten und gepulverten Selenit, der, dem Kranken in die Augen geblasen, wie ein Einsaugemittel wirkt.


Unter den chirurgischen Operationen verdient das Brennen den ersten Platz. Dies kommt so [58] sehr mit dem Brennen der Aegyptier durch Baumwolle, und dem der Chineser durch Moxa, überein, daß man glauben möchte, die Lappen hätten hierin jene Völker zu Lehrmeistern gehabt. Sie nehmen Birkenschwamm, und schneiden daraus einen Kegel, der einen halben Zoll lang ist, und dessen Breite an der Grundfläche drey Linien oder etwas darüber beträgt. Hierauf zünden sie die Spitze an, und setzen ihn auf den Ort, der gebrannt werden soll. Ist der Kegel verbrannt, welches bald geschieht, so nehmen sie einen zweyten, und so fort, bis der Kranke, oder derjenige, der die Operation dirigirt, es für hinlänglich hält. Einige appliciren auch nur Einen solchen Kegel, der dann verhältnißmäßig größer ist. Aber die Meisten verwerfen dies, weil das dadurch bewirkte Geschwür zu groß, und die darauf folgende Eiterung zu heftig wird. Während des Brennens pressen sie (wie die Aegyptier 3) die umliegenden Theile mit einem eisernen Ringe nieder: theils, um den Schmerz zu lindern, und das Verrücken des Kegels von seinem Standpunkte zu verhüten; theils aber auch, um das Feuer zu verhindern, um sich zu greifen, und es tief in die Substanz des Fleisches eindringen zu machen. Sie sagen auch schon vor und bey dem Brennen, ob es den Kranken erleichtern werde, oder nicht. Einen guten Erfolg [59] hoffen sie: 1) wenn der auf die Haut gesetzte Schwamm Funken sprüht, und dadurch von seinem Standpunkte verrückt wird; 2) wenn die Asche weißlicht ist; 3) wenn die gebrannte Stelle mit einer Röthe anschwillt, das Fleisch verzehrt ist, und bald nachher die Schwärung mit einer serösen oder eiterhaften Materie erfolgt. Einen unglücklichen Ausgang hingegen fürchten sie, wenn der Kegel auf der Stelle, wo er hingesetzt ist, unverrückt stehen bleibt, ohne Knistern und Funkensprühen abbrennt, und eine schwärzliche Asche zurückläßt; ferner, wenn er das Fleisch unversehrt läßt, und blos die Haut schrumpft, oder einen Schorf auf derselben, ohne Eiterung, verursacht.


Alle Krankheiten, die mit einem festsitzenden Schmerzen begleitet sind, suchen die Lappen durch das Brennen mit diesem Schwamme 4 zu heilen. Dahin gehört Gicht, Hüft- und Lendenweh, Rheumatismus, Kopf- und Zahnschmerz. Wider diese und ähnliche Uebel gebrauchen sie, wenn alle andre Mittel nichts helfen, zuletzt das Brennen, als ein untrügliches. Der Ort, wohin sie den Schwamm setzen, ist übrigens nicht bestimmt. Sie setzen ihn dahin, wo sich der größte Schmerz äußert, selbst ins Gesicht.


[60] Jährlich zweymal lassen die Lappländer sich von Wundärzten, die deswegen herum reisen, eine Ader öffnen. Kommen diese Wundärzte nicht, so dient ihnen selbst eine dazu bestimmte Nadel, oder ein dreyspitziges Messerchen, statt der Lanzette.


Die Art, wie sie sich Schröpfköpfe setzen, ist von der der Bothnier, ihrer Nachbarn, nicht verschieden. Sie nehmen ein Ochsenhorn, das zwey Oeffnungen hat, eine weitere und eine engere. Die weitere setzen sie auf die Stelle, die geschröpft werden soll; die engere nehmen sie in den Mund, und befestigen das Horn durch Ansichziehen der Luft. Ist dies geschehen, so verschließen sie die Oeffnung mit dem Finger, oder mit einer naßgemachten Blase. Hat sich die Stelle genug erhoben, so schröpfen sie dieselbe mit einem Messerchen, setzen das Horn wieder auf, und ziehen durch wieder holtes Saugen das Blut heraus.


Merkwürdig ist noch ihr Verfahren bey heftigem Husten, feuchter Engbrüstigkeit, und andern schweren Brustzufällen, die von einer Anhäufung des Schleims auf den Lungen herrühren. Helfen andere Mittel nicht, so verwunden sie mit einer Zange die äußerste Spitze des Zapfens, daß ein starker Blutverlust folgen muß.


M.s. Crells Ausz. aus Hallers Beyträgen zur Beförd. der Gesch. und Heilung der Krankheiten. 5. Bd. S. 427.

[61]
Fußnoten

1 Sie sind nur der Gicht, dem Rheumatismus, dem Hiftweh, dem Seitenstechen, der Peripneumonie, und andern katarrhalischen Zufällen, mit oder ohne kleine Fieber, unterworfen.

2 Act. Med. Hafn. Tom. I. p. 126.

3 Prosper. Alpin. de Medicin. Aegypt. L. 3.c. 12.

4 Sie nennen diese Operation Duaüli, so wie den Schwamm Duaület.

[62] 4.

Auf den Philippinischen Inseln hat man ein untrügliches Mittel wider die Kolik und das Kopfweh. Man prügelt und peitscht den Patienten derb durch, reibt die Wunden mit Salzwasser, und läßt ihm alsdann zur Ader.

5.

Thomas Bartholin gab einem Bauer, aus Versehen, statt einer Brechtinktur reines Wasser. Die Einbildungskraft that aber das Ihrige, und das Wasser wirkte wie ein Brechmittel.

6.

Nichts ist wichtiger, als folgendes Werklein über die Blatternkur:


»Vertraute Briefe über eine ganz unerhörte und nachtheilige Pockenkur, herausgegeben im Jahr 1778.« 8. 5 B.


Ein sehr vollständiger Auszug dieser Briefe, in politischer Hinsicht, steht in Schlözers statistischem Briefwechsel, 15. Heft. Hier der medicinische Rapport:


Zwey Aerzte in München, von Sänfftl und von Branca, wußten eine so feine Kabale anzuzetteln, daß sie bey der letzten Krankheit des Churfürsten Maximilian III. alle andere Leibärzte verscheuchten, [62] und ganz allein die schöne Kur vollenden konnten, die uns hier mitgetheilt wird. Diese Briefe sind ein sehr merkwürdiges Aktenstück zur katholisch-medicinischen Litteratur im Jahre 1778. Es ist billig, daß das Eigne und Non-antique in dem Verfahren der großen Muster, von Sänfftl und von Branca, bekannter werde.

Der Clinicus Sänfftl (denn so nennt er sich selbst) lehrt uns: Ante vel 21. vel 22. diem in variolis alvus non suscitanda est!

Als ein stärkendes Mittel verordnete Sänfftl ein Muttergottesbildchen zu verschlucken. Als die Zunge bereits äußerst trocken war, wurde ein Stück frischer Speck aufgelegt. Ein hübscher Lecksaft besteht aus Mandelöl, Eyerdotter, Violensaft und weißem Mohnsaft. Die Blatterborke im Gesichte wurde mit Fischöl oder Eyerdotter bestrichen.

Als Nahrungsmittel verordnete der Herr Clinicus in den schlimmsten Blattern Thee mit Eyerdotter; gebackene Fische, Moslerwein, Johanniswein, Fleischsuppe, Klöße von Hühnerfleisch und Fischlebern. Wie sich zu den schlimmsten Pocken ein brandiges Rothlaufen einfand, legte der Clinicus äußerlich auf: zertheilende Kugeln aus Bleyweiß und Kampfer.

Und fast in Agore mortis ward eine herrliche und ganz auserlesene Mixtur aus dem specifico cephalico Michaëlis, succino albo mit Liqu. anod. vermischt gegeben.

[63] Als der Churfürst sich zuerst übel befand, würde jeder Arzt Ruhe empfohlen haben. Aber Sänfftl rieth dem Herrn eine Jagd an, und da diese nichts half, gab er eine schweißtreibende Mixtur, und verwarf alle gelinde Abführungen und Klystiere.

Der Clinicus hielt die ausbrechenden Blattern für Masern, und da Jeder sahe, daß es Blattern waren, so taufte sie endlich der Herr Clinicus Cristallinblattern.

Eine Mixtur aus schwarzem Kirschasser und weißem Mohnsaft findet sich unter den ersten Arzneyen. Wie sich die angina und der Speichelfluß einfanden, so wurde ein Gargarisma aus Milch, Wasser, Weinbeeren, Feigen und Rosinen (recht à l'antique) verordnet, nebst dem obigen Lecksafte.

Eine Mixtur bestand aus schwarzem Kirschwasser, weißem Mohnsaft, Krebsaugen und Liq. anod.

Ein anderes Paregoricum, neben dem obigen äußerlichen Bleyweißumschlag, bestand aus Rob. Samb. Syr. de Mecon. und zu dem Eclegma wurden etliche Tropfen Bals. peruv. nigr. gemischt.

Kurz, der Herr Clinicus that von allem, was jeder andere Arzt würde gethan haben, gerade das Gegentheil.


Balding. Magaz. für Aerzte. S. 1120.

7. Großer Appetit zur Chocolade
[64] 7.
Großer Appetit zur Chocolade.

Thiery in seinen medic. Erfahrungen, Leipz. 1778. 8. aus dem Französ. übersetzt, führt S. 174 aus einem Reisebeschreiber folgendes an:

»Die Weiber von Chiapa glauben eine solche Schwäche des Magens zu besitzen, daß sie keine Messe vor dem kleinen Altar, geschweige denn eine hohe Messe oder Predigt anhören können, ohne ein Glas warme Chocolade zu trinken, und ein wenig Gebacknes zu essen, um den Magen zu stärken. Ihre Mägde bringen ihnen sogar Chocolade in die Kirche mitten in der Messe.« –

8. Arztlohn bey den Mongolen
8.
Arztlohn bey den Mongolen.

Nach den mongolischen Gesetzen ist die geringste Belohnung des Arztes, nach geheilter Krankheit, ein Pferd. St. Petersburg. Journal, May 1777. S. 369.

9.
Cap. I. der Gesundheit

Von dem ursprung und nammen der Blateren das erst Capitel.


Es ist got gefellig gewesen in unsern tagen kranckheiten zue senden (als wol zue achten ist) die unsern vorfaren unbekant seint gewesen. Den in dem iar nach der Geburt Christi Tusend vierhundert drei und neunzig oder dabey ist ingefallen ein tödtliche kranckheit, nit in Franckreich, suender erstlich zu Naples, und hat da har iren namen überkumen, das sie zur ersten den vor ie in dem here Caroli des Künnigs uß Franckreich, das den zuemal mit iren Künnig in Naples krieget erfunden ward. Darumb auch die frantzosen ein mißfallen haben und das schmehelich achten das solch schuhelich und ungehört kranckheit gleich irem namen sol genent werden, und heissen diese sucht die kranckheit von Naples und nit die frantzosen, Doch hat vberhant genumen die gemein nennung, und ich wil sie in disem buech auch die frantzosen nennen, nit uß ungunst oder haß des erlichen volcks des gleich jetz zur zeit kum in höfflichkeit und freundlicher gastentpfahung erfunden würt, sünd' vß besorgung [67] wa wir sie nit die frantzosen nanten, würden vielleicht nit von iederman verstanden. Welche kranckheit gleich mit wunderbarlichem aberglauben von den menschen ist entpfangen worden, den sie etlich Mevius kranckheit nanten, wer der ist, dz weiß ich nit, die and'n sagten, es wer Jobs krankheit, den solche sucht in himel brocht hat. Haben auch dabey etlich vermeinet, das der kranckheit auch sei behaftet gewesen Evagrius vor zeiten ein münch, als er in wäldern und einöden, uß kelt vnd frost, vnd ungekochter speiß rüdig ward oder blatterig. Darumb sie grosse walfarten vnd weite reisen zue seiner kirchen in dem westerich gelegen gethon haben, in welchem zuelauff der menschen vil gaben dargetragen seint. Vnd ist noch der gemein in teutschen landen sein Namen nit erkant gewesen, den sie für Evagrio in Fiacrium nanten, Fragten auch nit, ob ein solcher uf erden gelebet hat, allein glaubten sie das er in solchen blattern zue hilf kumen möcht. Also mancherlei meinungen und fürnemens hatten die menschen in diesem schrecken. Es seint auch vil zeichen vnd der abgefallenen blatteren für sant Rochus gehenckt worden, dz ich lob, wa es in gueten glauben geschehen were, ist aber vß geyt geschehen, dz da durch reichtum erfischet würde. Welche doch der erdichtung anfenger seindt wunderet mich, vnd das in solchen gemeinen schrecken, vnd in solchen ellenden zuefal d' menschen, auch gemeinen schmerzen betrugklich ist gehandelt worden. Dabey haben gesagt die[68] der heiligen geschrifft obliegen, das die blatteren vß gotz zorn kumen seint, vnd got damit unsern bösen berden straffe und peinige, als ob sie in himlischen redten zuegelassen solchs ob' erlernet hetten. Hond das offentlich geprediget, als ob die welt nie böser gesein were, den zu diesen zeiten, oder in den gottfriedsamen zeiten Augusti und Tybery beider keyser, in welchen Christus vff erden gewonet het, auch nit schwere kranckheiten weren gewesen. Oder als ob die Natur die macht nit het, newe kranckheiten zue bringen, und soliche grosse verenderung vf erden zue schaffen. Oder aber in vnseren zeiten mit namen in den zweien iaren wir so leblich gelebt hetten das darumb das holz Guaiacum erfunden were zue heilsame solcher kranckheit. Also widerwertiger reden seint vnsere Prediger die vnß irer achtung gottes meinung und willen ußlegen. Darnach haben sich die ertzt der kranckheit vnterstanden, nit die hindan zu thuen, sunder ersuechet wa har sie kam. Darab sie anfencklich so mit gesicht, so mit greiffen ein grosse schühr hatten, den sie im anfang so unflettig und vnrein was, das sie der ietzigen die noch ist kum gleich sühet oder ist, blattern so lang und groß als die eichelen ußher hangen mit stinckenden ußfluß also vast das man den schon der kranckheit behafftet schetzet, der solchen gestanck der blattern entpfinge, der blateren starb uß schwartzen ergrienet, vnd krenckten mer mit gesicht den mit pein, wie wol ir etliche so sie entzindet warden hefftig peinigten. [69] Nach welcher vrsprung sie vil weiter in teutschen landen den anderswa zerspreitet und erweiteret ward, das ich vnserer vnmeßigkeit mit essen oder trincken zue gib. Die sternenseher d' zeiten sagten dz sie nit lenger den siben iar weren solt. Hont sie geredt von der kranckheit mit allen irem anhang so ist das falsch, hont sie aber von der vergifftung die von der planeten influß geschicht gemeinet so ist dz wor, den sie nit vil vber siben iar der maß weren solt. Aber die nachgonden blatteren vnd die ietz noch seint, gestancks halb, seint sie vil leidlicher dan die ersten, den sie nim so lang seint, sunder clein und hert, vnd zue zeiten breit als ein rude, mit dürren schieffen die haut überziehent, welches schedlicher ist, den sie mit irem ingesenckten gifft vil andere kranckheiten mit ir bringt. Es ist auch geleublich das die blateren jetz niemans von dem ynfluß der Planeten entpfahet, sunder einer von den anderen ererbet, das offt und dick geschicht, in übung der vnkeuschheit, darumb alt leut vnd kinder, oder die sunst nit der vnkeuschheit pflegen selten die blateren vberkumen. Sunder allermeist nach dem ein jeder zue vnkeuschheit geneigt ist die brucht und yebt. Jetz wen die blatteren ankumen, den verlassen sie antweders bald oder behalten in lang, oder verderben in gar, nachdem nun ein ieder mit essen vnn trincken sich halt oder lebt. Sie seint auch den menschen in Italien und Hispanien vil leidlicher den uns teutschen, das thuet meßigs leben. Aber vns[70] von wegen vnsers fressens vnd sauffenß vnd vnser vnmäßigkeit, je länger sie vns anhanget, also wen sie vns ergreiffet peiniget sie vns ie heftiger und leidiget ie bitterlicher.

Das XXV. Cap. wz kranckheiten mir das holz hinweg genumen hat
Das XXV. Cap. wz kranckheiten mir das holz hinweg genumen hat.

Allein uß diesem fall ist erkant worden, daß wir vß dieser artzney nitt verzweifelen sollen, die schaden seint wa und wie groß sie wollen, den ich bin schon von allen erzten verlassen gewesen, vnd hetten alle an mir verzweiffelt, so ist mir das holz schier als von himel zue trost kummen. Ich hab einen kant vß meinen freinden da mich die kranckheit so schwer peiniget, vnd vor schmerzen tag und nacht kein ruew ließ, vnd weder essen noch trincken mocht, der mir den todt geratten hatt, so doch kein hilff möcht erfunden werden, und die schaden allenthalben flossen, mit großem schmerzen on alle hoffnung zue gesundheit, vnd sprach ich solt mich on mein willen von den elendt bringen vnd mich selbs erdöten, der hat vergessen dz wir christen waren, und was mer ein feindt den guet was, den es sol angesehen werden die pein aller lieben marteler die alle vmb gots willen streng erlitten haben, und hont sich dennoch nit selbs ertödt, Wie wol solt sich jemans selb ertödten, so solt er das von dieser ellenden kranckheit wegen billig thuen, Deß gleichen hat Cecinne vatter nie [71] erlitten da er sich selber tödtet vnd andere mer die sich auch selber ertödtet haben. Den wen diese kranckheit on allen schmerzen nunt 1 den allein den ellenden gestanckt het, so solt einer von des gestancks halben allein ein verdruß zue leben han. Speusippus entgegnet einmal einen lamen der in griesset dz im wol were, da antwurt er, dir sol aber nit wol sein das du bey solicher lemme 2 begerest zu leben, was würd er erst haben gesagt wen er mich so ellenden menschen gesehen hett, der ich auch lam was vnd grausam zue sehen, vnd zu schmacken 3, das ich mengklichen ein bürden was, vnd mich etliche haßten, vnd het doch eine cleine hoffnung, wie wol mich hochberiempte ertzt offt vmsunst getröstet hatten, Das aber niemans mein ich hebe nur an einem glid gestechet wil ich sagen wie kranck und welcher massen ich gewesen sey. Zue erst bin ich des lincken fueß nim mechtig gewesen, den ich die schweche acht iar daran gehebt hette, vnd hett auf der kniescheiben offne schaden mitt etlichem geschwulst vnd gestanck mit grossem schmerzen, also wen ein schaden zue heilet so öffnet sich ein and'er, den ich het vil schaden allenthalb, vnd kunt kein artzet machen das sie zuesamen in einen schaden kumen weren. Vnd ob den schaden was die geschwulst so hert, als ob es bein were, vnd darunter heftiger schmerzen, vnd [72] vmb den rechten knoden, ein versamelung auch hert wie ein pein, dz lang von den blateren da bliben was, daz vnterstunden mir die erzt mit brennen vnd sunst in alle weg hinweg zu thuen vnd schueffen dennoch nüt, vnd einmal geschwal es mit grossem schmerzen, dz andermal legt sich die geschwulst mit milterung, Vnd wen ich den fueß zue den füer thet, legt sich der schmerzen, vnd ließ sich doch mit kein kleideren decken, vnd so bald ich off den fueß drat, wz d' schmerzen unleidlich vnd oben wz mir dz kny ganz erkaltet, vnd v'schwanden mir die hauffen dz nut dan die haut da lummet, vnd ward so schwach in beiden lenden, daz ich lang nit gon mocht. Vnd wz mir so wee zu d' lincken seiten dz ich den arm nicht mocht vffheben, vnd die recht schulter waz ganz schwach worden, und ward mir ein knollen da so groß als ein ey, vnd vnd' d' lincken seiten het ich ein geschwer, doch on schmerzen aber mit stinckenden eissen fliessend, wie es d' krebß wer, vnd wz inwendig hol, vnd ußwendig vnd eng, ob im was noch mer geschwulst, vnd hind' dem haubt hinab het ich ein fluß vff die schaden, und wo ich nus da angerürt warde, dz mocht ich vor schmerzen nit leiden vnd wenn mir daz holz nur allein den schmerzen genumen hett, so solt ich sein kraft doch ewiklichen loben und predigen, vnd schlieff allen tag nach mittag sechß ganzer iar das ich das nie vnderließ, wiewol die erzt mir dick sagten, der schlaff wer aller meiner kranckheit ein vrsach, das ist mir alles vergangen, wen [73] ich mich jetz zwingen wolt zue schlaffen, so kund ich doch in dem tag nit schlaffen. In so vilen meinen kranckheiten hett yder man an mir verzweiffelet vnd hieß mich doch mein gueter geist, noch etwas hoffen, da vnterstuend ich mich des holtzes krafft zu versuchen, das Gott iedermann in dieser kranckheit yngeb dz keiner an diesem holtz verzweiffele, dann es hat mich gesundt gemacht, vnd hab eine grosse hoffnung also gesundt noch lang zue leben, vnd alles, das ich von dem holtz geschrieben hab, das ich in guetem glauben und truwen gethon, darumb wil ich ietzunt sagen wie man sich nach dieser artzney halten sol, und damit wil ich nun ein endt machen.


Balding. Mag. für Aerzte S. 185.

[74]
Fußnoten

1 nichts.

2 Lähmen, Lahmheit, Lähmung.

3 zn riechen.

[74] 10.

Unzers berühmtes Freßpulver soll nichts mehr und nichts weniger seyn, als Salpeter, vitriolisirter Weinstein und Conchen, gleiche Theile, sehr fein gepülvert. – Andreä Reisen durch die Schweiz, S. 298. Hannöv. Beyträge zum Nutzen und Vergnügen, 1762. St. 99. Braunschw. Anzeigen St. 7 und 8. von 1763.


Dasselbe Pulver war in der Stahlischen Schule schon längst häufig im Gebrauch. Wenn noch Zinnober dazu kommt, so ist es das längst bekannte Hallische rothe niederschlagende Pulver, [74] wider dessen Schädlichkeit schon so viel geschrieben worden. Obiges Pulver noch mit dem schweißtreibenden Spießglas versetzt, war seit Stahls und Hofmanns Zeiten das fast allgemeine Mittel in allen hitzigen und kalten Fiebern. Oft mischte man allerley destillirte Wasser, auch Syrupe, oder einfach Oxymel, auch wohl garacida dulcificata hinzu. Eine abscheulichere Mischung kann ich mir nicht denken, als – Dreck, Salz, Syrup, Säuren, und versüßte Geister. Und doch verschreiben noch Aerzte, die Chymie verstehen wollen, solchen Plunder. Wenn es keine vires naturae medicatrices gäbe, die den caussis morborum, Giften, und solchem Quark widerstünden, so stürben gewiß noch mehr Kranke: zumal da bey dieser schönen Methode die abführenden Mittel, im Anfange der Fieber, meist versäumt werden. Daher also entstehen die vermeintlich bösartigen Fieber, die Entkräftungen, Deliria, Fäulniß der Säfte, und – der Tod. Grasgrün werden die schönen Patienten von solchem Zeuge, machen Kardialgien, und sind mehr als halb vergiftet. Die Erfinder solcher Mittel verdienen mehr als Satire. –


Ebendas. S. 546.

11. Der Kaffee ein Anti-Eroticum
11.
Der Kaffee ein Anti-Eroticum.

Die Körner (des Kaffees) braten die Perser, oder brennen sie vielmehr in einer trocknen Pfanne, [75] reibens klein, kochen es, und trinken das Wasser. Es hat einen brandigen und unmuthigen Geschmack. Es soll sehr kälten und die Natur unfruchtbar machen, deswegen es die meisten trinken. Wenn man aber dies Cahwae Wasser zu viel gebraucht, soll es die fleischlichen Begierden ganz auslöschen. Sie schreiben von einem Könige, Sultan Mahmud Casnin, welcher vor dem Tamerlan in Persien regiert hat, daß derselbe an das Cahwae Wasser sich so sehr gewöhnet, daß er auch seines Ehegemahls dabey vergessen, und vor dem Beyschlaf einen Ekel bekommen, welches die Königinn übel empfunden. Denn als sie einstmals im Fenster gelegen und gesehen, daß man einen Hengst zu wallachen niedergeworfen, habe sie gefragt, was das bedeuten solle? Und da man ihr mit verblümten Worten vorgebracht, wie man dem Pferde die Wollust und den Muthwillen benehmen wollte, daß es nicht auf andre springen, oder sich an die Stutten kehren sollte, habe sie vermeint, es wäre dies alles nicht nöthig, »man sollte ihm nur das schändliche Cahwae Wasser zu trinken geben, er würde dem Könige bald gleich werden.«


S. Adam Olearii moscowitische und persische Reise. 1696. Fol. S. 313. Die Reise fieng 1633 an.

12. Leichenöffnungen in **
[76] 12.
Leichenöffnungen in **

(Aus einem Briefe vom 15ten Novemb. 1780.)


Gern wollte ich Ihnen Nachricht von der Leichenöffnung geben. Aber dergleichen ist in ** nicht Mode. Es wäre denn, wie neulich geschehen, da ein Mensch von einem Baum war erschlagen worden, um zu untersuchen, ob auch der Baum wohl Ursache gewesen sey.


Balding. N. Mag. II. Bd. 573.

13.

In den dicken Heften der Mat. med. eines berühmten Mannes las ich neulich:


»Menschenkoth mit Honig vermischt rühmen viel angesehene Aerzte in ** als ein sehr wirksam Mittel äußerlich in der angina umzuschlagen.«


Risum teneatis. – Jedes Cataplasma farinae, et pultaceum tepide applicirt, thuts wohl, nach allem schlichten Menschenverstande!


Eben so soll, nach dem Ausspruch eines Arztes mit einer großen Perücke, Mäusedreck in kalten Fiebern sehr bewährt seyn.


Ebendas. IV. Bd. 570.

[77] 14.

Bayern ist ein Hauptsitz des Aberglaubens. Wider die Zahnschmerzen verwahrt man sich mit S. Apolloniawein, wider die Ohrenschmerzen mit S. Quirinöl; wider Hagel und Blitz hängt man S. Ignaz-Blech, und S. Xavers-Bilder an die Fenster; Amulete und Anastasiusköpfe dienen wider Hexereyen; um verlorne Sachen wieder zu bekommen, bestürmt man den heiligen Anton von Padua.


Büschings wöchentl. Nachr. 45. St. 1782.

15. Schminke der Brandenburgischen Fräulein im Jahr 1571
15.
Schminke der Brandenburgischen Fräulein im Jahr 1571.

Vom April dieses Jahres finden sich verschiedene Schreiben von Fräulein auf dem Lande, an Thurneisser, auch von verheyratheten Damen, worin sie ihn theils um Schminke, theils um Waschwasser und Schönheitsöl ersuchen, nebst Beschreibung des Gebrauchs. Sie schließen gemeiniglich mit der Bitte: es Niemand wissen zu lassen, noch andern davon zu geben.


S. Möhsens Leben Thurneissers S. 84.

16. Aberglaube
[78] 16.
Aberglaube.

Die Kindshaube, womit neugeborne Kinder geboren werden, pflegt in London öffentlich in den Zeitungen ausgeboten, und von Seeleuten häufig gekauft zu werden, weil man glaubt, sie gebe Sicherheit vor dem Ersaufen im Meer.


Meckel Zusatz zu Baudelocque's Geburtshülfe Th. I. S. 206.

17. Pulvis nutriens vegetabilis
17.
Pulvis nutriens vegetabilis.

Unter diesem Titel gab ein zu seiner Zeit in Ruf stehender Titularprofessor mit vornehmer Miene ein Arkanum, wie er es nannte. Und dies Arkanum war nichts weiter, als – gepülvertes Semmelbrod.

18. Das Fiebermittel
18.
Das Fiebermittel.

Ein Bauer, dessen Frau das Fieber hatte, kam in die Stadt, und wollte zu einem Apotheker gehen. Unterwegs hatte er den Namen Apotheker vergessen. Er fragte daher auf der Straße nach einem Quacksalber, und ein guter Freund des Apothekers wies ihm die Apotheke. Als der Bauer [79] hinein kam, machte er einen Kratzfuß, rückte am Hut, und fieng an: Goden Dag! waahnt hier een Quacksalber? Den Provisor, der allein in der Apotheke war, verdroß diese Anrede. Er antwortete unwillig: Kerl! was wollt ihr? – Der Bauer wiederholte seine Frage, und setzte hinzu: Ick wüll wat vör't Freeren hebben. Jetzt glaubte der Provisor, der Bauer wolle ihn zum Besten haben, gerieth in Eifer, und gab ihm ein Paar derbe Ohrfeigen. Der Bauer fühlte, daß dies ein gutes Erwärmungsmittel sey. Wat krieg jy davör? fragte er den Provisor. Allein dieser stand nun auf, gieng auf den Bauer los, und sagte: Wo du nicht bald gehst, so will ich dir mehr geben. – Nee, nee, sagte der Bauer, et waard all noog syn, dat sall mine Fru woll hülpen, se is noch jung. Und damit gieng er seine Wege. Wie er nach Hause kam, saß seine Frau im Bette, und hatte den heftigsten Frost. Mann! sagte sie, hest du my wat vor't Freeren mettbrocht? Er antwortete: Jo, Fru; trat ans Bette, und gab ihr eine Ohrfeige, daß ihr Hören und Sehen vergieng. Dieser Schrecken vertrieb ihr das Fieber. Sie fragte indeß, was das bedeuten solle? Fru, sagte der Bauer, dat het my de Quacksalber in de Stadt geven; ick hebbe dy unnerwegs brav na schweetet, un de gode Mann wüll nich mal wat vör hebben. Einige Tage darauf, als der Bauer wieder zur Stadt mußte, fieng die Frau an, die nun völlig hergestellt war: Mann, de Quacksalber [80] het nicks hebben wult; et het my awerst doch hulpen: kumm, nimm em en Paar Hahnen met. Der Bauer steckte ein Paar junge Hähne in einen Korb, und sein erster Gang in der Stadt war zu dem Apotheker. Diesmal traf er den Herrn selbst an; weil er ihn aber nicht kannte, so sah er sich überall nach dem Provisor um. Der Apotheker fragte ihn, was er wolle? – I nu, versetzte der Bauer, da hebb' ick letztens wat hahlt vör't Freeren. Dat was awerst een anner Keerl as jy, un he wull nicks vör hebben. Nu het mick mine Fru en Paar Hahnen metgewen, de sall he hebben. – Wu is he denn? – Er ist jetzt nicht hier, sagte der Apotheker. Aber gebt sie nur her: es ist einerley; ich bin der Herr, und er ist der Provisor. – Nu so is 't good, antwortete der Bauer, gab ihm die Hähne, und setzte hinzu: Ick hebbe awerst man de Helfte von braukt; davör gew ick ju de Hahnen; un de annere Helfte gew ick ju wedder. Hiermit gab er dem Apotheker eine Ohrfeige, daß dieser nicht wußte, wie ihm geschah, und gieng zur Apotheke hinaus.

19.

Vor einigen und vierzig Jahren vertraute ein gewisser Villars seinen Freunden: ein Oheim, der über hundert Jahre alt geworden sey, habe ihm ein Arkanum vermacht, durch dessen Gebrauch [81] man, bey Beobachtung der vorgeschriebenen Diät, über hundert und funfzig Jahre alt werden könne. Wenn er Einen begraben sah, rief er mit Achselzucken: Armer Schelm, hättest du meinen Trank getrunken, du lebtest noch. Seine Freunde, denen er reichlich davon gab, und die der Vorschrift gemäß lebten, befanden sich wohl, und breiteten seinen Ruhm überall aus. Bald entstand ein Gedränge nach dem Wasser; der Preis der Flasche stieg zu sechs Gulden, und Villars setzte außerordentlich viel ab. Diejenigen, die bey dem Gebrauch desselben die vorgeschriebene gute Diät beobachteten, befanden sich wohl, und lebten in der That lange. Unenthaltsame starben, und Villars schob die Schuld mit Recht auf ihre schlechte Diät. Sein Ruhm stieg von Tage zu Tage. Es gab Enthusiasten, die ihn vergötterten. Als er schon sehr reich war, kam man dahinter, daß sein Arkanum in Flußwasser bestand, worin etwas Salpeter aufgelöst war; und nun hatte Villars noch das Vergnügen, seine Landsleute auslachen zu können.

20.

Sixtus V. erinnerte sich, als Pabst, gar nicht mehr eines gewissen Advokaten, mit dem er ehmals, da er noch der Franziskaner Montalto war, in vertrauter Freundschaft gelebt hatte. Der ehrliche Advokat war krank. Er war äußerst dürftig, und es fehlte ihm also an jeder Art von Pflege und Unterstützung. [82] Ganz von ohngefähr brachte seine alte Wirthin den päbstlichen Leibarzt zu ihm; und eben so von ohngefähr erwähnte dieser des kranken Advokaten und seiner Dürftigkeit gegen den Pabst. Sixtus lenkte das Gespräch auf etwas anders. Apropos, sagte er Tags darauf zu dem Leibarzt: wissen Sie wohl, daß ich mich auch bisweilen mit Receptverschreiben abgebe? Sie sprachen gestern von dem armen Turinaz. Ich erinnere mich mit Vergnügen, daß ich diesen braven Mann ehemals recht gut gekannt habe. Ich habe ihm daher einen herrlichen Salat zugeschickt, der ihn wahrscheinlich gesund machen wird. – Einen Salat, heiliger Vater? rief der Arzt; in der That, die Kurart ist ganz neu! Aber wir glauben ja an Ihre Unfehlbarkeit. – Sagen Sie Turinaz, setzte Sixtus lächelnd hinzu, daß er künftighin keinen andern Arzt brauchen soll, als mich. Diesen Kunden schnapp' ich Ihnen weg. – Der neugierige Arzt empfahl sich, und eilte sogleich zu dem Advokaten. Er fand ihn wirklich fast ganz hergestellt; und erstaunte. Zeigen Sie mir doch, rief er, den Wundersalat, den Se. Heiligkeit Ihnen geschickt hat. Das müssen doch ganz besondere Kräuter seyn. – Ganz gewiß, sagte der Kranke lächelnd: Ihre ganze Botanik hat dergleichen nicht aufzuweisen. – Er holte den Korb, und der Arzt besahe die Kräuter. Es waren ganz gewöhnliche. – Wie? davon wären sie besser geworden? – Untersuchen Sie nur etwas genauer. Tiefer unten [83] liegt die eigentliche Panacee. – Der Arzt that dies, und fand – eine sehr ansehnliche Summe Zechinen. – Aha! das ist das Mittel! rief er aus. Sie haben Recht, dergleichen können wir unsern Kranken nicht geben. –

Diese Geschichte ist in Italien zum Sprichwort geworden. Wenn von Jemanden gesprochen wird, dem mit Gelde geholfen wäre, so sagt man: dem fehlt ein Salat vom Pabst Sixtus.

21.

Der Erfinder der englischen flüchtigen Tropfen war Godoald, ein Arzt in London. Karl II. ließ ihm 25000 Thaler für sein Geheimniß bieten, und der Arzt entdeckte es ihm, unter der Bedingung, daß der König es für sich behalten sollte. Der König war bekanntlich selbst Chemiker: er bereitete also die Tropfen ganz allein. Nach Godoalds Tode erfuhr man, daß sie destillirt wurden aus fünf Pfund Gehirn von Menschen, die gehenkt, oder sonst gewaltsam gestorben waren; zwey Pfund trocknen Vipern, zwey Pfund Hirschhorn, und zwey Pfund Elfenbein.

5. Chirurgie
1. Was ein Chirurgus ist
1.
Was ein Chirurgus ist.

Chirurgus auf Griechisch, ist auf Deutsch so viel, als Handwirker. Darum, daß sein Amt ist, mit der Hand zu wirken an des Menschen Leib.


Walther Ryff Feld- und Stattbuch bewährter Wundarzney. Frft. 1565. in 4.

2.
Handarzneywissenschaft nennt Hr. Wrabetz die Chirurgie. – S. Frft. med. Wochenblatt. 1782. S. 268.
[85] 3.
An einem Sonnabend gieng Jemand vor einem Hospitale vorbey,
unde negant redire quemquam,
und hörte einen Juden schreyen,
Schneids nicht! Schneids nicht! es ist heute Sabbath!
Aber die Christlichen, des Schneidens Beflissenen, kehrten sich an das Ceremonialgesetz nicht.
4.

Ein Chirurgus in G. sollte Blutigel an den anum anlegen. Er that es vielmal, ohne daß die Igel saugen wollten. Der Arzt entdeckte, daß der Chirurgus die Thiere allemal mit dem Schwanz anlegte, und das Kopfende in der Hand hielt.

5. Titulatur des verstorbenen Okulisten Taylor
5.
Titulatur des verstorbenen Okulisten Taylor.

Okulist von Sr. päbstl. Heiligkeit, von Ihro kaiserl. königl. Majest. von der Kaiserin Emilia, von Sr. königl. Maj. in England, Pohlen (August III. und Stanislaus), Dänemark, Schweden, wie auch Sr. churfürstl. Durchl. in Bayern, Ihro hochsel. churfürstl. Durchl. zu Cöln, wie [86] auch von dem jetzigen zu Mainz, Trier, Sachsen, des hochsel. Landgrafen von Hessen-Cassel, Sr. hochfürstl. Durchl. von Anspach, von Bayreuth, dann zu Lothringen und Parma, auch Sr. königl. Majestät von Spanien Bruder, Sachsen-Gotha, Braunschweig, Mecklenburg, Modena, Holstein, Paderborn, Salzburg, Bamberg, Würzburg und Lüttich, dann des Herzogs Clemens von Bayern, der Fürstin von Zerbst, der Durchlauchtigsten Mutter der Kaiserin von Rußland, der Prinzessin von Georgien, der Arzney Doktor, Professor der Optik, Mitglied fast aller Akademien, Universitäten und gelehrten Gesellschaften in Europa.

6. Feldscherer und Fellscherer
6.
Feldscherer und Fellscherer.

Esser in seiner Sammlung milit. Abh. St. 1. Frft. am Mayn 1763. gr. 8. schreibt in allem Ernst Fellscherer.


Ursprünglich hieß Feldscherer der Barbier der Soldaten im Felde.


Fellscherer war ein Witzwort, das zuerst der Herr von Tutenberg in seiner Reise durch Deutschland aufbrachte, um einen unwissenden Chirurgen dadurch zu bezeichnen.

[87] 7.

Unter einer Kompagnie riß eine gefährliche Krankheit ein. Der unwissende Chirurgus kannte sie nicht recht; kurirte aber doch frisch darauf los, und raffte viele Menschen hin. Als der Hauptmann ihm Vorwürfe machte, sagte er: »Lassen Sie 's gut seyn: Ich gebe Ihnen mein Wort, hinter das Geheimniß zu kommen, und wenn auch die Kompagnie bis auf den letzten Mann drüber krepiren sollte.«

8.

Um 1750 lebte zu Bouchain ein Soldat, Namens Menard, auch La Violette genannt, dem eine Kanonenkugel beyde Arme geraubt hatte. Der berühmte Mechaniker Laurent war grade daselbst, und versuchte es, dem Unglücklichen künstliche Arme zu appliciren. Auf der rechten Seite gieng dies nicht an, weil ein Stück von der Schulter hinweggenommen war. Vom linken Arm aber war noch ein 4 bis 5 Zoll langer Stumpf übrig. Diesen benutzte der sinnreiche Künstler, und brachte einen Arm an, der die natürlichen Verhältnisse hatte, und sich so bequem ausstrecken und bewegen ließ, daß La Violette sich 15 bis 16 Jahre lang gut damit behalf. Nach dieser Zeit aber gerieth die Maschine in einige Unordnung. Sie war auch außerdem etwas schwer. Laurent beschenkte also den Soldaten, als er ihn in Paris aufgesucht [88] hatte, mit einem neuen Arm, der nicht einmal 16 Loth wog, und woran die Hand so biegsam war, daß La Violette nicht nur mit aller französischen Artigkeit eine Prise nehmen, sondern auch sehr leserlich und selbst zierlich damit schreiben konnte. Der französische Hof und die versammelte Akademie der Wissenschaften sind Augenzeugen davon gewesen, und eine italiänische Dame soll sehr naiv ausgerufen haben: Caspità, che questo Signore Laurent è valenthuomo! lo stimerei ben capace di rimembrar un povero Abelardo. – Laurent wurde für seine Erfindung in den Adelstand erhoben, und erhielt den Michaelisorden und ein ansehnliches Geschenk.

9.

Auf Otaheite (erzählt Bougainville) kommt der Chirurgus, wenn er einem Patienten zur Ader lassen will, mit einem etwas scharf geschnittenen Prügel, haut ihm damit scharf über den Kopf, und wenn genug Blut geflossen ist, verbindet er die Wunde, und wäscht sie Tags darauf mit frischem Wasser aus. Der Kranke wird gemeiniglich hergestellt.

10.

Bey verschiedenen Völkern bringt man strangulirte und ertrunkene Personen dadurch wieder [89] zum Leben, daß man ihnen Hiebe auf die Fuß sohlen, oder auf die Hinterbacken giebt.

11.

Gegen Stein, Lungengeschwüre, Maulsperre, und Knochen, die im Halse stecken geblieben sind, verlangt die Natur gemeiniglich nur einen kräftigen Hieb in den Rücken, oder hinter die Ohren, und hat alsdann Satisfaktion.

12.

Bey Narren helfen oft mehr, als alle andere Mittel, Stockschläge. Durch sie wird die Seele erweckt, sich wieder an diejenige Welt anzuschließen, aus der die Prügel kommen. So wollen manche unrichtig gehende Taschenuhren nur haben, daß man sie schüttelt.


Mancher Nachtwandler ist so durch eine tüchtige Tracht Prügel kurirt; und manchen Hypochondristen würde der schweißtreibende Knittel eines preußischen Unterofficiers bald herstellen.


Mit Thoren und Gecken geht es nicht so gut. Die kann man, wie Salomo sagt, im Mörser zerstampfen, sie bleiben doch ganz.

13. Ein seltner Zahnarzt
[90] 13.
Ein seltner Zahnarzt.

Peter der Große sah auf seinen Reisen einen Zahnarzt, dessen Geschicklichkeit im Ausziehen der Zähne mit Löffeln, Degen, und andern Instrumenten ihm so wohl gefiel, daß er selbst Lust bekam, solch ein Künstler zu werden. Er lernte die Handgriffe bald, und nun war fast kein Zahn in dem Munde seiner Hofleute mehr sicher.

Einst, als der Kaiser schon lange von seinen Reisen zurückgekehrt war, hatte ein russischer Kavalier etwas versehen, das Petern sehr aufbrachte. Er ließ den Schuldigen sogleich rufen, um ihn, wie er pflegte, mit seinem furchtbaren Stabe derb, vielleicht tödtlich, zu züchtigen. Zum Glück benachrichtigte ein Freund den Edelmann von Peters Zorn, und der Unglückliche dachte also unterwegs (denn kommen mußte er) auf Mittel, den Kaiser vielleicht zu besänftigen. Er fand auch Eins. Er trat in Peters Zimmer mit dem Schnupftuche vor dem Munde, als ob er heftiges Zahnweh hätte. Kaum hatte ihn Jener erblickt, als er schon mit aufgehobenem Stabe auf ihn zukam. In dem Augenblicke wurde er das Schnupftuch gewahr. – Was fehlt dir? fragte er zornig. – Schon seit gestern, erwiederte der schlaue Russe, habe ich das heftigste Zahnweh. – Bey dem Worte, Zahnweh, sank der Arm des Kaisers[91] allmählig, und in weniger als einer Minute heiterten seine Blicke sich auf. Mit sanfterer Stimme fragte er den Kavalier, ob er einen hohlen Zahn habe? – Er ist nicht ganz hohl, war die Antwort; aber doch taugt er nicht, und macht mir unsägliche Schmerzen. – Holt mir meine Instrumente, rief der Kaiser; und du, setze dich hierher. Wir wollen bald fertig werden. Wo sitzt der Zahn? – Der schon halb getröstete Hofmann zeigte ihm einen wirklich schadhaften Zahn, und Peter riß ihn, zwar etwas unsanft, aber doch glücklich heraus. Er bedankte sich hierauf für die hohe Gnade, und da der Kaiser nun anfieng, ihm seine Aufführung vorzuhalten, warf er sich ihm gleich zu Füßen, und kam mit einem leichten Verweise davon.

6. Geburtshülfe
1.

Quosdam novimus, qui in anum explorantes, cuiuscunque temporis graviditates palam facere consueverant.


Io. Bapt. Bianchi de nat. in H.C. vitiosa, morbosaque generat. Aug. Taurin. 1741. 8. p. 64.

2.

Auf den reichen Hebammenmeister Clement, der unter andern die Herzogin de la Valiere, Maitresse Ludwigs XIV. entband, ward folgendes Distichon gemacht:


Quas bona pars hominum muliebri condit in antro,
Ex illo Demas eruit unus opes.

Anecdotes hist. lit. et crit. sur la Medecine, la Chirurg. et la Pharm. II. Part. Amst. et Paris 1785. 8.

7. Gerichtliche Medicin
1. Der Arzt in Physikatsgeschäfften, von hochlöblicher Justiz begleitet
1.
Der Arzt in Physikatsgeschäfften, von hochlöblicher Justiz begleitet.

Eine wahre Geschichte aus dem letzten Decennio.


Recht und Gerechtigkeit wird noch fürbaß gehandhabt, man sage auch der Justiz nach, was man will. Hier ist der Beweis:


Auf einem Dorfe hatte sich ein melancholischer Bauer erhängt. Die Frau schneidet ihn heimlich [94] vom Strick, und läßt ihn ehrlich begraben. Die Justiz brachte das in Erfahrung, ließ die Leiche wieder ausgraben, besichtigte solche legal, und zu Bestreitung der Gerichtskosten ward der armen Frau die Kuh und alles Hausgeräth weggenommen, daß es kein Wunder gewesen wäre, wenn die Frau sich auch erhängt hätte. Auch der Medicus, ad hunc actum requisitus, bekam zuletzt seine Bezahlung, und mit der Bezahlung endigte sich die ganze gerichtliche Expedition, denn ex officio, wie man es nennt, wird wenig Gerechtigkeit gehandhabt.


Balding. N. Mag. 1783. S. 382.

2.

Ein Physikus in ** mußte 1783 über einen Fallsüchtigen Bericht erstatten, worauf ihm der Befehl zugeschickt wurde, noch die Flores Zinci (Zinkblumen) bey dem Kranken zu versuchen. Er schrieb zurück: ich habe die Botanik auch studirt, habe Linnei System durchgegangen; allein von den Floribus Zinci nirgendswo was gelesen.

3.

In einer großen Stadt im Reiche kam ein Mann zu einem Arzte, dem das große D. gewiß [95] ein tüchtiges Geld gekostet hatte, und bat ihn, seinen Kopf und Leib zu untersuchen, indem er von einem andern Manne sehr zerschlagen sey. Es geschah, und das auf Verlangen ausgestellte Attestat, das sogleich dem Stadtgerichte eingehändigt wurde, lautete wie folgt:


Daß der N.N. von dem N.N. sehr gemißhandelt und zerschlagen, auch so gewaltsam an den Haaren gerissen und gezogen worden, daß davon alle Suduren des Kopfs auseinander gerissen sind, solches habe ich hierdurch pflichtmäßig und an Eides Statt addestiren wollen. M....n.


F...k, Med. Doctor.

8. Miscellaneen
1.

Ein Gelehrter ward aus Faulheit so hypochondrisch, daß er sich zu Bette legen mußte, und sich selbst den Tod prophezeihete. Er befahl, daß man auf dem benachbarten Glockenspiele sein Sterbelied spielen sollte. Dies geschah: allein er war selbst musikalisch, und hatte zur Leibesübung oft auf eben diesem Glockenspiele gespielt. Mit Verdruß hörte er also, wie schlecht der Spieler sein Amt verwaltete. Da dies doch einmal seine letzte Ehre seyn sollte, so wollte er es auch recht haben, sprang zornig aus dem Bette, lief auf den Thurm, und zeigte dem Kerl, wie er spielen sollte. Er gerieth darüber in einen heftigen Schweiß, und kroch wieder ins Bette, um [97] sein Ende abzuwarten. Allein dieser Schweiß gab ihm die Gesundheit wieder.

2.

Stellenweis interessant ist die Autobiographie eines armseligen Magisters, Namens Bernd, der einer der größten Hypochondristen war. An einem Orte heißt es so:

»Saß ich, oder stund ich nahe bey einem, so mußte ich mir oft den Mund zuhalten, daß ich ihn nicht anspie, wenn er gleich mein Freund war, und ich alle Liebe zu ihm hatte, so daß ich nicht wußte, warum ich ihn anspeyen sollte; denn das Anspeyen kam mir so deutlich vor, als ob es geschähe. Oder ich schlug ihn in Gedanken mit der Hand ins Angesicht, so daß ich die eine Hand mit der andern halten mußte, damit es nur nicht wirklich geschehen möchte. Vor allen Ungewöhnlichkeiten erschrickt man zu solchen Zeiten. – – Ich konnte nicht ohne innerliches Auffahren eine große Ziffer sehen, z.E. eine 6 oder 9. Ein Raum, wo drey oder vier Bücher gestanden, machte mir schon Aengstlichkeit, und konnte nicht ruhen, bis der Raum wieder mit Büchern ausgefüllt wurde. Ich bebte vor einem Zettel, wenn derselbe auf einem Fenster lag, wo er sonst nicht zu liegen pflegte, und konnte nicht ruhen, bis ich ihn an seinen ordentlichen Ort wieder geleget. Ich betete, doch meistens [98] ohne sonderbare Bewegung, und zuweilen, wenn ich dazu schritt, und niederkniete, wurde mir das Angesicht wider meinen Willen in eine solche Gestalt gebracht, wie diejenigen haben, denen ein Ding lächerlich vorkommt; alles wegen des lebendigen Bildes, das ich im Gehirn von einem, der da lacht, hatte, welches den Mund in solche Figur setzte. Doch ließ ich mich nichts im Gebete hindern, es mochte solches so elend aussehen, als es immer wollte. – – Es wurden um ein leichtes, und öfters, ehe ich mich es versahe, die Lebensgeister im Haupte so flüchtig, daß die Gedanken wunderlich durcheinander zu laufen anfiengen, und daß mir lauter toll Zeug einfiel, und Bilder vorkamen, die ganz und gar keine Connexion unter einander hatten. Mit einem Worte, es ward mir so seltsam und übel, daß ich mich kaum – erhalten konnte, daß ich nicht lärmte, schrie, jauchzete, und andere unanständige Dinge vornahm. Es kann einem Menschen, der seines Verstandes soll beraubt werden, nicht anders seyn, so daß ich solches Uebel jederzeit für eine Disposition darzu angesehen, und mich nicht einen Schritt weit vom Phantasiren geachtet habe. Ich kann nicht beschreiben, wie angst mir geworden, wenn ich des Abends im Bette gern einschlafen wollen, und es im Haupte dermaßen zu stürmen, und untereinander zu gehen anfieng. Ach Gott! hilf mir! schrie ich oft, errette mich! Wenn ich aber[99] nur ein oder zwey Stunden, bis um 10 Uhr oder 1 Uhr, hinbrachte, daß die Speise ein wenig mehr verzehret oder verdauet worden war, und um die Gegend der Milz es sich öffnete, allwo ich alsdann einen drückenden Schmerz verspürte, so ließ das Uebel ein wenig, ja öfters völlig nach. Schlief ich aber in noch währendem Zustande ein, so träumte mir sogar zuweilen, als ob ich unter Menschen, ohne den rechten Gebrauch meines Verstandes, mich befände, und von ihnen verhöhnet würde.« –


Solche Menschen wissen nie, was sie morgen denken und thun werden. Heut ist ihnen die Welt Himmel, morgen Hülle. Sie sind, wie Unzer sagt, den Miethkutschen ähnlich, worin bald ein gnädiger Herr, bald ein Jude, bald eine Buhlschwester, bald ein Lakay sitzt. – Unzers Arzt, I. Bd. 25. St.

3. Mein Herr Arzt
3.
Mein Herr Arzt,

Seitdem ich Ihr fünftes Stück gelesen habe, bin ich entschlossen gewesen, an Sie zu schreiben. Allein ich finde nicht, daß die Sache Eil hätte, und ich halte nichts von Uebereilungen. Daher bitte ich Sie, nur nicht geschwind zu lesen, sondern alles wohl zu überlegen.


[100] Sie werden sich des Briefes des Herrn Urban Flatus erinnern. Nun! – – – Geben Sie sich Zeit, und erinnern sich wohl! derselbe bin ich nicht, sondern ich bin ein anderer. Nur Geduld! so wird sich alles entwickeln. Jener hatte seine Winde im Bauche. So habe ichs wenigstens verstanden, daß es ihm im Leibe gepoltert hat. Dieses sey demnach fürerst zum voraus gesetzt. Er hatte sie im Bauche.


Ich schreibe Ihnen, mein Herr Arzt, auch wegen gewisser Winde, womit ich besetzt bin; aber nicht wegen der Winde im Bauche. Ursache: weil ich keine Winde im Bauche habe. Nun, wo habe ich sie denn? Eine kleine Geduld! Ich will es Ihnen sagen.


Meine Winde sitzen zwischen Fell und Fleisch. Ich will so viel sagen: zwischen Fell und Fleisch sitzen meine Winde. Ueberlegen Sie dies erst.


Wenn ich mich an einer Stelle reibe, die mir weh thut, es sey am Rücken, an der Brust, zwischen den Schultern, oder auf dem Kopfe, so muß ich Winde aufgeben. Dieses ist der Hauptpunkt meines Uebels. An allen diesen Stellen sitze ich voll Winde. Zwischen meinen Schultern blähen sie mich öfters auf, wie ein Stück aufgeblasenes Kalbfleisch. Wenn ich nun an eine Ecke trete, und mir den Rücken daran reibe, so gebe ich so viel Winde auf, daß es erstaunlich ist. Wenn ich mich [101] auf den Hirnschädel drücke, so ist darunter alles voll Winde, die ich auch aufgebe. Wenn ich mich mit warmen Tüchern auf dem Rücken reiben lasse, so liege ich da, wie ein Geschwindstück, das in einer Minute zwanzigmal losgehet. Ich bin über den ganzen Leib von Winden aufgetrieben. Dieses ist meine Krankheit.


Ich habe verschiedene Aerzte um Rath gefragt, ob sie mir nicht von diesen Winden helfen könnten. Die allermeisten haben mir solche Antworten gegeben, woraus ich hätte schließen sollen, daß sie mich für nicht recht klug hielten. Wie so? Nur ein wenig Geduld! Ich will es Ihnen sagen.


Sie behaupteten, man könnte unter dem Hirnschädel und zwischen den Schultern keine Winde haben. Gut. Fahren Sie nicht hitzig zu, und urtheilen Sie nicht zu frühzeitig! Ich behauptete dagegen, daß ich die Winde an diesen Orten fühle; ich drückte mich dahin; ich ließ die Herren selbst drücken, und sie hörten mit Erstaunen, wie ich sie von mir gab. Wenn ich nun fragte: sind das keine Winde? so antworteten sie, aber meines Erachtens zu voreilig: das sind freylich Winde, die Ihnen da aufstoßen, aber die kommen aus dem Magen. Ich überlegte wohl, was sie sagten, und antwortete: das kann wohl seyn, daß sie aus dem Magen kommen; aber ich drücke sie erst in den[102] Magen hinein, wenn ich diese Stellen reibe. Dies konnten sie nicht begreifen; ich aber wohl. Sie sagten, es wäre kein Weg für die Winde aus dem Gehirne in den Magen vorhanden; allein das glaubte ich so geschwind nicht. Einige sagten: ich wäre ein Mann voller Einbildungen; ich wäre hypochondrisch; was ich für Winde hielte, das wären nur Krämpfe, und ich betröge mich selbst, wenn ich sie fortgehen ließe, und dann glaubte, daß ich sie herausgetrieben hätte. Einige sahen meine Noth ein. Sie gaben mir Salben, den Rücken zu reiben; sie schoren mir die Haare vom Kopfe, und rieben mir Spiritus darauf; sie legten mir windtreibende Pflaster zwischen die Schultern; und nach vielen Ueberlegungen war ich mit diesen Menschen am besten zufrieden, doch ohne mich völlig auf ihre Seite zu lenken. Nach der Zeit aber hat man mich versichern wollen, daß diese Leute ihren Spott mit mir trieben. Ich übereile mich bey solchen Sachen nicht, und habe also diese bis hieher dahin gestellt seyn lassen. Jetzt bitte ich Sie um nichts mehr, als daß Sie mir nicht zu bald antworten. Ueberlegen Sie Alles genau. Erwägen Sie meine Klagen; erwägen Sie die Antworten aller Aerzte. Entwerfen Sie sich die Gründe und Gegengründe auf einem besondern Blatte, und schreiten Sie langsam zur Entscheidung. Lassen Sie diese Entscheidung 9 Wochen und 9 Tage bey sich liegen, und lassen Sie sie in kein Stück drucken, das des Montags [103] herauskommt. Denn dieser Tag ist fatal, und es wird kein Dienstmädchen an demselben einen Dienst antreten. In Ihrer Entscheidung bin ich gewärtig, folgende Fragen beantwortet zu finden: 1) Ob ich Winde habe? 2) Ob meine Winde zwischen Fell und Fleisch sitzen? 3) Ob ich sie in den Magen hineindrücke? 4) Auf welchem Wege sie aus dem Gehirne hineinkommen? 5) Ob ich bey den Salben und Pflastern bleiben soll? 6) Ob ich mich noch mehr soll scheren lassen? 7) Ob mich die letzten Aerzte, die mich gesalbt und geschoren haben, für nicht recht klug halten? 8) Ob ich wirklich nicht recht klug bin?

Nach reiflicher Ueberlegung hoffe ich unausgesetzt zu verharren.


Dero

ergebenster Prudentius Buridan. Ebendas. I. Bd. 28. St. Se non è vero, è ben trovato.

4.

Ein gewisser Arzt wurde öfters befragt, ob denn die Bewegung nicht einen Tag ausfallen könne? – Ja, antwortete er, alle Tage, wenn ihr nicht esset.

[104] 5.

Boerhaave erzählt einen merkwürdigen Fall von einem Doktor der Arzneykunst. Dieser Mann glaubte, es sey ihm sehr heilsam, viel zu schlafen. Er legte sich daher an einem stillen und dunkeln Orte zur Ruhe, und schlief einige Tage. Als man ihn aufweckte, war er schon viel unwissender, als zuvor. Dennoch legte er sich von neuem nieder. Allein als er nun aufwachte, war er ganz albern.

6.

In Indien wächst ein Kraut, das Dutroa, auf den maldivischen Inseln aber Moetol heißt, und das eine runde, grüne, fleckichte Frucht, wie eine Mispel, trägt, und voll kleiner Körner ist. Wenn eine Frau mit ihrem Liebhaber ungestört lustig seyn will, so läßt sie diese Frucht in seinem Getränke aufweichen, und ihn davon trinken. Nach einer halben Stunde wird er albern, singt, lacht, macht Possen, und weiß nicht, was um ihn her geschieht, noch was er selbst thut. In diesem Zustande bleibt er 5 bis 6 Stunden. Alsdann schläft er ein, und meint hernach, er habe die ganze Zeit über geschlafen. Man kann leicht denken, daß sich die Männer dieses Mittels auch bey dem Frauenzimmer bedienen werden. Wenigstens erzählt Pyrard, daß bey seinem Aufenthalte [105] zu Goa viele Jungfern auf diese Art zu Müttern geworden wären, ohne zu wissen wie.

7.

Friedrich Pirati, ein Venetianischer Rechtsgelehrter, unternahm es zuerst, Kranke zu elektrisiren. 1747 und 1749 machte er in einigen Briefen bekannt, daß Podagristen und andre Gichtische, auch Gelähmte, durch das Elektrisiren sich etwas erleichtert gefühlt hätten, und daß er dadurch zuweilen ein Purgiren, oder ein Schwitzen, oder auch einen Speichelfluß erregt habe. Kurz darauf bestätigte der D. Joseph Verrati diese Versuche durch neue; und Krüger, Krazenstein, Klein u.a. schrieben, in medicinischer Hinsicht, zuerst über die Elektricität. Nun wollten alle Kranke elektrisirt seyn, und alle Aerzte elektrisiren.

8.

Einige heidnische Völkerschaften in Sibirien stellen sich jede Krankheit als die Wirkung eines bösen Geistes vor, der im Lande herumziehe, um die Menschen zu quälen, oder gar zu tödten, und dann aufzufressen. Sie glauben, solche Geister lassen sich durch Opfer, von ihren Priestern, den Schamanen, dargebracht, besänftigen. Allein die Priester sind so klug, dergleichen Opfer nur bey [106] leichten Krankheiten zu versuchen. Wird einer von den Pocken befallen, so flieht Alles von ihm, und er bleibt in seiner elenden Hütte, oft mitten im Winter, allein. Die von der Krankheit Verschonten verbergen sich indeß, damit der Pockengeist sie nicht finde, oder sie nehmen ihre Waffen zur Hand, um ihm nöthigenfalls zu widerstehen.


Sonderbar ist die Art, wie sich der gemeine Russe in Sibiren vor dem kalten Fieber zu schützen sucht. Er hält diese Krankheit ebenfalls für die Wirkung eines bösen Geistes. Bemerkt er daher einige Symtome der Krankheit an sich, so beschmiert er sich das Gesicht mit schwarzer Farbe, damit der Geist ihn nicht kennen, oder sich wohl gar vor ihm fürchten solle. –


Eben so meint der Ostiake, der Tunguse, der Jakute, den Pockenteufel zu betrügen, indem er sich auf den Backen, auf der Nase, und an andern Stellen des Gesichts, Zunder anzündet, und so Narben einbrennt, um den Pockenteufel glauben zu machen, er habe die Pocken schon gehabt. Vor eben diesem Geiste glauben sich diese Völker, wenn die Pocken wüten, nur in den dicksten Wäldern sicher. Sie verlassen dann ihre Hütten, fliehen die Landstraßen, verschanzen sich, im Sommer hinter umgehauene Bäume, im Winter hinter Schneewälle, und leben ganz einsiedlerisch. Nichts ist lächerlicher, als wenn sie gespannte Bogen mit [107] Pfeilen aufstellen, um den Geist, wenn er auf einen daran befestigten Faden tritt, wie die Elendthiere und anderes großes Wild, sich selbst erschießen zu lassen.

9.

Andreas Baccio, ein geschickter aber sehr eigensinniger Arzt zu Florenz, ward zu einer kranken Frau gerufen. Er fühlte ihr den Puls, und fragte: wie alt sie wäre? – Sie antwortete ihm: 80 Jahr. – »Was? 80 Jahr! rief er, und schleuderte ihren Arm fort; wie lange wollt ihr denn auf der Welt bleiben?« Und damit war er zur Thür hinaus.

10.

Ein Seitenstück zu Bernd (s. oben Num. 2.) ist ein Edelmann, der so hypochondrisch war, daß er glaubte, er sey todt. Kein Zureden, kein Bitten half; er fastete sieben Tage. Endlich fiel man auf folgende List: man verfinsterte sein Zimmer; einige lustige Burschen hüllten sich in Todtenkleider, kamen hinein zu ihm, trugen Speisen und Getränk auf, und schmausten tapfer. Der Kranke sah dies beym Schimmer eines Lichts. Er fragte sie, wer sie wären, und was sie wollten?


[108] »Wir sind Todte.«
– Essen denn die Todten auch? –
»Ja wohl essen sie. Setz dich nur zu uns, so wirst du sehen, wie gut es schmeckt.«

Der Scheintodte ließ sich das nicht zweymal sagen. Er sprang vom Bette auf, und aß. Nach geendigter Mahlzeit bewirkte der Schlaftrunk, den man in seinen Wein gemischt hatte, einen erquickenden Schlaf, und er genaß.

11.

Ein anderer junger Hypochondrist glaubte ebenfalls, er sey todt. Er enthielt sich nicht nur des Essens und Trinkens, sondern er bat auch seine Eltern, sie möchten ihn beerdigen lassen, ehe er verfaulte. Auf Anrathen der Aerzte wurde er in ein Leichentuch gewickelt, in einen Sarg gelegt, dessen Deckel Luftlöcher hatte, und nach der Kirche getragen. Unterwegs stießen etliche dazu bestellte lustige Burschen auf das Leichenbegängniß. Sie fragten die Träger, wen sie trügen. Die Träger nannten den Namen des jungen Menschen.


»Ach, ists der? riefen Jene. Nun, es ist gut, daß der todt ist. Er war ein erbärmlicher, schlechter Mensch, zu nichts zu gebrauchen, als zu Niederträchtigkeiten. Seine Verwandten können [109] froh seyn, daß er nicht am Galgen gestorben ist.«


Solche Beschimpfungen konnte der junge Mensch nicht ertragen. Er richtete sich auf, stieß den Sargdeckel ab, und sagte zu den Burschen: sie wären schlechtdenkende Leute, daß sie ihm dergleichen nachsagten. Wenn er länger gelebt hätte, so würde er sie gelehrt haben, besser von ihm zu sprechen.


Die Burschen lachten und schimpften ihn nur noch mehr aus. Der Zorn des Kranken wuchs jeden Augenblick. Endlich sprang er aus dem Sarge, packte Einen der Burschen, und ohrfeigte ihn tüchtig. Als er mit ihm fertig war, giengs über den zweyten her, und so fort, bis er sich ganz müde geprügelt hatte. Durch diese heftige Bewegung waren seine schlummernden Ideen aufgeweckt worden. Er erwachte wie aus einem Traum. Man brachte ihn nach Hause, er aß, und in wenigen Tagen war er vernünftig und gesund.

12.

Ein Müßiggänger zu Florenz gerieth auf den Einfall, Pillen zu machen. Er gab sie ohne Unterschied in allen Krankheiten, und da sie bisweilen von ohngefähr halfen, so kam er bald in Ruf. Einst trat ein Bauer in seine Stube, und fragte [110] ihn, ob er kein Mittel wüßte, seinen Esel wieder zu finden? – »O ja, sagte der Charlatan, ihr dürft nur sechs von meinen Pillen einnehmen.« – Der Bauer kaufte sie, und nahm sie gleich ein. Auf dem Rückwege fieng es an, ihm im Leibe zu reissen. Er gieng also von der Landstraße ab in ein zur Seite liegendes Gebüsch. Hier erblickte er seinen Esel, der weidete. Froh über seinen Fund, pries er nun im Dorfe den Arzt und die Pillen, die nicht nur Kranke heilten, sondern auch verlorne Esel wiederbrächten.

13.

Der Düc de Vivonne ward krank. Man schickte nach einem Arzt. Er kam, und ward gemeldet. – Was? ein Arzt? – rief der Herzog. Geh hin, Jakob, grüß den Herrn Doktor von mir, und sag ihm, es thäte mir leid, daß ich ihn nicht sprechen könnte: ich wäre krank. Wenn ich mich besser befände, wollte ich es ihn wissen lassen, und dann sollte mir sein Besuch angenehm seyn.

14.

Ein Domherr lag gefährlich krank. Ein Arzt besuchte ihn. Mein Herr, sagte der Kanonikus, in diesem Hause herrscht eine doppelte große Furcht. Die Eine hab' ich: ich fürchte, daß ich [111] sterben werde. Die Andre hat mein Vetter: er fürchtet, daß ich nicht sterben werde; denn ich habe ihm meine Pfründe resignirt, und er ist mein Universalerbe. Jetzt kommt es darauf an, ob Sie sich wollen von mir, oder von meinem Vetter bezahlen lassen.

15.

Der Herzog von Rohan ward auf seiner Reise durch die Schweiz von einer Unpäßlichkeit befallen. Man brachte ihm den Doktor Thibaud, den berühmtesten Arzt in der Gegend. Als der Herzog ihn erblickte, faßte er ihn fest ins Auge, und sagte nach einer Weile: Herr Doktor, Sie kommen mir sehr bekannt vor. Sollte ich Sie nicht schon gesehen haben? –


Das ist sehr möglich, versetzte Thibaud. Ich hatte einst die Ehre, bey Ew. Durchlaucht als Hufschmidt in Diensten zu stehen. – Wer Henker hat Sie aber nun zum Doktor gemacht? – Die Noth, die Gewinnsucht, und meine Dreistigkeit. Ich gebe jetzt den Schweizern, was ich sonst Dero Pferden gab. Einige sterben: aber ich lebe. – Er bat zugleich den Herzog, ihn nicht zu verrathen. Der Herzog versprach es; dankte aber zugleich für seine Arzneyen, und überließ sich dem besten Arzte, der Natur, die ihn in wenigen Tagen herstellte.

[112] 16.

Ein junger Doktor überschickte seinem zwar reichen, aber auch sehr haushälterischen Vater die Rechnung von den Promotionskosten. Auf derselben leuchteten dem Alten 80 Rthlr. für Champagner beym Doktorschmause vorzüglich in die Augen. Es ärgerte ihn, so viel Geld an einem Abend verschwendet zu sehen. Er schrieb daher dem Herrn Doktor folgenden Brief:


Hochedelgebohrner, Hochgelahrter Herr Doktor! Hochgeehrtester Herr Sohn!


Meinst Du, verwünschtes Champagnermaul! daß mir das Geld von den Bäumen fällt? Ich und Deine Mutter trinken jungen Franzwein bey Tische, und des Abends, auf dem Rathskeller, trinke ich nicht höher, als zu 14 Schilling: und Du, Gelbschnabel, willst Champagner saufen! Vier Wochen willst Du zu Deiner Einrichtung noch in Halle bleiben. Es mag allenfalls seyn. Aber wenn Du, Schurke, in den vier Wochen noch Einen solchen Schmaus giebst, so dreh ich Dir den Hals um. Uebrigens verbleibe ich mit schuldigster Hochachtung


Ew. Hochedelgebohren.
Meines Hochgeehrtesten Herrn Doktors und Sohns
gehorsamster Diener und treuer Vater.
[113] 17.

Die Könige von Frankreich eigneten sich sonst dasPrivilegium exclusivum von Gott dem Herrn zu, durch ihr Berühren und Streichen der Kröpfe, solche zu heilen.

Von dieser Heilmethode handelt einzig und allein folgendes Buch:

Andr. Laurentii, de mirabili strumas sanandi vi, solis Galliae Regibus christianissimis divinitus concessa, Parisiis, 1609. 8. nebst einem schönen Kupferstiche, worauf die Ceremonie recht deutlich abgebildet ist. Dies Buch ist auch in des Verf. Opp. anat. ed. ult. Frft. 1595. Fol. eingerückt.

Die Könige von England haben sich desgleichenPrivilegii bekanntlich gerühmt. Es ist aber kein Zweifel, daß solches den Königen von Frankreich einzig von Gott zu Lehn verliehen, so gut, wie die heilige Oelbulle zu Rheims.


Balding. Mag. XI. St. 943.

18.
Neueste Staatsverfassung im Reich der Aerzte.

Ein Beytrag zur Geschichte des genii seculi des jetzigen Jahrhunderts.


»Wir wollen das Heer der Aerzte zuförderst gebührend eintheilen. Der Bücherschreibenden [114] sind jetzt so viele, wie Sand am Meer. Die Zahl derer, die man Kunstrichter nennt, ist größer als jemals: denn da sind Verfasser der Bibliotheken, Mitarbeiter und Gehülfen an größern und kleinern Journalen, Bibliotheken, Zeitungen, die größtentheils das incognito lieben, und meist im Hinterhalt bleiben; Aerzte, die prakticiren und manchmal etwas lesen; manche aber, die in allem dem, was jetzt in Schriften verhandelt wird, ganz unwissend sind, und zur Klasse der gemeinen Handwerker gehören. Eigentlich also gehören nur die Schreiber zum Staatskörper, und die letztern machen den gemeinen Mann aus, der von der Staatsverfassung meist nicht mehr Begriffe hat, als weiland der politische Kannengießer; und da sie von dem nichts wissen, nichts wissen können, was in den geheimen Staatscabinetten der schreibenden Aerzte vorgeht, so können sie höchstens nur urtheilen, wie der Blinde von der Farbe.«


»Könige erkennen nur Gott und das Schwerd als Schiedsrichter über sich. Die Feder ist das Schwerd unserer Schreiber, womit sie ihr Recht vertheidigen, und ihre Streitigkeiten führen. Nie sind mehr Ströme von Dinte geflossen, als in der letzten Hälfte dieses Jahrhunderts.«


»Man hielt sonst das Reich der Gelehrten für eine Republik, wo Jeder eine freye Stimme hätte. Aber schon lange war es eine Aristokratie, [115] wo sich einige der Schreiber das größte Ansehen erworben hatten, so daß es gefährlich war, ihnen dasselbe streitig zu machen. Hat je ein Gesetzgeber mehr Ansehen gehabt, als Hippocrates, Galen und Aristoteles? Jahrtausende galten ihre Sätze, die vernünftigen und unvernünftigen. Es war ein Staatsverbrechen, nur um ein Haarbreit von ihren Aussprüchen abzuweichen. Einige erwarben sich den Ruhm, daß sie die Affen des Galen genannt wurden. Giebt es nicht jetzt noch Affen genug? Blos für den Namen Galen ist ein anderer untergeschoben worden – und so haben wir in neuern Zeiten – aner in Menge gesehen.«


»Die Arzneykunst hat merkwürdige Schicksale gehabt. Sie hat sich unter das Joch der Religion und der Philosophie knechtisch beugen müssen. Einen Leichnam zu zergliedern, war wider das geistliche Recht,quia ecclesia non sitit sanguinem, und so dachten schon die Egypter. Der Kirchenvater Augustin nennt die Beschäfftigung mit todten Leichnamen crudelem curiositatem. Aristotelische, Cartesianische, Newtonische, Leibnitzische, Wolfische Philosophie modelte unsre Kunst nach ihrem Gutdünken. Auch die Schwärmer, die Abergläubischen, so wie die Freygeister, hatten Einfluß darauf. Paracelsus schon machte eine kleine chymische Handbibel. Die meisten Anhänger von Stahl waren Pietisten, [116] und ihr geistlicher Lehrbegriff hatte sichtbaren Einfluß auf ihre medicinischen Lehren. Sie sprachen immer vom Sündenfall und Seelenverderbniß, die in Krankheit ausartete. Ganze große Stellen aus Müllers himmlischem Liebeskuß, Valerii Herbergers Magnalibus Dei, Luthers Hauspostille, u.s.w. kommen häufig in Dissertationen vor, die in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts geschrieben wurden. Auch die Jungfer Bourignon hatte ihre himmlischen Liebhaber, die überirdische Offenbarungen und Entzückungen genossen, und mitunter irdische Geschöpfe betrachteten, ja wohl gar über Bienen und Insekten recht sehr vernünftig schrieben.« (Swammerdam.)


»Unsre arabischen Schriftsteller, unser Rhases und Avicenna, mischen immer einen gottseligen Gedanken mitunter in ihren Werken.«


»Der Mönchsgeist canonisirte die Pflanzen. Da giebt es Gottes Gnadenkraut; unsrer lieben Frauen Haar, Mantel, Bettstroh, Pantoffel, u.s.w. Ein hübsches Verzeichniß liefert Conrad Gesner in seinem Buch: De Plantis a Divis Sanctisque nomen habentibus, Basil. 1591. 8.«


»In jenen Zeiten der Einfalt gab es Morsellen, denen man keine geringere Namen beylegte, alsManus Christi. Die Formel vom Unguento Apostolorum steht noch in allen Apothekerbüchern.«


[117] »Mönchsgeist, Aberglauben, Tradition herrschten von jeher im Lehrbegriff der Aerzte so gut, als im Schooße der Kirche.«


»Die Wiederherstellung der Wissenschaften erschuf die philologischen Aerzte. In dieser Schule stieg Apotheose und Canonisation auf den höchsten Gipfel ihres Ansehens.«


»Dies sind die Menschensatzungen in der Arzneykunst! Eine einzige Sylbe zog die größte Verfolgung, wohl gar Märtyrerthum nach sich.«


»Die philologischen Kriege sind den Ritterkämpfen ungemein ähnlich. Es erschienen Fehde- und Absagbriefe, und der Kampf gieng auf Ehre, die mit dem Leben in gleichem Werth stand.«


»Man sahe damals gelehrte Schildknappen, Waffenträger, auch Troßbuben, Schutz- und Trutzbündnisse sehr häufig.«


»Galen war immer die Schöne, weshalb die Ritter sich die Hälse brachen.«


»Die Zeiten verfeinerten sich. Kunde der Pflanzen, Thiere, Metalle wurde frühzeitig schon das Lieblingsstudium der Aerzte. Freylich war dies Studium in Zeiten, wo noch so viel Mönchsgeist, Tradition, Apotheosen, Wunderglaube herrschten, noch roh. Wem anders, als den Aerzten, gebührt der Ruhm der Stiftung und [118] Schöpfung der jetzigen Naturlehre. Großer Conrad Gesner, bitte für uns! Deinem eisernen Fleiß, deiner Belesenheit, Sprachkunde und vielem gesunden Menschenverstande, deiner Kenntniß der Gelehrtengeschichte, du Schöpfer derselben, haben wir die Grundlage unserer jetzt schon so haltbaren Naturkenntniß größtentheils zu verdanken.«


»Wie ungerecht, ihr alten Grauköpfe, sind unsre modischen jungen Witzlinge. Sie verhöhnen euch, daß ihr jetzt nur in Schweinsleder oder Pergament gebunden in Auctionen feil wäret. Arme Duodezschreiberchen in Franzband oder – etwas Pappe gebunden, oder wohl gar nur in Papier geheftet und unbeschnitten, wie lange wird eure Ewigkeit wohl dauern? – –«


»Die Monarchie ist es, nach der jetzt unsre Schreiber in allen Formaten ringen, am meisten aber die Schreiber in Duodez.«


»Dictatorisch und donnernd ist ihre Sprache. Jeder ficht für sich, pro aris et focis, sich eine Monarchie, eine Dictatur zu erringen. Es ist ein bellum omnium contra omnes. Die sich allein zu schwach fühlen, machen Bündnisse zu Schutz und Trutz, Erbverbrüderungen und Erbvereinigungen.«


»Wehe euch Schreibern, die ihr nicht einem Haupte der kriegführenden Mächte angehört! [119] Neutralität wird jetzt nicht mehr geduldet. Wer nicht für uns ist, der ist wider uns, u.s.w.«


Balding. Mag. XI. St.

19.
1.

In Karl Wilhelm Friedrich Struvens Gesund- und Schönheitspflichten, zur Erbauung des andern Geschlechts wissenschaftlich erwiesen, Dresden, 1754. 8., einem Buche, das für Jungfern und Weiber gemischten Unterricht aus der Moral, dem Naturrecht und der Diät enthalten soll, findet sich S. 128 folgendes:


[120] Von den Pflichten einer Frauen gegen die Empfängniß.


§. 136.


Die Empfängniß ist die erste Handlung des Ehestandes, §. 124. 134. 135. und wird darunter nichts anders gedacht, als diejenige Veränderung einer Frauen im ehelichen Beyschlafe, §. 135. da der begeisterte Theil des männlichen Saamens, durch die sich in der Hitze aufthuende und schwellende Muttertrompeten, ein Ey in dem Eyerstocke berührt, hitzig betastet, und bewegend aus seinem Sitze treibt.


§. 137.


Gerathen nicht beyde Eheleute zu gleicher Zeit in eine rasende Ehehitze, so geschieht keine Empfängniß. Das Annähern und Aufschwellen der Muttertrompeten erfordert einen gewissen Grad der Hitze, die mit dem Feuer des Mannes zu gleicher Zeit einfallen muß, wenn eine Vereinigung des Saamens mit dem Ey geschehen soll.


§. 138.


Erste Pflicht.


Wenn eine Frau das Ehebette besteigt, so muß sie sich beschwängern lassen §. 135. Nun [121] kann die erzielte Beschwängerung nicht vor sich gehen, wenn nicht die Ehehitze der beyden Eheleute zu gleicher Zeit einfällt, §. 137. Folglich muß die Frau die Hitze des Mannes muthig zu erreichen suchen. W.Z.E.


§. 139.


Zweyte Pflicht.


Die Frau muß die Hitze des Mannes im Ehebette muthig zu erreichen suchen, §. 138. Ist nun, dem Temperamente nach, die Frau hitziger, als der Mann, so muß sie ihn vorher durch Caressiren, verliebt machende Speisen und Getränke, stark zu machen suchen. Ist sie aber schläfriger, so hat sie sich auf gleiche Art ermuntern zu lassen. W.Z.E.


Das nenne ich doch einen Unterricht für Jungfern, den selbst Sanchez, der de matrimonio so schön schrieb, nicht kräftiger ertheilen könnte. Und Alles dies Galimathias dedicirte der Verfasser der Herzogin Dorothea von Gotha.

2.

In Herrn Nietzki Pathologie §. 375. heißt es: Furor poëticus, seu raptus poëticus, [122] est mania, quatenus connexa cum insigni promtitudine, verba in numeros cogendi.

3.

In Beuths Buch von Fiebern, 1 Abschn. Cleve, 1771. 8. S. 72. vom Aufstoßen, und der Luft in den Gedärmen, als einem Zufall im Fieber, heißt es so:


– »Ist diese Luft so lange verschlossen gewesen, daß sie sich verdünnet hat, herausbricht, und in die darauf folgenden Gedärme mit einem Laut hereingehet, so heißt solches das Brummen der Gedärme, und wenn solches weiter nach unten fortfähret, und diese Luft mit einem Schalle aus dem Hintern fähret, so nennt man solches einen Furz.«


Ebendas. S. 1034.

20.

Wie viel Latein die Engländer zuweilen verstehen, beweist folgende Anekdote:


Im Monthly Review, October 1777. S. 304. wird folgende Stelle aus Leake's medical institutions towards the prevention and cure of chronic or slow diseases peculiar to Women, 1777. 8. angeführt: That sagacious [123] and incomparable Physician Sydenham – comprised all his medical knowledge in a small work, which he called by the significant name of Processus integri, or the Proceedings of an honest man. – Die Reviewers sind so gütig gewesen, den Irrthum des Verf. zu berichtigen. Ebendas.

21. Der Bawern Aderlaß, sampt einem Zanbrecher
21.
Der Bawern Aderlaß, sampt einem Zanbrecher.

Aus Hans Sachsens Gedichten, in einem Auszuge von I.H.H. Nürnb. 1781. 8. S. 370.


Es ist nit lang, das es geschach
Das Kirchweih war zu Tettelbach,
Darauff ich auch geladen ward
Da macht ich mich bald auff die fart,
Da ich nun auff die Kirchweih kam,
Da sah ich gar mannichen Kram,
Mit Leckkuchen 1 und Brendtenwein, 2
Kölchte, 3 Harbant und Schlötterlein, 4
Mit Gürtel, Beutel, Nestel, 5 Taschen,
Mit roten schüsseln und plechen 6 flaschen,
[124]
Pfeiffen, schabhüt, 7 würffel und karten,
Lange messer und spitzparten, 8
Da theten die Bawernknecht mit hauffen
Den Bawernmeidn des kirchtags 9 kauffen.
Ich gieng in Krämen hin und her,
In dem ersah ich ohn gefehr,
Bey des Baders Hauß sitzn allein
Ein steifen Möstel 10 auf eim stein,
Der hett in jm vil faules Blut,
Ein ringen 11 beutl und schweren mut,
Bey dem stuhnd ein rußdürrer 12 Bader,
Der dem Bawern schlagn solt ein Ader,
Derselbig hett auff ein par Brilln,
Vnd hett im Kopff gar seltzam Grilln,
Vmb jn stachen die Hundsmucken, 13
Nach dem thet er sein Laßzeug zucken,
Sein Flitten 14 war ein eyßner Keil,
Die setzt er auff mit schneller eyl,
Schlug mit eim Westphalischen Hamen, 15
Als jm das Blut entgieng alssamen, 16
Da verlor er geleich sein krafft,
Da schrie er nach eim rebensafft,
Vnd kam ein Franck mit einem krug,
[125]
Vnd gab jm des saffts eben gnug,
Darnach jn vor hett lang gedürst,
Ein zwölffer Weck und zwo Bratwürst,
Darmit thet er den Kranken labn,
Vnd sprach, er sollt sich wohl gehabn, 17
Ein Katz die war unten sein Koch,
Die briet jm Würst und Hering noch,
Auch stuhnd im Kulwasser ein Flaschen,
Darmit mocht er sein Goder 18 waschen,
Vor jm hofiert 19 im einer gern,
Ein Männlein auf einer Quintern, 20
Das jm vil Liedlein darein sang,
Es dreht sich umb hüpffet und sprang,
Da lacht ich mir der Aderlaß,
Gieng im Kirchtag weitter mein straß,
Wann 21 ich sah dort ein große meng
Der Bawern die mit eim gedreng,
Mit lachen vnd großen gedöß, 22
Mit stiefeln hetten ein gestöß,
Mit schweinspiß, trischeln 23 vnd mistgabeln
Theten fast durch einander krabeln,
Herumb ringweiß vmb einem kram,
Und als ich dem auch neher kam,
Da war alda ein Zanbrecher,
Ein Bawernbscheisser gar ein frecher,
[126]
Derselbig fieng zu schreyen an,
Her, her, wer hat ein bösen Zan,
Ein böser Zan, ein böser Gast,
Lest dem Mann weder ruh noch rast,
Zu dem trung ein kropffeter Mann,
Der hett ein bösen holen Zan,
Der setzt sich und riß auf sein Maul
Aufs weittest wie ein Ackergaul,
Ins Maul griff er jm mit der Zangen,
Sein bösen Zan herauß zu langen,
Da ergriff er jm ein unrechten,
Da ließ er einen schrei mit mechten, 24
Fuhr auff vom stul und lieff darvon,
Da fieng erst der Zanbrecher an,
Kommet herbey, herbey, herbey,
Ich hab gar gute Artzeney,
Für das faul 25 und das Zipperlein,
Für die blawhusten 26 und den Weinstein,
Für den Meuchler 27, sanct Vrbans plag; 28
Vorm grimmen ob dem spiel ich sag,
Für die Eyfersucht und das sehnen,
Für lauffend 29, krampff und bösen Zenen,
Darzu mancherley Würtz ich han,
Nagwurtz 30, Senfft und Enzian,
Petrolium und Wurmsamen,
[127]
Triackes vnd gut Mückenschwammen 31
Ich hab gut salben für die leuß,
Gut Pulver für Ratzen und Meuß
Vnd hab auch für die Flöh gut schmer,
Darumb wolher, wolher, wolher,
In dem ein Bawer zu jm kömpt,
Der sich sehr hin und wider krömpt, 32
Geleich samb ein großbauchet Weib,
Der hett die Würm in seinem Leib,
Dem er ein Würmsamlein gab,
In einer Milch jm flöst hinnab,
Bald bückt er sich und thet sehr klagn,
Und pfercht 33 jm nider auff den schragn,
Etwa fast auff ein tutzet Würm,
Kurtz und lang auff allerley fürm, 34
Die der Wurmsam hett von jhm triebn,
Vmb jhn die Säw sich fleissig riebn,
Als nun bewehrt war sein Wurmsamen,
Die Bawern sein darnach all namen,
Also gieng ich von diesem Platz,
Lacht mir der seltzamen kramschatz. 35
[128]
Fußnoten

1 Lebkuchen, Pfefferkuchen.

2 Brandtewein.

3 Gestreifte Leinwand.

4 crepitacula.

5 Bänder.

6 blechernen.

7 Strohhüte.

8 Streitäxte.

9 Kirchmeß.

10 Gemästeten, Dickwanst.

11 geringen.

12 ausgehungerter.

13 große Fliegen.

14 Laßeisen.

15 Schinken.

16 alles zusammen.

17 befinden.

18 Gurgel.

19 machte die Aufwartung.

20 fünfchorichte Cither.

21 Denn.

22 Getöse.

23 Dreschflegeln.

24 mit aller Macht.

25 Faulfieber.

26 Keichhusten, böser Husten.

27 Das kalte Fieber.

28 Eben das.

29 Durchfall.

30 orchis.

31 giftige Erdschwämme.

32 krümmte.

33 cacat.

34 Form.

35 Kram, Kramwaaren.

22. Etwas über den Zustand der Arzneykunst in England und in Rußland
[129] 22.
Etwas über den Zustand der Arzneykunst in England und in Rußland.

London. – So vortrefflich die praktische Medicin in den Londner Hospitälern ist, so elend ist sie dagegen im gemeinen Leben. Nicht etwa, weil es in London an guten Aerzten mangelt, sondern weil eine Menge Quacksalber und schlechte Leute die guten allzuoft überschreyen. Denn da diese weder Schaam noch Ehre im Leibe haben, und wohlfeil sind: so nöthigen sie dem leichtgläubigen Kranken alles, was sie wollen, auf, und er kömmt mehrentheils nicht eher unter die Augen guter Aerzte, als bis ihm kaum zu helfen ist.


Da die Handlung die Seele des brittischen Reichs ist, und dieser Arzneyverkauf einen kleinen Zweig davon ausmacht: so nimmt sich die Polizey wohl in Acht, ihn, sobald nicht die deutlichsten Gesetze darüber vorhanden sind, zu stören, und den Aerzten und Wundärzten bleibt nichts übrig, als darauf in vorkommenden Fällen zu sticheln. Daher kleben die Quacksalber in London und anderwärts im Reiche ihre Zettel und Nachrichten an alle Ecken, und jagen ihre Leute und Abgeschickte in alle Winkel herum. Man kann sich wahrhaftig des Lachens nicht enthalten über die Zettel, die man alle Augenblicke, wenn man durch eine Straße geht, in die Hände gesteckt bekömmt, und deren [129] Inhalt zwar immer die abgeschmacktesten Versprechungen sind, aber doch Leute genug berücken. Dazu kömmt noch, daß sich die Apotheker, deren Anzahl weit in die Tausende geht, der Kur der leichtern Krankheiten, sogar des Aderlassens, und anderer kleiner chirurgischer Geschäffte bemächtigt haben, und bey jedem Vorfalle die erste Instanz sind. Selten wird ein ordentlicher Arzt, und nur im äußersten Nothfall, auf ihr Anrathen gerufen. Man kann sich leicht vorstellen, daß unter diesen Herren eine Menge unwissender Leute seyn muß. Weil sie indessen wohlfeil sind, und nur ihre Arzneyen bezahlt nehmen, so zieht man sie vor. Hieraus entsteht eine doppelte Unbequemlichkeit. Nie kann ein Arzt, der nicht selbst Vermögen oder besonderes Glück hat, empor kommen. Er muß ewig zu Fuße laufen; welches ihm theils nachtheilig, theils in der Empfehlung hinderlich ist. Hat er etwas begriffen, so muß er, aus Mangel an Uebung, es wieder vergessen, oder lernt doch nichts zu. Die kleine Zahl geschickter Aerzte ist daher gering, und eben deswegen theuer. Nur bemittelte Leute können einen ordentlichen Arzt holen lassen. – Bemerkungen auf einer Reise durch Deutschland, Frankreich, England und Holland. 1775.


St. Petersburg. Gleich nach meiner Ankunft in Petersburg war ich ein wenig unpaß, und schickte meinen Bedienten fort, etwas Magnesia zu [130] holen. Er kam wieder und sagte, es wolle ihm kein Apotheker davon verkaufen, und drey bis vier derselben hätten ihn versichert, sie dürften kein Quentchen Arzney weggeben, wenn ihnen nicht ein ordentliches von einem Arzt unterschriebenes Recept geliefert würde.


Aeskulap hätte kein der Fakultät nützlicheres Gesetz geben können, denn dadurch werden Quacksalber abgehalten, so viele Menschen umzubringen, als sie es bey uns (in England) ungestraft thun. Auch wird es leicht, Gifte zu entdecken, da man den Verkäufern derselben bis auf den Grund nachspüren kann. – Bemerkungen auf einer Reise durch das nördl. Europa, von N. Wraxall. Aus dem Engl. Leipz. 1775. S. 176.

23.

In den Briefen eines Italiäners über eine Reise durch Spanien im Jahr 1755, wovon 1774. 8. zu Leipzig ein Ueberrest herauskam, findet man S. 66. Nachrichten von einer auf der Universität zu Siguenza gehaltenen medicinischen Disputation. Die vornehmste Streitfrage war: Ob es dem Menschen nützlich oder schädlich seyn würde, einen Finger mehr oder weniger zu haben?


Ferner ward untersucht: Ob man, um recht gesund zu seyn, beym Beschneiden der Nägel von [131] der rechten oder von der linken Hand, vom Daumen, oder von dem kleinen Finger anfangen müsse.

24.

Unter dem Vorsitze des Prof. Hardtwigs disputirte ein gewisser Zeißer 1752 zu Rostock: An bibere stando, an conducat magis sedendo?

25.

Unter dem Vorsitze des Prof. Böhmers zu Wittenberg disputirte 1775 ein gewisser Schneider, zur Erlangung der medicin. Doktorwürde, darüber: An pastus in stabulis potius, quam pratis instituendus?

26.

Als der Pabst Hadrian VI. mit Tode abgegangen war, schmückte das Röm. Volk die erste Nacht hernach die Thüre seines ersten Leibarztes mit Blumenkränzen und der Ueberschrift: Dem Befreyer seines Vaterlandes. Iovii vita Hadriani, 127.

27.

Die Gesetze der alten Deutschen sind sehr umständlich in Bestimmung des Marktpreises für körperliche[132] Beschädigungen. Sie wurden durchaus sehr hart bestraft. Nach Lege Rotharis heißt es 380: Si quis homini libero unum oculum habenti, ipsum excusserit, duas partes pretii ipsius, quo appretiatus fuerit, ac si eum occidisset, componat. Wie höflich sind unsre Zeiten, wo jeder ungeschickte Operateur beyde Augen, ohne alle Strafe, ausstechen kann. – Balding. Magaz. 847.

28. Unterricht für Aerzte, welche Staare operiren, aus Bartisch Augendienst
28.
Unterricht für Aerzte, welche Staare operiren, aus Bartisch Augendienst. S. 61.

»Auf welchen Tag du das Werk vornehmen willst, so soll sich der Arzt, wenn er solch Werk und curam verrichten soll und will, zween Tage lang des ehelichen Werkes gänzlich enthalten, und sich nicht voll saufen, oder des Abends lange sitzen.«

29.

In einem nunmehr ganz ausgestorbenen fürstl. Hause in Deutschland gehörte es noch im Anfange dieses Jahrhunderts zu den Hauptpflichten des Herrn Leibarztes, alle Morgen die fürstlichen Kinder zu kämmen und zu waschen.

30. Subtile medicinische Fragen
[133] 30.
Subtile medicinische Fragen.

In Christian Friedrich Richters, vormaligen Med. Pract. bey dem Hallischen Waisenhause, Unterricht vom Präserv. der Pest, Leipz. 1710. 8. S. 111 stehen folgende dubia:


1) An Deus eodem modo se habeat in peste, quo in aliis morbis?
2) An pestis sit morbus contagiosus?
3) An pestis sit morbus pauperum?
4) An Deus venenum pestilentiae in primaeva creatione produxerit?
5) An de novo tempore pestilentiali generet?
6) An influxus stellarum quicquam conferat ad pestem?
7) An terror pestilentialis etiam cadat in regenitos?

[1) Ob Gott bey der Pest sich eben so verhalte, wie bey andern Krankheiten? – 2) Ob die Pest eine ansteckende Krankheit sey? – 3) Ob die Pest eine Krankheit der Armen sey? – 4) Ob Gott das Pestgift bey der ersten Schöpfung schon hervorgebracht habe? – 5) Ob er es bey jeder Pest neu schaffe? – 6) Ob der Einfluß der [134] Sterne etwas zur Pest beytrage? – 7) Ob der Schrecken vor der Pest auch Wiedergeborne treffe?]


Bey der letzten Frage wird erinnert, daß die Pest durch die gemeine und gewöhnliche Furcht, wenn nicht das göttliche Schrecken dazu komme, eben nicht befördert werde.


Balding. Neues Mag. 1 B. 571.

31. Beweis des Stupri
31.
Beweis des Stupri.

Si mulier stuprata cum viro agere velit, et si vir factum pernegaverit, mulier, membro virili sinistra manu prehensa, et dextra reliquiis sacrorum imposita, iuret super illas, quod is per vim se isto membo vitiaverit. S. Leges Wallicae und D. Henry's Hystory of Great-Britain from the first Invasions of it by the Romans, under Iulius Caesar. T.I.

32. Leichtgläubigkeit der Aerzte im Jahr 1668
32.
Leichtgläubigkeit der Aerzte im Jahr 1668.

Friedrich Hofmann, der Vater des berühmten Hallischen Professors, erzählt in seinem Buche [135] de methodo medendi Lips. 1668. 4. S. 358 folgende Wirkung des Boleti cervini:


»De Boleto cervino excell. D. Io. Michaëlis mihi retulit quandam historiam de moecho Lipsiensi, qui ab usu huius iusto tempore ac loco collecti, sexagesimam ultra vicem coivit, et tantam seminis excrevit copiam, ut prostibuli vulva ad hoc recipiendum non satis capax fuerit, sed residuum in pelvi excipere coactum fuerit.«

33. Was ist die Arzneykunst
33.
Was ist die Arzneykunst?

Est Medicina ars coniecturalis, ex earum artium genere, quae aliquid faciunt, non quidem de novo, sed quod iam factum est, sed detritum, reficiunt, qualis est ars vestes laceras resarciendi, et soleas veteres ruptas consuendi, velut Galenus comparat etc.


Ian. Cornarii Medicina s. Medicus, liber unus, Basil. 1556. 8. p. 7.


Doktor Luther nannte spaßhaft die Aerzte Unsers Herr Gotts Flicker. S. Genealogia Lutherorum vonDav. Richtero. Berlin und Leipzig, 1733. 8. S. 439.

[136] 34.

In einem Collegio der med. forensis et polit. med. handelte ein Herr Professor zwey ganze Stunden über die große und wichtige Frage, die nur ein Originalgenie beantworten kann:


»Ob ein Doktor Medicinä (versteht sich legitime promotus) im äußersten Nothfall, ohne Verletzung seiner Würde, ein Klystier selbst appliciren könne?«

35.

Ein Apotheker berechnete seinem Herrn für 1780 bis 81 eine ganz feine Summe für 27400 Stück Kellerwürmer.

36. Medicinische Polizey
36.
Medicinische Polizey.

In Paris und London macht man die Straßen zu öffentlichen Abtritten, und die Hausbesitzer müssen eigne Hülfsmittel ersinnen, z.B. eiserne spanische Reiter vor ihre Häuser, damit ihnen die Doktoren der heil. Schrift, wie ich zu Oxford mit meinen Augen gesehen, und in London von andern alle Augenblicke geschieht, nicht wider die Fenster pissen.


Frankens System der medicin. Polizey. B. 3. S. 942.

37. Des Herzogs Wilhelm Ernst zu Weimar Reskript an die Jenaische Akademie
[137] 37.
Des Herzogs Wilhelm Ernst zu Weimar Reskript an die Jenaische Akademie, die Sprachschnitzer in medicinischen Dispurationen betreffend.

Unsern gnädigsten Gruß zuvor!


Würdige, Hoch und Wohlgelahrte, Liebe, Andächtige und Getreue! Angeschlossene Disputation, welche auf unserer gesammten Universität zu Jena D. Löber daselbst ohnlängst gehalten, ist mit verschiedenen vitiis grammaticalibus angefüllet, so daß zu besorgen, es möchte Unserer gesammten Universität, absonderlich der medicinischen Fakultät, bey Auswärtigen dadurch eine Blume zuwachsen, welches aber durch denjenigen, dem die Censur obgelegen, könnte verhütet werden.

Wir können dahero nicht bergen, daß Uns solches empfindlich vorgekommen, und begehren vor Uns, und Unsers freundlich geliebten Vetters, Herrn Ernst August Liebden hiermit gnädigst, ihr wollet denen, welche dabey interessirt, es verweisen, und wie solches von Euch expediret worden, Euern unterthänigsten Bericht, nebst Remittirung angeregter Disputation, erstatten, auch in Zukunft besorget seyn, daß bey den Promotionibus, und Verleihung der Dignitäten, auch auf [138] derer Promovendorum Wissenschaft gesehen, und die dignitates academicae nicht prostituiret werden.

An dem geschiehet etc.

Weimar zur Wilhelmsburg,

den 29. Jul. 1726.

Wilhelm Ernst.

38. Witziges Mittel, einer Medicin Abgang zu verschaffen
38.
Witziges Mittel, einer Medicin Abgang zu verschaffen.

Ailhaud fand, daß die Jalappe den Fehler habe, daß sie zu wohlfeil sey. Er beschloß also, sie, etwas verkleidet, zu steigern, damit man sie honorabeln Leuten vorschlagen könne, ohne sie zu demüthigen. Die Jalappe, die wenig kostet, vermischt mit Kreuzdorn(Rhamno cathartico), welcher noch weniger kostet, ward also nun unter dem Namen: Ailhaudisches Pulver, Poudre d' Ailhaud, verkauft, und man bezahlte die Dosis mit 25 Sous (acht Groschen). Der Erfinder gewann damit nicht mehr als 2000 pro Cent. NachWallerius (diss. de pulv. lax. Ailhaud. Upsal. 1761) besteht dies Pulver hauptsächlich aus Zucker mit etwas Sodasalz, und man erhält ein ganz ähnliches Pulver, wenn man dazu 10 Gran Jalappe, 7 Gran Ipekakuanha, und 12 Gran [139] in Tamarindendekokt geschmolzenes Diagrydium vermischt, welche Vermischung gleichgültiger und sicherer ist.


Krünitz ökonomische Encyklopädie. B. 28. Art. Jalappe.

39. Moyen pour parvenir
39.
Moyen pour parvenir.

Auszug aus einem Briefe vom März 1784.


»In ** (ein deutsches Buch) steht auch **. Das ist ein elender Hecht! Aber in den französischen Hospitälern hatte er Wind und Quacksalberey genug gelernt. Seine Hauptkur bestand in Mercurialibus. * kreirte ihn für Geld, sonst war er nur Chirurgus. Bey Gelegenheit der Durchreise des Königs * – im Jahr * wurde er zum Könige nach * bey seiner dortigen Unpäßlichkeit gerufen, weil der Leibmedikus * ihn empfehlen wollte. Er hat aber vom Könige nichts weiter, als die Posteriora, bey Gelegenheit eines von ihm angebrachten Klystiers, gesehen. Dafür wurde er Prof. Tit., und bekam eine goldene Dose und zugleich eine Regimentsfeldschererstelle in *.«


Balding. N. Mag. 1784. S. 377.

40. Costume eines Feldarztes von 1638
[140] 40.
Costume eines Feldarztes von 1638.

Was die Kleidung eines Feldarztes betrifft, so gelten hier nicht glatte wohlriechende Handschuhe, oder schmeckende (†) parfumirte Leibgollen, es thut es wohl eine alte Dachshaut, daran kein Haar mehr ist; auch läßt es sich da nicht viel prangen, sondern es gehört ein Ernst dazu, und muß keiner die Arbeit, sie sey so geringe als sie immer wolle, schonen.


von Hörnigk, politia medica, Frft. am Mayn, 1638. 4. S. 21.

41. Costume der Gelehrten in Italien 1669
41.
Costume der Gelehrten in Italien 1669.

Zu Bologna sahe ich den weltberühmten Medicum Malpighi in einem länglichten tuchenen Wams mit langen Schößen, spitzigen Tuchhosen, Beinbändern, mit einem Stückchen seidener Spitze am Ende, einem Taffetmantel und einem spitzigen Strohhut, mit schwarzem Taffet überzogen, auf dem Haupte.


S. Reise des Jenaischen Prof. Med. Rudolph Wilh. Krause, in Christian Gottlieb Buders nützl. Samml. Frft. 6. B. 1735. 8.

[141] 42.

Zu einem Arzt, der sich wirklich drey Jahre Studirens halber auf Akademien aufgehalten hatte, kam ein Bote mit einem Glase voll Urin und etwas Geld in einem Papiere. Der Arzt besah den Urin, und fragte den Boten: Wie viel habt ihr Geld mit? – Der Bote antwortete: 8 Groschen. – Ei, ei, rief der Herr Doktor, das ist Schade, daß ihr nicht mehr bey euch habt! Der Mensch, von dem ihr abgeschickt seyd, ist sehr krank, und wird für die 8 Groschen keine Medicin bekommen können, die ihm viel hilft. Jedoch – und nun bereitete er die Medicin, gab sie, nahm das Geld, und entließ den Boten. Der Kranke hatte ein wahres hitziges Fieber. Der Gebrauch der Medicin verschlimmerte seinen Zustand. Am folgenden Tage schon kam der Bote wieder mit – 16 Groschen. – Aha, sagte der Arzt, hab ichs euch nicht gesagt, die Medicin für 8 Groschen würde nicht viel helfen? Nun ihr 16 Groschen mitgebracht habt, soll es schon anders werden. Er gab also für 16 Groschen Medicin, aber – es ward doch nicht anders. Erst ein zweyter Arzt, der nicht nach Urinbesichtigungen kurirte, stellte den Kranken durch Aderlässe, kühlende Mittel und fleißiges Trinken bald wieder her.

[142] 43.

Ein Apotheker in einer Landstadt ward mit dem Magistrat wegen des Vortritts uneinig, und ließ sich deswegen für seine schönen Louisd'or sein schönes Doktordiplom in einem Kästchen schicken. Dabey lag eine unter seinem Namen gedruckte Disputation. Diese theilte er unter seine Freunde aus, mit den Worten: Ich habe gehört, meine Disputation soll recht hübsch seyn.

44.

Eine Dame fragte einmal einen Leibarzt: warum ihr Hausarzt das Wundersalz, ehe er es nehmen lasse, inheißem Wasser auflöse? – Hm! antwortete er: es sind in diesem Salze Glastheilchen. Diese müssen erst aufgelöst werden!

45. Parmentier's Kartoffelschmauß
45.
Parmentier's Kartoffelschmauß.

Herr Parmentier, Apotheker zu Paris, gab vor einigen Jahren ein großes Gastmal, wobey alle Gerichte aus Kartoffeln bestanden.


Erste Tracht.


1) Zwey Suppen, die eine ganz von Kartoffeln, und durchgeschlagen; die andre eine [143] klare Brühe, worin Kartoffelbrodt etwas zergangen war.

2) Ein Kartoffelgericht auf Schiffsmanier.

3) Eine Schüssel auf Art einer weißen Sauce.

4) Eine Andre, à la maitre d' hotel.

5) Die Frucht braun gebraten.


Zweyte Tracht.
Ebenfalls fünf Schüsseln.

1) Eine Pastete.
2) Ein Geröstetes.
3) Ein Salat.
4) Ein Pfannkuchen.
5) Ein anderer Kuchen.
Nachtisch.

1) Ein Käse.
2) Ein Compot.
3) Ein Teller mit Zuckerbrod.
4) Eine Torte.
5) Eine Art Mehlkuchen.
Ferner:

Kartoffelkaffee.
Zweyerley Brod:

Eins von Kartoffeln mit Weizen vermengt, ein lockeres Feinbrod.
Das andre ganz von Kartoffeln.

[144] Es giebt auch Wein und Branntwein von Kartoffeln. – S. Krünitz ökonom. Encyklop. 35. Th. S. 363.
Parmentier beschrieb nachher seinen Schmauß selbst.
Daß die Kartoffeln ein Aphrodisiacum sind, sagt schon Casp. Bauhin.
46. Ein Quacksalberzettel, welchen der Zahnarzt, Hanß Wiznagel
46.
Ein Quacksalberzettel, welchen der Zahnarzt, Hanß Wiznagel, 1586 zu Augspurg seinen verkauften drastischen Arzneyen besserer Wirkung wegen beylegte.

(Auf einem schmalen Streifen Papier roth abgedruckt.)


+ Inn nomine Patris + et Filii + et Spiritus Sancti + D + C + B + A + K + Bpi + Simi + F + E + Mili + C + M + B + N + rd + C + H + Z + O + L + B + K + T + M + E + V + Cito + Seda + ae Alz Bhar Emanuel S + Tri + Fir + Evv + pe + K + Th + Iu + Ph + Si + Io + En + Igemar + Bazmi + Mathus + Macaba + Amen.

Abigandus + alganidi + Algant + algamen + algam + Algat + algt +.

Ganz à la Thurneysser und à la Cagliostro.
47. Ein Mißverständniß, aus einer medicinischen Inauguraldisputation, Göttingen
[145] 47.
Ein Mißverständniß, aus einer medicinischen Inauguraldisputation, Göttingen, August, 1786.

Haec quoque historia in argumentum adhiberi potest, non semper remedium ab ano quodam communicatum temere pro falso esse habendum.


Schwemann Diss. de digitali purpurea, Goetting. 1786. p. 46.


Der könnte freylich am besten Purgiermittel beurtheilen. Die Note redet: de anu quadam.
48. Tägliches Gebet eines Arztes, bevor er seine Kranken besuchte
48.
Tägliches Gebet eines Arztes, bevor er seine Kranken besuchte.

Aus der hebräischen Handschrift eines berühmten jüdischen Arztes in Aegyten aus dem 12ten Jahrhundert.


Allgütiger! Du hast des Menschen Leib voller Weisheit gebildet. Zehntausendmal zehntausend Werkzeuge hast du in ihm vereint, die unabläßig thätig sind, um das schöne Ganze, die Hülle der Unsterblichen, zu erhalten und zu ernähren: immerdar sind sie still beschäfftigt, voller Ordnung, [146] Uebereinstimmung und Eintracht. Aber wenn die Gebrechlichkeit des Stoffs, oder die Zügellosigkeit der Leidenschaften, diese Ordnung, diese Eintracht unterbricht: so gerathen die Kräfte in Streit, und der Leib zerfällt in seinen Urstaub. Du sendest dann dem Menschen die wohlthätigen Boten, die Krankheiten, die ihm die nahende Gefahr verkünden, und ihn treiben, sie in Zeiten abzuwenden.


Deine Erde, deine Ströme, deine Berge hast du mit heilsamen Stoffen geschwängert, die deiner Geschöpfe Leiden zu mildern, und ihrem Untergang abzuhelfen vermögen. Und dem Menschen hast du Weisheit ertheilet, des Menschen Leib zu lösen, und sein Gewerk in Ordnung und Unordnung zu erkennen; auch jene Stoffe aus ihren Behältnissen hervorzuarbeiten, ihre Tugenden zu erforschen, und einem jeden Uebel gemäß sie zuzubereiten und anzuwenden.


Auch mich hat deine ewige Weisheit erkoren, über Leben und Gesundheit deiner Geschöpfe zu wachen. Ich schicke mich nun zu meinem Beruf. – Stehe mir bey, Allgütiger, in diesem Geschäffte, daß es fromme: denn ohne deinen Beystand frommt ja dem Menschen auch das Kleinste nicht.


[147] Laß Liebe zur Kunst und deinen Geschöpfen mich ganz beseelen; gieb es nicht zu, daß Durst nach Gewinn, Ruhm oder Ansehn sich in meinen Betrieb mische: denn diese sind der Wahrheit und der Menschenliebe feind; und sie könnten mich irre leiten in dem großen Geschäffte, deinen Geschöpfen wohl zu thun.


Erhalte die Kräfte meines Körpers und meiner Seele aufrecht, daß unverdrossen sie immerdar bereit seyn, dem Reichen und dem Armen, dem Guten und dem Bösen, dem Freunde und dem Feinde beyzustehen. Laß im Leidenden stets mich nur den Menschen sehen. Er ist ein Mensch: und du erschufest und erhältst ja den Menschen, den Reichen und den Armen, den Guten und den Bösen, den Freund und den Feind.


Erhalte meinen Verstand gesund und schlicht, daß er das Gegenwärtige fasse, und das Abwesende richtig vermuthe. Laß ihn nicht heruntersinken, daß er nicht das Sichtbare versieht, auch nicht so sehr sich hinüber versteigen, daß er nicht sieht, was nicht zu sehen ist. Denn fein und unmerklich ist hier die Gränze in der großen Kunst, deiner Geschöpfe Leben und Gesundheit zu warten.


[148] Laß meinen Geist immerdar er selbst seyn: am Bette des Leidenden müssen nicht fremde Dinge ihm seine Acht rauben. Laß Alles, was Erfahrung und Nachdenken in ihm niedergezeichnet, ihm gegenwärtig seyn, und nichts ihn in seinen stillen Arbeiten, deiner Geschöpfe Leben und Gesundheit zu erhalten, verhindern.


Verleihe meinen Kranken Zutrauen zu mir, und zu meiner Kunst, und Folgsamkeit gegen meine Rathgebungen. Verbanne von ihrem Lager alle Afterärzte, und das ganze Heer von rathgebenden Verwandtinnen, und überweisen Wärterinnen: denn es ist ein grausames Volk, das aus Eitelkeit die besten Werke der Kunst vernichtet, und oft deinen Geschöpfen den Tod aufdringt.


Wenn weisere Künstler mich bessern und zurecht weisen wollen, laß meinen Geist dankbar und folgsam seyn: denn der Umfang der Kunst ist groß, und Keiner sieht, was Jeder sieht. Aber wenn Unweise, Eingebildete, mich tadeln, so laß Kunstliebe ganz ihn stählen, daß er Ruhm, Alter und Ansehen nicht achte, und auf der gefühlten Wahrheit beharre. Nachgeben ist hier Krankheit und Tod deiner Geschöpfe.


Verleihe meinem Geist Sanftmuth und Duldsamkeit, wenn ältere Mitkünstler, stolz auf Jahrzahl, [149] mich immerdar verdrängen und höhnend mich bessern wollen. Laß ihr Gutes mir vortheilen: denn sie wissen mancherley (und weise können sie vieles wissen), was mir noch fremd seyn kann. Aber ihren Dünkel laß mich nicht kränken: denn sie sind alt, und das Alter ist der Leidenschaften nicht Meister: und ich hoffe auch auf Erden alt zu werden vor dir, Allgütiger!


Schenke mir in Allem Genügsamkeit, nur in der großen Kunst nicht. Laß nie den Gedanken in mir erwachen: du hast des Wissens genug; sondern verleihe mir Kräfte, Muße und Trieb, meine Kenntnisse immerdar zu berichtigen, und neue mir zu erwerben. Die Kunst ist groß, aber auch des Menschen Verstand ist dem Menschen nicht umfaßbar. Er dringt immer weiter. In meinem gestrigen Wissen entdeckte er heute der Irrthümer viel, und mein heutiges findet er wohl morgen voller Fehler.


Allgütiger! du hast mich erkoren, über Leben und Tod deiner Geschöpfe zu wachen. Ich schicke mich nun an zu meinem Berufe. Stehe mir nun bey in diesem großen Geschäffte, daß es fromme: denn ohne deinen Beystand frommt dem Menschen ja auch das Kleinste nicht.

49. Eine Diaeta aulica, vor Tissot
[150] 49.
Eine Diaeta aulica, vor Tissot.

Unter den Seltenheiten der Baldingerschen Bibliothek befindet sich auch folgendes Buch:


»Bancket der Hofe- und Edelleut. Des gesunden lebens Regiment. Von eygenschaft, nutz vnnd schedlicheyt alles so zu Menschlicher speise, tranck, und gebrauch, inn Küchen, Keller und Apothecke, Auch zu leibs mancherley gebrechen, von nöten. Durch den Hochgelerten Herrn Ludovicum de Anvila, Keyserlicher Majestät Leibarzt beschriben. Zu Franckf. Bei Chri Egenolffs Erben.« (Octav. 1556. 71 Seiten. 64 Kapitel, mit Holzschnitten, die denen im Eulenspiegel, Octavianus und Fortunatus mit dem Wünschhütlein ganz ähnlich sind.)


Im dritten Kapitel präsentirt sich, in Holz geschnitten, der Hofnarr bey Tafel, mit seinem Kolben, womit die Gäste, nach damaliger Sitte und Brauch, auf die Finger geklopft wurden, so oft es dem Herrn Hofnarren gefiel, die Hofe- und Edelleut zu avertiren, was sie nicht essen sollten.


[151] Ein vortrefflicher Gebrauch, der wieder eingeführt werden sollte!


Das neunte Kapitel ist überschrieben: »Von Ehlicher werk nutzbarkeyt,« auch mit einem feynen Holzschnitt, so wie jedes Kapitel geziert: denn Alles wird sinnlich erläutert.


S. Balding. N. Mag. 1792. S. 506.

50.

Zu einem berühmten Wundarzt kam ein reicher Jude, um sich von einem Beinschaden heilen zu lassen. Er hatte nicht allein drey von seiner Nation bey sich in der Kutsche, sondern es folgten auch Verschiedene seiner Freunde und Bekannten zu Fuße nach, um das Urtheil des Wundarztes zu vernehmen. Dieser untersuchte das Bein. So oft er sondirte, zwangen die Schmerzen den Patienten, zu schreyen, und jedesmal stimmte dann die ganze Begleitung in das Geschrey ein. Den Wundarzt befremdete dies komische Geschrey. »Aber, warum schreyt ihr denn?« fragte er zuletzt ungeduldig. – Ganz trocken antwortete der Jude, welcher das Bein des Patienten hielt: Mein, weiß der Herr denn nicht, daß, wann Eins grunzt, so grunzen sie alle?

[152] 51.

Bin ich nicht ein geduldiger Mann? sagte ein Gichtischer zu seiner Frau. Andere, die das Podagra haben, schmeißen den Leuten Alles, was sie zu fassen kriegen, an den Kopf. – – Die werden es wohl nicht in den Händen und Füßen zugleich haben! erwiederte die Frau rasch.

52. Der Kalif Mutevekul, und Honain, sein Arzt
52.
Der Kalif Mutevekul, und Honain, sein Arzt.

Der Kalif Mutevekul beargwöhnte seinen Arzt Honain. Honain war ein Christ, und Verläumder hatten dem Kalifen eingebildet, der griechische Kaiser habe ihn bestochen. Der Kalif, um sicher zu seyn, entschloß sich, seinen Arzt auf eine harte Probe zu stellen. Honain, sagte er einst zu ihm, ich habe einen Feind, den ich heimlich tödten will: verfertige mir ein so feines Gift, daß man seine Wirkung lange gar nicht bemerkt. – O Herr, antwortete Honain, ich habe nur die Bereitung nützlicher Arzneyen erlernt: konnte ich mir einbilden, daß der Beherrscher der Gläubigen je andere von mir verlangen würde? Doch wenn Du Gehorsam verlangst, so erlaube mir, Deinen Hof und Dein Land zu verlassen, und anderswo Kenntnisse[153] einzusammeln, die mir noch mangeln. – Nein, sagte der Kalif, sogleich sollst du meinen Befehl vollziehen. Honain blieb bey seiner Weigerung. Mutevekul bat, versprach, drohte: umsonst. Aufgebracht über diese Hartnäckigkeit, ließ er Honain ins Gefängniß setzen und scharf beobachten. Honain, überzeugt, daß nur Verbrechen schänden, ertrug seine Strafe standhaft. Studiren vertrieb ihm die Langeweile; er übersetzte griechische Bücher ins Arabische, und schrieb Kommentare über Hippokrates. So verfloß ein Jahr, als der Kalif ihn vor sich bringen ließ. In dem Zimmer des Kalifen standen zwey Tafeln. Auf der Einen lag Gold, Diamanten, und reiche Stoffe; auf der Andern lagen Geisseln, und andere Werkzeuge der Tortur. Du hast Zeit gehabt, begann Mutevekul, zu überlegen, was dir heilsam sey. Wähle jetzt deinen Lohn, wenn du gehorchest, oder deine Strafe, wenn du noch widerstehst. Honain blieb bey seiner Weigerung, und streckte die Hand aus nach einer Geißel. Nun legte der Kalif seine angenommene Strenge ab, und sagte freundlich: Man hatte dich verläumdet, Honain. Diese Prüfung war nöthig, aber sie wird auch die letzte seyn. Sage mir jetzt, was vermochte dich, mir so hartnäckig zu widerstreben. – Beherrscher der Gläubigen, versetzte Honain, mein Stand und meine Religion. Mein Stand gebietet mir, zu erhalten, nicht zu morden; und [154] meine Religion, die selbst Feinden Gutes thun heißt, verbietet mit weit größerem Rechte, die zu beleidigen, die uns nicht beleidigt haben.

53.

Ein Arzt in der Schweiz gieng nie vor einem Kirchhofe vorbey, ohne sich mit dem Schnupftuche das Gesicht zu verhüllen, »damit (sagte er) nicht Einer von denen, die durch meine Schuld da liegen, mich erkenne und festhalte.«

54.

Ein Arzt, der in einer Gegend von Deutschland lebte, wo man an die Wörter auf ung ein e anzuhängen pflegt, schrieb einer Bäurin eine Recept für ihren Mann. Die Bäurin fragte, was man ihr dafür in der Apotheke geben würde? Eine Kühlunge, war die Antwort. Hm! dachte die Bäurin, indem sie fortgieng, eine Kühlunge! die muß der Apotheker doch vom Schlächter holen lassen, und da kannst du sie ja selbst holen. Gedacht, gethan. Da keine Kühlunge da war, nahm sie eine Ochsenlunge, eilte nach Hause, kochte die Lunge, und setzte dem Kranken davon vor. Der Bauer aß mit vielem Appetit; allein die Frau [155] that ihm Einhalt, weil der Herr Doktor jede Stunde nur Einen Löffel voll verordnet habe. Der Bauer kehrte sich nicht daran, und – ward gesund. Der Herr Doktor aber erhielt am nächsten Markttage einen Truthahn für die Kühlunge.

55.

Der Graf Varelst, Abgesandter der vereinigten Niederlande bey dem König von Preußen, sagte 1772 in Pyrmont dem Leibarzt Zimmermann, daß er die Manieren vieler deutschen Aerzte unausstehlich finde. »Mich überwältigt der Zorn, sagte er, sobald mir Einer sagt: Ew. Excellenz werden die Gnade haben, diese Anzeichen nicht zu verachten; Ew. Excellenz werden die Gnade haben, diese wenigen Tropfen oder Pillen zu nehmen; Ew. Excellenz werden die Gnade haben, hierauf zu schwitzen, zu Stuhle zu gehen, u.s.w.«


»Nichts ist lustiger, setzte der Graf hinzu, als was mir einst mit einem deutschen Arzt passirte. Es entgieng mir in seiner Gegenwart ein ziemlich lauter Wind. Der Arzt, der bey einem deutschen Hofe in Diensten war, befand sich, in Rücksicht auf die Etikette, in entsetzlicher Verlegenheit. Niemals würden Sie errathen, was [156] er endlich that – Er machte einen tiefen Reverenz.«

56.

Eine englische Dame war, zu ihrem und ihres Gemals großem Verdruß, unfruchtbar. Die Aerzte erschöpften sich, in Ersinnung von Mitteln, ihr einen Erben zu verschaffen. Endlich riethen sie ihr den Gebrauch des Karlsbader Wassers. Ihr Gemal wollte kein Mittel unversucht lassen: er willigte in die Reise; allein, gebunden durch seine Geschäffte, konnte er selbst sie nicht mitmachen. Er liebte die Pracht; seine Gemalin sollte ihm Ehre machen; er rüstete sie daher stattlich aus, und überließ ihr sogar seine sechs kastanienbraunen Stuten, mit weißen Extremitäten, sein Hauptvergnügen. Bey der Abfahrt band ers dem Kutscher auf die Seele, diesen Zug ja in Acht zu nehmen. Die Dame langte im Bade an. Sie befand sich bald in der auserlesensten Gesellschaft, denn sie war reich, und nicht häßlich. Jeder bedauerte, daß eine so liebenswürdige Frau eine der Hauptfreuden des Ehestandes entbehren solle. Niemand aber nahm dies so sehr zu Herzen, als ein Domherr, der sich in Karlsbad von den Beschwerden seiner einträglichen Würde erholte. Er war wohlgemacht, belebt und und witzig, und wenn nicht ganz so liebenswürdig, wie ein französischer Abbé, [157] doch bey weitem nicht so schwerfällig, wie ein deutscher Abt. Kurz, die Damen stimmten darin überein, er sey ein scharmanter Mann. Die Engländerin fand viel Geschmack an seinem Umgang, und er bedauerte ihr Unglück so herzlich, daß es nach einigen Wochen bekannt wurde, die Lady sey schwanger. Der Kutscher hatte dies kaum erfahren, als er in größter Angst zu seiner gnädigen Frau lief. – »Ihr' Gnaden halten zu Gnaden, ich muß mit meinen Pferden nach Hause.« – Seyd Ihr toll? Warum denn? – »Ja, Ihr' Gnaden, sehn Sie, ich weiß nicht, wie der gnädige Herr von Ihro Gnaden denkt; aber von meinen Pferden weiß ich wohl, daß er sich die Race nicht will verderben lassen: da tränk' ich nun aber meine Pferde mit eben dem Wasser, wovon Ihr' Gnaden (Gott behüts!) guter Hoffnung geworden sind, und nun ist mir angst und bange, daß die Stuten es nicht auch werden.« – –

57.

Ein Arzt verschrieb einem Fieberkranken, der im dritten Gestock wohnte, und fast hergestellt war, zu guter Letzt noch ein großes Recept. Nach einigen Tagen fand er ihn außer dem Bette, frisch und gesund. – Nun, redete er [158] ihn an, sind Sie meinem Recepte gefolgt? – Gefolgt, rief Jener, Gott behüte; da hätt' ich mir Hals und Beine gebrochen; ich habe es aus dem Fenster geworfen.

58.

Ein vornehmer Mann war sehr krank. Sein Arzt erlaubte ihm, außer den Arzneyen, nur Hühnerbrühen; und das sollte er sechs Wochen aushalten. Der Kranke war schon am dritten Tage der Hühnerbrühen satt. Kann ich denn gar keine Veränderung machen, fragte er den Arzt. – O ja, sagte dieser, nehmen Sie zur Abwechselung bisweilen statt eines Huhns einen Hahn.

59.

Zu einem sehr berühmten Arzt kam ein Mann, und beschwerte sich über allerley Zufälle. Der Arzt befragte ihn gründlich, und sagte zuletzt: »Mein Freund, Ihr seyd hypochondrisch: macht euch fleißig Bewegung; daran fehlts euch.« – Ach, lieber Herr, antwortete der Kranke, daran fehlts mir wohl nicht: denn ich bin seit zwanzig Jahren reitender Postillion.

[159] 60.

Thierry de Hery, einen berühmten Wundarzt, fand man in der Kirche des heiligen Dionys, an einem hohen Festtage, vor dem Grabmale Karls des Achten, betend und im Begriff, Wachskerzen vor demselben anzubrennen. Man machte ihm Vorwürfe darüber; man bewies ihm, daß dieser König kein Heiliger sey. Das kümmert mich wenig, sagte Thierry, er hat mir mehr Gutes gethan, als alle Heiligen des Paradieses: denn er hat eine Krankheit nach Frankreich gebracht, die mein Glück gemacht hat. (Die Franzosen.)

61.

Der Doktor Bouvard ein braver Arzt, wurde zu dem Abbé Terray gerufen, als dieser bereits seine Ministerstelle verloren hatte. Terray bat den Doktor um nichts mehr, als ihm eine gute Nacht zu verschaffen. – Darauf will ich bedacht seyn, sagte Bouvard, wiewohl Sie mir und noch andern Leuten manche sehr böse Nächte verursacht haben.

62.

Eben dieser Bouvard ward zu dem alten Großalmosenierer von Frankreich gerufen. Der [160] Alte klagte über unsägliche Schmerzen, besonders über sein Podagra. Ich leide, wie ein Verdammter, sagte er. – Wie? schon, Monseigneur? fragte schalkhaft Bouvard.

63.

Ein Italiäner medicinirte so lange, bis er nicht mehr konnte. Vor seinem Tode befahl er, daß man ihm folgende Grabschrift setzen sollte:


»Ich befand mich wohl; weil ich mich aber besser befinden wollte, befinde ich mich hier.«

64.

Zu einem Arzt in Paris kam ein Mann, der über Schwermuth, Bangigkeit, Hypochondrie, klagte. – Sie müssen sich belustigen, zerstreuen, sagte Jener. Warum besuchen Sie nicht die italiänische Bühne? Wenn Karlin, der den Harlekin macht, Sie nicht aufmuntert, so sitzt ihr Uebel sehr tief. – Karlin? antwortete der Kranke; Karlin? – Ach, der bin ich selbst. –

[161] 65.

Einem berühmten Arzt in Dublin begegnete ein Streich, der so sonderbar ist, daß er sogar in der Geschichte von Irland einen Platz erhalten hat. Er gieng eines Abends spät durch eine fast ungangbare Straße. Ein wohlgekleideter Mann kam auf ihn zugelaufen, und bat ihn dringend, mit ihm zu gehen, seine Frau liege in den letzten Zügen. Der Arzt gieng mit; kaum aber waren sie in die Stube des Unbekannten getreten, als dieser die Thür abschloß, zwey Pistolen und einen ledernen Beutel hervorzog, und zu dem Arzt sagte: Das leere Ding, mein Herr, was Sie hier sehen, ist meine Frau. Sie ist durch starke Ausleerungen entkräftet; und wenn Sie ihr nicht gleich Stärkung verschaffen, so werden Sie sich gefallen lassen, diese zwey bleyernen Pillen wider die Hartleibigkeit einzunehmen. – Er zeigte auf die Pistolen, und der Doktor verstand ihn. Er gab sogleich der ledernen Patientin elf und eine halbe Guinee ein, worauf ihn jener sehr höflich bis auf die Straße begleitete, und an einer Ecke verschwand.

66.

Nehmen Sie, sprach ein Arzt zu einem Kranken, der das dreytägige Fieber hatte, nehmen Sie [162] saure Kirschen, oder Zitronen in den Mund, um den Durst zu löschen. – Schaffen Sie nur das Fieber fort, versetzte der Kranke, für das Löschen des Durstes will ich dann schon selbst sorgen.

67.

Als eben diesem Patienten, bey einer andern Krankheit, verordnet ward, er sollte Wein mit Wasser vermischt trinken, sagte er: das kann ich unmöglich vertragen. Geht es nicht an, daß ich erst den Wein, und das Wasser gleich nachher trinke? Der Arzt erlaubte ihm dies. Als er eine gute Portion Wein zu sich genommen hatte, sagte er: Nun dürstet mich nicht mehr.

68.

Der Leibchirurgus L** in Hannover hörte einst, daß eine Bäurin in der Nähe mit einer Mißgeburt niedergekommen sey. Er ließ ihrem Mann eine Belohnung anbieten, wenn er ihm die Geburt überlassen wollte. Der Bauer kömmt und überreicht ihm das Geschöpf. – Was wollt Ihr dafür haben, mein Freund? – Ach, nur zwölf Mariengroschen, sagte der Bauer mit einem Kratzfuß. – Hier habt Ihr einen Thaler! – Der Bauer erstaunte über so viel Geld. Nu, Herr [163] Leibchirurgus, sagte er, so mot ik woll maken, dat ik öwert Jahr wedder kohme.

69.

Cagliostro befand sich einst in der Hauptstadt eines großen Reichs, und behauptete, der erste Arzt des Landes sey ein Scharlatan. Der Arzt forderte ihn auf den Degen. Oh, sagte Cagliostro, so messen sich Aerzte nicht. Ich will Ihnen eine Pille geben; geben Sie mir auch Eine, oder was Sie sonst wollen, und sehen wir, wessen Arzney stärker wirkt. – Der Arzt bedankte sich.

70.

Ein Doktor ward zu einem Töpfer gerufen, über den ein Ofen, den er eben gesetzt hatte, zusammengestürzt war. Da er ihn ohne Leben sah, wandte er sich gravitätisch zu den Umstehenden, und sagte: Selig sind die Todten, die in dem Herrn entschlafen, denn sie ruhen von ihrer Arbeit, und ihre Werke folgen ihnen nach.

[164] 71.

Der verstorbene Feldprobst Decker stand bekanntlich bey Friedrich II. in besondern Gnaden, und durfte sich manche Freyheit herausnehmen. Einst sah ihn der König gedankenvoll und in sich gekehrt einhergehen. Er ritt auf ihn zu. Woher des Landes? – Von einem Kranken, Ew. Majestät. – O besuch er doch einmal meine Stute. Sie ist sehr krank. – Sehr gern. – Der Probst gieng sogleich in den Stall, erkundigte sich nach dem Leibpferde des Königs, fragte, was ihm fehle, und gab dem Stallmeister einen Rath wegen des Thiers. Darauf meldete er sich bey dem Zahlmeister des Königs, und übergab folgende Note:


Hundert Thaler hat Endesunterzeichneter Dato für einen Besuch bey der kranken Stute Seiner Majestät, und für einen bey dieser Gelegenheit ertheilten guten Rath aus der königlichen Kasse richtig erhalten, worüber u.s.w.

Decker, Feldprobst.


Der Zahlmeister stutzte, und meldete sich mit der Quittung beym Könige. Diesmal mags seyn, sagte der König lächelnd; bezahlt ihm das [165] Geld, aber er soll mir nicht noch einmal so kommen.

72.

Nach Ankona kam ein Augenarzt, der gern einen Tressenrock haben wollte, aber ohne Geld. Er schickte zu einem Schneider, und ließ sich Maaß nehmen. Während dem Maaßnehmen sah er dem Schneider oft und aufmerksam ins Gesicht, und sagte dann: er bemerke in einem Auge einen Fleck, der ihn bald um beyde bringen würde. Der arme Schneider erschrack, und bat den Doktor, ihn in die Kur zu nehmen. Dies geschah. Als das Kleid fertig war, betrug des Doktors Rechnung noch fünf Thaler mehr, als die des Schneiders.

73.

In Sommersetshire starb vor Kurzem (1795) ein Arzt, der in seinem Testamente verordnet hatte, daß jährlich zehn alte Männer, gegen die jedesmalige Belohnung von zehn Pfunden, zwey ausgestopfte Figuren, einen alten Mann und ein Frauenzimmer vorstellend, in Procession durch das Dorf, wo er zuletzt gelebt hatte,[166] führen, und an einem bestimmten Ort beym Kirchhofe verbrennen sollten. Diese Figuren sollten Niemand anders vorstellen, als des Verstorbenen Vater und Schwester. Er wollte sich an ihnen rächen, weil, seinem Vorgeben nach, die Schwester den Vater vermocht hatte, ihm einen Theil seines Erbes zu entziehen.

Dritter Theil

1. Geschichte der Medicin
1. Asklepiades
1.
Asklepiades.

Asklepiades, aus Bithynien gebürtig, kam von Griechenland nach Rom, um daselbst die Redekunst, auf welche er sich vorzüglich gelegt hatte, zu lehren. Er sah aber bald, daß sein Gewerbe nicht recht gehen wollte, und daß seine Kunst in Rom ihren Mann nicht nährte. Als ein Mann von Genie faßte er bald seinen Entschluß: er gab seine bisherige Beschäfftigung auf, und wählte die Arzneykunst, weil er kein leichteres und einträglicheres Gewerbe zu finden wußte. Da ihm die damals gebräuchlichen Arzneymittel unbekannt waren, eben so, wie die Bücher und Vorschriften der älteren Aerzte, so beschloß er, neue Mittel zu finden, und eine neue eigene Methode zu wählen.


[1] Er führte sein Vorhaben mit eben soviel Kopf und Glück aus, als er es mit Entschlossenheit und Zuversicht gefaßt hatte. Seine allgemeine Regel, die er sich vorsetzte, war, die Krankheiten auf eine schnelle, sichere, und vorzüglich auf eine angenehme Art zu heilen. Seine zuvorkommende Freundlichkeit, sein empfehlendes Aeußeres, und seine Talente als Lehrer der Beredtsamkeit, brachten ihm bald einen solchen Ruf zuwege, daß er von allen gesucht und der größte und berühmteste Arzt Roms wurde. Man liebte seine gefällige Kurmethode, man ehrte seine Aussprüche, wie ein Orakel, und betrachtete ihn als einen Abgesandten des Himmels.


Ein Beweis, daß seine Kurarten sehr leicht und angenehm waren, ist, daß er den Beyschlaf, als ein Mittel gegen die fallende Sucht, anpries, und die Musik als Kur der Raserey empfahl. Die ersten drey Tage ließ er seine Kranken fasten, alsdann gab er ihnen häufig Wein und kaltes Wasser, und gab oft ihrem Gelüsten nach. Vorzüglich ließ er kalte Bäder und Reiben des ganzen Körpers gebrauchen. Wußte er sich nicht anders zu helfen, so gab er scharfe, hitzige Mittel, um dadurch ein Fieber zu erregen. Die Hippokratische Arzneykunst nannte er ein Studium des Todes.


Am meisten aber brachte er sich dadurch seinen großen Ruf zuwege, daß er einst einen Todten, [2] der eben auf den Scheiterhaufen gelegt werden sollte, nach mühsam erhaltener Erlaubniß, von der Straße mit nach Hause nahm, und ihn in kurzer Zeit wieder lebendig machte. Vielleicht war die Sache so verabredet. Auch pflegte er oft zu sagen, man sollte ihn für keinen Arzt halten, wenn man jemals sehen würde, daß er krank wäre. Und glücklicher Weise traf seine Vorhersagung ein. Denn er starb an einem Falle im achtzigsten Jahre seines Alters.

2. Der Tod des Empedokles
2.
Der Tod des Empedokles.

Empedokles, einer der ältesten Griechischen Aerzte und Weltweisen, hatte sich durch einige außerordentliche Kuren, z.B. durch zweymalige Vertreibung einer Pest, durch Aufhaltung eines Wolkenbruchs, durch Wiedererweckung eines todten Weibes, einen so großen Namen erworben, daß er selbst anfieng, sich für einen Vertrauten der Götter und einen Gebieter der Natur zu halten. Er wurde aber nur zu sehr von seiner Schwäche überzeugt, da er im Alter sein herannahendes Ende fühlte. Um von der großen Meinung, die das Volk von ihm hatte, nichts zu verlieren, beschloß er, sich selbst umzubringen, auf eine Art, daß Niemand wissen könnte, wohin er gekommen sey. Er schlich sich deswegen auf den Berg Aetna, und [3] stürzte sich in den Schlund desselben. Allein er vergaß, seine Pantoffeln zugleich hinunterzustürzen, und da man bald darauf eine Nachsuchung in der ganzen Gegend anstellte, fand man diese am Rande des Berges stehen.

3. Die Kleinheit Albert des Großen
3.
Die Kleinheit Albert des Großen.

Als Albert Bollstedt, der unter dem Namen Albertus Magnus berühmt ist, bey dem Pabst zu Rom seine Aufwartung machte, warf er sich auf die Knie nieder und küßte den Pantoffel, und stand darauf wieder auf. Der Pabst redete nichts, sondern befahl ihm, daß er vorher aufstehen sollte, weil er glaubte, Albert läge immer noch auf den Knieen. Allein er stand schon lange auf den Füßen.

4. Der unkluge Jakob Despars
4.
Der unkluge Jakob Despars.

Der bekannte Jakob Despars (de Partibus), Professor der Medicin zu Paris gegen das Ende des funfzehnten Jahrhunderts, tadelte in seinen [4] Vorlesungen sowohl, als bey seinen Kranken, die öffentlichen Bäder, derer man sich damals häufig bediente, und verwarf ihren Gebrauch, wegen des vielfachen Schadens, der durch sie gestiftet würde, ganz und gar. Da er ein Mann von großem Ansehen und bekannter Gelehrsamkeit war, geriethen die öffentlichen Bäder dadurch in Abnahme, und wurden weit seltner, als zuvor, besucht. Er zog sich aber dadurch den wüthenden Haß und die Verfolgung der gesammten Baderzunft, welche damals mehrere tausende zu Paris betrug, zu, weil diese den Verfall ihres Nahrungsstandes unmöglich gleichgültig ertragen konnten. Sie verfolgten ihn öffentlich, wenn er aus seinem Hause gieng, und drohten, ihn zu zerreissen, wenn sie seiner habhaft werden könnten. Er sah sich, um ihren Gewaltthätigkeiten zu entgehen, genöthigt, Paris und seine Professur zu verlassen, und an einem andern Orte seine Unterkunft zu suchen. Nach langem Umherirren erhielt er mit Mühe zu Tournay ein Kanonikat, das ihn nothdürftig nährte.


Seine Namen de Partibus erhielt er übrigens daher, weil er in seinen Vorlesungen sowohl, als in seinen Schriften, viele spitzfindige Unterabtheilungen und Distinctionen (partes) zu machen pflegte.

5. Vesal's Eifer für die Anatomie
[5] 5.
Vesal's Eifer für die Anatomie. 1

Als Vesalius zu Paris Medicin studierte, schlich er sich öfters in die Gruft der unschuldigen Brüder, und durchsuchte viele Stunden lang die daselbst aufgehäuften Knochen. Auch gieng er, in derselben Absicht, in den Falkenberg, eine große Höhle, in welche die Leichname aller Missethäter, die hingerichtet oder auf eine andere Art umgebracht worden waren, geworfen wurden. Allein hier hätten ihn die Hunde, welche mit ihm in Collision kamen, beynahe zerrissen, und er glaubte schon fest, daß er jetzt die Rache für die vielen zum Behuf der Anatomie getödteten Hunde würde ausstehen müssen, als er ihnen mit seinem Gefährten noch glücklich entkam.


In Löwen erblickte er auf dem Gerichtsplatze ein schönes Gerippe an einem Pfahle, das in seinen natürlichen Bändern zusammenhieng, und das die Vögel abgefressen hatten. Er schlich sich also bey Nacht an den Platz hin, kletterte den Pfahl hinauf, und nahm das Gerippe herunter; er zerlegte es in die einzelne Knochen und vergrub diese, um sie nach und nach heimlich nach Hause tragen zu können. Er setzte es darauf in seiner Wohnung zusammen, und gab vor, daß er es von Paris [6] mitgebracht habe. Doch wurde er, als die Sache nachher ruchtbar wurde, von der Universität relegirt.


Bey seinem Aufenthalt zu Venedig lag er oft den Richtern auf das dringendste an, daß sie doch die Gefangenen möchten hinrichten lassen, blos, damit er sich an ihren Körpern in der Anatomie üben könnte. Zu einer andern Zeit, wenn das Wetter sehr ungünstig war, oder wenn er hinlänglich Leichname hatte, bat er sie, daß sie die Verurtheilten noch einige Zeit möchten leben lassen. Seine Freunde und Schüler munterte er auf, daß sie sorgfältig Acht haben möchten, wenn Jemand begraben würde, damit sie die Leichen ausgraben und ihm bringen könnten. Auch ermahnte er sie, daß sie genau aufmerken möchten, was für ein Urtheil die Professoren über die Krankheiten in den Hospitälern fällten, damit sie auch an ihren Leichnamen ihre Zergliederung darnach einrichten und die Ursache des Todes auffinden könnten. Erhielt er Leichname auf die beschriebene Art, entweder aus den Gräbern, oder von den Gerichtsstätten, so bewahrte er sie in seiner Schlafkammer oft drey Wochen und länger.


Als er Lehrer der Anatomie zu Padua, und darauf zu Bologna war, hatten die Studenten eine so große Anhänglichkeit für ihn, daß sie auf einen kleinen Wink von ihm die Leichname aus den Gräbern stahlen.


[7] Was Wunder war es, wenn ein Mann mit so unglaublichem Eifer und Liebe für seine Kunst schon als Student auf den drey berühmtesten damaligen Akademien, zu Paris, Löwen und Padua, die Anatomie mit dem ausgezeichnetsten Beyfalle lehrte, und daß er in Paris selbst seinem Lehrer, dem berühmten Sylvius, manches zeigte, was dieser in Leichen entweder nicht finden konnte, oder was sich in der Natur anders verhielt? daß er schon in seinem zwey und zwanzigsten Jahre als Lehrer der Anatomie in Padua angestellt, bald darauf nach Bologna und Pisa gezogen, und endlich Leibarzt des größten Monarchen seiner Zeit, Carls V, wurde?


Das erste Skelet in Deutschland stellte Vesalius, unter allgemeinem Anstaunen, zu Basel, bey seinem Aufenthalte daselbst, da sein Werk de corporis humani fabrica (von dem Bau des menschlichen Körpers) gedruckt wurde, öffentlich auf. Es ist noch heutzutage daselbst in dem medicinischen Auditorium zu sehen, und es befindet sich folgende Inschrift darüber:


ANDREAS VESALIUS BRUXELLEN.

CAROLI V AUG. ARCHIATRUS.

LAUDATISS. ANATOMICARUM

ADMINISTR. COMM.

IN HAC URBE REGIA

PUBLICATURUS

VIRILE QUOD CERNIS SCELETON

ARTIS ET INDUSTRIAE SUAE

SPECIMEN

ANNO CHRISTIANO

1546

EXHIBUIT EREXITQUE


[8] (Andreas Vesalius aus Brüssel, Leibarzt Kaiser Carls V, hat, während er sein gepriesenes Werk über die anatomischen Verrichtungen in dieser königlichen Stadt herausgab, dieses männliche Gerippe, das Du vor Dir siehst, als einen Beweis seiner Kunst und seines Fleißes im Jahr Christi 1546 verfertigt und aufgestellt.)


Sein unbeschränkter Eifer für die Anatomie zog ihm den Untergang zu. Er zergliederte einen vornehmen Spanier, nachdem er von den Verwandten vorher die Erlaubniß erhalten hatte. Als die Brust geöffnet war, bemerkten die Umstehenden, daß das Herz noch schlug. Sogleich klagten ihn diese bey der Inquisition an, daß er einen Menschen ermordet hätte, und König Philipp II vermochte kaum durch sein ganzes Ansehen seinen Leibarzt von der Todesstrafe zu befreyen. Der Pabst legte ihm, um diese Sünde abzubüßen, eine Wallfahrt an das heilige Grab auf, und er litt bey der Rückreise an der Insel Zante Schiffbruch, und starb daselbst arm, einsam und verlassen. 2

[9]
Fußnoten

1 Aus dessen epistola de radice chinae.

2 Diese letztere Geschichte ist aus Vesals Leben, das sich vor der Albinschen Ausgabe seiner Werke befindet, genommen, und dort steht sie aus dem Thuan. Die im ersten Theil des M.V. S. 37. befindliche Geschichte ist hiernach zu berichtigen.

6. Sylvius Ausfall auf Vesalius
[10] 6.
Sylvius Ausfall auf Vesalius.

Als Vesalius die Anatomie zu reformiren anfieng, widerlegte er den Galen, sowohl in Schriften, als in seinen Vorlesungen, und zeigte manche Blößen in dessen Buch de usu partium (von dem Nutzen der Theile), nach welchem die Anatomie damals allgemein gelehrt wurde, welches aber nach Affen und andern Thieren, und nicht nach Menschen, verfertigt war. Er zog sich hierdurch viele Feinde zu, die Galen's Sache, wie ihre eigene, gegen ihn führten, und unter welchen Jakob Sylvius zu Paris, Eustachius zu Rom, und Dryander zu Marburg sich auszeichneten. Der erstere lästerte besonders bey seinen Zuhörern den Vesalius auf die entsetzlichste Weise. Als Vesalius dieses erfuhr, schrieb er einen sehr verbindlichen ehrfurchtsvollen Brief an Sylvius, worinn er ihn, seinen alten Lehrer, seiner größten Hochachtung versicherte, und ihn bat, daß er ihm melden möchte, weswegen er ihn so sehr tadelte und seinen Groll auf ihn geworfen hätte. Sylvius fand sich dadurch geschmeichelt, und antwortete ungefähr folgendes:


»er schätze ihn ebenfalls sehr und wünsche, ihn zum Freunde zu behalten, aber nur unter der Bedingung, daß er nicht mehr in der Anatomie den Galen widerlege. Würde er [10] dieses thun, so wären er und seine Schüler, die schon alle ihre Federn gespitzt hätten, bereit, auf das heftigste gegen ihn loszuziehen. Würde er aber öffentlich widerrufen, so wolle er ihn zum Freunde annehmen. Neue Erfindungen zum Galen hinzuzufügen, wolle er ihm nicht verwehren, aber was Galen gelehrt habe, müsse er unangetastet lassen.«


Als aber Vesalius keinesweges aufhörte, nach Ueberzeugung zu handeln, und den Galen anzugreifen, und Sylvius sah, daß er eine Menge Schüler anzog, welche sämmtlich der neuen Lehre anhiengen, so konnte er sich nicht länger zurückhalten, sondern ergoß seine Galle in einer besondern Schrift 1, worinn er den Vesalius auf die bitterste Art angriff, und mit Schimpfwörtern belegte. Statt Vesalius nannte er ihn darinn Vesanus (einen Unsinnigen) und legte ihm hauptsächlich folgende Namen bey:


»Literarum imperitissimus, arrogantissimus, calumniator maledicentissimus, rerum omnium ignarissimus, transfuga, impius, ingratus, monstrum ignorantiae, [11] impietatis exemplar perniciosissimum, quod pestilentiali halitu Europam venenat, cuius errata omnia vel appellare operis esset infiniti.«


(Der Unwissendste in der Gelehrsamkeit, der vermessenste, der lügenhafteste Verleumder, der Unerfahrenste in allen Dingen, der Flüchtling, der Gottlose, der Undankbare, das Ungeheuer von Unwissenheit, das verderblichste Muster von Gottlosigkeit, das mit seinem pestilentialischen Hauch Europa vergiftet und dessen Irrthümer alle zu benahmen eine Arbeit ohne Ende seyn würde.)


Als er aber zur Sache selbst kam, und die Anatomie Galen's gegen die Angriffe Vesal's vertheidigen wollte, so sah er selbst an mehrern Orten augenscheinlich, daß er es nicht konnte. Er nahm deswegen seine Zuflucht zu der Behauptung, daß zu Galen's Zeiten die Menschen einen andern Körperbau gehabt hätten, als heutzutage. Eustachius lächelte selbst über eine solche Vertheidigung, und sagte, daß durch sie mehr schlimm, als gut gemacht würde.


Galen z.B. hatte sieben Brustbeine im menschlichen Skelet angenommen, Vesalius hingegen zeigte, daß er sich durch Betrachtung des Affenskelets habe verführen lassen, und daß man nur drey annehmen dürfe. Sylvius wendete dagegen [12] ein, zu Galen's Zeiten seyen die Menschen größer und länger gewesen, und hätten daher auch sieben Brustbeine gehabt. In diesem Zwergjahrhundert könne man freylich deren nur drey finden.


Vesalius behauptete, daß auch in den Knochen der Hand Mark sey, da Galen das Gegentheil gelehrt hatte. Sylvius antwortete dagegen, daß in den ältern Zeiten die Knochen fester und härter gewesen seyen, und also keines Marks bedurft hätten.


Gegen die Behauptung, daß an den Enden der Knochen sich Knorpel fänden, brachte Sylvius vor, die Knochen wären in den ältern Zeiten stärker und fester gewesen, und hätten daher keine Knorpel nöthig gehabt.


Gegen Vesal's Lehre, daß die ungepaarte Vene sich über dem Herzbeutel in die Hohlvene ergieße, brachte er das Argument vor, daß die Körper der Menschen in den ältern Zeiten größer, die Brusthöhle also auch länger gewesen sey, und daß sich daher die ungepaarte Vene nicht über dem Herzbeutel ergossen habe.


Auch die große Krümmung, welche Galen dem Oberarm und Hüftknochen beygelegt hatte, verwarf Vesalius; und Sylvius vertheidigte sie aus dem Grunde, weil durch die engen Kleidungsstücke die Knochen heutzutage gerader geworden seyen.


[13] Ja er gieng so weit, daß er den Vesalius bey Kaiser Carl V anklagte und diesen aufforderte, einen so boshaften und gefährlichen Menschen öffentlich zu strafen. Auch die übrigen kaiserlichen Leibärzte suchte er in sein Interesse zu ziehen, und machte deswegen dem ersten von ihnen mit einem Kinderskelet, einer großen Seltenheit für die damalige Zeit, ein Geschenk, damit er mit ihm gemeinschaftliche Sache gegen Vesal machen möchte.

[14]
Fußnoten

1 Sie führt den Titel: Vesali cuiusdam calumniarum in Hippocratis Galenique rem anatomicam depulsio. (Widerlegung der Verleumdungen eines gewissen Unsinnigen gegen die Anatomie des Hippokrates und Galen.) Paris. 1551. 8.

7. Sylvius Geiz
[14] 7.
Sylvius Geiz.

Jakob Sylvius, ein Lehrer der Medicin zu Paris von großem Namen, war wegen seines beyspiellosen Geizes fast eben so berühmt, als wegen seiner Gelehrsamkeit.


Er war viele Jahre lang Lehrer der Medicin, und am Ende auch Fakultist zu Paris; allein sein Geiz erlaubte es ihm nicht, jemals Doctor zu werden. Endlich, da er dem Gespötte seiner Kollegen unmöglich länger widerstehen konnte, gieng er 1530 nach Montpellier, und ließ sich von der dortigen Fakultät zum Licentiaten der Medicin machen: um Doctor zu werden, dünkten ihm die Unkosten zu groß.


Sein Hörsaal war oft von 400 bis 500 Zuhörern besucht, und von jedem derselben ließ er [14] sich für jeden Monat fünf Sols vorausbezahlen. Einst waren unter dieser Zahl zwey sehr arme Studenten, welche sich außer Stand befanden, ihre fünf Sols zu bezahlen. Er drohte deswegen seinen sämmtlichen Zuhörern, daß er ganz aufhören würde, Vorlesungen zu halten, wenn sie nicht jene entweder zur Bezahlung des Honorars anhielten, oder wegjagten. Diese, welche wohl wußten, daß er niemals das Honorar jemandem nachzulassen pflegte, legten zusammen, um ihn zufrieden zu stellen, und bezahlten ihm die zehen Sols. Einer derselben, der nachmalige bekannte Humanist Buchananus, verfertigte bey dieser Gelegenheit ein Sinngedicht in Form einer Grabschrift auf ihn, welches bey seinem Tode an sein Grab sowohl, als an die Kirchthüren angeheftet wurde. Es ist folgendes:


Sylvius hic situs est, gratis qui nil dedit unquam,
Mortuus et, gratis quod legis ista, dolet.

(Hier liegt Sylvius, der nie etwas umsonst gab: nun, da er todt ist, schmerzt es ihn, daß man dieses hier umsonst liest.)


Er lebte auf eine so filzige Art, daß er seinem Diener nichts, als das trockne Brodt, gab. Und in seinem Zimmer und Hörsaal ließ er niemals einheizen. [15] Seine Zuhörer, welche wußten, daß er auf keine Weise zu bewegen war, einheizen zu lassen, verwahrten sich, so gut sie konnten, mit Mänteln, Pelzen und Feuerkästchen gegen die Kälte. Er selbst, wenn er die Wirkung der Kälte allzu sehr empfand, pflegte sich durch Ballschlagen, oder dadurch, daß er ein schweres Stück Holz von seinem obersten Boden bis in den Keller hinab und wieder zurücktrug, in Wärme zu bringen, und versicherte immer dabey, daß die Wärme, die man sich durch Bewegung verschaffe, der Gesundheit weit zuträglicher sey, als die Ofenwärme.


Eines Tages schaffte er seine Katze, seinen Maulesel und seine Magd ab, und sagte zu seinen Freunden, daß er sich nun drey Brodtesser vom Halse geschafft habe, und jetzt erst anfange, vergnügt zu leben.


Kurz vor seinem Tode ließ er sich seine Stiefel bringen, ließ sich völlig ankleiden und erwartete auf seinem Stuhle standhaft sein Ende. Man hat auf diese Geschichte eine Spottschrift, welche Sylvius ocreatus (der gestiefelte Sylvius) betitelt ist, und wovon Henrich Stephanus Verfasser seyn soll. In dieser wird gezeigt, daß sich Sylvius deswegen seine Stiefel habe anziehen lassen, um durch den Acheron durchwaden zu können, und kein Fährgeld bezahlen zu dürfen.


[16] Als sein Haus, das er in der Jakobsstraße besessen hatte, lange Zeit nach seinem Tode, niedergerissen wurde, fanden die Bauleute viele Pistolen hin und wieder in der Erde vergraben. Auch meldete sich ein Schatzgräber bey der Obrigkeit, welcher sich erbot, 500 Ducaten daselbst auszugraben, wenn man ihm die Hälfte der Summe zugestehen wollte.

8. Einige Dedicationen
8.
Einige Dedicationen.

Als Ulrich von Hutten sein berühmtes Buch von dem Guajak und der Franzosenkrankheit schrieb, machte er die Zuschrift an den Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg, für den Fall, wie es heißt, »wenn etwa, nicht Seine Eminenz selbst, da sey Gott für, sondern sein Hofgesinde, einer Anweisung oder eines Unterrichts bedürfte.«


Pinctor schrieb kurze Zeit zuvor ein Buch ähnlichen Inhalts, de rnorbo foedo et occulto his temporibus affligente (von einer garstigen und heimlichen Krankheit, die zu diesen Zeiten herrscht) und widmete es dem Pabst Alexander VI, welcher gerade damals an der venerischen Seuche heftig krank war, und in dessen Haus und Familie sie öfters herrschte. Am Ende fügte er ein Gebet hinzu: »Gott möge von neuem Segen dazu geben, [17] daß sein Herr (er war päbstlicher Leibarzt), der heilige Vater, von dieser argen Krankheit ohne Schaden abkäme.«


Eben dieses that ein anderer Schriftsteller, Wendelin Hock, bey dem Grafen Ulrich von Würtenberg, dem er sein Buch über die venerische Krankheit dedicirte. In dieser Dedication bittet er Gott, »daß er den Landesvater vor dieser verderblichen Krankheit in Gnaden bewahren möge, oder ihn doch, wenn er von der herrschenden Seuche befallen werden sollte, bald und leicht wieder gesund werden lassen möge.«


Bethencourt schämte sich schon im Jahre 1527, sein Buch über die venerische Seuche einem Großen zuzueignen, damit nicht, wie er sagt, derselbe in den Verdacht der Seuche gerathe. Doch nennt er sie morbum magnatum (die Krankheit der Vornehmen.)

9. Unwissenheit der Deutschen Wundärzte im sechzehnten Jahrhundert
9.
Unwissenheit der Deutschen Wundärzte im sechzehnten Jahrhundert.

Als Johann Lange, welcher in Italien studiert hatte, nach Deutschland zurückkam, brachte er dahin ein fast unbekanntes chirurgisches Instrument, [18] den Trepan, mit. Er nannte es trepanum abaptiston 1, und da er es vor einer Versammlung Deutscher Aerzte und Wundärzte öffentlich vorzeigte, ruften diese voll Verwunderung aus: Langi doctor, frustra quaeris in Germania abaptista: non enim chirurgorum instrumenta nobiscum, sed campanae et pueri baptizantur.


(Herr Doctor Lange, ihr fragt vergebens in Deutschland nach ungetauften Sachen, denn bey uns werden blos Glocken und Kinder, aber keine chirurgische Instrumente getauft.)


Ein anderer von ihnen fügte hinzu: in Rom könne es, wegen der Anwesenheit des Pabstes, wohl eher geschehen, daß auch die chirurgischen Instrumente getauft würden.

[19]
Fußnoten

1 Abaptiston ist der alte Name des Trepans oder Kopfbohrers, und bedeutet jede Sache, die in eine andere eingebracht wird. Freylich bedeutet das Wort auch etwas, das die nicht getauft ist.

10. Ein medicinischer Heiliger
[19] 10.
Ein medicinischer Heiliger.

Ein Mönch in dem Kloster St. Denys sah einst einen Wundarzt, Dieterich der Hery, vor dem Bildnisse Carls des Achten auf den Knieen [19] liegen. Ihr irret euch, mein Freund, redete ihn der Mönch an, das ist kein Heiliger, den ihr da anbetet.


»Das weis ich wohl, versetzte darauf der Wundarzt, ich kenne das Bild Carls des Achten recht gut, und verehre es nicht ohne Ursache. Denn dieser Herr hat die Franzosen (grosse vérole) zuerst nach Frankreich gebracht, durch deren Kur ich mir ein Kapital von 4000 Livres jährlicher Einkünfte erworben habe.«


Holberg's moralische Gedanken, übers. von Reichard. Th. I. S. 23. Note.

11. Servet's Tod
11.
Servet's Tod.

Michael Servet, ein Spanischer Arzt des sechszehnten Jahrhunderts, begieng die Thorheit, sich in theologische Angelegenheiten und Streitigkeiten zu mischen. Er zog in seinen Büchern de erroribus trinitatis (von den Irrthümern der Dreyeinigkeit) und christianismi restitutio (Wiederherstellung des Christenthums) gegen alle diejenigen heftig los, welche eine Dreyeinigkeit glaubten, er wollte Christum nicht als den höchsten Gott erkennen, und war überhaupt, in Reden sowohl, als in Schriften, sehr frey. Er wurde deswegen von den Mönchen unablässig verfolgt, und irrte [20] unstet und flüchtig in allen Ländern umher: aber doch konnte er seine Zunge nicht im Zaum halten, und anstatt sich auf die Ausübung der Medicin zu legen, befaßte er sich überall mit theologischen Streitigkeiten. In Frankreich wurde endlich die Erbitterung der Mönche gegen ihn so groß, daß sie, da sie seiner Person selbst nicht habhaft werden konnten, einen Strohmann in seinem Namen zu Vienne in Dauphine öffentlich verbrannten. Kurz darauf wurde er, da er aus Deutschland nach Italien entweichen wollte, in Genf erkannt: man brachte ihn dort ins Gefängniß, und durch Calvin's Betriebsamkeit wurde er daselbst, als ein Ketzer und Socinianer, den 27sten Okt. 1553 öffentlich verbrannt. Seine christianismi restitutio wurde ihm dabey an die Füße gebunden, und alle Exemplarien dieses Buchs wurden vernichtet, so daß es heutzutage nur zweymal oder dreymal existirt.

12. Titel der ersten Handbücher über die Geburtshülfe
12.
Titel der ersten Handbücher über die Geburtshülfe.

1) Eucharius Rösslin, der schwangeren Frawen vnd Hebammen Rosengarte. Straßburgk, 1522. 4.


[21] 2) Ein schön lustig Trostbüchle von den Empfengknussen vnd Gepurten der Menschen, von Jacob Rueff. Zürich, 1587. 4.


3) Hebammenbuch, daraus man alle Heimlichkeit deß weiblichen Geschlechts erlehrnen könne, sampt Anhang von Cur vnd Pflegung der newgebornen Kinder, von Jacob Rueff. Franckfurth, 1588. 4.


4) Der Frawen Rosengarten von vilfaltigen sorglichen Zufällen vnd Gebrechen der Mutter vnd Kinder: von Walther Herrmann Ryff. Franckfurth. fol.


Von diesem letzteren Verfasser ist noch folgendes Buch:


Des allerfürtrefflichsten, höchsten vnd adelichsten Geschöpfs, das ist des Menschen, oder Dein Selbst wahrhafftige Beschreibung oder Anatomj. Sampt kunstliche vnd artige Contrafaktur aller eusserlicher vnd innerlicher Glider vnd Glidstuck, so vormals weder gesehen, noch gelesen worden: in Truck gegeben durch Walther Herrmann Ryff. 1541. fol.

13. Sennert's Ruhm
[22] 13.
Sennert's Ruhm.

Daniel Sennert, ein Lehrer der Medicin zu Wittenberg im vorigen Jahrhundert, hatte sich durch seine zahlreichen Schriften, durch seine glückliche Praxis und die Menge seiner Zuhörer einen so ausgebreiteten Ruhm erworben, daß einst ein Pohlnischer Graf, Nicolaus Sapieha, Großfähnrich von Litthauen, nachdem er überall vergeblich um Hülfe bey seiner zerstöhrten Gesundheit nachgesucht hatte, sich an die medicinische Fakultät zu Padua wendete, und von dieser, da sie ihm selbst keine Hülfe zu geben wußte, den Rath bekam, sich nach Wittenberg zu begeben, und sich Sennerts Rath zu bedienen. Er unternahm wirklich diese Reise, und sie hatte einen so glücklichen Erfolg, daß er seine Gesundheit völlig wiedererlangte. Er fand auch, wie er selbst versicherte, nichts von dem Manne übertrieben, was ihm vorher das Gerücht von ihm gesagt hatte.

14. Fortunatus Licetus
14.
Fortunatus Licetus. 1

Dieser berühmte Lehrer der Medicin zu Padua war, als er gebohren wurde, nicht größer als 51/2 [23] Zoll, oder so lang, als eine flache Hand. Sobald er gebohren war, untersuchte ihn sein Vater, welcher ein Arzt war, nach allen Erfordernissen der Kunst, und machte endlich den Schluß, daß er doch etwas größer sey, als gewöhnlich ein Embryo zu seyn pflege, und ließ ihn lebendig nach Rapallo im Genuesischen bringen, wo er ihn dem Hieronymus Bardi und andern Aerzten des Orts vorzeigte, um ihre Meinung über das außerordentlich kleine Söhnchen zu vernehmen. Allein man fand, daß ihm nichts an der Lebensfähigkeit abgieng, und sein Vater nahm sich daher vor, eine Probe seiner Kunst an ihm zu machen, und das Werk der Natur selbst zu beendigen. Er gab sich bey der Pflege und Auferziehung des Kindes alle ersinnliche Mühe, und verfuhr dabey eben so künstlich, als man in Aegypten mit dem Ausbrüten der jungen Hühner verfährt. Er nahm eine Amme an, und schrieb ihr genau alles vor, wie sie sich zu benehmen, und was sie zu beobachten habe; er ließ das Söhnchen in einen besonders dazu verfertigten Ofen setzen, und wendete überhaupt so viel Mühe auf, daß es ihm gelang, ihn aufzuziehen, und ihm das nöthige Wachsthum zu geben, vermittelst der Gleichförmigkeit der äußeren Hitze, die sorgfältig nach dem Steigen und Fallen eines Thermometers eingerichtet war.


Man würde immer zufrieden genug gewesen seyn, wenn es ein Vater, der so erfahren in dem [24] ganzen Felde der Arzneykunst und Erziehung war, durch seinen angewandten Fleiß so weit gebracht hätte, daß er das Leben seines Söhnchens wenige Monate oder Jahre hätte fristen können. Allein wenn man weis, daß das Kind achtzig Jahre lebte, und daß es achtzig verschiedene Bücher schrieb, welche alle die Frucht einer großen Belesenheit und einer reifen Urtheilskraft waren, so muß man gestehen, daß die Begebenheit wunderbar ist, daß das Unglaubliche nicht allezeit unwahr, und die Wahrscheinlichkeit nicht immer auf der Seite der Wahrheit ist.


Licetus war nicht älter als 19 Jahre, da er ein Buch schrieb, das einen so langen Titel hatte, als er selbst war. Es heißt Gonopsychanthropolohia, oder von dem Ursprunge der menschlichen Seele.

[25]
Fußnoten

1 Les enfans celebres revus et corrigés par M. de la Monnoye, de l' academie Françoise.

15. Paschalis Justus vom Kartenspiel
[25] 15.
Paschalis Justus vom Kartenspiel.

Paschalis Justus, ein Flammänder von Geburt und Leibarzt des Herzogs von Alencon, war ein so äußerst leidenschaftlicher Spieler, daß er jeden Tag – zwar den festen Vorsatz faßte, niemals wieder zu spielen, aber dem ungeachtet spielte, und alle seine Geschäffte darüber vernachläßigte. Er [25] setzte deswegen Gebete auf, worinn er Gott bat, daß er ihn von dieser verderblichen Sucht befreyen möchte: aber es war alles umsonst. Diese Gebete sind nicht auf die Nachwelt gekommen, aber es ist noch ein Buch von ihm vorhanden, worinn er gegen das Spiel auf das heftigste loszieht, und von den medicinischen sowohl, als moralischen Mitteln handelt, sich dasselbe abzugewöhnen. Der ganze Titel ist:


Alea, sive, de ludendi in pecuniam cupiditate libri duo. Priore, Medica planaque methodo omnis gravislimae et ignotae usque ad hoc tempus affectionis natura, caussae et effectus, tanquam immanis et saevi alicuius morbi, explicantur. Altero, qua potissimum curatione adhibita, insatiabilis flagitiosaque cupiditas evelli ex graviter aegrotantium animis possit, explanatur; tum, si contumax erit, qua ratione edomari et comprimi queat, edocetur. Basil. 1561. 4. Francof. 1616. 8. Amstelod. 1642. 12.


(Die Würfel, oder von der Kur der Begierde, um Geld zu spielen, in zwey Büchern. In dem ersten werden auf eine medicinische faßliche Art die Beschaffenheit, die Ursachen und die Wirkungen dieser sehr gefährlichen und bis auf die jetzige Zeit unbekannten Sucht, [26] gleichsam wie eine schwere und hartnäckige Krankheit, erörtert. In dem andern wird erklärt, durch welche Heilmethode diese unersättliche und schändliche Begierde aus den Herzen der so heftig Kranken gefegt, und denn, wenn sie hartnäckig ist, wird gelehrt, wie sie unterdrückt und ausgerottet werden könne.)

16. Tabor heilt das Wechselfieber
16.
Tabor heilt das Wechselfieber.

Der Englische Arzt, John Tabor, hatte die Kenntniß von der Heilkraft der Chinarinde, welche damals noch kein Arzt kannte, von dem großen Ray erlangt. Dieses Mittel blieb in seinen Händen ein Geheimniß, und er verschaffte sich dadurch Ehre und Reichthum. Der Sohn Ludwigs XIV, damals Dauphin von Frankreich, wurde von einem Wechselfieber befallen, das keiner der Französischen Leibärzte zu heilen vermochte. Tabor wurde deswegen nach Frankreich berufen, und sollte eine Probe seiner Geschicklichkeit ablegen. Als er an dem Hof zuerst erschien, legten ihm die versammelten Leibärzte die Frage vor: »wie er das Fieber definire?« – Das Wechselfieber, meine Herren, antwortete er, ist eine Krankheit, welche ich zu heilen verstehe, welches Sie aber nicht können. Und wirklich stellte er seinen Kranken [27] glücklich her, wurde von dem Könige von Frankreich mit 2000 Pistolen beschenkt, und Carl II, König von England, machte ihn deswegen zum Ritter.

17. Bestallungsbrief eines Deutschen fürstlichen Leibarztes
17.
Bestallungsbrief eines Deutschen fürstlichen Leibarztes, aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts.

Von Gottes gnaden Wir Ursula, Hertzogin Zu würtemberg Vnd Teckh, geborne Pfaltzgräuin bey Rhein etc. etc. witib, Bekennen effendtlich hiemit, daß wir dem Hochgelehrten, Vnsern Lieben, getrewen, Georg Hebenstreit, der Artzney Doctor, Zue Vnserem Hoff-und Leibmedico volgender gestalt Angenommen vndt bestellt haben.


Nämblichen vnd zum Ersten, dieweil die Gottesforcht zu aller zeitlichen vnd ewigen wolfarth ersprießlich, vndt vor Allen dingen daß Heylige wortt Gottes vor Augen zuehaben ist, so soll er fürterhin, wie wir biß dahero bey Ihme verspürt haben, die Predigten Göttliches wortts gern vnd vleißig besuechen, vnd sein Leben so vil In dieser Schwachheit müglich, darnach Anrichten, Innsonderheit Aber Gott dem Allmächtigen [28] (Alß welcher der Oberste vnd beste Medicus vnd Artzet ist, vnd von deme Leibsgesundtheit, vnd Alle Andere gute gaben einig vnd Allein herkommen) getrewlich Anrueffen vnd Pitten, daß er Zue Seinem fürnemmenden Curen vnd Medicamenten gnad, seegen vndt gedewen miltiglichen verleihen, vnd erwünschten effectum erreichen lassen wolle,


Zum Andern solle er der Nüechtbarkheit Ehrbar vnd bescheidenheit sich Jeder Zeit bevleißen, vns In gebürendem respect vnd Ehren halten, vnd wann, wa, vnd wie wir seines Raths nottürfftig sein werden, so tags so nachts vnderthöniges vleiß vffwarthen, Auch was wir Ihme vss erheischender vnvmgänglicher notturfft vnsers Leibs halben vertrawen müessen oder werden, daselbig Niemanden offenbaren, sondern biß An sein Ende bey sich verschwigen behalten, Vnd vns In solchem Unserm Anligen, vnd Leibsblödigkheiten getrewlich vnd beestes vleisses nach seinem eußersten vermögen vnd verstand Rathen, vnd Helffen, vndt darunder In Alweg Handlen, wie einem getrewen redlichen medico vnd diener Pflicht, vnd Aydts halben Zuethuen Obligt vnd gebürt, vnd Ers gegen Gott vnd vns Alß seiner gnedigen Herrschafft zueuer Andtwurtten getrawet.


[29] Vnndt da er zum dridten für vns einige Artzney beraiten vnd machen lassen will, solle Er Jeder Zeit selbsten In die APPoteekhen gehen, die materialia zueuor besichtigen, vnd nichts darzu nemen, oder gebrauchen, dann was vnverlegen frisch vnd guet ist, Auch guete Achtung geben, das selbige Recht vnd sauber präpariert vnd bereitet werden.


Fürnemlich Aber wenn wir In gefährlichen Leibszueständen, neben Ihme etwan Auch Andere Medicos zue vnß erfordern lassen, vnd Ihres Raths Pflegen vnd gebrauchen sollten oder würden, solle Er Ihm ein solches nit lassen zuewider sein, sondern mit denselben sich freundtlich vnderreden vnd vergleichen, was Alßdann Zuethuen, vnd wie solchen beschwerlichen Zueständen vnd Leibsschwachheiten zuebegegnen, vnd dargegen durch gnedige verleyhung des Allmächtigen die Gesundtheit wider Zuerlangen vnd Zuerhalten sein möchte,


Zum Vierdten: solle Er vnserm Hoffgesindt dienern vnd dienerinnen Inn Ihren Krankheiten ebenmässig Zue rathen vnd Zue helffen schuldig sein, vnd fürsehung thuen, daß denselben An nottwendiger Pfleg vnd wartung mit Artzneyen vnd Anderer notturfft kein mangel gelassen werde.


[30] Zum Fünfften solle Er sein guete Inspection vf vnsere Appoteekhen vnd die darein gehörige Persohnen, beuorab dem Appoteekher haben, daß Er seinem officio und dienst vleissig vnd trewlich nachkommen, die Simplicia zue rechter Zeit colligieren lasse, alles fein Sauber vnd rein präpariere vnd zuerichte, und vor vngeziefer vnd schaden wol verwarlich vffhalte, desgleichen mit Vßgebung der Artzneyen gesparsam Vmbgehe, die Recepten beschribnen gewicht vnd maß nach verfertige, vnd für sich selbsten nichts darinnen endere oder gar vßlasse, vnd da gedachter vnser Medicus, In einem oder dem Andern fähl oder mängel befünden würde, solle Er daselbig Abstellen vnd verbessern, oder nach beschaffenheit der Sachen vnß vnderthönig Anbringen, vnd damit Er sein Appoteekhers verrichtung halben desto besser wissens haben, vnd darob halten möge, wollen wir Ihme Copias seines staadts zuestellen lassen,


Vnnd obwohl demselben zum Sechsten die fräye praxin zue exerciren unbenommen, sondern Ihme frey gestelt sein solle, solle er doch ohne Vnser erlaubnuß nit verreißen oder Vber nacht vßbleiben, Auch vfferhalb Vnserm Hofgesindt, sonsten Niemanden, wer der auch seye, vsser Vnser Appoteekhen etwas [31] von Artzneyen widerfahren, oder einiges recept machen lassen, ohne Vnser Vorwissen, vnd Bewilligung,


Beschließlichen solle Er Allen hierinnen vermelten Puncten mit getrewem vleiß geleben, vnd nach kommen, auch sonsten Alles das Ihenige laisten vnd verrichten, was Jeder Zeit die notturfft erfordert, vnd einem vffrichtigen redlichen getrewen Medico vnd diener aignet vnd gebüret, Auch zu Ihme vnsers gnedigs vnd guetes vertrawen stehet, Inmassen Er vns dessen vnd solchem allen, wie obsteht getrewlich nachzukommen, einen Laiblichen Aydt geschworen Auch deßwegen einen schrifftlichen Revers dieser Bestallung allerdings gleichlautend Zuegestellet hat, Alles getrewlich vnd ohn Argenlist,


Vmb vnd für solche seine Dienst, mühe vnd Arbeit wollen wir Ihme Jährlichs, so lang Er Alß vnser Leib-Medicus vnd diener sein würd vff Georij reichen lassen,

An Gellt 50 fl. (Gulden)
Dinckhel (Spelz) 20 schl. (Scheffel)
Habern 6 schl.
Wein 3 Anck. (Eimer)

Winters Zeit wochentlichs wie andern Vnsern dienern liechter.


[32] Die liferung zue Hoff, vnd wann wir denselben In vnsern geschäfften verschiekhen werden, solle er Vß vnserm Stall beritten gemacht, auch mit Fueter vnd mahl Nagel vnd Eißen, wie Andere vnsere Diener gehalten werden, Vnd da es sich begebe, daß wir seiner Dienst nit lenger begehren würden, oder Er Vnß weiters Zuedienen nit gesinnet were, sollen Vff solchen fahl wir Ihme oder Er vns daselbig ein Viertl Jahr Zuevor gebürender massen, verkünden vnd wissendt machen, dessen zu Vrkhundt haben wir vns mit Algen handen vnderschriben, vnd vnser Fürstl. Secret Insigel hiefür truekhen lassen. Actum vff Georij Ao. 1622.

18. Der Leibarzt bey den alten Königen von Wales
18.
Der Leibarzt bey den alten Königen von Wales.

Der Arzt des Hofstaats war der zwölfte in der Reihe der Hofbedienten. Er hatte seinen Sitz an der Tafel des Penteula, 1 und hatte, durch [33] sein Amt, die Obliegenheit, alle leichte Verwundungen der königlichen Bedienten zu heilen, ohne eine andere Belohnung, als die Kleider der Verwundeten, die mit Blut bespritzt, oder durch Waffen zerrissen waren, zu erhalten. Waren es aber, gefährliche Wunden, wie Kopfwunden, bey welchen ein Stück des Schedels verlohren gegangen war, oder Arm- und Beinbrüche, so bekam er, außer den blutigen Kleidungsstücken, einen Lohn von 180 englischen Pfennigen.


Henry's History of Great-Britain.

[34]
Fußnoten

1 Penteula hieß der Oberste des Palasts, und war der vornehmste Beamte am Hofe des Königs. Die Charge bekleidete allemal ein Prinz aus der königlichen Familie.

19. Doctor Vater und sein Sohn
[34] 19.
Doctor Vater und sein Sohn.

Der vormalige Wittenbergische Professor, Christian Vater, reiste einst mit seinem Sohne nach Magdeburg. Bey seiner Ankunft wurde er von dem Soldaten, der am Thore die Wache hatte, um seinen Namen gefragt. Er sagte ihn, und kaum hatte er ihn angegeben, so rufte der Soldat die Wache zum Gewehr, und Vater fuhr vor der ganzen Wache, die militärisch vor ihm paradirte, vorbey. Als er vorüber war, fragte man den Soldaten, wer der vornehme Herr gewesen sey? »Gott der Vater und sein Sohn,« war die Antwort.

20. Gewissensscrupel eines Arztes
[34] 20.
Gewissensscrupel eines Arztes.

Zu Halle in Sachsen starb 1735 der Doctor der Medicin, Christian Heinrich Immanuel Frommann, welcher vorher ein Jude gewesen war, und sich darauf zum Christenthume gewendet hatte. Die Art und Weise seiner Bekehrung und die Geschichte derselben beweisen, daß er sich seinen frommen Namen nicht ohne Grund beygelegt hatte, und geben ein seltenes Muster von Gewissenhaftigkeit. Er schickte nämlich, bey seinem Uebertritt zum Christenthume, an den Professor Callenberg zweyhundert vierzig Thaler, als welches die Summe sey, um welche er vormals als Jude andere übervortheilt und betrogen habe. Er fügte zugleich eine Specifikation der übervortheilten Personen bey, und bat, es denselben wieder zu erstatten, den Ueberrest aber an das Waisenhaus abzugeben. Auch legte er für die Juden vierzig Stück heilsamer Bücher bey.

21. Einige Anekdoten von Herrmann Börhaave
21.
Einige Anekdoten von Herrmann Börhaave. 1

1) Zu Börhaaven ließ sich einst ein Holländischer Kaufmann, der die Gicht in hohem Grade [35] hatte, in einem Tragsessel bringen, und klagte ihm sein Leiden. Nach einem kurzen Examen sagte ihm Börhaave, er solle keinen Wein mehr trinken. »Das ist mir schlechterdings unmöglich«, antwortete der Kranke. So kann ich Euch nicht helfen, sagte Börhaave, und Ihr müßt sterben. Diese Worte machten einen tiefen Eindruck auf den Kaufmann. Er ließ sich nach Hause bringen, und machte den Versuch, ob es nicht möglich sey, daß er das Weintrinken unterlassen könne, und nach vieler angewandten Mühe gelang es ihm. Ungefähr ein Jahr darauf kam ein unbekannter Mann zu Börhaaven, und zählte, ohne ein Wort zu reden, eine lange Reihe Goldstücke hin. Er lief hierauf die Stube einigemal hurtig auf und ab, und dankte, indem er weggieng, für den ertheilten Rath, keinen Wein mehr zu trinken, weil er dadurch seine Gesundheit vollkommen wieder erlangt hätte.


2) Ein anderer äußerst schwerfälliger und phlegmatischer Kranker kam zu Börhaave und klagte seine Leiden. Dieser sah sogleich, daß es ihm an der gehörigen Bewegung mangele, und gaß ihm auf, jeden Tag eine bestimmte große Quantität Holz von dem Boden seines Hauses in sein Zimmer und wieder zurück zu tragen. Der Kranke befolgte den Rath, und die Kur hatte den erwünschtesten Erfolg.


[36] 3) Ein Englischer Lord, der viel von Börhaave's Ruhme gehört hatte, und ganz von der Verehrung, die man in England für ihn hatte, erfüllt war, nahm sich vor, nach Holland zu reisen, um den großen Mann selbst zu sehen. Er war nur noch eine kleine Strecke von Börhaave's Wohnort entfernt, als ihm ein Wagen entgegen kam, und da ihm sein Wegweiser sagte, daß Börhaave selbst es sey, der in dem Wagen sitze, so sprang er schnell vom Pferde, gebot dem Kutscher, zu halten, und blickte Börhaaven einige Augenblicke unverwandt an, indem er seinen Kopf zum Wagen hineinhielt. Er lief hierauf weg, indem er freudig ausrufte: »ich habe ihn gesehen, ich habe ihn gesehen!« Er schwang sich auf sein Pferd, und trat augenblicklich wieder die Rückreise nach England an.


4) Ein Melancholischer bildete sich fest ein, daß er das Wasser nicht lassen könne, und sagte dabey: dieses sey ein großes Glück, denn er würde sonst die Stadt überschwemmen. Börhaave, welcher herzu gerufen wurde, befreyte ihn durch eine List von seiner Einbildung. Er sagte ihm, daß eine Feuersbrunst entstanden sey, und bat ihn dringend, daß er doch nun einmal, um die Stadt zu retten, sein Wasser lassen möchte. Er that es, und befand sich so wohl und erleichtert dadurch, daß man in Zukunft diese List nicht mehr nöthig hatte.


[37] 5) Unter Börhaave's Nachlaß fand sich ein großes Buch in Folio, welches versiegelt war, und worauf geschrieben stand, daß es alle Geheimnisse der Arzneykunst enthielte. Ein Engländer ersteigerte es für eine große Summe Geldes, und da er es eröffnete, fand sich nur ein einziges beschriebenes Blatt darinn, auf welchem sich die Worte befanden:


Den Kopf halt kalt, die Füße warm,
Und pfropf nicht allzu sehr den Darm. 2

6) Nach seinem Tode kauften viele Engländer Schnupftücher und andere Kleinigkeiten aus seiner Verlassenschaft, und trieben sie zu einem hohen Preise, blos um ein Andenken von dem großen Börhaave zu haben. Eben so geschah es ein halbes Jahrhundert nachher mit der Garderobe Friederichs des Einzigen.

[38]
Fußnoten

1 S. Med. Vadem. Th. 1. S. 15 und 65.

2 Diese bekannte Anekdote ist unverbürgt.

22. Haller's Umriß der Physiologie
[38] 22.
Haller's Umriß der Physiologie.

Als Tribolet die erste Deutsche Uebersetzung von Haller's Lehrbuch der Physiologie herausgab, welches den Titel führte: »erster Umriß etc. so erwähnte ein bekannter Deutscher Lehrer, der [38] ein Gegner der Hallerischen Lehre von der Reizbarkeit war, dieses neu herausgekommenen Buchs in seinen Vorlesungen mit starker Aeußerung des Unwillens. Er klagte, daß man ein so schädliches Buch durch eine Uebersetzung noch gemeiner gemacht habe, und warnte seine Zuhörer davor.« »Mit Recht,« sagte er, »heißt es ein Umriß, denn es soll die ganze Arzneykunst umreissen.«

23. Der Streit wegen eines Pünktchens
23.
Der Streit wegen eines Pünktchens.

Zween berühmte Französische Aerzte, Portal und Anton Petit, wurden in eine gelehrte Streitigkeit verwickelt, welche von beyden Seiten mit vieler Bitterkeit geführt wurde. Der Streit gieng, nach mehreren Repliken, die sie mit einander gewechselt hatten, am Ende darauf hinaus, daß Portal seinem Gegner vorwarf, Haller habe bey einer seiner Schriften, auf welche sich Petit vorzüglich viel zu Gute thun mochte, nicht einmal ein Sternchen gemacht. 1 Beyde hatten ihre Anhänger, [39] die Sache erregte immer mehr Aufsehen, und endlich sah sich Petit genöthigt, durch einen seiner Freunde eine Vertheidigung 2 herausgeben zu lassen, in welcher dieser nach langen Demonstrationen darzuthun suchte, daß die Weglassung jenes * ein bloßer Druckfehler und von Haller keinesweges mit Vorbedacht geschehen sey. Haller hatte auch wirklich die Höflichkeit, es öffentlich für einen Druckfehler zu erklären.

[40]
Fußnoten

1 Haller hat am Ende seiner großen Physiologie ein weitläuftiges Verzeichniß der Schriftsteller gegeben, in welchem die merkwürdigen Bücher mit einem * bezeichnet sind; diejenigen aber, welche vorzüglich viel Neues und Auszeichnendes enthalten, mit einem **

2 Lettre de M. Duchanoi à M. Portal sur la critique qu'il a fait des ouvrages anatomiques de M. Petit.

24. Literatur eines Geburtshelfers
[40] 24.
Literatur eines Geburtshelfers.

Ein gewisser Geburtshelfer rühmte sich, daß er mit den größten Geburtshelfern oft Briefe wechsele, und vorzüglich auch mit Herrn Levret. Ein anderer Arzt in der Gesellschaft, welcher sehr wohl wußte, daß der Prahler nicht einmal Levret's Schriften gelesen hatte, fragte ihn verstellter Weise: »das sey ja wohl der Erfinder der Zange?« Nein, gab unser Geburtshelfer getrost zur Antwort, dieser war der Vater des jetztlebenden. 1

Fußnoten

1 Andreas Levret, der Erfinder der Zange, starb zu Paris 1780, und hinterließ keinen bekannten Sohn.

25. Ein langes Collegium
[41] 25.
Ein langes Collegium.

Ein Professor der Medicin auf einer Deutschen Universität kündigte in dem Lectionskatalog an, daß er öffentliche Vorlesungen über van Swieten's commentarios in Boerhaavii aphorismos de cogn. et cur. morbis, und zwar in zwo Stunden wöchentlich, halten wolle.


Dieses Buch macht fünf dicke Quartanten aus. Wie viel Zeit wäre also wohl erforderlich gewesen, bis daß dieses Collegium zu Ende gekommen wäre?

26. Ein witziger Einfall des Louis
26.
Ein witziger Einfall des Louis.

Der Französische Wundarzt Louis pflegte oft in seinen Vortrag eine bittere Satyre einzumischen, und kein Ort war ihm zu ehrwürdig, kein Freund zu theuer, wenn er einem witzigen Einfall Luft machen konnte.


Einst trug er in einer seiner physiologischen Vorlesungen die Lehre von dem Durste mit großer Weitschweifigkeit vor. Einer seiner Zuhörer, der entweder ein natürliches Bedürfniß fühlte, oder es mit gutem Vorbedacht thun mochte, gieng, während des Vortrags, aus dem Hörsaal. Louis [41] rufte ihm sogleich zu, indem er ihn bey Namen nannte: »nicht wahr, der Durst treibt Sie, wegzugehen?« Ach nein, sagte dieser, indem er sich umkehrte, wohl aber der Schlaf.

27. Howard's Unterredung mit Joseph II
27.
Howard's Unterredung mit Joseph II.

Als der verdiente Howard die Gefängnisse und Hospitäler in Wien besuchte, wünschte Kaiser Joseph, ihn zu sprechen. Howard wurde ihm vorgestellt, und der Kaiser fragte ihn, was er von den Gefängnissen seiner Hauptstadt hielte? Howard antwortete sehr freymüthig, es seyen die abscheulichsten Kerker, die er jemals gesehen hätte, und bat mit Wärme, man möchte doch den armen Gefangenen gesunde Nahrung reichen lassen, ihnen Betten, oder wenigstens Strohlager, erlauben, und verbieten, daß die Wärter in Zukunft die Gefangenen an den Fußboden fesselten. Der Kaiser sagte, diese Bemerkungen fielen ihm aus dem Munde eines Engländers sehr auf, in dessen Vaterlande man Verbrecher zu Dutzenden aufhänge, während in seinem Lande Niemand hingerichtet, sondern nur lebenslänglich in's Gefängniß gesetzt würde. »Dies kann ich nicht leugnen, versetzte Howard, aber ich wollte mich lieber in England [42] aufhängen lassen, als in Ew. Majestät Kerkern leben.« Der Kaiser wendete sich mit einem finsteren Gesicht herum, und sagte zu den Umstehenden: en verité, ce petit Anglois n'est pas flatteur. (In Wahrheit, dieser kleine Engländer ist kein Schmeichler.)

28. John Hunter's Testament
28.
John Hunter's Testament.

John Hunter, der von Geburt arm war, hatte sich durch seine medicinische und chirurgische Praxis in London so viel erworben, daß er 90,000 Pfund Sterling auf sein Cabinet verwenden konnte. In seinem Testamente verordnete er, daß es um die Summe von 20,000 Pfund der Nation zu Kauf angeboten werden sollte, und wenn sie es nicht annähme, sollte dieses Anerbieten jeder fremden Nation gemacht werden. Kaufe es keine, so solle es öffentlich versteigert, und die daraus gelöste Summe zu gleichen Theilen unter seine hinterlassene Verwandten vertheilt werden. In den letzten Jahren seines Lebens trug ihm seine Praxis jährlich gegen 6,000 Pfund ein.

29. Schicksale eines wandernden jungen Arztes
[43] 29.
Schicksale eines wandernden jungen Arztes.

Joachim von Erter hatte die Rechte studiert, und war bereits Doctor in dieser Wissenschaft geworden, als ihn dieses Studium gereute, und er, hauptsächlich auf Ermunterung seines Vaters, der ein Artz war, anfieng, Medicin zu studieren. Er reiste deshalb nach Wien, wo er sowohl die Vorlesungen der Universität, als das allgemeine und militärische Krankenhaus fleißig besuchte; machte dann eine Reise durch Italien, gieng hierauf nach Tübingen, wo er das medicinisch-chirurgische Studium fortsetzte, und endlich nach Franeker in Holland. Hier erlangte er 1789 die medicinische Doctorwürde, und schrieb eine Dissertation. Von Holland begab er sich nach England, und vorzüglich widmete er sich in London der Geburtshülfe; von dort reiste er nach Paris, wo das Studium der Augenkrankheiten ihn vorzüglich beschäfftigte. Je mehr er reiste, desto weniger konnte er dem Drange, weit entfernte Länder zu sehen, widerstehen. Er wanderte bald durch ganz Frankreich, gieng nach Constantinopel, Alexandria, Tunis, Algier und Marokko, und von hier nach Spanien. Er reiste durch verschiedene Provinzen dieses Landes, und kam endlich nach Portugall. In Lissabon ließ er sich als Wundarzt [44] auf einem Schiffe, das Sklaven führte, unterhalten, fuhr mit nach Angola und Congo, und brachte 550 Sklaven nach Westindien. Er bereiste die Westindischen Inseln, verheyrathete sich zu St. Eustach, und gieng nach Philadelphia, Boston und New-York in Amerika. Im Sommer 1793 kam er über London wieder in seine Vaterstadt Hamburg zurück, in Begleitung seiner Gattin und einiger schwarzer Bedienten, und wurde von seinen Verwandten und noch lebenden Eltern mit Freuden empfangen. Da die Zahl der promovirten Aerzte, welche sich in Hamburg auf 150 beläuft, zu groß ist, um einem Ankömmling gute Aussichten zu gewähren, so nahm er sich vor, sich in den kön. Preußischen Staaten niederzulassen. 1

[45]
Fußnoten

1 Aus der Galzb. med. chir. Zeitung 1794. II. 25.

30. Die zu Doctoren gemachten Pferde
[45] 30.
Die zu Doctoren gemachten Pferde.

Auf der Universität zu H***, wo man, ohne vorhergegangenes Examen, auch Abwesende gegen die Gebühr zu Doctoren der Medicin zu machen pflegte (so wie es an mehreren Orten der Brauch ist), befanden sich einst zween durchreisende Engländer. Sie geriethen hier auf den Einfall, sich selbst auf diese Art zu Doctoren der Medicin [45] machen zu lassen, und schickten in der Absicht zum Decan. Sie ließen ihm ihr Vorhaben melden, äußerten aber, daß es ihre Zeit nicht erlaube, sich lange hier aufzuhalten, sie wünschten daher, bis den andern Tag die Diplome zu erhalten; und legten zugleich, außer den Gebühren, noch ein besonderes Geschenk für den Hrn. Dekan bey. Dieser fertigte ihnen sogleich, ohne Schwierigkeiten, die verlangten Diplome aus, und schickte sie ihnen zu. Der Gedanke, sich auf einmal zu Doctoren der Medicin gemacht zu sehen, kam den Engländern so komisch vor, daß sie bald darauf auch auf den Einfall geriethen, ob sie nicht für ihre Pferde ebenfalls Doctordiplome kaufen wollten. Sie schickten wirklich mit dieser Bitte wieder unter den vorigen Bedingungen in des Dekans Haus. Die Frau Dekanin aber, da ihr Mann gerade nicht zu Hause war, ließ ihnen zur Antwort sagen: so viel sie wüßte, pflege man hier zwar Esel zu Doctoren der Medicin zu machen, aber keine Pferde.

31. Ein Candidat kommt zu dem unrechten Dekan
31.
Ein Candidat kommt zu dem unrechten Dekan.

Ein Mann zu Hamburg, der die Rechte studiert hatte, wünschte die Doctorwürde in seiner Wissenschaft zu erlangen, und reiste in dieser Absicht [46] auf eine Deutsche Universität. Er hörte hier, daß es nicht viel Umstände brauche, um seinen Wunsch befriedigt zu sehen: er erkundigte sich sogleich nach der Wohnung des Dekans, und brachte diesem sein Anliegen vor. Dieser sagte ihm, daß er ohne Weitläuftigkeiten seine Absicht erreichen könne, wenn er nur eine Dissertation drucken lasse. Zugleich brachte er ihm zwey Päcke mit Dissertationen, und fragte ihn, ob er ein Manuscript dieser Art für 10 oder für 15 Thaler haben wolle? Der Candidat wählte eine für 15 Thaler, und es wurde sogleich mit dem Abdruck der Anfang gemacht. Erst nachdem dieser beynahe ganz beendigt war, wurde er gewahr, daß er bey dem unrechten Dekan, nämlich bey dem Dekan der medicinischen Fakultät, gewesen sey, und daß seine Dissertation eine medicinische sey. Er begab sich sogleich zu dem Dekan, und bat ihn sehr höflich um Verzeihung, und wurde von diesem an den Dekan der juristischen Fakultät gewiesen.

32. Etwas über Entstehung der Hypothesen
32.
Etwas über Entstehung der Hypothesen.

Der Verfasser der oryctographia Carniolica (Leipzig, 1778) hat Th. I. S. 93 einige merkwürdige Beyspiele angeführt, welchen Einfluß [47] oft Clima und Vaterland auf die Entstehung der Hypothesen haben.


Burnet und Woodward waren Engländer, Leute, die mit Wasser umgeben waren, und daher hatte dieses Element den stärksten Einfluß auf ihre Denkungsart, und sie schrieben dem Wasser die Entstehung der Erde zu. Hierher gehören auch Ray und Hook.


Linné, der in einem Lande wohnte, wo die See abnimmt, baute auch hierauf seine Schöpfung der Erde. Er dachte sich den Garten Eden als eine Insel, welche das einzige trockne Stück Land auf unserem Planeten gewesen sey. Diese Insel sey im Anfange blos ein hoher Berg gewesen, und auf den verschiedenen Gegenden desselben seyen die verschiedenen Clima's gewesen, unter welchen alle Pflanzen und Thiere, welche ein so verschiedenes Clima erforderten, recht gut fortgekommen wären. Durch Abnehmen der See und weiteren Ansatz von festem Lande (wovon er Bothnien, Dalland und Gothland als Beyspiele anführte) sey unsere jetzige Erde entstanden. Für die Pflanzen war dadurch freylich gesorgt, allein um die Thiere und Mineralien bekümmerte sich der Botaniker wenig.


Moro und Maillet lebten in einem sehr warmen Lande, und daher läßt es sich erklären, warum sie dem Feuer die Entstehung und Bildung der [48] Erde zuschrieben, und sich dieselbe als einen ausgedörrten und ausgebrannten Körper vorstellten.

33. Noch mehrere Beweise für das Alter und die Vortrefflichkeit der Chirurgie
33.
Noch mehrere Beweise für das Alter und die Vortrefflichkeit der Chirurgie. S. Med. Vadem. Th. I. S. 24.

»Schon zu Adams Zeiten war die Chirurgie nothwendig, denn dem ersten Menschen mußte schon die Nabelschnur abgeschnitten werden, und Gewaltthätigkeiten, Fälle und schwere Arbeiten mußten auch dem ersten Menschen manchmal Quetschungen, Wunden und Brüche zuziehen, welche chirurgische Hülfe nothwendig machten. – An der Würde der Chirurgie kann Niemand zweifeln, der es bedenkt, wie manche Könige und Helden Verwundete verbunden haben; ja daß selbst Christus das abgehauene Ohr des Malchus angeheilt, auch der Engel Raphael dem alten Tobias mit der Galle eines Fisches sein Gesicht wieder hergestellt habe.«


»Der Chirurg, heißt es weiter unten, muß bey einer Operation die in dem menschlichen Körper verborgen liegenden Theilchen wie durch ein Glas betrachten können, ohngefähr so, wie man die in einem Krystall oder Bernstein eingeschlossenen [49] Thierchen ganz klar unterscheiden kann.«

34. Ein passender Druckfehler
34.
Ein passender Druckfehler.

In einem Auktionskatalog kam Ailhaud's Abhandlung von dem Gebrauche des abführenden Pulvers vor: statt abführenden war »abzuführenden« gedruckt.

35. Fragment aus einer neuen Medicinalordnung
35.
Fragment aus einer neuen Medicinalordnung.

Der Verfasser einer gewissen neuen Medicinalordnung vergaß sich so sehr bey Abfassung derselben, daß er seinen Aufsatz also anfangen ließ: Wir von Gottes Gnaden etc. etc. und bald darauf hieß es darinn: nachdem wir in unserer Praxi mehrmals wahrgenommen, daß von einer zurückgetretenen Krätze die Schwindsucht entstanden u.s.f.


Als man das Lächerliche wahrnahm, wurden die ausgegebenen gedruckten Exemplarien wieder aufgesucht und vernichtet. Indessen sind noch einige davon in dem Publikum geblieben, die man nicht wieder hat vernichten können.

36. Belohnung der Leibärzte bey den alten Fränkischen Königen
[50] 36.
Belohnung der Leibärzte bey den alten Fränkischen Königen.

Austrigildis, die Gemahlin Guntram's, Königs von Orleans, lag sehr krank und fühlte ihren nahen Tod. Sie ließ deswegen ihren Gemahl zu sich rufen, nahm Abschied von ihm, und versicherte, daß die Aerzte, die sie verkehrt behandelt hätten, an ihrem Tode schuld seyen. Sie beschwur Guntram, daß er ihren Tod an diesen Aerzten rächen möchte. Er versprach es, und mußte, ob er es gleich ungern that, nach ihrem Tode Wort halten, und die beyden Aerzte wurden hingerichtet.


Diese Geschichte erzählt Gregor von Tours, hist. Francor. l. V. c. 36. und bemerkt dabey: quod non sine peccato factum fuisse, multorum prudentia censet. (Viele kluge Leute halten dafür, daß dieses eine Sünde gewesen sey.)

2. Anatomie und Physiologie
1. Einer Strasburger medicinische Dissertation wegen einer außerordentlich langen Nase
1.
Einer Strasburger medicinische Dissertation wegen einer außerordentlich langen Nase.

Tristram Shandy's Lehen und Meinungen. Th. IV.


»Keine der gelehrten Fakultäten hätte ein helleres Licht über die Materie verbreiten können, als die medicinischen, wenn sie sich bey allem ihrem Disputiren darüber nicht immer bey den Wind- und Wassergeschwülsten aufgehalten hätten, wovon sie kein Henker abbringen konnte. Des Fremden Nase hatte weder mit Wind- noch mit Wassergeschwülsten etwas zu schaffen.«


»Soviel wurde indessen zur Genüge erwiesen, daß eine so schwere Masse heterogener Materie sich [52] nicht sammeln und an die Nase hätte anhäufen können, so lange das Kind in der Bärmutter gelegen, ohne das Gleichgewicht der Lage des Fötus aufzuheben, und ihn neun Monate zu früh senkrecht auf den Kopf zu stellen.«


»Die Opponenten räumten diese Theorie zwar ein, leugneten aber die Folgerungen.«


»Und wenn nicht für einen erforderlichen Vorrath von Venen, Arterien u.s.w. sagten sie, zur nöthigen Nahrung einer solchen Nase gleich in den ersten Urstoffen und Elementen ihrer Bildung gesorgt worden wäre, ehe sie noch auf die Welt gekommen, so hätte sie (den Fall von Wind- und Wassergeschwulst ausgenommen) hernach nicht ordentlich wachsen und genährt werden können.«


»Dieses wurde alles in einer Dissertation widerlegt, die von der Nahrung handelte, und von der Wirkung der Nahrung auf die Ausdehnung der Gefäße und auf das Wachsthum und die Verlängerung der fleischigten Theile bis zu ihrem größt möglichen Wuchse und Ausstreckung. Man gieng in der Freude des Herzens über diese Theorie so weit, zu behaupten, daß in der Natur keine Ursache sey, warum eine Nase nicht bis zu der Größe eines Menschen selbst heranwachsen könnte.«


»Die Respondenten überführten die Welt, dieser Fall könne sich niemals ereignen, so lange [53] der Mensch nur einen Magen und ein Paar Lungen hätte. Denn, sagten sie, da der Magen das einzige Werkzeug ist, das die Speisen zu empfangen und in den Nahrungssaft zu verwandeln bestimmt ist, – und die Lungen die einzige Maschine, das Blut zu erschaffen 1, so können diese unmöglich mehr bearbeiten, als was ihnen der Appetit zubringt; oder die Möglichkeit angenommen, daß ein Mensch seinen Magen überlade, so hat diese Maschine ihre bestimmte Größe und Kräfte, und kann also in einer gewissen Zeit nur ein bestimmtes Maas bearbeiten – das ist, sie kann nur eben so viel Blut absondern, als für einen Menschen, und für mehr nicht, hinreicht; also, wenn eben so viel Nase, als Mensch, vorhanden wäre, bewiesen sie, müßte nothwendig eine Ersterbung erfolgen, und deswegen, weil nicht Nahrung genug für beyde vorhanden wäre, muß entweder die Nase von dem Menschen abfallen, oder der Mensch unvermeidlicher Weise von seiner Nase.«


»Die Natur richtet sich nach diesen Bedürfnissen ein, schrien die Opponenten – oder wie würden Sie den Fall erklären, da ein ganzer Magen und ein ganzes Paar Lungen und nur ein halber Mann vorhanden wäre, dem unglücklicher Weise seine beyde Lenden abgeschossen worden sind?«


[54] »Er stirbt an der Vollblütigkeit, sagten sie, oder er muß Blut speyen, und in etlichen Wochen an der Schwindsucht darauf gehen.«


»Es fällt anders aus, erwiederten die Opponenten.«


»Das sollte es nicht, sagten sie.«


»Die genaueren und innigeren Untersucher der Natur und ihrer Verrichtungen giengen zwar eine gute Strecke Wegs ganz einig Hand in Hand fort, allein zuletzt entzweyten sie sich über die Nase fast eben so sehr, als die medicinische Fakultät selbst.«


»Sie machten freundschaftlich aus, daß die verschiedenen Theile im Bau des menschlichen Körpers ihre richtige geometrische Einrichtung und Verhältniß zu ihren verschiedenen Bestimmungen, Diensten und Verrichtungen hätten, die sich nur in gewisser Einschränkung überschreiten ließen, – daß die Natur wohl zuweilen spiele, – und wie weit und wie eng dieser Zirkel – ja, da lag der Zankapfel!«

[55]
Fußnoten

1 Dieses ist unrichtig.

2. Der goldene Zahn
[55] 2.
Der goldene Zahn.

Gegen das Ende des sechszehnten Jahrhunderts war in Schweidnitz ein Knabe von zehen Jahren, welcher einen goldenen Zahn hatte. [55] Man staunte in jenen Zeiten eine solche Begebenheit als das größte Wunderwerk an, jedermann lief herzu, um dieses Wunderkind zu sehen, und man überhäufte es mit Geschenken. Ein vormaliger Schweidnitzischer Arzt, Jakob Horst, hörte zu Helmstädt, wo er damals Professor war, von der Begebenheit, und sie dünkte ihm so wichtig, daß er ein eigens Buch darüber schrieb 1, in welchem er diesen Gegenstand weitläuftig abhandelte.


»Die Erzeugung des goldenen Zahns, heißt es darinn, ist dadurch geschehen, daß die ernährende Kraft, vermittelst der Zunahme der Hitze, wunderbarlich verstärkt worden ist, wodurch also, statt der Knochenmaterie, Goldstoff abgesondert worden ist. Die Sache überhaupt ist aber übernatürlich, und hängt von der Constellation ab, unter welcher der Knabe gebohren ist. Am Tage seiner Geburt (den 22. Dec. 1586) hat die Sonne in Conjunktion mit dem Saturn im Zeichen des Widders gestanden. – Diese wunderbare Begebenheit hat ihre große Vorbedeutung, so gut wie eine jede Sonnen- und Mondfinsterniß und jedes Erdbeben, und er bedeutet das goldene Zeitalter, welches vor der Thüre ist. Der Römische Kaiser [56] wird den Türken, den Erbfeind der Christenheit, aus Europa verjagen, und alsdann ist das tausendjährige Reich und das goldene Zeitalter erschienen. Daß diese Prophezeihung wahrhaft und in der Natur gegründet ist, kann man aus dem Propheten Daniel Kap. 2 sehen, bey welchem der goldene Kopf der Bildsäule das große Reich bedeutet. Weil aber bey dem Schlesischen Knaben der goldene Zahn der letzte in der Reihe der Zähne ist, so wird auch die große Monarchie des Römischen Kaisers kurz vor der Zukunft Christi zum Gericht hergehen. Und da der goldene Zahn in der unteren Kinnlade und auf der linken Seite sitzt, so wird dadurch angezeigt, daß viele Plagen und Trübsal vor dem goldenen Zeitalter vorhergehen werden.«


Horst bekam aber bald einen seiner Collegen zum Gegner, welcher zeigte 2, daß die Geschichte mit dem goldenen Zahne Betrügerey sey, und daß der Zahn blos mit Goldblech überlegt sey. Er hatte bemerkt, daß die Wurzel nicht golden war, auch daß er dicker war, als die übrigen, und daß der nebenstehende Backenzahn fehlte: endlich, daß sich das Kind seit einiger Zeit nicht mehr von Gelehrten, sondern blos von gemeinen leichtgläubigen Leuten, besehen ließ. Er fügte die Prophezeihung hinzu, daß das Wunderwerk bald[57] von selbst aufhören werde, welche auch richtig eintraf.


Es kamen noch mehrere Schriften über diese Erscheinung heraus. Unter andern wechselten zween Aerzte darüber heftige Streitschriften – nicht über die Wirklichkeit der Geschichte, diese glaubten beyde – sondern über die Entstehung des Zahns. Ruland behauptete, daß er auf eine natürliche, und Ingolstetter, daß er auf eine übernatürliche Art entstanden sey.

[58]
Fußnoten

1 De aureo dente maxillari pueri Silessi. Lips. 1595. 8. (Von dem goldenen Kinnbackenzahn des Schlesischen Knaben.)

2 Liddelius de dente aureo, Hamburgi, 1628. 8.

3. Von Todten, welche wieder lebendig wurden
[58] 3.
Von Todten, welche wieder lebendig wurden.

In einem Dorfe in Poitou lag eine Frau an einer schweren Krankheit darnieder, und verfiel am Ende in eine Schlafsucht. Ihr Ehemann und alle, welche um sie waren, hielten sie für todt. Man wickelte sie daher blos in ein linnenes Tuch ein, nach der Gewohnheit der armen Leute dieses Landes, und trug sie zu Grabe. Als man mit der Leiche auf dem Wege nach der Kirche begriffen war, giengen die Träger so nahe bey einer Dornhecke vorbey, daß die Frau von den Dornen geritzt wurde. Sie erwachte darüber von ihrer Schlafsucht, und kam wieder zu sich. Vierzehn Tage darauf starb sie wirklich, und als man sie zum zweytenmale zu [58] Grabe trug, und man ganz nahe bey einem Busche vorbeygieng, schrie der Mann mit lauter Stimme den Trägern wiederholt zu: kommt der Hecke nicht wieder zu nahe!


In Dresden wurde eine Goldschmidtsfrau öffentlich begraben und in die Erde gesenkt. Bey der Nacht wollte der Todtengräber die Todte bestehlen, und grub das Grab wieder auf. Als er aber gewahr wurde, daß sich die Todte regte, gerieth er in einen solchen Schrecken, daß er eiligst davon lief. Die Frau gieng bey später Nacht, in ihrem Todtenkleide, nach Hause, und lebte nach der Zeit noch lange.

4. Von großen männlichen Geschlechtstheilen
4.
Von großen männlichen Geschlechtstheilen.

Venette über die Erzeugung der Menschen B. I. Cap. 2.


»Oefters haben kleine Mannsleute eine viel größere Ruthe, als die andern; gestalt etliche dergleichen gefunden worden, welche eine so lange Ruthe gehabt, wenn wir dem Martiali glauben wollen, daß sie an selbige haben riechen können. Und ich weis nicht, ob dieser Poet nicht von Clodio reden wollen, welcher die Pompejam, des Cäsars Frau, in der Göttin Bonae Tempel genothzüchtiget, der, laut der Historie, das männliche [59] Glied so stark, als zwo große Ruthen, wenn man solche zusammengefüget, gehabt hat.«

5. Zustand der Anatomie bey den Türken
5.
Zustand der Anatomie bey den Türken.

Die Muhammeddanischen Aerzte lehren, daß die Seele nicht auf einmal ihren Körper verlasse, sondern sich aus einem Gliede allmählich in das andere, und endlich in die Brust ziehe. Der Todte werde also durch die Sektion gemartert, oder wohl gar sein Ende beschleunigt.


Nach dem Koran war derjenige schon unrein, welcher einen todten Leichnam berührte. Auch wurde darinn festgesetzt, daß der Todte in seinem Grabe von zween dazu bestellten Engeln, Monker und Nakir, gerichtet würde. Dieses Gericht mußte er in aufrechter Stellung aushalten: fehlte nun das geringste Theilchen von seinem Leibe, so war dieses sehr übel für ihn.


Toderini legte dem Mufti die Frage, ob die Zergliederungen nach dem Tode nicht erlaubt seyen, zur Entscheidung vor. Dieser gab ihm aber die Antwort, daß eine solche Frage schon gesetzwidrig sey.

6. Eintheilung des Lachens
[60] 6.
Eintheilung des Lachens.

Der Verfasser der Abhandlung, »von den physischen und sittlichen Ursachen des Lachens« macht folgende Eintheilung von den verschiedenen Arten des Lachens.


1) Das Lachen aus vollem Halse, oder das unanständige Lachen.

2) Das anmuthige Lachen, oder das Lächeln.
3) Das standesmäßige Lachen, oder das gnädige Lächeln.
4) Das einfältige Lachen, welches man von dem aufgeweckten Lachen unterscheiden muß.
5) Das einbildliche Lachen, oder das Lachen einfältiger Personen.
6) Das höfliche Lächeln, welches die Mode eingeführt hat.

7) Das verächtliche Lächeln.


8) Das freye, aufrichtige und heitere Lachen, welches sich auf der ganzen Gesichtsbildung ausbreitet.


9) Das heuchlerische Lachen, oder das verstellte boshafte Lachen.

10) Das verbissene Lachen, welches man mit Gewalt zurückhält.

[61] 11) Das erzwungene oder mechanische Lachen, das durch das Kitzeln erzeugt wird.


12) Das bittere Lachen oder Hohngelächter, welches durch Verdruß, Rache, Widerwillen erregt wird, und mit einem heimlichen Vergnügen verbunden ist, und seinen Grund im Stolze hat.


13) Das anhaltende Lachen, wovon Homer redet, und dem man keinen Einhalt thun kann. 1 Dieses und das erzwungene Lachen sind unter dem Namen des Sardonischen Gelächters bekannt.


Ein Italienischer Sternseher wollte sogar die Gemüthsneigungen aus dem Lachen entdecken. Nach seiner Meinung lachen die sanguinischen Personen mit hi hi hi, die von cholerischem Temperamente mit he he he, die von phlegmatischem mit ha ha ha, und die melancholischen mit ho ho ho.

[62]
Fußnoten

1 Ein Beleg hierzu ist die Krankengeschichte eines Pater Priors eines gewissen Klosters bey Felix Plater obss. med. l. X. p. 167. Dieser hatte ein hitziges Fieber und lachte dabey ununterbrochen heftig. Man mochte ihm sagen, was man wollte, so schlug er immer ein lautes Gelächter auf, und lachte sich endlich zu Tode.

7. Die vier Temperamente
[63] 7.
Die vier Temperamente.

Aus der schola Salernitana. Frankfurt, 1582. 8.


Die vier Complex im Menschen sind
Der Erden gleich, Feuwer, Wasser, Wind.
Die erst Complex Sanguiner sind,
Beim Wein, Bulschufften man sie findt,
Seindt wol beliebt: könn Schimpf und Schertz,
Milt lustig und fast wol behertzt,
Seind rößlich, singen und lachen gern,
Gütig und gneigt zu neuwen Mehrn.
Die andern seind Cholerici,
Sie mein'n niemandt könnts baß denn sie,
Sie wachsen schnell und stehn nach Ehr,
Sie lernen baldt und essen sehr,
Milt, stoltz, falsch, tückisch, zornig, kühn,
Reich, mager, gelb und ungestüm.
Phlegmatici sinds dritt Geschlecht,
Feyst und grob, vernemen nicht recht,
Sind dick und kurz, und übn sich nicht,
Langsam und faul, zu schlaffn gericht.
Habn weiß Farb, steht jn nicht wol,
Seind unlustig und der Speichel vol.
[63]
Die vierdt Complex, Melancholey,
Macht boßhafft, traurig, still darbey,
Sie wachn und lern, getrawn nicht wol,
Sein Eigensinns, Forcht und neidts vol,
Seindt geitzig, karg, und nicht on list,
Ihr Farb fast schwartz und erdfarb ist.
8. Anwendung der Physiologie auf das kanonische Recht
8.
Anwendung der Physiologie auf das kanonische Recht.

»Quaternarius numerus bene congruit prohibitioni coniugii corporalis – – quia quatuor sunt humores in corpore, qui constant ex quatuor elementis.«


(Die gevierte Zahl schickt sich gut zum Verbot der leiblichen Verbindung, weil vier Feuchtigkeiten in dem Körper sind, welche aus den vier Elementen bestehen.)


Aus dem Päbstlichen Recht. Decretales Gregor. Corp. iur. Canon. L. IV. Tit. 14 et 15. Hal. 1747. p. 670.

9. Lebensumstände des Thomas Parre
[64] 9.
Lebensumstände des Thomas Parre.

Unter allen den Greisen, welche durch das hohe Alter, das sie erreichten, eine gewisse Celebrität erlangt haben, ist der Engländer Thomas Parre einer der berühmtesten. Seine Lebensumstände sind für den Naturkundiger eben so merkwürdig, als sie für seine Zeitgenossen interessant und belustigend waren.


Er wurde im Jahre 1483 zu Winnington im Kirchspiele Alderbery, in der Grafschaft Salop, gebohren; seine Eltern waren Bauern. Im Jahre 1543 gieng der Termin seines 30jährigen Pachtes zu Ende, da er 60 Jahre alt war, und er erneuerte ihn wieder mit seinem Pachtherrn, Lewis Porter, auf 20 Jahre. 1565, in seinem 82sten Jahre, heyrathete er zum erstenmale eine ledige Person, Johanne Taylor, welche 28 Jahre alt war und ihm einige Kinder gebahr, die aber jung wieder starben.


1564 erneuerte er mit dem Sohne seines alten Pachtherrn seinen Pachttermin auf 20 Jahre, und 1584 wiederum mit dem Enkel desselben. Von diesem letzten Termin an blieb er, ohne weitere Erneuerung, 51 Jahre in dem ungestöhrten Besitze seines Pachtguths. Gegen das Ende seines Lebens wünschte er den Termin, zu Gunsten [65] seiner zweyten Frau, noch einmal zu erneuern, allein sein Pachtherr, welcher der Urenkel seines ersten Pachtherrn war, schlug es ihm aus dem Grunde ab, weil er nun doch endlich ganz schwach und blind geworden sey, und nicht lange mehr leben könne. Er bediente sich deswegen einer List, welche ihm auch nach Wunsche gelang. Seine Frau sah einst den Sohn seines Pachtherrn, den jungen Eduard Porter, durch das Fenster, kommen, und als sie ihm dieses sagte, so ließ er sie geschwind eine Stecknadel neben seinem rechten Fuß in den Boden stecken. Nachdem der junge Herr in die Stube getreten war, und man sich gegenseitig bewillkommt hatte, rief er: Frau, ist das nicht eine Stecknadel, die hier neben meinem Fuße liegt? Ja freylich, erwiederte jene, und hob die Nadel, zum nicht geringen Erstaunen des jungen Porter, von dem Boden auf, welcher mit der Ueberzeugung davon gieng, daß der alte Mann doch nicht so blind und schwach sey, als man von ihm ausgebreitet habe.

In seinem 105sten Jahre, 1588, mußte er in der Kirche zu Alderbery öffentlich Kirchenbuße thun, weil er sich mit einem Mädchen außer der Ehe eingelassen und ein Kind erzeugt hatte.

Seine Frau überlebte diese sträfliche Untreue nicht lange, sondern starb wenige Jahre darauf. Er hatte sich entschlossen, Wittwer zu bleiben, vermochte aber nicht, den Versuchungen seines Fleisches länger zu widerstehen, und verheyrathete sich [66] zum zweytenmale in seinem 122sten Jahre mit Antonie Kloyd, mit welcher er 30 Jahre lang in einer sehr zufriedenen und vergnügten Ehe lebte.

Der alte Mann fieng nunmehr an, berühmt zu werden, und der Graf von Arundel beschloß, ihm nach London an den Hof zu bringen. Er folgte auch ohne Widerrede, und zog die Aufmerksamkeit, nicht nur des Hofes, sondern von ganz England, auf sich, und alles lief hinzu, um den Mann zu sehen, der nunmehr schon in drey Jahrhunderten gelebt hatte. Er wurde nunmehr aus der königlichen Küche gespeiset, und diese Kost, welche ihm im Anfange nicht schmecken wollte, behagte ihm bald so wohl, daß er sich den Magen überlud, und an den Folgen einer starken Unverdaulichkeit starb, den 5sten Nov. 1635.

Er hatte ein Alter von 152 Jahren 9 Monaten erreicht, und auch nach seinem Tode that man ihm, wegen dieser langen Reihe von Jahren, die Ehre an, daß man ihm sein Begräbniß in der Westmünsterabtey, unter den Großen der Nation, gab. Man sprach noch lange Zeit mit einer Art von Nationalstolz von ihm, und bey Gratulationen wurde es zur Gewohnheit, daß man sich the years of old Parre (die Jahre des alten Parre) wünschte.

Als ihn König Karl I. bey seiner Ankunft bey Hofe fragte: »Parre, du hast länger gelebt, als andere Menschen, was hast du mehr gethan, als andere?« so antwortete er, ohne sich zu bedenken: »als ich 105 Jahre alt war, that ich Kirchenbuße.«

[67] Man zergliederte ihn nach seinem Tode, und fand alle Eingeweide gesund und in natürlichem Zustande, und man sah aus der Beschaffenheit seines Körpers, daß er noch viele Jahre hätte leben können, wenn er allezeit seine einfache Kost, welche blos aus Milch, Brodt, Käse und Halbbier, und bey Festtagen aus Cyder bestand, beybehalten hätte. Sein Körper hatte ziemlich viel Fett, und war über und über mit Haaren bewachsen, so daß seine Haut einem Thierfelle glich. Er konnte noch 12 Jahre vor seinem Tode alle Arbeiten eines Landmanns, als Pflügen und Dreschen, mit Leichtigkeit verrichten, und leistete seiner Frau noch alle Pflichten eines Ehemanns. Das Letztere erhellt besonders aus dem Gektionsberichte des berühmten Harvey. 1

[68]
Fußnoten

1 Die hierher gehörige Stelle ist folgende: Genitalibus erat integris, neque retracto pene, neque extenuato, neque seroto distento ramice aquoso, ut in decrepitis solet, testiculis etiam integris, et magnis, adeo, ut non absimile vero fuerit, quod de eo vulgo praedicatur, eum nimirum post annum aetatis centesimum incontinentiae convictum poenas publice dedisse, quin neque uxor eius, quam anno aetatis suae centesimo et vigesimo duxerat viduam, ex percunctatione diffiteri pollet, cum cum ipsa rem habuisse, iuxta atque alli mariti solent, et usque ad duodecim annos retroactos solitum cum ea frequentasse congressum.

3. Diätetik
1. Fontenelle spürt die Wirkung des Caffee
1.
Fontenelle spürt die Wirkung des Caffee.

Es wollte jemand dem alten Fontenelle beweisen, daß der Genuß des Caffee höchst schädlich sey, und fieng deswegen eine weit ausgeholte Demonstration an. Als er damit zu Ende war, sagte Fontenelle: »ich glaube, daß Sie Recht haben, ich trinke nun siebenzig Jahre lang Caffe, und fange wirklich an, zu spüren, daß ich schwach werde.«

2. Methode, das Trinken abzugewöhnen
2.
Methode, das Trinken abzugewöhnen.

Ein Englischer Arzt war wegen seines bewährten Mittels, die Leute, die dem Trunke allzu sehr [69] ergeben waren, wieder zur Ordnung zurückzubringen, berühmt. Man bediente sich nah und fern seines Raths, bis man endlich auf seine Methode, die sehr natürlich war, verfiel. Er pflegte nämlich eine Portion Brechweinstein den Leuten unter ihrem Lieblingsgetränke beyzubringen, wovon die natürliche Folge war, daß sie sich heftig erbrachen, und auf lange Zeit einen großen Abscheu vor ihrem Lieblingsgetränke bekamen.

3. Verse von dem Wasser- und Weintrinken
3.
Verse von dem Wasser- und Weintrinken.

Reinhard's Bibelkranth. B.V. Cap. 32. Abschn. 615.


An Timotheus schrieb Paulus,
Laß das Wassertrinken seyn,
Wegen Schwäche deines Magens,
Trinke lieber mäßig Wein.
Allein
Hippokrat, den Kos verehret,
Zieht es gar dem Weine vor,
Wenn sein Aphorißmus lehret,
Προς φυρη πολλη ὑδωρ.
Und Galen de humido
Schreibt sehr klug und gründlich so:
Prodest aquae potio!
[70]
Celsus zeigt schon unterm Titel de Potationibus,
Durch ein ziemlich lang Capitel,
Daß man Wasser trinken muß.
Hermann Börhaav schreibet ja,
Aqua paullo frigida
Potio est optima.
Nur
Das warme Wasser raubt den Zäserchen die Kraft,
Die denenselbigen das Wasser doch verschaft.
4. Allegorie von den Wirkungen des Weins
4.
Allegorie von den Wirkungen des Weins.

Warlizii diatr. de morbis biblicis p. 96.


»Die Alten haben gedichtet, daß Noah, als er zuerst den Wein pflanzen wollen, vier Gruben gemacht habe, und in dieselben viererley Blut gethan, daher der Wein unterschiedene Wirkung habe. In die eine Grube habe er Schaaffs-Blut gethan, daher etliche, wenn sie getrunken, fromm und simpel werden, wie ein Schaaff, heilig und andächtig, klagen über die Welt, disputiren über die Religion, doch thäten sie es nüchtern nicht. In die andere Grube sey kommen Affen-Blut, daher sich etliche Trunkene närrisch zieren, singen, [71] springen, machen Boßen, da sie sonst nicht können drey zehlen. In die dritte Grube habe er gegossen Löwen-Blut, daher etliche bey dem Wein wüthen, rasen, sich schlagen und balgen. In die vierdte sey Schweins-Blut kommen, drum mache der Wein etliche zu Schweinen, sie legen sich wohin sie kommen und wälzen sich in allem Koth und Gespeyeten. Obgedachter Autor setzet noch die fünffte Grube hinzu, voll Ochsen- und Kälber-Blut, daher etliche so kälberten und blecketen.«


Eben dieses hat D. Vincentius Schmuck in seinerHistoria Noae p. 482.


In einem andern Buch (Misandri deliciae biblicae a. 1690. p. 483) ist die Trunkenheit nach allen Zeichen des Thierkreises auf folgende Art aus einander gesetzt.


1) Tritt die Trunkenheit in arietem oder Widder, wenn der Wein anfängt in der Stirne zu grüblen, alß wenn ihm Ameissen darinnen lieffen, und alß wenn ihm wollten Hörner aus der Stirne wachsen.


2) Dann kommt der Trunkene in taurum oder Stier, tunc pauper cornua sumit, der Arme wird kühn, zanket, stösset, schläget.


3) In die Zwillinge, da einer, wie die Kinder, wird, und dahlet, daumelt, kann weder stehen, noch gehen.


[72] 4) In Krebs. Er gehet mehr zurück, alß vor sich.

5) In Löwen. Da will er alles zerreisen, ist wie ein Löwe in seinem Haus. Ecclesiastic. c. 4. v. 35.

6) In die Jungfrau, die will er haben, löffelt, hertzet und verliebet sich gleich.


7) In die Wage, er weiß nicht ob er weiter trinken oder heimgehen soll, es steht alles bey ihm in der bilance, und er kann sich zu nichts resolviren.


8) In Scorpion. Die Gifft, die übermasse des Weins, tritt ihm zum Hertzen, alß ob er lauter gifft gesoffen hätte.


9) In Schützen, wenn er speyet und den Wein von sich schiessen lässet.

10) In Steinbock, da hüpffet er wie ein Bock, springt auf und nieder.

11) In Waßermann, er fodert Waßer, damit er den Durst und die Hitze möge löschen.


12) In Fisch, da leget er sich auf ein Ohr, und wirdmagis mutus, quam piscis, stock still, sagt kein Wort.

5. Nachricht von einer neuen Speise
[73] 5.
Nachricht von einer neuen Speise.

Aus Paullini Dreckapotheke.


»Der Reichthum unsrer Einheimischen Schätze ist in Wäld- und Feldern, in Grunden und Höhen, in Bächen und Ströhmen, in Ställen und Pferchen, in Pfützen und Misten, worunter der Koth den Voraus hat. Johan David Ruland, und ich mit ihm, zieht solchen vielen Gewürtzen, ja auch denen Wahren, so mit schwerem Geld aus entfernten Orten zu uns geschleppt werden, und vielen andern, sowohl vermischten als einfachen, Artzneyen vor, weil er versichert ist, daß er, wo nicht mehr, doch auch nicht geringere Wirkung habe. Drum Galenus recht und wohl sagt: Medicus sane optimus (gebt acht ihr Struntzer und Plauderärzte) ignorare non debet medendi rationem per stercora. Ein rechtschaffner Artzt muß mit Dreck auch wissen zu curiren. Wie gedachter Ruland, ein erfahrner, berühmter und zwiefacher geschickter Doctor, beydes der Philosophie als Medicin, auch Graff Steffan Bethlen von Ictar u.s.m. Medicus, annoch zu Wittenberg unter dem Weltberühmten Sennerten studierte, und einst vom Urin öffentlich disputierte, erinnerte jener, daß er die nützliche Lehre vom Dreck einst genauer untersuchen möchte, weil sehr [74] viele Heyl-Mittel darinn seckten. War ein heilsamer guter Rath. – Merkwürdig, daß etliche Thiere aus Trieb der Natur ihren Koth alsofort einscharren, und dessen Nutzen gleichsam den Menschen mißgönnen, wie Plinius von Pfauen meldet, und wir täglich an Katzen sehen. Ja wie begierig Hunde Katzen-Dreck wegfressen, habe neulich mit Verwunderung wahrgenommen. Kaiser Constantin im Register der drey und siebenzigste, hieß mit angehängtem Nahmen, weil er ein Liebhaber des Pferde-Drecks war, Caballin. Und, in reifer Erwegung des herrlichen Nutzens, so die weite Welt vom Urin und Koth hat, legten weiland die Römische Kaiser Zoll und Accisen drauf, wie von Vespasian und Anastasio bekandt. Es wird zwar einen äckeln, wenn er die Historien von Dreck-Fressern hören soll, doch muß ich sie erzählen. – 1 Solcher Schwein-Igel war auch jener Lottringer, der nichts liebers aß, als warme Kuh-Fladen. Jene Frantzösische Dame trug immerfort ihren Konfect, pulverisirten Menschenkoth bey sich und leckte die Finger darnach. Ein vierjähriger Knabe besudelte immerzu das Bett. Aus Furcht der Schläge fraß er seinen selbsteignen Koth rein auf. Nonnen machten ihren Kostgängerinnen [75] gerinnen weiß, alle die, so durch strenge mortification nur das geringste essen und sich fein daran würden begnügen lassen, müsten den Himmel zu Lohn haben. Unter solchen war eine Edle, aber albere Schwester, die ihren eignen Koth einschluckte, aber ziemlich krank davon ward. Ein Mahler zu Brüssel wurde toll, und liess in den Wald, wo er sich gantzer drey und zwantzig Tage mit seinem Mist beholffen hat. Jener fraß dergleichen, wie auch das, was die Stall-knechte von Pferden abstriegeln. Ein Thüringischer Graff hatte immerfort Dreck im Maul, so daß sein gemein Sprichwort war: si hoc fecero, mergar in latrina: thue ich das oder das, ey, so falle ich ins Häußle, wie auch endlich zu Erffurt geschach. Kaiser Commodus vermischte seine Speisen mit Koth, wie Hieron. Mercurialis meldet. Die Indianischen Benjanen Weiber, und andere, suchen, Kraft ihres Gelübdes, das beste und niedlichste aus Roß-Ochsen-Kuh- und anderm Koth, und schlingens hinunter. Andere, sonderlich im Königreich Boutan, würtzen ihre Speisen mit dürrem Menschenkoth, brauchen solchen an statt Schnup-tobacks, und mischen ihn, als eine rechte Panacée, unter alle ihre Artzneyen. Aber dergleichen Dreckfresser sind wir alle. Alle Speisen und Früchte sind mit allerley Thiere und Gewürme Unflat besudelt. Was vor Ungeziefer beschmeißt nicht das Garten-obst? Gehe doch zum Fleisch-bänken und siehe, wie heßlich die Fliegen [76] das Fleisch zurichten, ehe wirs in Topff werffen, und wenns schon etwas im Wasser abgespühlt wird, so ist doch solch Element vorhin mit allerley Unreinigkeit angefüllt, so daß man Dreck mit Koth nicht wol säubern kan. Kleine Fische essen wir mit Koth und allem, eben wie Krammets-vögel, und lecken die Finger darnach Fressen nicht alle Fische todte Aeser, wir die Fische, und folglich Dreck und alles? Dort sollte Ezechiel (4. v. 12) Gersten-kuchen mit Menschenmist backen. Alß er sich aber dessen beschwerte, ließ ihm der HErr Kuh-mist zu. Das Randglößlein sagt, er habe müssen kochen bey solchem Mist, wie die Holländer und andre beym Torff thun. Es roch aber die Speise nach dem Feur. Also musten zur Zeit der Belagerung Jerusalems die Männer, so auf der Mauren sassen, nebst andern, ihren eignen Mist fressen, und ihren Harn sauffen. Indessen haben nicht nur die vornehmste Aerzte, sondern auch Christus selbst, manchmal mit Koth grosse Wunder-curen gethan. Dort brachten sie einen Blind gebohren zum HErrn, und dieser spützte auf die Erde, und machte einen Koth aus dem Speichel, schmierte ihn auf des Blinden Auge, und sprach: Gehe hin zum Teich Siloha, und wasche dich. Er thäts, und kam sehend wieder. Einem andern curirte der liebe HErr mit bloßem Speichel. – Einem Schwein ist jeder Dreck angenehm, wir essens hinwieder, samt dem Unflat, und dünken uns gute Schnabelweide gehabt [77] zu haben. Von rotzichten Schnecken hie nichts zu gedenken. Wie manchem ist der Hünerpürtzel ein gemachtes Fressen? Fürsten und Herrn geben wir morsulos magnanimitatis, von Hahnen-Hasen-Fuchs-Sperlings-und andern Hoden bestehende, den Bettpruntzern Vulvam suillam, ja sagen wohl mit Horatio: vulva nil pulchrius ampla. 2 Summa: ein Mensch vom Scheitel biß zun Füssen, ist ein rechter Sack voll Dreck: eine Sau die sich immer im Koth weltzet.«

[78]
Fußnoten

1 Nun kommt eine Erzählung von einer schwangern Bäuerin, die, aus sonderbarem Appetit, den Koth ihres Mannes aß, oder, wie es heißt, »den frischen Rauch, den dieser ins Gras gelegt hatte.«

2 »Nichts über einen guten Schwartenmagen,« übersetzt es Wieland.

4. Zeichenlehre
1. Porzio's Stärke in der Urinbeschauung
1.
Porzio's Stärke in der Urinbeschauung.

Porzio, der zu seiner Zeit in Neapel als praktischer Arzt einen großen Ruf hatte, besuchte einst einen seiner Schüler, der, nach einer überstandenen hitzigen Krankheit, sich nun auf dem Wege der Besserung befand. Die Freunde des jungen Menschen, die in seinem Zimmer versammelt waren, hörten den Arzt kommen, und beschlossen, ihm einen Streich zu spielen, und einer der jungen Leute ließ zu dem Ende seinen Urin in ein Glas. Porzio kam, untersuchte den Kranken, fühlte den Puls, und nachdem er sich nach allen Umständen erkundigt hatte, gab er dem jungen Menschen die Versicherung, daß er unfehlbar bald genesen sey, und [79] in einigen Tagen werde ausgehen können. »Wollen Sie den Urin nicht besehen?« sagten die Freunde des Kranken. Daran liegt nichts, antwortete Porzio, wenn alle übrige Zeichen gut sind: doch, wenn Sie es wollen, so geben Sie ihn her. – Er sah den Urin: »das ist erstaunend, rufte er aus; das verstehe ich nicht; alle Anzeigen sind da, daß der Kranke außer Gefahr ist, und dieser Urin ist, wie von einem Menschen, der dem Tode ganz nahe ist.« Der Arzt gieng weg, und die jungen Leute trennten sich. Der, welcher den Urin gelassen hatte, kam nach Hause, er klagte über Uebelseyn, und starb plötzlich. 1

[80]
Fußnoten

1 Salzb. med. chir. Zeitung 1794. Nr. 33.

2. Eine Maxime bey der Urinbeschauung
[80] 2.
Eine Maxime bey der Urinbeschauung.

Ein Arzt, der seine Schüler blos am Krankenbette bildete, schärfte diesen vorzüglich die Regel ein, daß sie sich, bevor sie den Urin besähen, bey dem Bette umsehen sollten, ob sie nicht etwa Aepfelschalen oder andere Ueberbleibsel von Speisen, die der Kranke genossen hätte, entdeckten, und alsdann sollten sie aus dem Urine urtheilen, der Kranke habe von der Speise zuviel genossen. Einer [80] seiner Schüler, der eben zu prakticiren anfieng, befolgte diese Maxime treulich: er sah die Schalen von süßen Pomeranzen um das Bette liegen und urtheilte, der Kranke habe sich an Pomeranzen den Magen verdorben. Die Freunde des Kranken, welche die List merkten, beschlossen, bey dem Praktiker eine andere List zu gebrauchen. Dieser kam den folgenden Morgen und fand Eselmist um das Bette gestreut. Er besah den Urin, und fällte das Urtheil: der Kranke habe sich an Eselsfleisch überladen.


Als der Meister den Ausspruch hörte, brach er in die Worte aus: Asinus est, qui per asinum iudicat de urina (da urtheilt ein Esel von dem andern durch den Urin.)

3. List eines Harnpropheten
3.
List eines Harnpropheten.

Ein Bauer, der sich mit Ausübung der Arzneykunst beschäfftigte, erwarb sich durch seine große Kenntniß in dem Urinbesehen einen großen Namen, und aus entlegenen Gegenden kamen Leute, welche sich von ihm aus dem Urine wahrsagen ließen. Man staunte seine wundervolle Kunst an, und Niemand sah den Zusammenhang der Sache ein, bis endlich ein kluger Kopf die List des Harnpropheten entdeckte.


[81] Seine Wohnung war nämlich in dem Wirthshause des Orts, und seine Stube gerade über der Wirthsstube. Kamen Leute, welche sich seines Raths aus dem Urine bedienen wollten, so ließ er ihnen jedesmal sagen, daß er wegen vieler Geschäffte Niemanden vor sich lassen könne. Die Leute giengen nun in die Wirthsstube, und redeten gewöhnlich von ihren Kranken und von der Verordnung des Doktors, die sie erwarteten. Der Wirth pflegte sie auch wohl geflissentlich darauf zu bringen, und eine oder die andere Frage an sie zu thun. Der Harnprophet, welcher ihr Gespräch durch eine Oeffnung, die in dem Fußboden angebracht war, belauscht hatte, ließ sie darauf vor sich kommen, betrachtete den Urin, und gab ihnen alle Umstände an, die sowohl sie, als den Kranken, betrafen.

4. Ein Barbier kostet das Blut
4.
Ein Barbier kostet das Blut.

Ein Barbier ließ einem vornehmen Herrn zur Ader. Als die Aderlaß geendigt war, tauchte er seinen Finger in die Schüssel, worinn das Blut aufgefangen war. Er leckte zu wiederholten malen an dem Finger, und fällte endlich das Urtheil: »Ew. Excellenz haben sehr scharfes Blut; Sie müssen eine Blutreinigung gebrauchen.«

5. Krankheitsgeschichten und Kuren
1. Börhaave's Kur der epileptischen Kinder
1.
Börhaave's Kur der epileptischen Kinder.

In dem Waisenhause zu Haarlem, wo eine große Menge Kinder täglich beysammen war, befand sich eines derselben, welches in der Versammlung öfters Anfälle von Epilepsie bekam. Der Schrecken und die Kraft der Einbildung wirkten so heftig auf die übrigen Kinder, daß auch einige von diesen die Epilepsie bekamen, sobald das erste Kind seinen Anfall bekam. Täglich wurden immer mehrere epileptisch, bis sie zuletzt sammt und sonders, wenn eines den Anfang machte, in epileptische Zuckungen geriethen. Der Arzt des Waisenhauses vermochte dieser einreissenden Seuche keinen Einhalt zu thun; auch andere geschickte Aerzte wendeten alle Mittel [83] der Kunst vergebens an. Endlich, da weder medicinische, noch moralische Mittel etwas fruchten wollten, nahm man zu Börhaave seine Zuflucht, und sprach ihn um Rath und Hülfe an. Dieser erschien, da die Kinder an einem Morgen versammelt waren; mit der ihm eignen ernsten, strengen Miene trat er in den Saal, und ihm auf dem Fuße folgte der Scharfrichter mit allen bey der Tortur gebräuchlichen Instrumenten. Er fieng sogleich an, auf das heftigste zu zanken und zu schimpfen, er verwies den Kindern ihre Unart und häßliche Gewohnheit in den stärksten Ausdrücken und drohte, daß dasjenige, welches zuerst wieder die Epilepsie bekäme, von dem Scharfrichter, welchen er mitgenommen hätte, auf die Folter gespannt werden sollte. Der Scharfrichter mußte hierauf seinen furchtbaren Apparat vorlegen, und von jedem Stücke den Gebrauch erklären. Börhaave blieb während des ganzen Unterrichts in dem Saale gegenwärtig, und setzte sich an einen erhöhten Ort, wo er alle Kinder übersehen konnte, und beobachtete sie mit Adlersaugen. Als er weggieng, sagte er dem Lehrer, daß, sobald ein Kind es sich wieder einfallen lassen sollte, die Epilepsie zu bekommen, er ihn möchte rufen lassen; er würde sogleich kommen, und es von dem Scharfrichter auf das grausamste foltern lassen. Zugleich befahl er, daß man dasjenige Kind, welches zuerst die Krankheit in die Schule gebracht habe, ausschließen sollte.


[84] Diese List hatte den herrlichsten Erfolg. Der fürchterliche Mann schwebte den Kindern immer vor Augen, und so, wie der Schrecken und die Kraft der Einbildung die Krankheit verursacht hatten, so waren sie auch der Weg, sie zu heilen.

2. Kur der Impotenz
2.
Kur der Impotenz.

Als der Sohn Rudolphs von Habsburg, Graf Hanß, sich verehlichen wollte, mußte er vorher, weil man ihn für untüchtig zum Ehestande hielt, mit seiner Braut, einer Tochter des Grafen von Rappotstein, nach der Gewohnheit der damaligen Zeiten, die Probenächte halten. Er beschlief sie länger, als ein Vierteljahr, allein es entstand bey ihr keine Schwangerschaft, und der Vater der Braut wurde dadurch bewogen, den ganzen Handel aufzusagen. Er erbot sich, dem Grafen Hanß andere Dirnen vorzustellen, bey welchen er sein Glück versuchen sollte; allein dieser weigerte sich, die Probe zu bestehen. Seine Verwandten brachten ihn vielmehr nach Straßburg zu einem berühmten Arzte, welcher in Heilung von Gebrechen dieser Art für sehr geschickt gehalten wurde. Dieser nahm ihn in die Kur und, wie es in der Urkunde heißt:


[85] »er satzte ihn in ein Bad und 'hink im an sein Ding viel Bleyges (Bley) wol funfzig Pfund schwer, und pflasterte ine, als mennlich seitt.«


Aber alle Mittel, ihn tauglich zum Ehestande zu machen, blieben fruchtlos.

3. Rasis erweckt einen Todten
3.
Rasis erweckt einen Todten.

Der Arabische Arzt Rasis gieng einst über die Straße, und fand eine Menge Menschen versammelt, welche um jemanden, der eben todt niedergefallen war, herumstanden. Er untersuchte den Todten sorgfältig, und, nachdem er die Umstehenden gefragt hatte, ob sie ihm in seinem Verfahren folgen wollten, versprach er, daß er den Todten wieder ins Leben zurückrufen wollte. Er ließ sich hierauf einen Bündel mit Ruthen bringen, theilte diese aus und sagte, daß alle auf den Todten hauen sollten. Er fieng zuerst die Operation an, und alle Umstehende halfen treulich. Der Erfolg war so erwünscht, daß der Todte sich bald ermunterte, und um Schonung bat.

4. Wundersame Geschichte eines Bisses von einem tollen Hunde
[86] 4.
Wundersame Geschichte eines Bisses von einem tollen Hunde.

Zacutus Lusitanus erzählt, daß er einen jungen Menschen, der auf der Straße von einem tolten Hunde sey gebissen worden, in die Kur bekommen habe. Dieser habe sich in der Nacht aus seinem Bette losgerissen, habe seine drey Wächter gebissen, und diese seyen sogleich in derselben Nacht sämmtlich toll geworden. Sie hätten sich untereinander angebellet und gebissen, und innerhalb 24 Stunden seyen sie alle, da man die Thüre fest verschlossen hätte, todt gewesen.

5. Wirkung des tollen Hundsbisses
5.
Wirkung des tollen Hundsbisses.

Der Arabische Arzt Alsaharavi erzählt, daß er einen Mann in die Kur bekommen habe, welcher eine entzündete Stelle am Fuße, mit allen Zufällen der Wasserscheu begleitet, gehabt habe, welcher auch glücklich durch ihn geheilt worden sey. Er leitet seine Krankheit davon her, daß dieser Mann in seiner Kindheit, vor vierzig Jahren, von einem tollen Hunde gebissen worden sey.

6. Kurarten von Petrus Hispanus
[87] 6.
Kurarten von Petrus Hispanus. 1

Um das Wachsen der Haare zu verhindern, empfiehlt er vorzüglich Fledermausblut, Laubfroschblut, Schildkrötenblut, Ameiseneyer, gequetschte Blutegel aufzustreichen; ferner Johanniswürmer, Asche von Storchsknochen; pulverisirte Edelsteine.


Gegen die Lethargie dienen der Rauch von den verbrannten Haaren des Kranken, oder von Bocksleder; ferner Schildkrötenblut dem Kranken auf die Stirne gestrichen, eine Schweinslunge auf den Kopf gebunden, wobey die Haare abgeschoren werden müssen, das Herz und das Auge einer Nachtigall um den Hals gebunden, Galle von einem Kranich in einem bleyernen Gefäße erwärmt und auf den Kopf gestrichen, ein Fledermauskopf in einem schwarzen Tuche um den rechten Arm gebunden, ein Hasenfell sammt den Klauen und Ohren verbrannt, und es dem Kranken in warmen Wasser eingegeben.


Die Epilepsie vertreiben das Herz und das Horn von einem Hirsch, Fuchshirn, die Hoden von [88] einem wilden Schwein oder von einem Widder, Bärenhoden und Bärengalle, Pferdemilch, Hoden von einem Hahn, Bockslunge, Rabeneyer, Storchsmist, Storchsherz, Wolfsherz, gebrannte Menschenknochen, ein Gürtel von Bockleder, Maulwurfsasche, Wieselasche, Wieselblut, Blut von einem ganz weißen Lamm, Geyerleber, der Nabel von einem Meerigel, Leber von einem Waldesel, Hasenblut, Blut von einem jungen Schweine, das das erste und einziggebohrne ist, gebratene Maus, Kameelgehirn, Hundshaare, gepülverte Spinnen mit Hundskoth. Wer die Namen Caspar, Melchior, Balthasar mit sich herumträgt, bleibt frey von der Epilepsie.


Um einen Bauchfluß zu erregen, thut man den Koth des Kranken in einen hohlen Menschenknochen, wirft diesen in einen Fluß, und so lange dieser darinn liegt, behält der Kranke den Bauchfluß.


Bey der Unfruchtbarkeit der Weiber helfen die gebratenen weiblichen Geschlechtstheile eines Haasen, der rechte Hoden einer Wiesel, der Geifer von einem Haasen, der eben Kraut gefressen hat, Urin von Elephanten, gebrannte Bockshoden.


Und doch versichern die Geschichtschreiber, daß dieser Peter ein besserer Arzt, als Pabst, gewesen sey.

[89]
Fußnoten

1 Dem nachmaligen Pabst Johann XXI. Er schrieb einen thesaurus pauperum (Schatz der Armen.)

7. Einige Kurarten von Gilbertus Anglicus
[90] 7.
Einige Kurarten von Gilbertus Anglicus.

Wenn ein Mensch an dem Todesschlafe (lethargus) darniederlag, so suchte Gilbert diesen dadurch zu heben, daß er ein Schwein an das Bett, worinn der Kranke lag, anbinden ließ.


Im Schlagflusse hielt er es für das beste, ein Fieber zu erregen, und in dieser Absicht verordnete er Löwenfleisch, Scorpionöl und Ameiseneyer, unter einander gemischt.


Den Stein trieb er mit dem Blute eines Böckchens ab, welches blos mit harntreibenden Kräutern, besonders Petersilie und Steinbrech, gefüttert worden war.


Ungeachtet er, wie er sagt, gar nichts von abergläubischen Mitteln hält, so giebt er doch als Kur des männlichen Unvermögens an, daß man ein Papier an den leidenden Theil anhängen solle, worauf mit dem Safte der Wallwurzel (consolida maior) folgendes geschrieben wäre: † Dixit Dnns crescite † Uthihoth † et multiplicamini † Thabechay † et replete terram † Amath †


(Der Herr hat gesagt, wachset und mehret euch; und füllet die Erde.)

8. Glückliche Heilung des viertägigen Fiebers
[90] 8.
Glückliche Heilung des viertägigen Fiebers.

Seneca erzählt in seinem Buche von den Wohlthaten B. 6. Cap. 8. daß man oft, ohne sein Wissen und Willen, Wohlthaten empfange. Ein kränklicher Mensch habe einst eine tüchtige Tracht Schläge bekommen, und von der Stunde an sey er von dem viertägigen Fieber, das ihn lange zeit äußerst geplagt habe, befreyet worden. Ein anderer Schwächling sey in einen Fluß gefallen, und von dieser Zeit an sey er gesund worden.

9. Heilungen der Wassersucht
9.
Heilungen der Wassersucht.

Ein Wassersüchtiger, der wegen der großen Menge Wassers, die sich bey ihm angesammelt hatte, in Gefahr zu ersticken war, schlief einst in einem Winkel neben seinem Ofen ein. Was für jeden andern ein großes Unglück gewesen seyn würde, war sein Glück. Er verbrannte sich die Füße, und da diese gegen Schmerzen solcher Art unempfindlich waren, schlief er ungestöhrt fort, während das Wasser an der verbrannten Stelle herauslief. Endlich erwachte er, und war in dem größten Erstaunen, daß er sich von einem Uebel [91] befreyet sah, welches die Aerzte für unheilbar erklärt hatten.


Eine andere Frau, welche die Wassersucht hatte, schnitt sich die Nägel an den Füßen ab, und verwundete sich dabey an der kleinen Zehe so sehr, daß das Wasser, welches die Ursache ihrer Krankheit war, herauslief, und sie sich recht leicht und wohl befand.

10. Monument einer Wassersüchtigen
10.
Monument einer Wassersüchtigen.

Eine vornehme Wittwe in England bekam in ihrem ein und funfzigsten Jahre die Bauchwassersucht. Man zapfte ihr das Wasser ab, sah sich aber bald genöthigt, da das Wasser sich immer wieder von neuen sammelte, die Operation zu wiederholen. Auf diese Art zapfte man, innerhalb einem Jahre, jeden Monat 44 Pfund nach dem Maasgewichte, an Feuchtigkeit von ihr ab. Im folgenden Jahre ließ man ebenfalls jeden Monat eben so viel Wasser weg, so daß man berechnete, daß sich jede Woche zwölf Pfund Wasser im Unterleibe sammelten. Im dritten Jahre fieng die Menge des ausfließenden Wassers an, sich zu vermindern, so daß man alle Monate nur 24 Pfund davon sammeln konnte. Im vierten und fünften, [92] wie auch die ersten sieben Monate des sechsten Jahres, zapfte man ihr das Wasser dreyßigmal ab, erhielt aber nie mehr auf einmal, als 16 Pfund. In der Zwischenzeit der Operation war sie immer lebhaft und munter, sie nahm und gab häufig Besuche, besuchte Bälle, tanzte und machte sich allerley Vergnügungen. Doch spürte sie in dem sechsten Jahre starke Entkräftung, schweren Athem und zuweilen Ohnmachten. Sie wurde daher ihres Lebens und der Kur ihrer Krankheit überdrüßig, ließ sich nicht mehr abzapfen, und starb eines sanften Todes. In ihrem Testamente verordnete sie, daß die Umstände ihrer Krankheit auf dem Epitaphium kürzlich angeführt werden sollten. Man findet dieses Monument noch heutzutage außerhalb der Stadt London in der Gegend, welche Buehilfeilds genennt wird.


Here lies Dame Mary Page,

Relict of Sir Gregory Page Baronet.

She departed this life March IV. MDCCXXVIII.

In the LVI year of her age.

In LXVII months she was tapped LXVI times,

Had taken away CCXL Gallons of wather,

Without ever repining at her case,

Or ever fearing the operation.


(Hier liegt Frau Maria Page, Wittwe des Herrn Baronets Gregorius Page. Sie verließ dieses Leben den vierten Merz 1728, [93] in dem 56sten Jahre ihres Alters. In 67 Monaten ist sie 66mal angestochen worden, und im Ganzen sind 240 Gallonen 1 Wasser von ihr weggegangen, ohne daß sie jemals über ihren Zustand geklagt, oder jemals die Operation gefürchtet hätte.)


Mead mon. et praec. med.

[94]
Fußnoten

1 Eine Gallone beträgt 8 Pfund. Ueberhaupt also sind von der Frau beynahe 6 Ohm oder 2000 Pfund Wasser weggegangen.

11. Wunderbare Heilungen durch einen Zufall
[94] 11.
Wunderbare Heilungen durch einen Zufall.

Ein Bauer, der an einem hitzigen Fieber darniederlag, bekam einen heftigen Appetit, ein großes Gefäß voll Lauge, das sich in seinem Zimmer befand, zu kosten. Er faßte es an, und trank es bis auf den Grund aus. Es erfolgte ein heftiger Schweiß, Brechen, Durchfall, ein Trieb auf den Urin, und nachdem man ihm auf diese gewaltsamen Ausleerungen eine Herzstärkung gereicht hatte, war er genesen.


Ein Mädchen, das an einem viertägigen Fieber heftig litt, nahm sich vor, sich durch Hunger [94] umzubringen, da sie kein Arzt von dem Fieber befreyen konnte. Sie genoß nichts, als täglich zwey Loth Brodt und ein Glas Wein. Bey dieser Lebensart fieng sie nach einiger Zeit an, sich besser zu befinden, sie änderte darauf ihren Entschluß, und erhielt mit leichter Mühe ihre Gesundheit wieder.


Ein bekannter Arzt erzählt eine Geschichte, daß einer seiner Vorfahren, ehe man die Chinarinde kannte, an einem kalten Fieber heftig gelitten habe. Plötzlich habe er einen heftigen Appetit nach Urin bekommen, und seinen angefüllten Nachttopf ganz ausgeleeret. Es sey hierauf ein starkes Brechen, Purgieren und Abgang des Urins erfolgt, und er sey völlig genesen.

12. Ein Todesschrecken giebt die Gesundheit wieder
12.
Ein Todesschrecken giebt die Gesundheit wieder.

In dem siebenjährigen Kriege befand sich zu Schweidnitz, zur Zeit, da diese Stadt unter den Befehlen des General Laudon überrumpelt wurde, ein gewisser S., welcher beständig krank war, und bey dem alle Medicamente nur Palliative waren. Während der Einnahme und Plünderung der Stadt, da alles in der größten Verwirrung war, hatten ihn seine Aerzte ganz verlassen: er lag einsam [95] in seinem Bette, und da er keine Arzney mehr einzunehmen hatte, glaubte er fest, daß er bald werde sterben müssen. Eine Menge Oestreichischer Soldaten kam nach und nach in sein Zimmer, und plünderte ihn rein aus, so daß er nicht das geringste mehr von seinen Sachen übrig behielt, selbst sein Bett nahmen sie ihm weg. Da alles geraubt war, stieg noch ein Soldat auf einen Stuhl, und schnitt die weißen Vorhänge von den Fenstern ab. Ein anderer Oestreichischer Soldat, der dieses von der Straße sah und glaubte, daß der Hausbesitzer eben jetzt seine Kostbarkeiten in Sicherheit bringen wollte, schoß zum Fenster hinein, und traf seinen Kameraden auf die Stirne, so daß er sogleich todt vom Stuhle fiel. Der, welcher den Schuß gethan hatte, eilte schnell ins Zimmer, um darinn für sich zu plündern. Da er aber seinen erschossenen Mitsoldaten erblickte, auch das Zimmer ausgeleert fand, eilte er sogleich weg. Es kam hierauf noch ein Oestreicher in das Zimmer, da der Kranke auf dem bloßen Stroh lag, und forderte Geld von ihm. Da der Kranke sich damit entschuldigte, daß ihm alles genommen sey, lud der Soldat sein Gewehr, und sagte kaltblütig zu ihm: weil du nichts mehr in der Welt hast, so bist du auch nichts in der Welt mehr nütze. Er spannte den Hahn, und legte die Flinte auf den kranken Mann an. Dieser, da er den Ernst und die Entschlossenheit des Soldaten sah, befahl seine Seele Gott, und erwartete sein augenblickliches Ende, indem er die [96] Augen fest zuschloß. Als aber kein Schuß erfolgte, schlug er nach einiger Zeit die Augen wieder auf: er sah keinen Feind mehr vor sich, und dankte Gott für seine Rettung. Am Abend gieng die Plünderung zu Ende, und der Kranke brachte bey dem erschossenen Soldaten eine grausenvolle Nacht zu. Am andern Morgen machte man die Entdeckung in dem Zimmer, und eine abgeschickte Commission von Officieren erkannte einstimmig, daß er für den Thäter zu halten sey, und daß er sich anschicken solle, am folgenden Morgen arquebusirt zu werden. Zu großem Glücke meldete sich noch ganz kurz vor der Vollziehung des Urtheils ein Officier, welcher bezeugte, daß er gesehen habe, wie ein Soldat von der Straße in das Fenster auf den andern, der mit Abschneiden der Vorhänge beschäfftigt gewesen sey, geschossen habe. Auch in der Fensterscheibe fand man ein sternförmiges Loch, wo die Kugel durchgegangen war, welches die Aussage noch mehr bekräftigte. Der Kranke wurde losgesprochen, und entgieng auch diesesmal der Todesgefahr.


Er hatte von diesem Tage an durch die überstandene vielfache Alteration und Todesangst seine Kränklichkeit verloren, und lebte noch lange Zeit.

13. Ein Sterbender aus Einbildung
[97] 13.
Ein Sterbender aus Einbildung.

Ein Knabe von dreyzehn Jahren fieng an, ohne daß man die geringsten Spuren von Krankheit an ihm wahrnehmen konnte, sich zum Tode zu bereiten, und behauptete fest, daß er nach acht Tagen, an einem bestimmten Tage, Morgens um 9 Uhr, werde sterben müssen. Seine Eltern und Bekannten suchten ihm seinen Wahn zu benehmen, und suchten alle Gründe von der Welt auf: aber umsonst. Er gieng mit nichts, als Todesgedanken um, ordnete an, wie es nach seinem Tode mit seinen Sachen gehalten werden sollte, und erwartete standhaft und zuversichtlich den Tag und die Stunde seines Todes. Der Arzt, den man wegen dieses sonderbaren Vorfalls zu Rathe zog, fand die Sache etwas bedenklich, und befürchtete, da er die große Macht der Einbildung auf den Körper kannte, einen schlimmen Ausgang. Er versuchte deswegen seine Kunst bey ihm, und gab ihm ein heftiges Brech-und Purgiermittel ein, um ihn durch eine gewaltsame Erschütterung von den Sterbensgedanken abzubringen. Hierauf ließ er ihm ein starkes Zugpflaster von Spanischen Fliegen auflegen. Aber alle Wirkungen dieser Mittel waren bey ihm umsonst, und der schreckliche Tag war ganz nahe, ohne daß er im geringsten von [98] seiner Vorstellung abgekommen wäre. Endlich fiel der Arzt, da alle Mittel bey dem Kranken umsonst waren, auf den Gedanken, ihn durch eine List zu hintergehen. Er brachte ihm wenig Stunden vor seinem erwarteten Ende eine reichliche Gabe Mohnsaft bey, und diese wirkte so trefflich, daß er in einen starken Schlaf verfiel, und zwo Stunden länger, als die gefürchtete neunte Stunde, schlief. Da er hierauf erwachte, und auf einmal an dem Zeiger seiner Uhr sah, daß er die Stunde verschlafen habe, auch seine Freunde und Schulkameraden um sein Bette erblickte, welche ihn mit großem Gelächter versicherten, daß die Gefahr nun völlig vorüber sey, stand er voller Schaam von seinem Bette auf, und war von der Stunde an von seiner Einbildung geheilt.

14. Heilung eines starken Frostes
14.
Heilung eines starken Frostes.

Ein Melancholischer hatte es sich in den Kopf gesetzt, daß er beständig einen heftigen Frost litte, und ließ sich daher auch im heißesten Sommer stark einheizen: man mußte ihn sogar binden, damit er sich nicht lebendig bratete. Die List eines Arztes befreyte ihn von seiner Einbildung. Dieser gab ihm völlig Beyfall, und sagte, es sey in der That sehr kalt, und er müsse einen dicken Pelz anziehen. [99] Zugleich gab er ihm innerlich eine starke Portion Weingeist, und ließ in dem Ofen ein großes Feuer anmachen. Der Kranke schrie hierauf vor Freuden und sagte, daß es ihm nun so wohl sey, als es ihm niemals gewesen wäre. Endlich aber sprang er auf und rufte: es sey ihm zu heiß, und er müsse verbrennen. Nun war er geheilt.


Zacutus Lusit. prax. med. admir. l.I. obs. 44.

15. Sonderbare Einbildung von Melancholischen
15.
Sonderbare Einbildung von Melancholischen.

Ein Melancholischer, der in allen übrigen Stücken vernünftig war, bildete sich ein, daß er eine gläserne Nase habe, und getraute sich daher nicht, sie anzurühren, und sich der Hitze oder Kälte auszusetzen. Ein Anderer glaubte, daß er gläserne Füße habe, und gieng deswegen immer sehr langsam und bedächtlich, aus Furcht, sie zu zerbrechen.


Börhaave kannte einen Menschen, welcher sich überzeugt glaubte, daß seine Füße Strohhalmen seyen, und welcher aus diesem Grunde niemals ausgieng.


[100] Weigel hatte einen Freund, welcher sich einbildete, er sey ein Hahn, und deswegen krähte er beständig, und gieng in der Einsamkeit herum, aus Furcht, man möchte ihn schlachten.


Caspar Barläus bildete sich ein, er sey von Butter, er hütete sich deswegen vor jeder Wärme, weil er fürchtete, zu zerschmelzen.


Der Dichter Pascal gerieth auf die Einbildung, es sey ein feuriger Abgrund neben ihm: er getraute sich deswegen nicht, sich von der Stelle zu bewegen, aus Furcht, er möchte hineinstürzen.


Ein anderer stand in dem Wahn, daß er so dick und breit sey, daß er schlechterdings nicht aus der Thüre seines Zimmers hinaus kommen könne. Da alle beygebrachte Gründe und gütliche Vorstellungen vergebens waren, packte man ihn mit Gewalt an, um ihn durch die Thüre durchzubringen, und ihn durch den Augenschein von seiner Einbildung zu überführen. Er schrie heftig, und wehrte sich, wie ein Verzweifelnder; und zuletzt, da man ihn in die Thüre gebracht hatte, that er einen lauten Schrey, und verschied.


Wiederum ein anderer glaubte überzeugt zu seyn, wie Zimmermann erzählt, daß er ein Gerstenkorn sey, und war deswegen auf keine Weise zu bewegen, auf die Straße zu gehen, weil er sich fürchtete, von einem Huhn gefressen zu werden.


[101] Ein Melancholischer entlief seinen Wächtern. Nachdem man ihn an allen Orten vergeblich gesucht hatte, fand man ihn am siebenten Tage auf dem Glockenthurme unter einer Glocke sitzen, und ungeachtet er ganz schwach und abgezehrt war, weigerte er sich hartnäckig, seinen Platz zu verlassen, weil er eine Glocke sey, und die Uhr anschlagen müsse.


Ein anderer hatte die närrische Einbildung, er sey Gott der Vater. Er war in allen übrigen Stücken so vernünftig, daß die Aufseher des Narrenhospitals, in dem er sich befand, ihm seine völlige Freyheit ließen, und ihm sogar erlaubten, die Fremden, welche das Hospital besehen wollten, herumzuführen. Er verwaltete auch dieses Amt zu jedermanns Zufriedenheit, und wußte die Geschichte eines jeden Verirrten genau und zusammenhängend zu erzählen. Zuletzt kam er allemal an einen, der, wie er sagte, der größte Narr unter allen sey. Denn, erzählte er, er giebt sich für Gott den Sohn aus, und ich müßte dieses doch am besten wissen, denn ich bin Gott der Vater.


Ein anderer in einem Narrenhospitale, der in allen Stücken ganz vernünftig war, bekam jeden Nachmittag, sobald die Glocke vier schlug, seinen Anfall von Wahnsinn. Er pflegte alsdann einem Esel, den er jedesmal in dem Hofe fand, die Füße zu waschen und rein zu putzen. So lange er seinen [102] Esel hatte, war er zufrieden, und that Niemanden etwas zu Leide. Fand er diesen aber nicht, so bekam er die allerstärksten Anfälle von Muth. In Tristram Shandy's Leben und Meinungen kommt eine ähnliche Geschichte vor, mit der kleinen Abänderung, daß er dem Esel die tauben Haare mit den Zähnen ausgebissen habe.

16. Ein entsetzlich großer Wurm
16.
Ein entsetzlich großer Wurm.

In den Historie de l'academie de Paris, 1707. p. 9 kommt eine Beobachtung von Homberg vor, daß ein junger Mensch, den er wohl gekannt habe, und der sich übrigens wohl befand, vier bis fünf Jahre ununterbrochen, jeden Tag einen Abgang von einem fünf bis sechs Ellen langen Stück von einem sehr großen Wurme durch den Stuhl gehabt habe.

17. Sonderbare Kur des Podagra
17.
Sonderbare Kur des Podagra.

Ein Mann, der heftig am Podagra litt, war, weil er wirklich unvermögend dazu war, oder weil seine Schmerzen und seine Einbildung ihn daran hinderten, seit langer Zeit nicht von seinem Stuhle [103] aufgestanden. Einer seiner Freunde verfiel auf den Gedanken, auf eine gewaltsame Art die Heilung zu versuchen. Er kam auf einmal mit vieler Heftigkeit und Geschrey in das Zimmer gelaufen, in welchem sich der Kranke befand, und rufte, es sey ein toller Hund da! Nachdem er sich kurze Zeit nach einer Zuflucht umgesehen hatte, öffnete er das Fenster, und sprang, da es nicht hoch von der Erde war, in den Garten hinunter. Der Kranke, den augenblicklich die heftigste Furcht überfiel, bedachte sich nicht lange, und folgte glücklich nach. Zum Unglück aber war unter dem Fenster ein Springbrunnen mit einem breiten Bassin, in welches er hineingerieth. Die Noth lehrte ihn, auch hier, wenn er nicht ertrinken wollte, sich herauszuarbeiten, welches ihm nach vieler Mühe gelang. Die große Alteration und die heftige Anstrengung hatten einen so erwünschten Erfolg auf seine Gesundheit, daß er sich von der Stunde an von seinem Podagra befreyt fühlte.

18. Eine andere Kur des Podagra
18.
Eine andere Kur des Podagra.

Eine Kanonenkugel flog bey der Belagerung von Siena im Jahre 1555 nahe bey einem gewissen Marquis von Marignac, der am Podagra lahm war, vorbey und beschädigte sein Zimmer. [104] Er gerieth darüber so sehr in Schrecken, daß er das Podagra verlohr und weit weglief.

19. Die dichterische Wuth
19.
Die dichterische Wuth.

Nietzky in seiner pathologia universa hat, wie ich schon oben anführte, 1 unter den Gattungen von Raserey, die er aufzählt, auch die dichterische. »Furor poeticus est mania, quatenus connexa, cum insigni promtitudine, verba cogendi in numeros.«


(Die dichterische Wuth ist eine Raserey, insofern sie zusammenhängend ist, mit einer großen Fertigkeit, die Wörter in ein Sylbenmaas zu zwängen.)


Etwas gelinder drückt sich Platner aus, in seinerars medendi: »maniaci siunt poetae, furore agitati, fanatici, qui per stultitiam salutem aeternam quaerunt, qui lectione fabularum romanensium phantasiam laedunt.«


(Rasend werden die Dichter, wenn sie von ihrer Wuth beseelt sind, die Schwärmer, die thörichter Weise dem ewigen Heil nachstreben, und die, welche durch Lesen von Romanen ihre Einbildungskraft schwächen.)

[105]
Fußnoten

1 Th 2. S. 122.

20. Die Häßlichkeit des Aussatzes
[106] 20.
Die Häßlichkeit des Aussatzes.

Ludwig der Heilige, König von Frankreich, legte einem seiner Günstlinge, Jean de Joinville, Senechal von Champagne, die Frage vor, welches von beyden er lieber seyn wolle: »mezeau et ladre, ou avoir commis un pechié mortel?« (Räudig und aussätzig, oder eine Todtsünde begangen haben.) Die Wahl war gewiß schwer. Der Ritter aber hatte das Leben, in dem er sich so wohl befand, zu lieb, und der Aussatz dünkte ihm eine zu gräßliche Krankheit, als daß er lange hätte zweifelhaft seyn können. Er antwortete deswegen, ohne sich lange zu bedenken, er wolle lieber das Glück von jenem Leben daran setzen: que j'aimerois mieux avoir fait trente pechiés mortels, qu' etre mezeau (ich will lieber dreysig Todtsünden begangen haben, als aussätzig seyn.) Allein der fromme König strafte ihn, indem er sagte: que nulle si laide mezellerie n'est, comme d'erte en pechié mortel (daß kein Aussatz so häßlich sey, als eine Todtsünde.)

21. Wirkung eines heftigen Zorns
21.
Wirkung eines heftigen Zorns.

Ein gewisser Schweizerischer Edelmann heyrathete eine junge reiche Wittwe, und der Tag [106] der Hochzeit war festgesetzt, als zwischen der Braut und ihren Brüdern wegen der Mitgift ein heftiger Streit entstand. Sie gerieth so sehr darüber in Zorn, weil ihr ihre Brüder im Wege waren, daß sie ihrem künftigen Ehemanne nicht so viel, als sie wünschte, verschreiben konnte, daß sie bey dem Hochzeitschmause nichts aß, und sich noch im stärksten Zorne mit ihrem neuen Ehemanne in die Hochzeitkammer begab. Allein sie starb noch in derselben Nacht unter den heftigsten Zuckungen. Es entstand deswegen von neuem ein Streit zwischen den Brüdern und dem Bräutigam, und jene wollten sich gar nicht dazu verstehen, etwas abzugeben, weil, wie sie sagten, die Hochzeit noch nicht vollzogen gewesen sey. Andere sagten, er habe in der kurzen Zeit unmöglich die eigentlichen Rechte eines Ehemanns ausüben können: und einige behaupteten, daß sie von der allzu heftigen Anstrengung dabey gestorben sey. Der Ehemann beobachtete über diesen Punkt ein tiefes Stillschweigen und erhielt als Brautschatz von den Brüdern tausend Gulden.


F. Plater obss. med. l. I. p. m. 37.

22. Ein Vorschlag zu Verhütung des gelben Fiebers zu Philadelphia
22.
Ein Vorschlag zu Verhütung des gelben Fiebers zu Philadelphia.

Als 1793 und 1794 das gelbe Fieber zu Philadelphia und der umliegenden Gegend die größten [107] Verwüstungen anrichtete, machte ein Quacksalber, Namens Kalterfello, durch öffentlichen Anschlag bekannt, daß er, neben andern bewundernswürdigen Entdeckungen, auch ein Modell zu einem Blasebalg erfunden habe, womit er über das große Atlantische Meer blasen, und alle die kleinen Thierchen in der Luft tödten wolle, welche zu Philadelphia das gelbe Fieber verursachten. (To blow over de gread Adlandic, and kill all the animalcules in de air at Philadelphia, dat does pring de yellow fever.) – Dieses waren seine eigenen Worte.


Salzb. med. chir. Zeit. 1794. Nr. 49.

23. Heilung eines Nachtwandlers
23.
Heilung eines Nachtwandlers.

Ein Mann in Norwegen, der nicht weit von dem Meere wohnte, pflegte in jeder Nacht aus dem Bette aufzustehen, sich in ein Boot, das an der See stand, einzusetzen, und eine Zeit lang in demselben spazieren zu fahren, ohne daß er am Morgen etwas davon wußte. Man wendete alle ersinnliche Mittel an, um ihn von seiner nächtlichen Spazierfahrt abzubringen: aber alle schlugen fehl. Unter andern schickte man ihn auch nach Holland zu dem berühmten Börhaave, welcher ihn lange [108] Zeit, mit eben so wenig günstigem Erfolge, in der Kur hatte. Endlich gab jemand einen Anschlag, der die beste Wirkung von der Welt hatte. Man stellte eine große Badewanne, mit kaltem Wasser gefüllt, vor sein Bette, so daß er, wenn er herausgehen wollte, mit den Füßen in das kalte Wasser treten mußte. Die unangenehme Empfindung der Kälte, und die schnelle Abwechselung mit der Bettwärme, schlugen so gut bey ihm an, daß er seine nächtliche Wanderschaft gänzlich einstellte.

24. Die beyden Nachtwandler
24.
Die beyden Nachtwandler.

Es schlief jemand, der ein Nachtwandler war, bey einem Freunde in einem Bette. Diesem kam es in der Nacht vor, er werde von einem Mörder angefallen. Er faßte deswegen seinen neben ihm liegenden Freund bey der Kehle, und wollte ihn erwürgen. Dieser, ebenfalls im Schlafe, setzte sich zur Wehre, und beyde rangen so lange mit einander, bis sie aus dem Bette fielen. Sie erwachten beyde von diesem schmerzhaften Falle, sie dachten der Sache nach, und legten sich darauf, nach einer friedlichen Erklärung, wieder zur Ruhe.


Fragmente zur A. K und Nat. Gesch. 3tes Päckchen. S. 45.

25. Beschreibung einer Pariser Consultation der Aerzte
[109] 25.
Beschreibung einer Pariser Consultation der Aerzte.

In einem Französischen Roman findet man folgende naive Erzählung von einer Pariser medicinischen Consultation.

»Ich fand meine Mutter wirklich in den letzten Zügen. Alle Aerzte von Paris standen um sie herum, über den Vorwand, den sie ihrem Tobe geben wollten, eine Berathschlagung zu halten. Ein Arzt ist im Stande, hundert Kranke zu tödten, wie wollte denn ein einziger Kranker hundert Aerzten widerstehen? Ich blieb im Zimmer, die Berathschlagung mit anzuhören.«

»Alle diese Herren befühlten, einer nach dem andern, der Patientin den Puls, und zwar mit der Ernsthaftigkeit, die man allemal gegen diejenigen zeigt, an welchen man keinen sonderlichen Antheil nimmt. Einer von ihnen that im Namen des ganzen Collegiums einige Fragen an sie, und sagte ihr, was sie empfinden müßte. Sie leugnete alles: er kehrte sich aber wenig daran, und that den Ausspruch, daß sie sich betröge. Ohne sie zu fragen, was für Schmerzen sie außer denjenigen empfände, die er hergenannt hatte, gab er seinen Collegen ein Zeichen, und alle erhoben sich in den Nebensaal. Als sie sich aus dem Krankenzimmer begaben, nahmen sie sorgfältig die Ordnung in Acht, und giengen alle in der Folge, wie sie in die Fakultät [110] gekommen waren. Als sie sich insgesammt ganz bequem niedergelassen hatten, machte meines Vaters Hausarzt eine ziemlich lahme Geschichte von der Krankheit überhaupt, wie sie entsprungen sey, und wie sie bis zu der gegenwärtigen Zeit stufenweise zugenommen habe. Unter dem Namen Bemerkungen ließ er viele kindische Dinge mit unterlaufen. Sie hatten ihm, wie er sagte, viele Mühe gekostet, und sie waren die Frucht einer sehr scharfen Untersuchung, und ihm sehr sauer geworden. (Dieses war die Wahrheit, denn er mußte zu Fuße herumlaufen, weil er keine Kutsche hatte.) Er erzählte hierauf alle seine Verordnungen auf das genaueste her, strich seine Fähigkeiten und seine Kunst heraus, und schwatzte von allem mit mehr Geschick, als Richtigkeit. Ich ärgerte mich fast zu Tode über sein langes Plaudern. Das war aber noch nichts. Alle Aerzte sprachen nach einander in der Ordnung, wie sie in den Saal gegangen waren. Der jüngste fieng allemal an, und der älteste gab den Ausschlag. Mein Vater war reich und wohl bekannt, und sie glaubten deswegen, daß er ein Consilium reichlich bezahlen würde, und darum machte man es so lange. Ein jeder von ihnen wiederholte die Geschichte des ersteren in schöneren oder schlechteren Ausdrücken, so wie er viel oder wenig Witz hatte. Alle waren endlich darinn einstimmig, daß die Patientin von dem ordentlichen Herrn Hausmedico wohl versehen worden, und daß gar nichts für sie zu befürchten [111] sey. Um aber allen Zufällen zuvor zu kommen, müsse man ihr diese oder jene Arzney verschreiben. Der ordentliche Herr Hausmedicus hatte nichts zu thun, als daß er bey jedem Lobspruch, den ihm seine Collegen gaben, Reverenze machte, und dieses geschah sehr oft. Kurz, man sprach meinem Vater und mir allen Trost zu, und stand uns für ein Leben, welches uns so kostbar war. Man verordnete noch ein einziges Universalpulver, das, wie man sagte, gewiß helfen würde, und gieng davon. Im Hinausgehen wurde die Ordnung verändert: die Alten giengen voran, und die Jungen hinter ihnen drein. Keiner von ihnen machte uns ein Compliment. Sie huben alle ihre Höflichkeit für einen an der Thüre stehenden Bedienten auf, der jeden Reverenz von ihnen mit einem Louisd'or bezahlte.«

»Meine Mutter starb eine Stunde nach der Einnahme des Universalpulvers, das die ehrwürdige Zunft ihr verordnet hatte.«

26. Natur und Krankheit streiten
26.
Natur und Krankheit streiten.

Wenn der Mensch krank ist, sagte ein Spötter, so liegen Natur und Krankheit mit einander im Streit. Der Arzt kommt dazu, und schlägt mit einem Prügel drein: trifft er die Krankheit, so wird der Mensch gesund; trifft er aber die Natur, so stirbt der Patient.

6. Chirurgie
1. Einige Operationen Kaltschmied's
1.
Einige Operationen Kaltschmied's.

Kaltschmied, Professor zu Jena, gelangte durch den Muth und das Glück, womit er seine viele chirurgische Operationen unternahm, zu einem solchen Ruhme, Ehre und Reichthume, daß kein gleichzeitiger Deutscher Wundarzt ihm hierinn gleich kam.


Der Grund zu seinem künftigen Glücke war die Pest, welche nach dem letzten Schwedischen Kriege in Liefland sehr viele Menschen wegraffte. Es geschah deswegen eine öffentliche Aufforderung an die berühmtesten Aerzte Europens, worinn diese eingeladen wurden, nach Liefland zu kommen, [113] und der Wuth der Seuche Einhalt zu thun. Kaltschmied, der damals als Privatdocent zu Jena in den dürftigsten Umständen lebte, entschloß sich, diesem Rufe zu folgen. Er verließ Jena heimlich, und nahm nichts mit sich, als einige Messer in einem Besteck. Mit diesen Messern schnitt er alle Pestbeulen auf, und war so glücklich, daß fast alle seine Kranken genasen, und den Ruhm ihres neuen Erretters durch das ganze Land verbreiteten. Man holte ihn von Dorf zu Dorf mit den größten Ehrenbezeigungen ein, gleich als ob er ein Abgesandter des Himmels wäre, und überhäufte ihn mit Belohnungen. Ein Jahr darauf kehrte er nach Jena zurück, befriedigte seine sämmtlichen Gläubiger, kaufte sich ein Landgut, und war auf einmal ein großer und berühmter Arzt.


Einst brachte eine Dame ihr Kind zu ihm, dem sein gebrochener Arm schief geheilt worden war, und bat ihn, daß er den Arm wieder gerade machen möchte. Er fragte die Dame, ob dieses ihr ernstlicher Wunsch sey? und als sie dieses bejahte, faßte er den Arm an, und zerbrach ihn von neuem. Er heilte ihn nachher völlig gerade.


Ein andermal kam ein junger Mensch zu ihm, welcher krumme Beine hatte, und gerade haben wollte. Er ließ sich von diesem die Versicherung geben, daß er sich einer langen und schmerzhaften [114] Kur unterwerfen wolle, und machte hierauf die Anordnung, daß dem Menschen, als er mit ihm durch eine Mühle gieng, plötzlich beyde Beine entzwey geschlagen wurden.


Einst kam ein Bauer zu ihm, welcher eine Speckgeschwulst am Halse, die sich ganz nahe an der Halsschlagader (carotis) befand, ausgeschnitten haben wollte. Er sagte ihm sogleich, daß er ihn auf Tod und Leben annehme, und nahm die Operation vor. Unter dem Schneiden traf er wirklich die Arterie, er rufte augenblicklich: »bete ein Vaterunser, in einer Minute bist du todt;« und der Bauer sank sogleich todt hin.


Er bekam selbst ein Gewächs unter dem Arm, welches ihm viele Beschwerden verursachte, und ließ deshalb einen seiner Schüler kommen, auf welchen er großes Vertrauen setzte, um es ihm auszuschneiden. Dieser weigerte sich aber, die Operation vorzunehmen, weil sie, wegen der wahrscheinlich hineingehenden Schlagader, gefährlich sey. Er stellte sich hierauf vor einen Spiegel, und schnitt das Gewächs sich mit der linken Hand selbst aus, unterband auch eine Schlagader, welche er getroffen hatte.


Gegen das Ende seines Lebens bekam er ein verschlossenes Lungengeschwür, woran er sich ebenfalls auf eine heroische Art selbst kuriren wollte; allein die Sache lief unglücklich ab. Er tanzte [115] stark, in der Absicht, sich von seiner Engbrüstigkeit auf irgend eine Art zu befreyen, ob er schon fast siebenzig Jahre alt war. Als er sich stark erhitzt hatte, gieng er in ein Nebenzimmer, und ließ sich eine Pfeife Tabak geben. Kaum hatte er einige Züge gethan, so zerplatzte das Eitergeschwür, und er sank todt hin.

2. Tisserents Kur der Lähmungen und Verrenkungen
2.
Tisserents Kur der Lähmungen und Verrenkungen.

Tisserent war vor ungefähr 30 Jahren ein reisender Wundarzt, welcher durch seine glückliche Kuren an Lahmen, Verrenkten und Gebrechlichen sehr berühmt war. Unter andern schlug er zu Frankfurt am Mayn seine Bude auf, und machte bekannt, daß er alle, die einer chirurgischen Hülfe bedürften, ohne Instrumente heilen wolle. Er verrichtete seine Kuren öffentlich auf einem Theater, im Beyseyn einer großen Menge Volks.


Es kam ein Jude zu ihm, der die Kinnlade verrenkt hatte. Sobald sich dieser ihm näherte, gab er ihm eine derbe Maulschelle, und die Kinnlade wich davon glücklich in das Gelenk zurück.


Hierauf ließ sich eine Frau zu ihm hinbringen, welche völlig kontrakt war. Er nahm sie [116] sogleich beym Arm, zerrte sie nach allen Seiten herum, so daß sie laut schrie, zog ihr die Gelenke aus einander, und gab ihr einige derbe Hiebe, so daß sie, als er sie losließ, mit vieler Behendigkeit weglief.


Wiederum kam ein Mann zu ihm, welcher lahme Füße vom Podagra hatte, und sich in einer Sänfte tragen ließ. Diesen zog er von seinem Sitze auf, nahm ihn bey der Hand, und schlug mit einem Stock so derb und anhaltend auf seine Füße, daß er um ihn herum tanzen mußte, und er heilte ihn dadurch so schnell von seiner Lähmung, daß er ohne die geringste Beschwerde, als er frey war, davon lief.


Ein anderer kam zu ihm, welcher den Oberarm verrenkt hatte. Diesen brachte er so gewaltsam wieder in sein Gelenk, daß der Kranke laut schrie. Er faßte ihn hierauf mit beyden Händen, und warf ihn rücklings über sich hinaus von dem Theater unter das Volk, und dabey so künstlich, daß er auf die Füße zu stehen kam.

3. Der Wolf
3.
Der Wolf.

Ein arges fressendes Geschwür wurde ehemals ein Wolf (lupus) genannt. Ein Quacksalber, der eine Frau an einem solchen Geschwür [117] zu behandeln hatte, überredete diese, daß es ein wirklicher Wolf sey, den sie im Leibe habe, und man müsse, wie er sagte, ihm jeden Tag frisches Fleisch geben, damit er am Leibe nicht weiter um sich fresse. Die Frau ließ sich gern dazu bewegen, und der Quacksalber wußte das Fleisch jedesmal unvermerkt zu sich zu stecken, und hatte den Vortheil, daß er jeden Tag ein Stück frisches Fleisch mit nach Hause brachte. Die Frau war so leichtgläubig, und von der Wirklichkeit der Sache so fest überzeugt, daß sie gegen einen ihrer Verwandten, der sie von dem Ungrunde der Sache überzeugen wollte, behauptete, sie habe es mit ihren Augen gesehen, wie der Wolf mit dem Kopfe hervorgeragt, und nach dem Fleische geschnappt habe.


Turner, von den Hautkrankh. S. 203.

4. Beschreibung einer Wunde am Latzbeine
4.
Beschreibung einer Wunde am Latzbeine.

»Da meines Oncle, Toby Shandy, Wunde am Latzbeine 1, welche er in der Belagerung von Namur empfangen hatte, ihn zum Dienste untüchtig [118] machte, so ward für gut befunden, daß er nach England zurückkehren sollte, um, wo möglich, seinen Schaden wieder zurechte bringen zu lassen.«


»Vier volle Jahre hindurch mußte er theils das Bette, theils sein Zimmer hüten, und während seiner Kur, welche diese ganze Zeit dauerte, litt er unsägliche Schmerzen; – diese entstunden von einer öfteren Exfoliation an dem os pubis und an dem äußeren Rande der coxendix (Hüfte), genannt os illeum, – welche beyde Beine oder Knochen jämmerlich zersplittert waren, sowohl durch die Rauhigkeit des Steines, der, wie ich bereits gesagt habe, vom Parapet abgeschlagen worden, – als durch seine Dicke, – (ob er gleich auch ziemlich breit dabey war) welches den Wundarzt beständig glauben ließ, daß der große Schaden, den er meines Oncle Toby Latzbein verursacht, mehr von der Schwere des Steines selbst käme, als von der Heftigkeit des Wurfs, welches, wie er ihm zu sagen pflegte, noch ein großes Glück wäre.«


Tristram Shandy Leben und Mein. B. VII. S. 36.

[119]
Fußnoten

1 Schaambein, os pubis.

5. Ein Umschlag bey Verbrennung in den Hosen
[120] 5.
Ein Umschlag bey Verbrennung in den Hosen.

»Können Sie mir nicht sagen, sprach Phutatorius zum Gastripheres, der am nächsten bey ihm saß, denn wegen einer so närrischen Sache möchte man nicht gern zum Wundarzt schicken, – können Sie mir nicht sagen, Gastripheres, was wohl am besten den Brand auszieht?«


Fragen Sie Eugenius, sagte Gastripheres.


»Das kommt sehr darauf an, sagte Eugenius, der sich stellte, als ob er den Vorfall nicht wüßte 1, an welchem Theile? Wenn es ein zarter Theil ist, und ein Theil, der füglich eingewickelt werden mag –«


'S ist beydes, versetzte Phutatorius, und legte seine Hand mit einem nachdrücklichen Kopfnicken, indem er dieses sagte, auf den Theil, wovon die Rede ist, und hob sein rechtes Bein in die Höhe, um ihm Luft und Erleichterung zu verschaffen.


»Wenn das ist, sagte Eugenius, so wollte ich Ihnen wohlmeinend rathen, Herr Phutatorius, nicht damit zu quacksalbern; sondern schicken [120] Sie nur nach der nächsten Buchdruckerey, und lassen Sie Ihre Kur auf nichts weiter ankommen, als blos auf einen Bogen Papier, der eben frisch aus der Presse kommt. Sie brauchen ihn nur darum zu legen.«


»Das feuchte Papier, sagte Yorik, der zunächst bey seinem Freunde Eugenius saß, hat zwar, so viel ich weis, etwas kühlendes und erfrischendes; ich denke aber doch, daß es blos das Vehikulum ist, und daß es der aus Oel und Kienruß bestehende Firniß thut, womit das Papier so stark angeschwängert ist.«


»Richtig, sagte Eugenius, und ist von allen äußerlich aufzulegenden Mitteln, die ich anrathen möchte, das sicherste und beste.«


Wär' ich an Ihrer Stelle, sagte Gastripheres, da es doch hauptsächlich auf das Oel und den Kienruß ankommt, so schmierte ich solche dick auf einen Lumpen, und legte es so gerade darauf.


»Das wäre des Teufels sein Gesalbe, erwiederte Yorik, und würde überdem auch nicht die Absicht erreichen, welches die außerortentliche Reinlichkeit und Sauberkeit des Recepts ist, welche, nach der Meinung der Aerzte, schon halb die Kur selbst ausmacht. Denn sehen Sie nur, wenn es eine sehr kleine Schrift ist, (und das wird erfordert), so haben die heilende Partikeln, die auf diese Weise die kranke Stelle berühren, den Vortheil, [121] daß sie unendlich dünn und mit mathematischer Gleichheit aufgetragen sind (Anfangstitel und große Anfangsbuchstaben ausgenommen), wohin man es mit keiner Kunst oder Salbenspatel bringen kann.«


Es trifft sich ja recht glücklich, erwiederte Phutatorius, daß eben die zwote Auflage von meiner Abhandlung de concubinis retinendis (von Beybehaltung der Beyschläferinnen) unter der Presse ist: von dieser will ich einen Bogen holen lassen.


Ebendas.

[122]
Fußnoten

1 Die Verbrennung war vermittelst einer heißen Castanie, welche in die Hosen gefallen war, geschehen.

6. Die Bedenklichkeit wegen der Staaroperation
[122] 6.
Die Bedenklichkeit wegen der Staaroperation.

Rasis, ein berühmter Arabischer Arzt, bekam in seinem Alter den grauen Staar. Man rühmte ihm einen Wundarzt, welcher in Operationen dieser Art einen großen Ruf hatte, und Rasis ließ ihn zu sich rufen. Sobald er eintrat, legte ihm Rasis die Frage vor: aus wie viel Häuten das Auge bestehe? Der Wundarzt wußte die Frage nicht zu beantworten, und Rasis entließ ihn daher, indem er sagte: er wolle lieber blind bleiben, als sich einem so unwissenden Menschen anvertrauen.

7. Versuchte Kur einer Lähmung
[122] 7.
Versuchte Kur einer Lähmung.

Ein Franzose, welcher einen lahmen Fuß hatte, reiste in einer Gegend Deutschlands zu Pferde, zu einer Zeit, da alle Bauern, wegen der Erndte, auf dem Felde waren. Er hatte das Unglück, von dem Pferde zu stürzen, und einen schweren Fall zu thun. Die Bauern, welche ihn niederstürzen sahen, und gutherzige Leute waren, eilten herzu, und halfen ihm wieder auf die Beine. Da sie aber sahen, daß er hinkte, glaubten sie, er habe ein Bein verrenkt, und versuchten, es ihm wieder einzurichten. Sie zogen ihm also gewaltsam Stiefel und Strumpf aus, und da sie keine Quetschung fanden, wurden sie noch mehr in ihrer Meinung bestärkt. Sie warfen ihn nieder, hielten ihn fest, und renkten das Bein aus Leibeskräften ein. Der Franzose bat flehentlich, ihn zu schonen, und schrie aus vollem Halse. Die Bauern aber, die seine Sprache nicht verstanden, glaubten, er schrie wegen der großen Schmerzen. Endlich ließen sie ihn wieder los: da sie aber sahen, daß er immer noch hinkte, so fiengen sie die Operation, und mit noch größerer Gewalt, als das erstemal, wieder an, und sie würden gewiß den armen Franzosen von Sinnen gebracht haben, wenn nicht glücklicher Weise ein Reisender dazu [123] gekommen wäre, welcher Französisch verstand, und den Bauern erklärte, daß der Gestürzte von Natur lahm sey.

8. Wie eine abgeschnittne Naß wider ergäntzt vnnd geheylet worden sey
8.
Wie eine abgeschnittne Naß wider ergäntzt vnnd geheylet worden sey.

Aus Fabricii Hild. obss. cent. III. obs. 31.


»Im Jahr 1590. Als der Hertzog von Savoy wider die Genffer Krieg geführet, ist ein frommes keusches Mägdlein, Susanna mit Nahmen, in die Händ der Soldaten kommen, welche sie zu schwächen gesucht, aber vergebens, deßwegen die Soldaten über sie erzürnet, ihro die Nasen abgeschnitten. Nach zweyen Jahren kombt Sie nach Losanna, wo dermahlen Herr Johann Griffonius, ein Scharpsinniger und zugleich in der Practic sehr glückseliger Wundarzt gewohnt, welcher, alß er sie zu heylen vnnd die Naß wider zurecht zu bringen angenommen, seinem Versprechen also ein genüge geleistet, vnd die Nasen dergestalten wider erstattet, daß mans solcher Nasen mit jedermänniglichs Verwundern kaum angesehen, daß sie durch die Kunst zu Wegen gebracht oder gemacht sey. Wie ichs dann offt selbst gesehen vnnd wahrgenommen. Dann sie lebt noch biß in dieses Ein tausend [124] sechs hundert vnd Eylffte Jahr zu Losanna, vnd hält sich auff bey einer frommen ehrlichen frawen, Fraw Judith Mace, Herrn Joachimi Roholds Seliger Gedechtnuß Wittib. Jedoch im Winter wann die Kälte gar groß ist, so wird das Spitzlin der Nasen vmb etwas bleich, jedoch so wird es wie andere Glider deß Leibs ernehret, vnd hat seine Empfindligkeit, obgedachtes Töchterlein (denn Sie ist noch ledigs Standes) lebet biß auff das jetzig ein tausend sechs hundert vnd dreyzehende Jahr zu Losanna, vnd hat nach der vollendten Heylung an der Nasen nichts gespüret, daß ein sonderbahre Veränderung wäre erfolgt.«


»Der erst Erfinder dieser Verrichtung vnnb Heylung ist gewesen Casparus Tagliacotius, Hochgelehrter vnnd Weitberühmter Professor der Artzney der Hohen Schul zu Bonnonien etc. etc.«


Allein schon vor Tagliacoti (vergl. Medic. Vadem. Th. I. S. 101.) waren, wie Fallopius erzählt, Aerzte in Calabrien, welche die Kunst verstanden, abgehauene Nasen wieder zu ersetzen, und zwar nach folgender Methode: Sie machten viele kleine Einschnitte in eine Stelle des Arms, und ließen in diese die Wurzel der Nase hineinhalten, und zwar so lange, bis diese völlig mit dem Arm verwachsen war. Hierauf schnitten sie die Nase aus dem Arm heraus, und gaben ihr durch das Messer und vermittelst eiserner Formen, die sie[125] auflegten, ihre gehörige Gestalt. Diese Operation dauerte drey bis sechs Monate, und zuweilen ein ganzes Jahr. Dem angeblichen Erfinder Tagliacoti zum Gedächtniß wurde indessen zu Bologna eine Statue errichtet, wo er in Lebensgröße abgebildet war, und eine Statue in der Hand hielt.

7. Geburtshülfe
1. Zustand der Geburtshülfe im ersten Jahrhundert
1.
Zustand der Geburtshülfe im ersten Jahrhundert.

Philumenus, ein bekannter Arzt des Alterthums, der unter dem Kaiser Domitian lebte, giebt hauptsächlich folgende Anweisungen zur Ausübung der Geburtshülfe.


Steckt der Kopf des Kindes fest, so schreibt er vor, um ihn heraus zu bringen, solle man die Wendung machen, und es bey den Füßen herausziehen. Ueber die Art und Weise aber, wie man in diesem Falle die Wendung machen solle, oder wie sie gemacht werden könne, läßt er sich nicht ein. Oder man soll einen Haken in die Höhlungen des Kopfs einbringen, und das Kind auf diese Art herausziehen. Auch kann man den Kopf, die [127] Aerme und Füße einzeln abschneiden, und das Kind stückweise herausziehen.

2. Beobachtung einer wunderbaren Schwängerung
2.
Beobachtung einer wunderbaren Schwängerung.

Der Arabische Arzt Averrhoes führt eine Beobachtung an 1, daß eine Weibsperson sich in demselben Wasser gebadet habe, in welchem kurz zuvor eine Mannsperson einen Saamenabgang gehabt habe, und schwanger geworden sey. Er gründet diese Geschichte auf den Eidschwur des leichtfertigen Weibes, und trägt sie mit der größten Ernsthaftigkeit vor. Auch gebraucht er sie zum Beweise, daß in dem männlichen Saamen ein Luftgeist enthalten sey.

[128]
Fußnoten

1 Colliget l. II. c. 10.

3. Beyspiele von ausserordentlicher weiblicher Fruchtbarkeit
[128] 3.
Beyspiele von ausserordentlicher weiblicher Fruchtbarkeit.

Gellius erzählt, daß eine Sklavin des August mit fünf Knaben, welche sämmtlich lebend gewesen seyen, niedergekommen sey, und August habe ihr zum Gedächtniß ein Monument errichten lassen.


[128] Plinius berichtet in seiner Naturgeschichte, daß eine Frau im Peloponnes in vier Niederkünften zwanzig Kinder bekommen habe, nämlich bey jeder Niederkunft fünf.


Paré führt den Fall an, daß die Frau eines gewissen Waldemera im ersten Jahre ihrer Ehe mit Zwillingen, im zweyten mit Drillingen, im dritten mit vier, im vierten mit fünf, und im fünften mit sechs Kindern auf einmal niedergekommen sey.


Tragus erzählt von einer Aegyptierin, daß sie sogar sieben Kinder auf einmal gebohren habe.


Abulcasem erzählt, daß von einer Frau, welche abortirt hätte, funfzehn Kinder auf einmal abgegangen seyen. Ebusina führt einen ähnlichen Fall an, wobey er drey und dreyßig kleine Kinder beobachtet habe.


Das merkwürdigste Beyspiel von allen ist von einer Gräfin, Margaretha von Henneberg, welches Schenk erzählt. Sie sah eine Soldatenfrau, welche um Almosen bat, und zween Säuglinge an der Brust hatte: sie begegnete dieser Frau hart, weil sie, wie sie sagte, diese zwey Kinder unmöglich von einem Manne haben könne. Sie war damals selbst schwanger, und zur Strafe ihrer Lieblosigkeit sey sie bald darauf mit 365 ganz kleinen Kindern niedergekommen. Das Epitaphium, das sich vom Jahre 1276 zu Lausdun, einem [129] Dorfe bey Leiden, befinden soll, führt Schenk ebenfalls an.

4. Besondere Fruchtbarkeit eines Mannes
4.
Besondere Fruchtbarkeit eines Mannes.

Ein kleiner unansehnlicher Bürger zu Paris, Nicolaus Blunet, hatte, wie Menage erzählt, mit seiner Frau 21 Kinder gezeugt, und doch hatte die Frau nur siebenmal in den Wochen gelegen. Alle Kinder waren Drillinge, und alle wurden getauft, doch lebten mehrere nur einige Tage oder Monate, zwölf aber wurden erwachsen, und waren gesund und stark. Ein Beweis, daß die Fruchtbarkeit von ihm kam, und nicht von seiner Frau, war, daß er sich einst mit seiner kleinen Magd einließ, welche nach neun Monaten mit drey ausgewachsenen Knaben niederkam, welche jedoch schwach waren, und nach drey Wochen starben.

5. Beyspiele von sehr langen und wunderbaren Schwangerschaften
5.
Beyspiele von sehr langen und wunderbaren Schwangerschaften.

Bey Schenk kommen drey Beyspiele von wunderbaren Schwangerschaften vor, welche er [130] den Geschichtschreibern, Albert Kranz und Johann Aventin, nacherzählt. Weiber kamen nach einer zweyjährigen Schwangerschaft mit Knäbchen nieder, welche ungewöhnlich groß waren, und sogleich gehen und reden konnten.


Beyspiele von zerstörten Kindern, welche lange Zeit im Unterleibe getragen wurden, und stückweise abgiengen, sind bey Schriftstellern nicht sehr selten. Das merkwürdigste ist von Camerarius, welcher einen sechs und vierzigjährigen Fötus beschrieb.


Aber weit auffallender ist eine Geschichte, welche Mercurialis 1 erzählt, daß eine Frau, die mehrere Männer gehabt, aber niemals Kinder gebohren hatte, den vierten Mann nahm, und schnell nach der Verheyrathung schwanger war. Sie behauptete, daß sie schon seit vier Jahren ihre Schwangerschaft fühle; die Aerzte erklärten ihre Schwangerschaft für rechtmäßig, und Mercurialis erzählt die Geschichte als eine große Seltenheit. Sie übertrifft in der That die Heisterische Geschichte weit, welcher 1727 zu Helmstädt die dreyzehnmonatliche Schwangerschaft einer adelichen Wittwe in einer Schrift vertheidigte, und seinen Proceß gewann.

[131]
Fußnoten

1 Consil. 85.

6. Untersuchung eines dicken Leibes
[132] 6.
Untersuchung eines dicken Leibes.

In Strasburg lebte eine Frau, welche einen außerordentlich dicken und aufgeschwollenen Leib bekam, und dadurch in den Ruf der Schwangerschaft gerieth. Man lud sie deswegen vor die Obrigkeit, allein sie wußte ihre Unschuld, hauptsächlich durch die lange Zeit, in welcher sie den dicken Leib getragen hatte, so trifftig darzuthun, daß sie für unschuldig erklärt wurde. Die Sache machte die Aufmerksamkeit der Aerzte rege, welche auf die Untersuchung dieses außerordentlich dicken Leibes sehr begierig waren, und ihr daher einen Jahrgehalt aussetzten, um sie nach ihrem Tode untersuchen zu dürfen. Sie starb, nachdem sie mehrere Jahre jenen Gehalt bezogen hatte, und nach ihrem Tode fand man, daß ihr Leib gar nicht dicker war, als gewöhnlich ein Leib zu seyn pflegt, daß sie aber die Kunst verstand, sich einen künstlichen dicken Leib zu machen, und dadurch jedermann zu hintergehen. Die Geschichte ist in einer besonderen Schrift bekannt gemacht worden. 1

[132]
Fußnoten

1 Io. Boekler epistola occasione fraudulentae mulieris, quae per totam fere vitam ficto monstroso ventre omnium docepit oculos. Argent. 1728.

7. Ein Mittel, um schöne Kinder zu bekommen
[133] 7.
Ein Mittel, um schöne Kinder zu bekommen.

Soran erzählt, daß der Tyrann Dionys, welcher sehr häßlich gewesen sey, nichts sehnlicher gewünscht habe, als von seiner Gemahlin schöne. Kinder zu bekommen. Als er ihn deswegen um Rath gefragt habe, so habe er ihm den Anschlag gegeben, sein Schlafzimmer rundum mit Gemälden und schönen Statuen von schönen Personen auszuschmücken, damit die Kraft der Einbildung bey seiner Gemalin dadurch schöne Kinder hervorbrächte: und dieses Mittel habe den erwünschtesten Erfolg gehabt.

8. Die schamhafte Frau
8.
Die schamhafte Frau.

Bey der Entbindung einer adelichen Dame fand man für nöthig, einen geschickten Geburtshelfer, welcher in der Nähe wohnte, rufen zu lassen. Die Dame, ob sie gleich einen erklärten Liebhaber in der Stadt hatte, und der Ruf, in Ansehung ihrer ehelichen Treue, überhaupt sehr zweydeutig war, affektirte dennoch viel Schaam, und schrie, als der Arzt erschien, sie müßte sterben, wenn er nicht sogleich aus dem Zimmer gienge. Der Arzt, den diese Verstellung verbroß, sagte[133] ganz trocken: ich will gehen, gnädige Frau, aber den Herrn von *** dafür bitten, daß er hierher komme, der wird vielleicht besser Bescheid wissen. Diese unerwartete Wahrheit that die erwünschte Wirkung. Die Dame fand sich getroffen; sie gab willig nach, und wurde gerettet.

9. Anwendung des stumpfen Hakens
9.
Anwendung des stumpfen Hakens.

Ein Barbier in einem Landstädtchen wurde im Jahre 1795, da kein Geburtshelfer in der Nähe wohnte, zu einer Gebährenden gerufen. Er fand den Kopf des Kindes eingekeilt, und konnte ihn nicht hervorbringen. Er fand deswegen die Anwendung des stumpfen Hakens für nöthig, und in Ermangelung eines solchen nahm er einen großen Nagel, beugte ihn um, und arbeitete mit demselben so lange, bis er in Zeit einer Stunde die Mutter und das Kind um's Leben gebracht hatte.


Reichsanzeiger 1795.

8. Gerichtliche Medicin
1. Fragment aus einer alten Apothekerordnung
1.
Fragment aus einer alten Apothekerordnung.

Die Apotheker waren in den alten Zeiten zugleich die Zuckerbäcker, und verkauften blos die Arzneyen, die sie aus andern Ländern kommen ließen. In dem Privilegium, das der erste Apotheker zu Halle, Simon Puster, von dem Magistrat daselbst 1493 erhielt, kommt daher folgende Stelle vor:


»Davor soll vnd will er vns vnd vnsern Nachkommen igklichs Jars von den Zehen, auf Vnser, als einer Radts, zwo Collacien in der fasten, auf vnser Radthaus acht pfundt gutes conficirten Zuckers, als zu solchen Collacionen ehrlich vnd ziemlich, geben.«

2. Fragment aus der Medicinalverfassung des zwölften Jahrhunderts
[135] 2.
Fragment aus der Medicinalverfassung des zwölften Jahrhunderts.

Wenn ein Arzt einem Edelmanne durch eine Aderlaß Schaden zufügte, so wurde er zu einer Strafe von 100solidis verdammt. Starb der Kranke daran, so wurde der Arzt den Verwandten des Verstorbenen ausgeliefert, welche mit ihm machen konnten, was sie wollten. Der Gehalt des Wundarztes wurde nach dem Unterschied der Wunden festgesetzt. War die Wunde, welche er geheilt hatte, eine von den drey Hauptwunden (nämlich Kopfverletzungen, bey denen das Gehirn sichtbar wurde, Wunden des Unterleibes, welche die Gedärme entblößten, und Beinbrüche), so bekam der Wundarzt zum Lohne die blutigen Kleidungsstücke, freyes Essen und Trinken während der Kur, und 180 Pfennige. Der Lohn bey Kopfverletzungen wurde nach der Größe der herausgezogenen Knochensplitter, und diese wurde nach dem Schall bestimmt, den die Splitter, in einen Kessel geworfen, hervorbrachten.


Heineccii corp. iur. Germ. p. 2141.

3. Bestimmung der Tödtlichkeit der Wunden
[136] 3.
Bestimmung der Tödtlichkeit der Wunden.

»Wenn jemand einem Priester ein Stück von dem Hirnschädel abhaut, von der Größe, daß, wenn man damit an ein ehernes Schild anschlägt, der Schall fünf Schritte weit gehört werden kann, so soll der Thäter eine Strafe von fünf Stübern bezahlen.«


»Wenn einer dem andern auf den Kopf oder ein anderes Glied des Leibes haut, so daß ein Stück Knochen weggeht, und der Schall davon fünf Schritte weit gehört werden kann, so soll der, welcher gehauen hat, 36 Solido's erlegen.«


Diese Gesetze befinden sich in der Sammlung, welche unter Karl dem Großen veranstaltet worden ist, und galten noch im dreyzehnten Jahrhundert. S. Heineccii corp. iur. Germ.

4. Das Königliche Gesetz des Bischoffs Edmund
4.
Das Königliche Gesetz des Bischoffs Edmund.

In England galt in den alten Zeiten das Gesetz, welches unter dem Namen des Königlichen gegeben wurde, daß eine schwangere Frau, die während ihrer Schwangerschaft sterbe, geöffnet [137] werden solle, in dem Fall, wenn das Kind noch lebe. Man müsse aber dabey wohl Acht haben, daß der Mund des Leichnams offen bleibe, damit das Kind nicht ersticke.

5. Statuten des Bordells zu Avignon
1.

»Im Jahre 1347, am 8ten August, hat unsere allergütigste Königin Johanna verstattet, daß zu Avignon ein öffentliches Bordell errichtet werden soll, aber zugleich befohlen, daß die Buhlschwestern nicht in die Stadt gelassen, sondern alle in dem Bordell eingeschlossen bleiben sollten, und zum Unterscheidungszeichen von andern Weibern ein rothes Band um den linken Arm tragen sollten.«

2.

»Desgleichen. Wenn eine Weibsperson, die bereits ihre Jungferschaft verlohren hat, ihren Leib in dem Bordell gemeinnützig zu machen entschlossen ist, so soll der Bordellhauptmann sie am Arm fassen und sie unter Trommelschlag durch die Stadt führen, ihr ein rothes Band von der linken Schulter fliegen lassen und darauf zu den übrigen Mitschwestern in's Bordell bringen. Dabey [138] soll er ihr die ernstliche Weisung geben, daß, wenn sie sich beygehen läßt, in die Stadt zu gehen, sie mit Ruthen gestrichen, und das zweytemal mit der Peitsche gehauen und aus dem Bordell weggejagt werden soll.«

3.

»Unsere allermildeste Königin verordnet ferner, daß das Bordell in der Straße der abgebrochenen Brücke, neben dem Augustinerkloster, erbaut werden und bis an das St. Petersthor reichen soll. Das Bordell soll nach dieser Seite zu ein Thor haben, wodurch jeder, der Lust hat, ungehindert eingehen kann, aber es soll allemal mit einem Schlüssel zugemacht werden, damit niemand ohne Vorwissen der Aebtissin oder Aufseherin, die jedes Jahr von den Bürgermeistern der Stadt gewählt wird, hineingehen könne. Die Aebtissin soll stets den Schlüssel bey sich führen, und den Mannspersonen jedesmal einschärfen, daß sie keinen Lerm machen und den Schwestern keine Furcht einjagen, widrigenfalls sie, wenn sie Unfug erregen, nicht herausgelassen, sondern von den Sergeanten in das Gefängniß gebracht werden sollen.«

4.

»Die Königin befiehlt, daß jeden Sonntag die Aebtissin mit dem Barbier, der von den Bürgermeistern dazu bestellt ist, die Schwestern, soviel [139] ihrer in dem Bordell seyn mögen, besichtigen soll; und wenn es sich findet, daß eine durch Hurerey sich eine garstige Krankheit zugezogen hat, so soll sie von den übrigen abgesondert wohnen, damit niemand zu ihr kommen kann, und auf solche Art den Krankheiten vorgebeugt und die Mannspersonen nicht angesteckt werden mögen.«

5.

»Ferner. Wenn es sich fügen sollte, daß eine von den Schwestern in dem Bordell schwanger wird, soll die Aebtissin dafür sorgen, daß dem Kinde kein Leid geschieht, und es den Bürgermeistern anzeigen, damit diese für das Kind, sobald es gebohren ist, Sorge tragen.«

6.

»Eben so. Soll die Aebtissin ein wachsames Auge haben, damit niemand am Freytag oder Samstag in das Bordell zugelassen werde, auch nicht in der Charwoche oder am heiligen Osterfest. Sollte dieses aber dennoch geschehen, so soll sie ihren Abschied bekommen, und mit Ruthen gestrichen werden.«

7.

»Sodann. Will die Königin, daß alle Buhlschwestern des Bordells von Neid und Zänkereyen [140] entfernt leben sollen, daß keine die andere bestehle, sondern alle wie Schwestern sich untereinander vertragen sollen. Entsteht aber unter ihnen eine Mishelligkeit, so soll diese von der Aebtissin geschlichtet werden, nach deren Ausspruch sie sich zu fügen haben.«

8.

»Imgleichen. Wird irgend etwas in dem Bordell diebischer Weise entwendet, so soll es die Aebtissin ohne Umstände ersetzen. Wenn man aber eine schuldig findet und sie sich dennoch, es zu ersetzen, weigert, so soll sie zuerst von dem Sergeant in ihrem Gemach mit Ruthen gestrichen; und läßt sie sich über dem Verbrechen noch einmal ertappen, so soll sie von dem Henkersknecht durch alle Straßen der Stadt gepeitscht werden.«

9.

»Endlich. Soll die Aebtissin keinen Juden in das Bordell einlassen. Schleicht sich aber doch ein Jude heimlich und listiger Weise ein, und hat sein Wesen mit einer Buhlschwester, so soll er in's Gefängniß geworfen und alsdann durch die Stadt gepeitscht werden.«


Astruc, de morbis venereis, t. I. p. 58.

6. Die Aderlaß bey einem Erhängten
[141] 6.
Die Aderlaß bey einem Erhängten.

Ein Melancholischer erhängte sich mit einem Strick an seiner Scheuer. Man wurde es bald gewahr, und lief eilends nach einem Barbier, ohne daß jemand daran gedacht hätte, den Erhängten loszuschneiden. Der Barbier ließ ihn ebenfalls hängen, und schlug ihm eine Ader am Fuße, und da kein Blut zum Vorscheine kam, urtheilte er, daß der Mensch ganz gewiß todt sey, und ließ den Henkersknecht holen, um den Leichnam herunter zu nehmen.

9. Miscellaneen
1. Der gut benutzte Schlagfluß
1.
Der gut benutzte Schlagfluß.

Ein alter Mann wollte in einer Stadt einen Besuch machen, und wurde in dem Miethwagen von einem Schlagflusse befallen. Der Miethkutscher hielt bey dem bestimmten Orte an, öffnete den Schlag am Wagen, und wollte den Mann herausführen, fand ihn aber ohne Zeichen des Lebens. Er rufte die Umstehenden um Hülfe an, und bald war eine Menge Volks um den Wagen versammelt, welche den Todten begaffte. Schnell drängte sich ein Mann aus dem Haufen hervor, weinte laut, warf sich auf den Todten, und nannte ihn seinen Vater. »Fahr zu, was du kannst, ich muß für meinen Vater Hülfe suchen,« rufte er dem Kutscher zu, und nannte ihm zugleich ein weit entlegenes Hospital, wohin er ihn bringen sollte.


[143] Als der Kutscher an dem bestimmten Orte angekommen war, fand er die Thüre des Wagens offen, und der angebliche Sohn war verschwunden: der alte Mann hingegen, der eben anfieng, wieder einige Zeichen des Lebens von sich zu geben, hatte seine Uhr, Geld, und alles, was er in den Taschen hatte, verlohren.

2. Wirksamkeit der Sympathie
2.
Wirksamkeit der Sympathie. 1

»Mulier ablactans infantem, quo citius ubera sterilescant, in prunas lac emulgat, et mox ubera flaccescunt. An forte Satanas exsuget ea? Si quis ad ostium tuum cacaverit, idque prohibere intendas, ignem ferri recenti excremento superstruito: mox per magnetismum natibus scabiosus cacator fiet; igne videlicet torrente excrementum et tosturae acrimoniam quasi dorso magnetico in anum impundentem propellente. Forte hoc Satanicum dices, quia finis laesio. At certe abusus potestatum in libertate hominis est: attamen usus non minus naturalis.«


(Wenn eine Frau ihr Kind zu stillen aufhört, und will, daß die Brüste geschwind vertrocknen, [144] so spritze sie die Milch auf glühende Kohlen, und alsbald werden die Brüste vertrocknen. Vielleicht saugt der Teufel sie aus? Wenn jemand vor deine Thür gekackt hat, und du willst es ihm verbieten, so wirf den frischen Koth auf ein glühendes Eisen; sogleich wird der Thäter durch den Magnetismus an seinem Hintern schäbicht werden, indem das Feuer den Koth röstet und die Schärfe der Röstung, gleichsam auf einem magnetischen Leiter, nach dem unverschämten Hintern hinführt. Du sagst vielleicht, das sey ein Werk des Teufels, weil es am Ende auf einen Schaden ausgeht. Allein der Mißbrauch der Kräfte hängt von der Freyheit des Menschen ab, und der Gebrauch ist nicht weniger natürlich.)

[145]
Fußnoten

1 Helmont de magnetica vulnerum curatione (von der magnetischen Kur der Wunden.)

3. Der Leibarzt und der Oberforstmeister
[145] 3.
Der Leibarzt und der Oberforstmeister.

An einem gewissen Deutschen Hofe, wo überhaupt keine gute Oekonomie herrschte, und es um das Forstwesen vorzüglich schlecht aussah, weil der Oberforstmeister thun konnte, was ihm gefiel, wurde über der Tafel von der sonderbaren Gewohnheit gesprochen, die bey einigen Indianischen [145] Völkern herrscht, daß sich das Weib eines Verstorbenen mit der Leiche ihres Mannes verbrennen lassen muß. Der Oberforstmeister sagte hierauf: bey uns wäre es auch vielleicht gut, wenn die Mode eingeführt wäre, daß man den Leibarzt eines großen Herrn nach dessen Tode Ehren halber öffentlich verbrennte. »Ich will den Anfang machen, erwiederte der Leibarzt, der mit an der Tafel war, wenn Sie forstmäßig so viel Holz dazu entbehren können.«

4. Die besondere Gewohnheit in Wien
4.
Die besondere Gewohnheit in Wien.

Zu Wien ist das Gesetz, daß kein Arzt für sich selbst etwas verschreiben, und noch weniger seine Frau, seine Kinder und Domestiken besorgen darf. – In einer entfernteren Gegend heyrathete ein junger Doctor der Medicin eine alte Wittwe, welche Vermögen hatte. Sein College, welcher mit bey der Hochzeit war, und sicher wußte, daß ihn die Braut nicht verstand, wendete sich zu ihr und sagte: nun ist nichts mehr zu dem langen Genuß Ihrer Glückseligkeit übrig, als daß Sie nach Wien ziehen.

5. Fragment aus einer Predigt zum Trost der Aussätzigen
[146] 5.
Fragment aus einer Predigt zum Trost der Aussätzigen. 1

»Es gereichet den Aussätzigen besonders zum Troste, daß Christus, der nach Jes. 53 eine den Aussätzigen ähnliche Gestalt gehabt, den Heiligen und Märtyrern, namentlich auch dem Pabste Leo, oft in Gestalt eines Aussätzigen erschienen ist: daß die Heiligen aber es nicht gewußt, den Aussätzigen ihre Mäntel gegeben, sie erquickt, sie geküßt, ihnen die Füße gewaschen, und sie in ihr Bett gelegt; der Aussätzige aber plötzlich verschwunden ist, und es sich also unleugbar gezeigt hat, daß es der Heiland selbst gewesen. Einmal legt eine Frau einen Aussätzigen, in des Mannes Abwesenheit, in desselben Bett. Der Mann kommt unerwartet heim, die Frau will den Gast nicht stöhren: aber der Mann bricht die Thüre auf, und siehe, der Gast ist weg, und das Bett ist ganz mit Rosen bestreut. Das war also doch offenbar der Heiland selbst gewesen. Einmal ist er gar körperlich erschienen, und hat einem Aussätzigen auf einmal eine ganz neue Haut gegeben, und mit der alten aussätzigen, die er ihm abgenommen, hat er einen Stein bekleidet. Der König Dagobert und [147] alle Bischöfe haben es den folgenden Morgen mit Augen gesehen. Die Heiligen hatten bey den Aussätzigen eine so vollkommene Sicherheit, daß der heil. Franciscus, der vor seiner Bekehrung einen heftigen Abscheu vor den Aussätzigen hatte, nach seiner Bekehrung sie umarmte und küßte.«


»Gott schickt den Seinen den Aussatz daher auch oft aus Gnaden zu, besonders den keuschen Frauen und Jungfrauen, um ihre Keuschheit zu bewahren. Auch geschieht es oft, daß die Guten auf Erden schon die Sünde abbüßen, und der Aussatz ihnen hienieden also schon das Fegefeuer werde.« 2

[148]
Fußnoten

1 Ioh. Nider sermones aurei, Spirae, 1479.Serm. 39.

2 Der fromme Prediger dachte wohl nicht daran, wer die keuschen Frauen und Jungfrauen in's Fegefeuer des Aussatzes gebracht hätte. Denn er wurde eben so, wie die Lustseuche, durch unmittelbare Berührung und Ansteckung fortgepflanzt. Die Erscheinung des fremden Mannes, den die Frau in ihres Mannes Bett legte, war wohl auch kein Wunderwerk.

6. Ein Marktschreyer fragt Teichmeyern
[148] 6.
Ein Marktschreyer fragt Teichmeyern.

Ein Markschreyer hatte zu Jena vor dem Saalthore seine Bude aufgeschlagen, und pries [148] mit lauter Stimme seine Arzneyen an. Er sah von weitem Teichmeyern kommen. »Nun, ihr Leute, damit ihr sehet, sagte er, daß meine Arzneyen gut sind, so will ich den berühmten Doctor, der dort kommt, fragen.« Als Teichmeyer der Bude näher kam, rufte der Marktschreyer: »Herr Professor, mundus vult decipi, ergo decipiatur, nicht wahr?« (die Welt will betrogen seyn, darrum betrüge man sie.) O ja, antwortete der Professor, das ist wahr. »Nun habt ihr's gehört, rufte der Charlatan, er sagt, meine Arzneyen seyen recht gut.« Und die Schnupftücher flogen von allen Seiten nach der Bühne zu.

7. Ein Hofnarr stellt den Hippokrates vor
7.
Ein Hofnarr stellt den Hippokrates vor.

Ein Mönch an dem Hofe eines Deutschen Erzbischofs hatte Gelegenheit gefunden, bey einem Spaziergange in dem Schloßgarten, in das Treibhaus zu kommen, und die in demselben befindlichen Kirschen, welche für die Tafel des Erzbischofs bestimmt waren, aufzuessen. Die Sache erregte sogleich Aufsehen, und da man den Thäter nicht angeben konnte, versprach der Erzbischof demjenigen eine Belohnung, welcher im Stande seyn würde, ihn ausfindig zu machen. Der Hofnarr, welcher [149] den Mönch im Schloßgarten herumgehen gesehen hatte, beschuldigte sogleich diesen des Diebstahls, und versprach, ihn auf das gewisseste zu überführen, wenn er den Hippokrates vorstellen dürfte, und der Mönch ihm gehorchen müßte. Der Erzbischof willigte ein, und der Hofnarr befahl darauf dem Mönch, vor einer ansehnlichen Versammlung lauwarmes Wasser mit Butter vermischt (das Brechmittel, das Hippokrates vor schreibt) zu trinken. Der Mönch gehorchte, und kurz darauf folgte ein wiederholtes Erbrechen, und die genossenen Kirschen, welche von ihm giengen, zeigten, daß er der Schuldige sey.

8. List zweyer reisenden Mediciner
8.
List zweyer reisenden Mediciner.

Zwey junge Leute, die mehrere Jahre zu Kölln Medicin studiert hatten, kamen auf den Einfall, eine Reise nach Paris zu machen, um diese Stadt zu sehen. Sie führten ihren Vorsatz aus, und da ihr Geldvorrath zu Ende gieng, machten sie sich wieder auf den Rückweg. Allein sie hatten das Unglück, daß ihre Baarschaft völlig zu Ende war, ehe sie noch die Grenze erreicht hatten, und sie würden dem größten Elende ausgesetzt gewesen seyn, wenn der eine von ihnen nicht eine List ersonnen hätte, welche den günstigsten Erfolg hatte, und ihnen Geld zur Beendigung ihrer Reise verschaffte. [150] Der eine Reisegefährte gieng in das Wirthshaus eines nahen Dorfes, wo er ganz still seinen Platz einnahm, nichts aß und nichts trank, und über die rasendsten Zahnschmerzen klagte. Der andere kam darauf, wie von ungefähr, in das nämliche Wirthshaus, und trug eine große Schachtel unter dem Arm. Er erkundigte sich nach den Umständen des einen Fremden, und da man ihm die Ursache seines Leidens angab, versprach er, daß er ihn augenblicklich davon befreyen wolle, weil er ein untrügliches Mittel gegen Zahnschmerzen bey sich führe. Er öffnete sogleich seine Schachtel, und zog einen Dorn her vor, er sagte, daß er drey Jahre in Palästina gewesen sey, und nunmehr mit diesen Dornen, die er selbst vom Grabe Christi gesammelt habe, nach Hause zu reisen Willens sey. Diese hätten die Wunderkraft, daß sie Kopfweh, Zahnweh und andere körperliche Schmerzen augenblicklich wegnähmen. Die Bauern sammelten sich sogleich in Menge um den Fremden her, und staunten seine zerrissene Kleider, noch mehr aber seine wunderthätige Dornen an. Er legte hierauf seinen Dorn dem Kranken an den Mund, und murmelte einige unverständliche Worte, und sogleich fiel dieser auf die Knie nieder, betete und lobte Gott, daß er völlig von seinen Zahnschmerzen befreyet sey. Er bot dem Wundermanne Geld an, allein dieser betheuerte, daß er umsonst und ohne Entgeld durch seine Reliquien jenen Liebesdienst allen Leidenden zu erweisen gelobt habe, ob er gleich [151] ein armer Pilger sey. Der Fremde bat ihn darauf auf das dringendste, daß er ihm doch jenen wunderthätigen Dorn zukommen lassen möchte, allein er weigerte sich standhaft. Die Bauern vereinigten endlich ihre Bitten mit dem Dringen des geheilten Fremden, und stellten ihm vor, daß es Pflicht sey, seinen leidenden Nebenmenschen diesen Dienst nicht zu versagen, zumal da er in seiner Schachtel noch einen so großen Vorrath habe. Nach langem Widerstande gab er endlich nach, und überlies dem geheilten Fremden sowohl, als den Bauern, ein Stück Dorn, und brachte dafür von den letzteren zehen Kronen zusammen, mit welchen die beyden Reisegefährten ihren Weg bis in ihre Heimath fortzusetzen im Stande waren.

9. Gift und Gegengift
9.
Gift und Gegengift.

Die Gesellen eines Barbiers hatten sich Froschkeulen zu einem Schmause zubereitet, und sie waren im Begriffe, sich zu Tische zu setzen, als ihr Herr dazu kam. Sie baten ihn zu Gaste, und er setzte sich ohne Verzug zu ihnen, und aß mit vielem Appetit, ohne daß er wußte, was es für ein Gericht war. Als er dieses von ungefähr erfuhr, sprang er heftig vom Tische auf, fluchte und wollte die Gesellen ermorden, weil sie ihn, wie er glaubte, hätten vergiften wollen. Er schrie [152] ängstlich nach einem Topf mit Milch, und trank mit vollen Zügen davon. Als er etliche Kannen ausgeleert hatte, glaubte er sich von der Gefahr der Vergiftung befreyt, und rufte freudig: Gott Lob, nun bin ich gerettet!

10. Medicinische Streitfragen, aus einer Marburger medic. Dissertation von 1662
10.
Medicinische Streitfragen, aus einer Marburger medic. Dissertation von 1662.
1) Ob die Geburt im elften Monat rechtmäßig sey? Ja.
2) Ob das Herz seiner Natur nach heiß sey? Ja.
3) Ob die Lunge heiß sey? Ja.
4) Ob die Milz die Lebensgeister bereite? Nein.
5) Ob das Fett durch die Kälte erzeugt werde? Nein.
6) Ob die Nägel wesentliche Theile des menschlichen Körpers seyen? Nein.
7) Ob die Nägel lebendige Theile seyen? Ja.
8) Ob kalter und heißer Brand verschieden seyen? Ja.
9) Ob etwas von dem Getränke in die Lungen komme? Ja.
10) Ob die Zähne Knochen seyen? Ja.
11. Avertissements von Pfuschern und Marktschreyern
[153] 11.
Avertissements von Pfuschern und Marktschreyern.

1. Doctor James Fieberpulver. London chronicle. Vol. 45. n. 3470. 1779.


Die berühmtesten Aerzte haben durch ihre vielfältige Bemühungen bisher noch keine Universalarzney gegen das Fieber erfinden können, wodurch diese arge Krankheit leicht und sicher gehoben werden könnte: bis es nunmehr dem Hrn. Doctor James gelungen, nach vielen Versuchen und Anstrengungen, eine solche zu finden, und man ist überzeugt, daß seit Entdeckung der Fieberrinde in der Arzneykunde keine so wichtige und schätzbare Entdeckung gemacht worden ist, als die von Doctor James Fieberpulver.


2. Mittel gegen die Hypochondrie. Neue Hamb. Zeit. 1794. Nr. 7.


Nach vielen wiederholten Erfahrungen ist endlich ein in einer großen Stadt wohnender Arzt so glücklich gewesen, ein Mittel zu finden, das dieser peinlichen Krankheit geradezu entgegenwirkt, die geschwächten Nerven des ganzen Körpers, besonders aber des Unterleibes, und mithin aller Verdau ungs-Werkzeuge, recht merklich stärkt, die Blähungen auf eine unglaubliche Art forttreibt, [154] und solchergestalt den beklemmten Kranken von seinen ängstlichen und schmerzhaften Zufällen, in einer kürzeren oder längeren Zeit, glücklich frey macht. Nachdem nun durch dieses außerordentlich wirksame Mittel, ausser ihm selbst, noch eine gesegnete Anzahl anderer hypochondrischer Patienten bisher glücklich geheilet worden; so glaubt er, durch die Bekanntmachung desselben dem Publikum einen wahren Dienst zu leisten, und hat es daher, ohne allen Eigennutz, dem Herrn Matthias Nicolaus Eckhorst, in Hamburg, neben der Börse wohnhaft, in Commission gegeben, der es einem jeden Hülfsbedürftigen in 1 oder 2 Loth-Gläsern, das Loth zu 1 Mark Hamburger Courant, bereitwillig überlassen wird. Man wird sich dieser vortrefflichen Arzeney sowohl curative, als palliative bedienen. Man sehe den dabey befindlichen ausführlichen Gebrauchszettel, der die Patienten von allem Uebrigen hinlänglich benachrichtigen wird. Auswärtige werden ersucht, den Herrn Eckhorst wegen Emballage und Postkosten schadlos zu halten.


3. Doctor Grahams Kunst, ohne Essen zu leben. London. 1793.


Doctor Graham, der sich vorzüglich durch sein befruchtendes Bett so sehr bekannt gemacht hat, ist aus Portugall hierher zurückgekehrt, [155] und will nun Vorlesungen über die Kunst halten, wie man ohne Essen ein gesundes und langes Leben fortführen könne. Er hat vor dem Lord Major geschworen, daß er während seiner 14tägigen Reise stets gefastet, und außer ein wenig Wasser nichts genossen. Er verspricht, seinen Zuhörern das große Geheimniß der Natur zu entdecken, wie Menschen bey Hungersnöthen, in Belagerungen, bey gewissen Krankheitskuren u.s.w. mehrere Monate lang hungern können, und er wird seinen Zöglingen die von ihm erfundenen Erdbäder vorzeigen, in denen die unzähligen Mündungen der einsaugenden Gefäße der Haut die feinsten nährenden Theilchen der Erde einsaugen, die zum Leben, zur Gesundheit und Stärke erforderlich sind.


4. Doktor Grube's Avertissement, in einer Stadt des niedersächsischen Kreises ausgetheilt, 1780.


A et Ω.


Der von Ihro Königl. Majestät in Rußland und Pohlen, auch von denen mehresten Churfürsten und Fürsten des Heil. Römischen Reichs, noch jüngst aber von Ihro hochfürstl. Gnaden zu H*** allergnädigst und gnädigst privilegirte und von verschiedenen medicinischen [156] Fakultäten examinirte unten benannte Operateur offerirt hierdurch seine viele Jahre hindurch ausgeübte Geschicklichkeit, wodurch er von Fürsten, Grafen und Personen des ersten Ranges die glaubwürdigsten Attestate erlangt: auch kann er sich rühmen, daß er in dem größten Städten Deutschlands niemals prakticiert habe, ohne die rühmlichsten Zeugnisse seiner glücklich verrichteten Kuren erhalten zu haben, derer er noch tausend auf jedesmaliges Verlangen aufzuweisen im Stande ist. Er beruft sich aber vielmehr auf seine Geschicklichkeit, welche ihn besonders in folgendem rühmen wird.


1) So Jemand fünf, zehn, funfzehn und mehrere Jahre blind gewesen, solchen hilft er, den mehresten in einer Viertelstunde; auch kurirt er alle andere Fehler der Augen, sie mögen seyn wie sie wollen, wenn nur die Pupilla oder Augapfel nicht lädirt ist.

2) Hilft er auch denenjenigen, die das Gehör verloren oder sonst schwer hören, oft in einer Viertelstunde.

3) Krebs- und Fistelschaden, Hasenscharten, Gewächs- und Oberbeine schneidet und kurirt er in kurzer Zeit dergestalt, daß nichts mehr davon zu sehen seyn muß.

4) Für Brüche und Leibesschaden, welche doch sehr schlimme und den Menschen sehr gefährliche Schaden seyn, hat er ein ganz untrüglich [157] Mittel, ohne Schnitt zu helfen, sowohl bey Mannspersonen, als Fraueuzimmern, welche etwa in schweren Kindesnöthen dergleichen Schaden empfangen.

5) Ausgeschlagene Köpfe, dicke Kröpfe, Saat- und Monatshälse, scorbutische Schäden, Salzflüsse und dergleichen, werden von ihm auf eine ganz leichte Art kurirt.

6) Finden diejenigen, welche von dem sogenannten Nierenstein geplagt werden, eine sehr schnelle Hülfe.

7) Kurirt er auch alle venerische Schäden, sie seyn beschaffen, wie sie wollen, auf eine ganz leichte Art, ohne Salivation.

8) Endlich kurirt er den Jammer oder die Epilepsie, unter dem göttlichen Beystande, in vierzehn Tagen.

9) Hat er ein Heilmittel, Leichdörner und Hüneraugen in Zeit von drey Minuten gänzlich ohne Schneiden zu kuriren. Mehrere Fehler werden von besagtem Operateur, sowohl innerliche, als äußerliche Krankheiten kurirt; können aber um der Kürze willen nicht alle benannt werden.


Da nun kein Operateur in hiesigem *** Lande privilegirt, dann besagter, als dienet bey dieser Gelegenheit einem Jeden zur Warnung, sich für Herumläufern, Großprahlern, Plauderern und Winkelärzten zu hüten, welche alles, was ihnen vor die Faust kömmt, kuriren wollen, da sie doch nicht [158] einmal ein Recept, vielweniger Medicin oder die Erbauung des menschlichen Körpers verstehen; ja es haben sich sogar einige unterstanden, sich auf meinen Namen auszugeben, um die armen Patienten zu betrügen und solche in desto größere Verzweiflung gesetzt; deswegen wird ein Jeder nochmals für solchen Leuten gewarnt.

Sollten nun mit obgedachten Arten oder mit sonstigen Fehlern behaftete Patienten seyn, diese können sich bey Zeiten melden; und so fern ihnen zu helfen, werden solche angenommen, denen aber nicht zu helfen stehet, solche werden nicht alleine abgewiesen, sondern auch vor fernern vergeblichen Kosten gewarnt; denn hier heißt es: Propria laus sordet, laus aliena placet (eigenes Lob stinkt, fremdes Lob gefällt), das Werk muß den Meister loben.


Doctor Grube.


5. Ein Avertissement aus dem Havelländischen Kreise, von 1785. Berl. Monatsschrift, 1786.


Hochgeehrteste Leser! Es wird hiermit jedem, wessen Standes und Würden sie sein mögen, kund und zu wissen gethan, daß allhier angelanget sei der Königl. Preußische examinirte und privilegirte Wund- und Zahn-Operateur Joh. Schneider, Burger seß- und wohnhaft zu Frankfurt an der Oder, welcher seine Proben an vielen Orten rühmlichst abgelegt hat.


[159] Er weiß alle von ungeschickten Zahnärzten abgebrochene Stifte und Wurzeln, ohne sonderbare Schmerzen, in einer Geschwindigkeit herauszunehmen und an die Stelle andere »(Stifte und Wurzeln?)« einzusetzen, womit man Nüsse aufbeißen kann. Alle schwarze Zähne, wo der Brand überhand genommen, inn- und auswendig zu putzen, daß sie wieder weiß und gereinigt werden. Ein vortrefliches Arkanum wider die Würmer, äußerlich zu gebrauchen, daß man keinen nichts darf eingeben und sie doch alle getödtet und abgetrieben werden. Wer nun die Seinigen lieb hat, der wird sich dieses Kunststücks bedienen lassen. Wenn ein Mensch sein Gehör 10, 15 bis 20 Jahr verloren hat, kann ich in kurzer Zeit helfen. Auch besitze ich das gerechte Pariser Perlenwasser, die Sonn- und Leberflecken, auch andere garstige Finnen und Blattern an dem ganzen Leibe, auch die mit auf die Welt gebrachten Muttermäler zu vertreiben. Auch desgleichen ein gewisses Pflaster gegen die Hühneraugen und alle Arten von Warzen. Ein gewisses Remedium gegen die Kröpfe. Eine ganz neue approbirte Invention, die Brüche oder Leibesschäden zu kuriren, bestehend in einem sonderbaren Arkanum. Ganz vortrefflich aber ist die Wirkung und Tugend des neuerfundenen Hauptstärkenden Spiritus, dessen Tugend gleichsam mit der Feder nicht kann gerühmet, und solcher eine hellglänzende Sonne des[160] menschlichen Hauptes könnte genannt werden. Einige Tropfen davon auf das Haupt und die Schläfe geschmiert, machen und erhalten ein gutes Gedächtnis, worüber sich höchstens zu verwundern und ist es bei erlernten Personen, oder denen, welche groß Nachsinnen oder Kopfarbeit haben, augenblicklich zu verspüren. Er benimmt den Schwindel und bewahrt den Menschen, nächst Gott! gewiß vor dem Schlag. Er erläutert das Haupt von den aufsteigenden Dünsten des Magens, welche von Verstopfung des Milzes und der Leber Großader sein, auch andern melancholischen Geblüts, so sich ins Haupt erheben und ziehen, wodurch die natürlichen Gemüthsgeister verdunkelt werden, daß alsdenn eine Melancholie daraus entstehen kann. Gleichwie zu Zeiten durch einen starken Nebel die Helle des Tages und das liebe Firmament sich wiederum präsentiert und hervorbricht, also werden durch diesen Spiritus die aufsteigenden Dünste aus dem Haupt zertheilt, daß sich die fröhlichen Geister des Gemüths wiederum spüren lassen. Dieser Spiritus benimmt auch die Zahnschmerzen. Er erzeigt auch eine wunderbare Würkung denenjenigen, die aus Blödigkeit der Augen sich der Brille bedienen müssen; die lassen ihnen belieben, täglich 10 bis 12 Tropfen auf das Haupt und Schläfe zu schmieren, sie sind versichert, die Brillen und Augengläser wegzulegen.


[161] 6. Avertissement, aus der Berliner Monatsschrift, 1786.


Zum großen Vergnügen aller Einwohner ist der berühmte Herr de Magno Cavallo, Philosopho-Medikus, Botanikus, Chemikus, Pharmacevtikus, Anatomikus, Poeta in Stralsund angekommen. – – Wie der Körper seine Krankheiten hat, so hat auch das Gemüth die seinigen. Bäder helfen dem ersten. Was dienet zur Genesung des zweyten? Die Kuriosität des Zukünftigen ist eine der grausamsten Krankheiten des Gemüths, ist ein brennendes Fieber, welches die Seele beunruhigt und die Gesundheit unzähliger Menschen verdirbt. Die Alten brauchten die Erfindung der Orakel zu dem heilsamen Endzweck der Kur solcher Krankheiten. Durch dieses Mittel ward die allgemeine Medicin der Krankheit der Kuriosität erfunden. Was dient Aberglauben? Betrug? Religion? Klugheit? Staatspolitik? u.s.w. u.s.w. Man mag einwenden, was man will: die ungeschliffenen Spötter und Spötterinnen mögen soviel schelten, als sie wollen, so behauptet man doch das Vortheilhafte für das verehrungswürdige Alterthum. Nach dessen Beyspiel wird der berühmte Philosopho-Medikus, Botanikus, Chemikus, Pharmacevtikus, Anatomikus, Poeta und Mirza Tartarus de Magno Cavallo in folgendem Sommer ein Orakel in Kenz anlegen, welches zum Vorbild hat das [162] berühmte Orakel zu Präneste. Präneste war eine berühmte Stadt der Römer, wo ein vortreflicher Tempel der Göttin Fortuna gewidmet war, dessen Priester vermittelst einer Urne und vermittelst der Buchstaben der Namen der Personen, die in den Topf geworfen wurden, Weissagungen zogen. Ach gelehrte Damen! nehmen Sie in ihrer Angst, wenn die Wissenschaft der Zukunft Ihren Sinn und Witz reitzen sollte, Zuflucht zu dem Orakel zu Kenz. Besagter berühmter Philosopho-Medikus Magno Cavallo wird Ihnen vermittelst der Buchstaben Ihrer Namen (auf Pränestinische Orakelart) eine angenehme Erfindung der Zukunft zu errathen anbieten, auf daß Sie Ihr Gemüth in betrübten Zufällen stärken und in freudigen mäßigen können.

Auch weiß er, durch seine alkalinische Bäder, unfruchtbare Eheleute zu dem herrlichen göttlichen Stand der Vaterschaft (Paternitatis gradum) zu befördern, welcher unleugbarlich die erste Stuffe, Tritt und Schritt auf dem Wege zum Nachbilde der Gottheit, nach dem allgemeinen Gebet: Vater Unser, der du bist im Himmel (Pater noster, qui es in coelis) ist. Die Medici behaupten, daß die Bäder zu der Fruchtbarkeit der Weiber viel beytragen können. Das Bad zu Kenz, ein alkalisches Wasser, kann desto glücklicher das wirken, da die alkalische Qualität und Eigenschaft desselben [163] in Bezug an vielen Personen und Temperamenten vor andern Wassern und Bädern einen großen Vorzug hat. Der Unterschriebene hat schon solche Vorstellungen nach Stockholm bey Hofe geschickt und gründet darüber eine große Hoffnung wegen eines hohen Besuchs zu Kenz. Ist auch sehr bewust, wie die Naturgeschichte die Unfruchtbarkeit der Weiber der salpetrischen Luft viel zuschreibe. In Aegypten, wo die Fruchtbarkeit der Weiber am wenigsten merklich ist, und wo dieselben gemeiniglich mit Zwillingen niederkommen, athmet alles, wie ein anonymer Autor sagt, salpetrische Luft. Der Unterzeichnete hat in Kenz eine Ader schneeweißes Wassers von salpetrischem Sand entdeckt und erfunden. – Auch ist er bedacht, daselbst einen unterirrdischen Weg, nach dem Modell der ägyptischen, und eine Grotte zu eröfnen, welche vermögend ist, die salpetrische Luft zu sammlen, zu koaguliren, zu säugen, zu empfangen, und damit ein salpetrisches Luftbad zu bereiten.

Vierter Theil

1. Anekdoten aus der medicinischen Literatur und Geschichte der Medicin
1. Anekdoten aus der medicinischen Literatur und Geschichte der Medicin
1.
Leben und Meinungen des Hieronymus Cardanus.

Hieronymus Cardanus wurde zu Pavia im Jahre 1501 geboren. Sein Vater war von einem edlen mailändischen Geschlecht; sill ihn aber in keiner rechtmäßigen Ehe erzeugt haben. Im 19ten Jahre wurde er erst auf eine Schule geschickt, wo er die verschiedenen Anfangswissenschaften erlernte. Nachdem sein Vater gestorben war: studirte er die Arzneikunst, Mathematik und [3] Philosophie, und disputirte in seinem 21sten Jahre. Er war zu verschiedenen Zeiten in Padua, Mailand, Venedig, und endlich gieng er nach Rom, wo er im Jahre 1576 starb. Man behauptet, er hätte sich zu Tode gehungert, damit seine Prophezeihung, daß er im fünf und siebzigsten Jahre sterben würde, erfüllt werden möchte. Cardanus war einer der abergläubigsten Menschen seiner Zeit, und ein großer Anhänger und Beförderer der Magie und Theosophie. 1


Seine Schriften machen zehn Folianten aus, worin manches Gute; sehr vieles aber ungereimt und lächerlich ist. Von der Sterndeuterei hielt er sehr viel. Er sagt selbst, weil Venus, Mercur und Jupiter bei seiner Geburt eine gewisse Constellation gehabt hätten: so wäre er ein so unbeständiger, neidischer, hinterlistiger, geiler, verläumderischer Mensch geworden, der immer in den Tag hineinlebe, kein Geheimniß verschweigen könne, keine Beleidigung vergesse, und selbst die Religion verachte. Sogar Christo hat er die Nativität gestellt, und dessen Tugenden und Thaten von dem Einflusse seiner Constellation bei der Geburt hergeleitet.


Er behauptete, daß er so gut, wie Sokrates, seinen Dämon habe. Er hatte eine außerordentliche Eigenliebe, und eine Sucht, beständig von [4] sich selbst zu sprechen; er behauptete, alle tausend Jahre werde ein großer Arzt geboren, und er wäre der siebente seit der Schöpfung der Welt. In seinem Werke von der Subtilität, welches aus 20 Büchern besteht, behauptete er in dem siebenten Buche, welches Nachrichten von kostbaren Steinen enthält, daß der Hyacinth vor den Wirkungen des Gewitters schütze; daß der Smaragd ein so gewissenhafter Stein sei, daß, wenn sich derjenige, der ihn trägt, Wollüsten überlasse, er sogleich in Stücken springen werde, daß der rothe Jaspis das Nasenbluten stille; daß die Korallen eine bleiche Farbe annehmen, wenn man sie einem Kranken, der sterben wolle, um den Hals oder um die Arme hänge; roth aber blieben sie, wenn der Kranke wieder genesen sollte. Auch behauptet er, daß diejenigen, die kein Fleisch essen, nie von Wanzen geplagt würden, dieses bewiesen die Cartheuser, die, da sie das ganze Jahr kein Fleisch essen, dieser Plage auch nie ausgesetzt wären. Fleisch fressende Thiere sollen mehr Verstand haben, als Gras fressende, weil im Fleische mehr Lebensgeister wären, als in den Pflanzen. Er giebt auch hier Unterricht in der Kunst, Kinder zu zeugen, und wie man es anfangen müsse, wenn es ein Knabe oder Mädchen werden solle. Er glaubt nämlich, daß in dem weiblichen Eierstocke die männlichen Eier auf der rechten Seite, und die weiblichen Eier auf der linken befindlich seien. Auch ist er überzeugt, daß Kinder, die außer der [5] Ehe gezeugt würden, stärker und gesünder, als die andern Kinder, wären; wovon er sich selbst zum Beispiel anführt. Von sich selbst erzählt er auch noch, daß er, so oft er nur wolle, sich in einen Zustand von Ekstase versetzen könne, worin er alles Zukünftige voraus wisse, und ihm die Bilder der Zukunft auf den Nägeln seiner Finger erscheinen; daß er ferner gar nicht ohne Schmerzen leben könne, denn der Mangel alles Schmerzes versetze ihn in einen Zustand von unausstehlicher Unruhe, welche ihn zwinge, durch Beißen in die Lippen, und durch Zwicken des Fleisches am Arm, sich Schmerzen zu erregen. Von seinem Vater führt er noch folgende Merkwürdigkeit an, daß er nämlich des Nachts eben so gut, als am Tage, habe sehen können. Und doch hat dieser sonderbare Mann, der so vielen Unsinn glaubte, sagte und lehrte, viele Verdienste um mehrere Fächer der menschlichen Kenntnisse Wahrscheinlich ist es, daß seine beständige Kränklichkeit in seinen jüngern Jahren diese bizarre Denkungsart, Folge einer überspannten Phantasie, erzeugt hatte.


S. Sprengels Geschichte der Arzeikunde, S. 322; und die deutsche Monatsschrift, Junius 1797.

[6]
Fußnoten

1 S. Bayle. Vol. II. S. 54.

2. Biographie des Dr. John Brown
[7] 2.
Biographie des Dr. John Brown. 1

John Brown wurde zu Bunke, einem Dorfe in der Grasschaft Berwik in Schottland, im Jahre 1735, von geringen Aeltern geboren. Er war erst bey einem Leineweber in der Lehre; sein guter Kopf bewog aber seine Aeltern, ihn studiren zu lassen. Er kam daher ungefähr in seinem 16ten Jahre nach Dunse in die lateinische Schule, wo er seinen Studien mit ausgezeichnetem Fleiße oblag, und bald als ein Wunder angestaunt wurde. Nach 2 Jahren seines dortigen Aufenthalts konnte er alle lateinische Classiker mit der größten Leichtigkeit lesen, und in der griechischen Sprache machte er eben solche außerordentliche Fortschritte. – In der Erndtezeit verdung er sich als Schnitter, um sich dadurch die zu seinem Studiren benöthigten Mittel zu verschaffen. Sein fortgesetzter Fleiß und seiner Geschicklichkeit verschafften ihm in der Folge die Stelle eines Gehülfen in der Schule.


[7] Nach seinem damaligen Lebensplane wollte er einst Rehgionslehrer der Separatisten oder Whigs werden; er war auch selbst sehr religiös. Es ereignete sich aber ein Umstand, der ihn auf immer von dem Pfade abbrachte, welchen er bisher so eifrig verfolgt hatte. Er besuchte nämlich einstmals auf Veranlassung seiner Mitschüler die Dunser Pfarrkirche, und wartete den ganzen Gottesdienst ab. Dieß Aergerniß konnte nicht ungeahndet bleiben. Er wurde vor die Session der Separatistengemeinde citirt; allein er sagte sich ganz von dieser Verbindung los, und trat zur herrschenden Kirche über.


Im Jahre 1755 erhielt er eine Hofmeisterstelle; welche er aber wegen seines pedantischen, finstern Wesens bald wieder verlor. Nun gieng er nach Edinburg, wo er Theologie und Philosophie studirte. Er verließ die Theologie bald wieder, und wollte die Arzneikunst studiren; hatte aber eher kein Geld dazu, bis er dann im Jahre 1759 durch Unterricht in der lateinischen Sprache sich so viel erwarb, daß er sich der Medicin widmen konnte. Im Jahre 1765 verheirathete er sich, und nahm Studenten in sein Haus und an seinen Tisch; er lebte aber auf einen zu großen Fuß, und kam so herunter, daß er in einigen Jahren Bankerot machte.


[8] Dabei genoß er jedoch alle Glückseligkeit häuslicher Freuden, war zärtlicher Ehemann und Vater; die medicinischen Vorlesungen besuchte er fortgehend, seinem eigenen Geständnisse nach, 10 bis 11 Jahre lang.


Unter allen medicinischen Professoren erhielt er von keinem so ausgezeichnete Beweise des Wohlwollens, als von dem berühmten Cullen. Dieser übertrug ihm das Amt eines Privatlehrers in seiner eigenen Famlie, und empfahl ihn auf alle Art. In der Folge gab er ihm die Erlaubniß, Abendvorlesungen zu halten, und vertraute ihm dazu seine Hefte an. Nach und nach entstanden zwischen beiden Mißhelligkeiten, und die innige Vertraulichkeit endigte sich mit offenbarer Feindschaft. Brown meldete sich unter andern mit zu der durch den Tod Alexander Monro's erledigten Stelle, und zwar, im Vertrauen auf seine Geschicklichkeit, ohne alle Empfehlung. Als die Herren des Magistrats, von denen die Besetzung dieser Stelle abhieng, Brown's Namen auf der Liste fanden, und spöttisch fragten, wer denn dieser unbekannte, von Niemand empfohlne, Candidat wäre: soll, dem Gerücht nach, Cullen sich erst ein wenig besonnen, dann im gemeinen Edinburger Dialekt ausgerufen haben: Ei, das wird doch wohl nicht gar unser Hanns sein! Dieser höhnische Ausdruck hatte die Folge, daß man weiter keine Rücksicht auf ihn nahm.


[9] Bald nach diesem gänzlichen Bruch mit Cullen trat Brown nun mit seiner neuen Theorie der Heilkunde hervor, gab 1779 seine bekannten Elementa medicinae heraus, und hielt Vorlesungen darüber. So wenig zahlreich auch anfänglich diese Vorlesungen besucht wurden: so waren doch immer die besten Köpfe unter Brown's Anhängern; ob man gleich auch gegenseitig bemerken wollte, daß die unfleißigsten und lüderlichsten jungen Leute sich an ihn anschlössen. Ihre schlechte Aufführung, nebst der Unklugheit des Lehrers in seinem Privatleben, und der beleidigende Ton, in welchem er von sich und andern sprach, machten, daß das System und der Urheber desselben fortwährend im schlechten Rufe standen. Brown lebte nun bald mit allen Lehrern der Arzneiwissenschaft zu Edinburg in Feindschaft. Gleich andern Reformatoren, die mit einer mächtigen Gegenpartei zu kämpfen haben, übte er Unrecht und litt Unrecht; gleich ihnen verlor er auch, sobald es auf sein System ankam, alles Gefühl für Billigkeit. Folgende Geschichte brachte ihn endlich um allen Credit.


Dr. Monro und Dr. Duncan behandelten gemeinschaftlich einen, an einem gefährlichen Fieber der niederliegenden, Studirenden. Einer von Brown's eifrigen Anhängern, Dr. Jones, ein Freund des Kranken, suchte die Krankenwärterin zu bereden, diesem, nach Brownschen Grundsätzen, [10] heimlich stark reizende Mittel beizubringen. Nach dessen Behauptung wurden selbige auch 24 Stunden lang, und zwar mit einem so guten Erfolg, gegeben, daß die Aerzte den Kranken bei ihrem nächsten Besuch für ganz fieberfrei erklärten; Nachmittags desselben Tages verfiel er aber dagegen in ein so heftiges Delirium, daß Jones sich in der Verlegenheit an seinen Lehrer wandte. Dieser ließ die Krankenwörterin heimlich zu sich kommen; machte ihrem Verstande große Lobeserhebungen; ließ sich herab, ihr die Richtigkeit seiner Grundsätze, in Beziehung auf den vorliegenden Krankheitsfall, begreiflich zu machen, und ermunterte sie, dem Kranken fernerhin, statt der von den Aerzten verordneten antiphlogistischen, reizende Mittel beizubringen.


Der von Duncan und Monro aufgegebene Kranke genas endlich. Die Brownianer schrieben seine Genesung ihrer Behandlungsart zu, und machten den Fall öffentlich bekannt; die Wärterin aber hatte gedroht, falls von den geheimen Verhandlungen etwas heraus kommen sollte, ihren Antheil daran ganz abzuläugnen. Dr. Duncan ließ sie sowohl, als mehrere Zeugen, ja selbst den Kranken, darüber vernehmen, und machte diese Zeugnisse, und zum Theil eidlichen Aussagen, öffentlich bekannt. Nach diesen hatte sie alle heimliche Anträge abgewiesen, und es war bloß von dem Unterhändler ein einziger fehlgeschlagener Versuch [11] gemacht worden, dem Kranken eine Dosis des reizenden Mittels (Rum und Laudanum) beizubringen. Duncan wollte seiner Seits Brown darüber gerichtlich belangen; wurde aber noch durch Monro's Vorstellungen davon abgehalten. Unterdessen erhielt doch Brown's Ruf unter seinen Landsleuten eine unheilbare Wunde, und alle Wahrscheinlichkeit einer einträglichen Praxis hörte nun auf.


Zweimal wurde Brown zum Präsidenten der medicinischen Gesellschaft gewählt: ein Mal im Jahre 1776, und das andere Mal 1780. Seit dieser Zeit wurden die Streitigkeiten unter den Studirenden auf das äußerste getrieben.


Im gesellschaftlichen Umgange maaßte sich Brown gern ein unbeschränktes Ansehen über alle Anwesende an. In allem, was er sagte, zeigte er eine lebhafte Einbildungskraft, obgleich die Bilder, die er aufrief, wenig Angenehmes hatten. Von der Gelehrsamkeit, den Talenten und dem System der medicinischen Professoren sprach er immer mit der tiefften Verachtung. Er gab ihnen beständig Schuld, daß sie ihn verfolgten, und ungerecht gegen diejenigen Studenten wären, die ihm anhiengen. Diese Unterdrückungssucht gieng so weit, daß den Candidaten der Medicin verweigert wurde, in ihren Dissertationen Stellen aus Brown'sElem. med. anzuführen, da diesen sonst [12] nie verwehrt wurde, in ihren Schriften selbstbeliebige Schriftsteller zu citiren.


In seinen Vorlesungen erhob er die Wichtigkeit seiner Entdeckungen weit über die Newtonschen. Seine Stimme war gewöhnlich heiser, beinahe krächzend; wenn er aber ins Feuer kam: hatte er eine so schöne Modulation in seinem Tone, daß man darüber das Rauhe seines Accents und seine Manieren ganz vergaß. Bisweilen, wenn er sich matt fühlte, stellte er auch wohl eine Flasche Branntwein und eine Flasche Laudanum sich zur Seite; nahm dann vor dem Anfange seiner Vorlesung 40 bis 50 Tropfen Laudanum in einem Glase Branntwein, und wiederholte diese Dosis während der Vorlesung 4 bis 5 Mal. Hiedurch ins Feuer gesetzt, wurde seine Einbildungskraft bis zum Wahnsinn erhöht.


Zuweilen suchte er seinen Lehren auf eine nicht sehr gewöhnliche Weise Nachdruck zu geben. Durch ungewöhnlich starkes Gehen hatte er sich einen leichten Anfall vom Podagra zugezogen. Dieß gab Gelegenheit, einen Versuch zu machen, welcher den Streit über die Natur und Cur dieser Krankheit entscheiden sollte. Er lud sechs seiner vorzuglichen Schüler zum Mittagsessen. Schon vor Tische hatte er Schnaps getrunken; nun trank er auch noch bei Tische fort, und gestand, daß er es auf einen kleinen Rausch angelegt habe, um die Natur derjenigen Entzündungen zu erklären, von [13] denen man fälschlich allgemein annähme, daß sie mit phlogistischer Beschaffenheit verbunden wären. Vorher war er nicht im Stande gewesen, seinen entzündeten Fuß auf den Boden zu setzen, eher er aber noch die Gesellschaft entließ: hatte er den völligen Gebrauch seines leidenden Beins wieder.


Nach und nach kam er endlich doch so herunter, daß er Schulden wegen in das Gefängniß gesetzt wurde, wo seine Schüler seine Vorlesungen besuchten. In dem Gebrauch berauschender Getränke beobachtete er nun keine Mäßigung mehr.


Um seine Lage zu verbessern, gieng er nun nach London. Dieß geschah im Jahre 1786. Hier bot ihm ein Londoner Quacksalber eine ansehnliche Summe, um ihm seinen Namen zu einer geheimen, aus Reizmitteln bestehenden, Composition zu leihen, die er unter dem Namen, Brown's erregende Pillen, in Umlauf bringen wollte; welchen Antrag aber Brown mit Verachtung zurückwies. Uebrigens bewirkte die Veränderung des Wohnorts keine in seiner Lebensart; seine Freunde konnten immer weniger mit ihm auskommen. Er sprach mit der lebhaftesten Gewißheit von dem Triumph, den sein System endlich erhalten würde; aber dessenungeachtet that er wenig dabei. Er kündigte zwar Vorlesungen an; sie kamen aber nicht zu Stande. Im Jahre 1787 gab er ohne seinen Namen seine Bemerkungen heraus. Sie [14] waren auf das große Publicum berechnet; aber Brown verstand sich nicht darauf, sich populär zu machen. 2


So setzte er noch einige Zeit sein unordentliches Leben fort, immer voll von großen Planen und Erwartungen. Endlich am 7ten October 1788, ungefähr in seinem 52sten Jahre, traf ihn des Nachts ein tödtlicher Schlagfluß, nachdem er noch beim Schlafengehen, seiner Gewohnheit nach, eine starke Dosis Laudanum zu sich genommen hatte. Seine Wittwe und Kinder wurden durch Privatwohlthätigkeit gegen die dringendeste Noth geschützt, ungeachtet dieß zu ihrem fernern Unterhalt nicht hinreichend war. Er hinterließ 2 Söhne und 4 Töchter, wovon der älteste zu Edinburg die Arzneiwissenschaft studirt, und von Professoren und Studenten reichlich unterstützt wird.

[15]
Fußnoten

1 Das sogenannte Brownsche System hat sehr vielen Lärm in der Arzneikunst gemacht. Es lachen so viele Aerzte, und weinen so viele Kranke darüber, daß der Erfinder desselben wenigstens in einem Vademecum doch wohl einen Platz verdient.

2 S. Girtanners Darstellung des Brownschen Systems.

3. Anekdote über das Absterben des Dr. Krünitz
[15] 3.
Anekdote über das Absterben des Dr. Krünitz.

Krünitz kam in seiner Encyklopädie bis zu [15] dem Artikel Leiche. Eine Art von Ahndung, oder vielmehr eine sehr natürliche Anspielung findet sich hierüber in seinem letzten Billet am Hrn. Propst Teller, welcher ihm die Nachrichten über das Berlinische Leichenhaus mitgetheilt hatte. 1 Krünitz schrieb am Ende seines Billets vom 18ten December 1796, daß der nahe Eintritt in das 70ste Lebensjahr ihn an den Tod erinnere, »wozu die an acht Monate mich noch beschäfftigende Bearbeitung des Artikels Leiche kommt; praefiscine dixerim et scripserim (ohne üble Vorbedeutung sei es gesagt und geschrieben)« – In derselben Nacht starb er am Schlagflusse, und am andern Morgen wurde, bei der Abgabe des Billets, zugleich sein Tod angesagt.

[16]
Fußnoten

1 S. Biesters Berlinische Blätter, 1ster Jahrgang, S. 286.

4. Beiträge zur Charlatanerie in Polen
[16] 4.
Beiträge zur Charlatanerie in Polen.

Nahe bei Cracau befindet sich ein Bauer, welchen ich als eine der sonderbarsten Erscheinungen im Reiche der Arzneikunde anrühmen darf; welcher auch wegen der Neuheit seiner Art von Kenntniß nicht weniger Zulauf hat, als ehemals [16] der gutmüthige, launichte Michael Schuppach in Langenau, oder der finstere, grobe Monddoctor in Berlin. Dieser Pole empfängt seine Kranken oder ihre Abgesandten eben so stumm, als ein Fisch. Er befragt sie weder um Geschlecht, Alter, Gewohnheit, Beschaffenheit der Krankheit, noch um andre Umstände, die gewöhnlichen Aerzten zu wissen nöthig scheinen; auch den Urin beguckt er nicht. Der Wundermann verachtet das alles; nur das Hemde des Kranken muß ihm vorgewiesen werden. Dieses beriecht er sehr bedächtlich, und giebt alsdann seine Orakelsprüche. Seine Mittel bestehen unveränderlich in einem Decoct von Graswurzeln, in einem Bade, wozu er klein gehacktes Stroh und Gamomillen giebt, und endlich in einem Geschmiere, welches er Balsam nennt, und aus Butter, Bier, Essig und Leinöl zusammengesetzt ist. Für die Consultation sowohl, als für die Mittel bezahlt man zwölf polnische Gulden oder zwei Reichsthaler, und so fertigt er die Krankenboten mit der beschniffelten sehwarzen Wäsche wieder nach Hause ab. Ich hätte sehr gewünsch, diese, so viel mir bewußt ist, in ihrer Art einzige Charlatanerie genau untersuchen, oder wenigstens ihre Entstehung ergründen zu können; aber so dumm das Aeußerliche dieses Bauers scheint: so ist er doch schlau genug, sich mit Niemanden über die Grundsätze seiner Kunst einzulassen; und sobald eine zudringliche und, seinem Bedünken nach, naseweise Frage an ihn geschieht, fertigt er die [17] Neugierigen damit ab, daß die Vorsehung ihre Wundergaben nach ihrer Willkür ausspende, und daß es auf der Erde eine Menge Dinge gebe, die nicht jedermann zu fassen fähig sei. Dieses war nun freilich ein Argumentum ad hominem; nur zerbrach ich mir umsonst den Kopf, um zu ergründen, wie in aller Welt unser erzdumme Bauer zu Hamlets Lieblingssittenspruch möchte gekommen sein.


* *

*


Ein Barbier dieses Landes verdient auch hier, seiner besondern Studien und Praxis wegen, einen Platz. Dieser Mann, der ehemals ein Fuhrknecht war, setzte sich in den Kopf, ein Wundarzt zu werden. Um von der Pike auf zu dienen, rasirte, schröpfte und klystirte er so lange, bis er so viele Baarschaft zusammengescharrt hatte, um ein Jahr lang eine auswärtige Akademie besuchen zu können. Es erhellt aus den Quittungen, die er auf Begehren eines jeden, etwas ungläubigen, vorzulegen keine Schwierigkeit machte, daß er folgende Collegia dort gehört habe: Geometrie und Latein, Anatomie und Forstwissenschaft, Physiologie und Oekonomie, Chemie und Logik, Naturhistorie und Metaphysik, Botanik und Astronomie, Pathologie und Hydraulik, Klinik und Mathematik, Chirurgie und Fechten, Bandagenlehre und Tanzen, Accouchement und Reiten, [18] und zum Beschluß ein Privatissimum über venerische Krankheiten und die französische Sprache. Sie glauben vielleicht, dieses sei Satire; aber es ist gewiß Thatsache, und kann auf alle Fälle diplomatisch belegt werden. So schwer mit Wissenschaften beladen kehrte unser Polyhistor zurück, und trommelte sich selbst zum Wundermann aus. Seine Operationen waren alle in der Manier der größten Lichter der Chirurgie. So richtete er z.B. heute einen gebrochenen Fuß a la Pott ein; morgen amputirte er denselben a la Alanson; nur Schade, daß der Patient eine halbe Stunde nach der unglücklichen Operation a la *** starb.

Champagner Wein empfiehlt unser Wundermann, wegen der darin enthaltenen fixen Luft, ganz besonders bei venerischen Krankheiten und Krebsschäden. Seine Recepte übertreffen alles, was je die beiden großen Aerzte, Baldinger und Tode, gesammlet und bekannt gemacht haben.


* *

*


Vor einigen Jahren kam ein Bauer hieher. Dieser war ein zweiter Tisserant: er machte Mirakel und für sich, noch mehr, Geld! Unter andern seiner Wundercuren war eine skirrhöse Brust. Rings um diese legte er ein Aetzmittel; die Brust fiel ab, und, siehe da! es war eine lebendige Schildkröte unter ihr. Lachen Sie nicht! die Sache wurde in vollem Ernste ausgesprochen, und [19] Sie werden Leute, die sonst gewiß nicht dumm sind, zu Hunderten antreffen, die die Wahrheit dieser Geschichte eidlich bekräftigen werden. – Allein die Frau starb, und dieser mein Schildkrötenarzt mußte seine häufigen Contribuenten und die Stadt verlassen. Dieser Kerl war ehedem Knecht bei einem Wundarzt in Preußen.


* *

*


Die Verachtung und der Abscheu, welche man bei den meisten Völkern gegen die Scharfrichter hegt, sind auch in Polen allgemein; und doch findet der Glaube an die medicinische Wunderkraft der Scharfrichter sich hier eben so häufig, als man in einigen Gegenden Deutschlands und der Schweiz beobachtet. Hier sind sie im Besitz besonderer Mittel. Sie curiren hauptsächlich Beinbrüche und Laxationen, und legen sich stark auf das Prophezeihen aus dem Urin. Hundefett ist ihr Universalmittel.


In Cracau verdient sich der Scharfrichter bei dem Enthaupten ein ansehnliches Stück Geld.

Es herrscht dort noch immer der unsinnige Wahn, daß die fallende Sucht durch das getrunkene warme Blut eines Hingerichteten gehoben werden könne. Kaum ist der Kopf von dem Rumpfe eines Delinquenten herunter geflogen: so wird dieser umgestürzt, das Blut in ein Trinkgefäß [20] aufgefaßt, und so, schäumend und sprudelnd, dem nahe stehenden Patienten eingegossen. Das erste Glas voll ist das theuerste; die übrigen vermindern sich der Folge nach im Preise. So wie dieses Getränk hinunter gestürzt ist: so jagt ein mit einer Peitsche bewaffneter Henkersknecht mit dem Kranken im vollen Laufe davon, um den Umlauf dieses Mittels zu bewerkstelligen, bis der Elende aus Mattigkeit dahin stürzt. Noch ist es allerdings sonderbar, daß die Scharfrichter bei dieser Operation nach einem festgesetzten Tarif zu Werke gehen. Judenblut kostet weniger, als Christenblut; das vorzüglichste oder theuerste ist das Blut einer Jungfrau oder eines Junggesellen.


S. De la Fontaine chirurgisch-medicinische Abhandlungen, Polen betreffend, S. 186.

2. Anatomie und Physiologie
1. Beispiele von Abweichungen von dem gewöhnlichen Verhalten der monatlichen Reinigung
1.
Beispiele von Abweichungen von dem gewöhnlichen Verhalten der monatlichen Reinigung.

Ein fünfjähriges Mädchen, das an eine sehr reichliche Nahrung, und an häufige Bewegung gewöhnt war, bekam alle vier Wochen einen mäßigen Blutfluß aus der Scheide, ohne daß sie sonst eine Unbequemlichkeit davon verspürte. Eine Wittwe verlor im funfzigsten Jahre ihre Reinigung; bekam [22] sie aber im ein und funfzigsten sehr reichlich wieder, und behielt sie regelmäßig ihr ganzes Leben hindurch; ob sie gleich ein Alter von sieben und siebenzig Jahren erreichte.

[23]
Fußnoten

1 Aus Abraham a. S. Clara's Werken.

2. Anatomische Curiosa für einen Professor der Anatomie
[23] 2.
Anatomische Curiosa für einen Professor der Anatomie.

Auf der Insel Senno ist ein todter Leib gefunden worden, dessen Hirnschale zwei Eimer Wasser gehalten hat. – Zu Trapani in Sicilien hat man viele Menschenzähne, von ungeheurer Größe und Schwere, gefunden. Wenn nun ein Mensch aufs Wenigste 28 bis 32 dergl. Zähne hat: so folgt, daß ein solcher einen ganzen Centner Zähne im Maule gahabt habe. – Als man in Mauritania das Begräbniß des Riesen Antei zerstörte: so fand man einen Menschenkörper, der hundert und fünf Schuh lang war. – In dem Königreiche Polen, in einem alten Grabe, ist ein todter Körper gefunden worden, der so große Finger hatte, daß dessen goldener Ring einem andern statt des Armbandes hätte dienen können.

3. Eintheilung des Menschengeschlechts
[23] 3.
Eintheilung des Menschengeschlechts.

Ein Professor der Anatomie theilte die Menschen in solche, welche präpariren, und in solche, welche sich präpariren lassen; die übrigen verdienen den Namen Mensch nicht.

4.

Derselbe sagte zu Jemanden, mit der Anatomie des Menschen wäre er fertig, in dieser könnte er nichts Neues mehr finden; aber mit der Anatomia comparata wolle er sich nun beschäfftigen.

5. Sonderbare Klage
5.
Sonderbare Klage.

Ein Mann, der hundert Jahre alt war, und dessen Kinder bis auf einen, der siebenzig Jahre alt war, gestorben waren, beklagte sich, als auch dieser starb, daß er kein Kind groß bekommen könnte.

6. Casus anatomicus
6.
Casus anatomicus.

Der Kaufmann Harpax starb plötzlich. Sein [24] Leichnam wurde deßwegen secirt; und als man nun überall dem Uebel nachgespürt hatte: so kam man auch aufs Herz, und, siehe! er hatte – keins; da aber, wo sonst dieses schlägt, fand man das Einmaleins.


Bürger.

7. Beispiele von vorgeblicher Hexerei
7.
Beispiele von vorgeblicher Hexerei.

Der Glaube an Hexerei, Teufelskünste und Hexenbanner ist immer noch sehr groß; besonders unter den gemeinen Landleuten. Wie oft hört man bei Unfällen in der Wirthschaft sagen: Das haben mir böse Leute angethan! Giebt eine Kuh blaue Milch, will sie sich nicht gut melken lassen: so ist sie behext. Will die Butter nicht bald werden: so sind böse Leute Schuld daran. Ja selbst Krankheiten und Leibesgebrechen werden der Hexerei zugeschrieben, und man nimmt, statt zum Arzte zu gehen, zu sogenannten weisen Leuten seine Zuflucht.


Ein Bauerknabe von zwölf Jahren ward krank, und bekam von Zeit zu Zeit heftige Leibschmerzen; worauf aber die Seinigen nicht achteten, weil er ungemein stark dabey aß. Denn das ist die gemeine Meinung, wer stark ißt, kann nicht krank sein; da doch der zu starke Appetit selbst [25] Krankheit ist. Nach einigen Wochen ward er plötzlich rasend, kannte Niemanden mehr, wollte alle anfallen, und biß, wie ein toller Hund, wenn man ihm die Hände hielt. Aeltern und Verwandte hielten darüber Rath, und urtheilten, daß es nichts anders, als Hexerei, sein könnte; denn wie könnte sonst ein Junge von zwölf Jahren so stark sein? Man schickte hierauf, um der Sache gewiß zu sein, einen Boten an einen sogenannten weisen Mann. Die Antwort erfolgte: Das kann nichts anders, als Hexerei, sein; die Mittel, die er mitschickte, bewiesen es ja auch deutlich genug. Es kamen versiegelte Zettelchen, die an die Thüre, an das Bette, selbst an den Knaben gehängt werden sollten, und mit stiller Ehrfurcht wirklich angehängt wurden. Doch war auch ein Gläschen mit Tropfen dabei, die ihm durch Aufbrechen des Mundes mit Gewalt beigebracht werden mußten. Entweder der garstige Geschmack des Mittels, oder die Erboßung des Knabens brachte ihn zum Würgen, welches lange anhielt, ehe das Erbrechen erfolgen wollte Nun brach er endlich Dinge aus, vor welchen sich alles in der Stube kreuzte und segnete. Anfänglich wollte es nicht heraus, und man sahe, daß etwas Hartes im Munde steckte; da er aber das Maul aufriß, fuhr einer von den Verwandten mit zwei Fingern hinein, und zog Erbsenstroh heraus.

Erbsenstroh! was konnte das anders sein, als Hexerei? Dieß war nun ein Wundermann, [26] der das hatte entdecken, und durch sein Mittel herausbringen können. Der Junge brach wieder, und abermals Erbsenstroh mehr, als das erstemal. Um das Wunder und die Hexerei vollständig zu machen: kam auch ein Stückchen altes Schuhleder heraus. Was müssen das für gottlose Leute sein, die dem armen Jungen das beigebracht haben? hieß es einstimmig. Da der Knabe nochmals Leder ausbrach, wurde gleich wieder ein Bote an den Wundermann abgefertigt. Ehe dieser aber zurück kam: wurde doch ein vernünftiger Arzt zu Rathe gezogen. Dieser sagte gleich: Der Junge hat Würmer im Leibe; das zeigt sein starkes Essen an; und eben daher kommt die Raserei. Man schüttelte den Kopf, und wies das Erbsenstroh und das Schuhleder. Wo dieses hergekommen ist, will ich gleich zeigen, sagte der Arzt. Liegt der Junge nicht auf Erbsenstroh? Sehet hier unter das Bette! wie viele alte Schuhe stehen da! Sehet hier, da sind die Stücke abgekauet, das hat der Junge in der Raserei gefressen und im Maule behalten.


Wie stutzten die Leute, da sie es mit ihren Augen sahen. Der Arzt gab dem Kranken ein Brechmittel, das stark wirkte, und noch etwas Stroh und vielen gallichten und schleimichten Unrath fortschaffte, worauf er ruhig wurde, einschlief und beim Erwachen bei sich war. Des andern Tages war er viel munterer. Nun wurden ihm dienliche Arzneien [27] gegeben, wodurch ihm viele Würmer, und eine Menge Schleim abgetrieben, und also der Hexerei ein völliges Ende gemacht wurde.


S. Märkische Blätter.

8.
1.

Oeffentliche Vorlesungen für Hebammen vom Lande haben bereits im October ihren Anfang genommen, und endigen sich gegen Weihnachten. Für Hebammen aus Städten werden die Vorlesungen im Inn. d.k.I. angefangen, und dauern bis zu Ende des Märzmonats. Die Stunden sind, wie gewöhnlich, Montags, Dienstags, Donnerstags und Freitags Vormittags um 11 Uhr.

[28] 2.

Oeffentliche anatomische Vorlesungen werden vier Stunden in jeder Woche, nämlich Dienstags und Mittwochs Nachmittags von 5 bis 7 Uhr gehalten, und wird damit bis Ende Aprils fortgefahren.

3.

Anatomische Privat-Präparir-Stunden sind Montags, Mittwochs, Donnerstags und Freitags Vormittags von 9 bis 12 Uhr, und Nachmittags von 2 bis 4 Uhr. Sonnabends Vormittags werden besonders noch anatomische Privat-Demonstrationen gehalten.

4.
Osteologie wird Montags von 3 bis 5 Uhr vorgetragen.
5.
Anleitung zu Geburtshülfe, nach eigenen Aufsätzen, wird Freitags von 3 bis 5 Uhr gegeben.
6.

Ueber des kön. geh. Raths, Herrn D. Carl [29] Abraham Gebhards, kurze Anweisung zu Heilung innerer Krankheiten werden Montags und Freitags von 5 bis 7, Donnerstags aber von 4 bis 6 Uhr Vorlesungen gehalten.

7.

Anleitung zur Erkenntniß und Cur der vorzüglichsten Viehkrankheiten wird mit dem Januar d.k.I. wöchentlich in vier Stunden, nämlich Dienstags Nachmittags von 2 bis 4 Uhr, und Mittwochs Vormittags von 10 bis 12 Uhr, zu geben angefangen. Die dabei nothwendig genau bekannt zu machenden Theile der Thiere sollen frisch vorgezeigt und erklärt werden.

8.

Vom Maimonat des k. I. an wird die Chirurgie, wöchentlich in acht Stunden, nämlich Dienstags, Mittwochs und Donnerstags von 3 bis 5 Uhr vorgetragen werden.

9.

Die im Dispensatorio Borusso-Brandenburgico von 1781 befindlichen zusammen gesetzten Arzneien werden vom Mai-Monat k.I. an [30] Dienstags, Mittwochs und Freitags um 5 Uhr vorgezeigt und erklärt werden.

Nota 1.

Die zu Ablegung des Cursus der Cursisten bestimmten Stunden sind Mittwochs und Sonnabends Nachmittags um drei Uhr angesetzt. Medici und hier befindliche Chirurgi können Mittwochs und Sonnabends cursiren; auswärtige Chirurgi aber werden nur Mittwochs zum Curse zu gelassen.

Nota 2.

Die Ursache, warum öffentliche anatomische Vorlesungen Dienstags und Mittwochs, und an eben diesen Tagen auch Vorlesungen über Viehkrankheiten gehalten werden sollen, ist diese: daß auswärtige, auch schon approbirte, Chirurgi Gelegenheit haben sollen, diesen ihnen so nöthigen Stunden ebenfalls beizuwohnen, da sie alsdann nur Dienstags Vormittags hier sich einfinden, und Donnerstags frühe sich wieder nach Hause begeben können.


[31] Außer diesen Vorlesungen, die Herr D. Morgenbesser zu halten verspricht, hat er noch die weitläufige Praxis seines Vaters, auch Phisikatsgeschäffte, und ist privilegirter Geburtshelfer.


S. Gruners Almanach für Aerzte und Nichtärzte, 1785. S. 190.

3. Krankheitsgeschichten und Curen
1. Beispiele von einigen Krankheiten der Einbildungskraft und ihrer Heilart
1.
Beispiele von einigen Krankheiten der Einbildungskraft und ihrer Heilart. S. Vademecum, 2 Th. S. 27. 3 Th. S. 100.

Ein junger Mensch erzählte mir folgenden Zustand, den ich so mittheile, wie er aus seiner Feder kommt: Ich pflege gewöhnlich tief in die Nacht zu lesen. Ungefähr vor einem halben Jahre, als ich zu Bette gieng, hatte ich die Empfindung, daß der Scheitel meines Kopfs in eine ungeheure Größe ausgedehnt wurde. Es schien, als ob mein Denken nicht da, wo es Statt hat, sondern weit hinaus in den obersten Theil dieses dunkeln [33] Raums versetzt wären. Ob ich mir nun gleich des Gegentheils bewußt war: so konnte ich mich nicht enthalten, den Kopf mit beiden Händen anzufassen, so lebhaft war mir die Empfindung der Monstrosität und der Ortveränderung meines Denkens. Der Zustand selbst war sehr widrig, und mit einer geringen Neigung zum Erbrechen verbunden. Nach einer Viertelstunde verließ ich das Bette. Ich wusch mir die Stirne mit Wasser, schluckte auch welches durch die Nase hinauf, und nach wenigen Minuten verschwand die Phantasie. Diese dreimal, und immer um dieselbe Zeit, nach dem Nachtlesen wiederkehrende Empfindung machte mich auf die gelegenheitliche Ursache derselben aufmerksam. Ich glaube sie in dem übermäßigen Gebrauche des Schnupftobacks, während des Nachtlesens, entdeckt zu haben. Denn seitdem ich Abends denselben ganz bei Seite setzte: hat sich diese widrige Empfindung nicht mehr eingefunden; ob ich gleich des Nachts noch die nämlichen Bücher lese.


Dieser meiner eigenen Erfahrung zufolge bin ich überzeugt, daß viele Menschen ihren Zustand wirklich so empfinden, wie sie ihn auszudrücken pflegen. Ich kannte einen gelehrten Abbé, der eine Empfindung, die er im Kopfe hatte, nicht anders begreiflich machen konnte, als durch die Vorstellung eines Fasses, welches sich immerwährend [34] auf einer Treppe hinauf und hinunter wälzte.


S. Michael Wagners Beiträge zur philosophischen Anthropologie. I.B. S. 277.

2.

Ein Officier verfiel in die sonderbare Einbildung, daß er fünf Grillen in seinem Kopfe habe, und quälte sich mit dieser herrschenden Vorstellung so sehr, daß er auf keine Weise von derselben abzubringen war. Nachdem der Staabschirurgus L., dem er als Kranker übergeben worden war, den Gang seiner Phantasie beobachtet hatte: bediente er sich folgenden Mittels, den Grillenfänger zu curiren. Er ließ sich nämlich fünf Grillen fangen, und versprach dem Patienten, die Grillen aus dem Kopfe heraus zu schnelden. An der Stelle, wo sich, nach Angabe des Patienten, die Grillen befinden sollten, machte der kluge Staabschirurgus einen Schnitt, und ließ eine Grille nach der andern, als hätte er sie aus der Wunde herausgenommen, auf den Teller herab fallen. Der Kranke versicherte, sogleich eine Erleichterung zu spüren, und lebte einige Jahre gesund und zufrieden.


Einstens neckten ihn aber seine Cameraden wegen seiner Einbildung, und erzählten ihm die [35] Art und Weise, wie er von den Grillen befreiet worden wäre. Sogleich ward er stutzig, fieng von neuem an, über seinen ehemaligen Phantasien zu brüten, und verfiel in die heftigste Raserei, worin er endlich starb.


Ebendaselbst, S. 279.

3. Nervenkrankheiten
3.
Nervenkrankheiten.

Es waren einst glückliche Zeiten, wo kein Mensch wußte, daß er Nerven habe. Man wurde von ihnen auf das Beste bedient, ohne ihre Gegenwart zu ahnden, ohne sichs möglich zu denken, daß sie auch untreu werden können. Wie sehr haben sich die Sachen geändert! Vor vierzig Jahren hatte ein Engländer (Whyt ist sein Name) den unseligen Einfall, ein Buch von den Nerven und ihren Krankheiten zu schreiben. Ein Apotheker, der sich schon lange über die Zufälle einer gewissen Dame den Kopf zerbrochen hatte, (in England prakticiren auch die Apotheker) liest das Buch. Er kommt wieder zu der Dame; da sie ihm nun abermals mit einem ganzen Heere von Beschwerden überhäuft, und endlich einen kategorischen Ausspruch von ihm verlangt: so durchschneidet er den ganzen Gordischen Knoten mit vier Worten: Es sind die Nerven, Madame [36] und der Einfall glückte. Man fand den Ausdruck völlig befriedigend, er wurde Mode, und Hypochondrie, Vapeurs, u.s.w. mußten ihm Platz machen. Selbst die Aerzte fanden den Ausdruck sehr bequem. – Jetzt will alle Welt Nerven haben; und zwar pikirt man sich, schwache, reizbare, delicate Nerven zu haben; denn so will es der Ton. Ein nervichter Mensch hieß sonst ein fester, kraftvoller Adamssohn; jetzt aber heißt es ein Wesen, das jeden Eindruck tausendfach fühlt, das von dem Getrampel einer Mücke in Ohnmacht fällt, und von dem Geruch einer Rose Convulsionen bekommt. – Diabolique invention de la médecine moderne, ruft ein französischer Schriftsteller in seinem Feuereifer aus; nous n'avons plus de caractère, depuis qu'on nous à donné des nerfs: échange malheureux, qui met de niveau tous les sexes, tous les âges, et ne laisse subsister dans les uns et autres ni les graces, ni l'ambilité.


S. Hufelands gemeinnützige Aufsätze zur Beförderung der Gesundheit, des Wohlseins, und vernünftiger medicinischer Aufklärung, S. 115.

4. Der sonderbare Appetit
4.
Der sonderbare Appetit.

Im Jahre 1779 am 5ten September kam ein Gefangener mit Husten und Magenwehe in das [37] Spital zu Rouen. Man gab ihm wider beides Arzneien, und es schien, als wenn die Schmerzen etwas leidlicher würden; allein bald darnach stellte sich ein starker Husten mit Erbrechen ein, und er klagte über große und anhaltende Magenschmerzen. Keines von den angewandten Mitteln war hinlänglich, diese Zufälle zu mildern, und der Kranke starb am 10ten October. Da Herr Fournier, zweiter Wundarzt von der Marine, einige Fehler in der Beschaffenheit der innerlichen Theile vermuthete: so nahm er die Oeffnung der Leiche vor.


Er fand in der linken Brusihöhle vieles Wasser, und in der Substanz der Lungen selbst eine anfangende Eiterung. Bei der Eröffnung des Schmeerbauches konnte er nicht umhin, die ganze Lage des Magens zu bewundern; denn dieser nahm die linke Rippenweiche, die Lenden- und Darmbeingegend der nämlichen Seite gänzlich ein, und verlängerte sich bis in das kleine Becken gegen das eiförmige Loch hin.


Obgedachter Wundarzt wollte die fernere Untersuchung bis zur Ankunft seiner Mitcollegen, die er dazu eingeladen hatte, verschieben, und ließ daher einstweilen nur das Herz, sammt der Lunge, auf die rechte Seite umkehren. Durch diese Wendung wurde in dem mittlern Theile des Magenschlundes ein Riß veranlaßt, wodurch ein schwarzbraunes Stück Holz zum Vorschein kam. [38] So unerwartet diese Erscheinung war: so verschob Herr Fournier doch die weitere Untersuchung bis Nachmittags, wo er sie in Gegenwart einiger Aerzte und vieler Officiere vornahm. Die Lage der Eingeweide überhaupt wurde zuerst untersucht, welche, so wie die des Magens, von der sonst gewöhnlichen sehr verschieden war. Letzterer stellte ein länglichtes Viereck vor, an dem man 4 Zoll breite Flächen unterscheiden konnte.


Man fand in derselben folgende Stücke, die Herr Fournier in nachstehender Ordnung vorgezeigt hat:


Nr. 1. Ein 19 Zoll langes und 1 Zoll breites Stück von einem Reifen, welches theils im Magen, theils im Schlunde steckte.


Nr. 2. Ein Stück Wacholderholz, 6 Zoll lang und1/2 Zoll breit.

Nr. 3. Ein Stück dito, 8 Zoll lang.
Nr. 4. Ein dito dito, 6 Zoll lang.
Nr. 5. Ein dito dito, 4 Zoll lang.
Nr. 6. Ein dito dito, 4 Zoll lang, das in der Mitte der Länge nach gespalten war.
Nr. 7. Ein Stück Eichenholz, 41/2 Zoll lang, 11/2 Zoll breit, und 1/2 Zoll dick.
[39] Nr. 8. Ein Stück Eichenholz, 4 Zoll lang, 1 Zoll breit, 8 Linien dick.
Nr. 9. Ein dito, 4 Zoll lang, 1/2 Zoll breit, 4 Linien dick.
Nr. 10. Ein dito, von eben dem Maaße.
Nr. 11. Ein dito, 2 Zoll lang, 1 Zoll breit, 1/2 Zoll dick.
Nr. 12. Ein dito, 41/2 Zoll lang, und an jeder Fläche 4 Linien breit.
Nr. 13. Ein dito, dreieckig, 4 Zoll lang, mit 4 Linien breiten Flächen.
Nr. 14. Ein dito, 4 Zoll lang, 4 Linien dick.
Nr. 15. Ein dito, 5 Zoll lang, 1/2 Zoll breit, 2 Linien dick, der Länge nach gespalten.
Nr. 16. Ein dito, 5 Zoll lang, 4 Linien breit und 2 Linien dick.
Nr. 17. Ein dito, ungeformt, 3 Zoll lang, und 3 Linien dick.
Nr. 18. Ein Stück Reifen, 5 Zoll lang, 1 Zoll breit.
Nr. 19. Ein Stück Tannenbaumholz, 4 Zoll lang, 4 Zoll breit.
[40] Nr. 20. Ein Stück Tannenbaumholz, 4 Zoll lang, 4 Linien im Diameter.
Nr. 21. Ein dito, 21/2 Zoll lang, 1 Zoll breit und kegelförmig an der Basis, von 4 Linien.
Nr. 22. Ein dito, 3 Zoll lang, 1/2 Zoll dick und unförmlich.

Nr. 23. Ein dito, 21/2 Zoll lang und 4 Linien dick.


Nr. 24. Ein Stück von einer Rinde, das von dem großen Stücke des Reifens, welcher in dem Magenschlunde steckte, losgerissen und in den Magen gefallen war, 31/2 Zoll lang, 1 Zoll breit.


Nr. 25. Einen Stöpsel von Holz, 1 Zoll lang und eben so dick.


Nr. 26. Ein hölzerner, am Rande abgebissener und abgebrochener, Eßlöffel, 5 Zoll lang, 11/2 Zoll breit.


Nr. 27. Ein Trichterrohr von Eisenblech, 31/4 Zoll lang, am obersten Ende 1 Zoll, am untersten aber nur 1/2 Zoll weit.


Nr. 28. Noch ein ähnliches Stück von einem Trichter, 21/2 Zoll lang, 1/2 Zoll im Diameter.

[41] Nr. 29. Die Handhebe von einem zinnernen Eßlöffel, 41/2 Zoll lang.
Nr. 30. Ein Stück von einem zinnernen Eßlöffel, 1 Zoll lang, 1/2 Zoll breit.
Nr. 31. Ein ganzer Eßlöffel, 7 Zoll lang.
Nr. 32. Einer dito, 3 Zoll lang.

Nr. 33. Einer dito, 21/2 Zoll lang.


Nr. 34. Ein Stahl zum Feuer schlagen, 21/2 Zoll lang; jede Fläche desselben hatte 1/2 Zoll und 4 Linien in der Dicke, und im Ganzen wog derselbe 1 Unze, 41/2 Quentchen.


Nr. 35. Eine Tobackspfeife von weißer Erde, sammt einem Stücke von diesem Röhrchen; beides betrug 3 Zoll in der Länge.


Nr. 36. Ein großer stumpfer Nagel, 2 Zoll lang.

Nr. 37. Ein kleiner zugespitzter Nagel, 11/2 Zoll lang.
Nr. 38. Drei Stücke von einer zinnernen Schnalle; edes beinahe von 1/2 Zoll lang.
Nr. 39. Fünf Pflaumenkörner.
Nr. 40. Ein kleines Stück Horn.
[42] Nr. 41. Zwei Stück weißes, Glas, wovon das größere 1 Zoll, 4 Linien lang, und 1/2 Zoll breit war.

Nr. 42. Zwei Stück Leder, wovon das beträchtlichere 3 Zoll lang, und 1 Zoll breit war.


Nr. 43. Ein Taschenmesser mit einem hölzernen Hefte, das 31/2 Zoll lang war, und in der breitesten Gegend 1 Zoll hatte.


Alle diese Stücke hatten am Gewichte 1 Pfund, 10 Unzen, und 4 Quentchen.


Alle Anwesende geriethen bey dem Anblicke so mannichfaltiger Stücke in die äußerste Verwunderung, und jeder bedauerte nur, daß man, als der Unlückliche noch am Leben war, nichts bemerkt habe, das einen solchen Zustand hätte vermuthen lassen, weiß man sonst in Ansehung des Zeitraums, während welchem er diese Menge widernatürlicher Dinge verschluckt hatte, eine nähere Auskunft hätte einholen können. Aus allem demjenigen, was man nach seinem Tode, in Rücksicht seines Verhaltens, Temperaments und seiner Lebensart, in Erfahrung bringen konnte, erhellte so viel, daß er alle Zeit hypochondrisch, und sogar zu Zeiten etwas verrückt war; weßwegen er auch aus den Kriegsdiensten entlassen wurde. Seine Cameraden pflegten ihn öfters zu überreden, [43] daß er krank sei; er legte sich auch iedesmal zu Bette, und klagte alle Zeit über großen Hunger. Nach erhaltenem Abschiede kehrte er nach Nantes, seiner Vaterstadt, zurück, und wurde nach einiger Zeit von da aus auf die Galeeren verdammt. Einer seiner Landsleute, der auf selbigen sein Mitgefangener war, versicherte, oftmals gesehen zu haben, daß er Mörtel und Kalk von der Mauer gekratzt, und solches in seiner Suppe mit verschluckt habe, versichernd, daß dieses ihm Kräfte gebe, und eine vortreffliche Herzstärkung für ihn sei; auch habe derselbe oft über großen Hunger geklagt, dem alle Zeit ein häufiger Speichelfluß vorhergegangen sei.


Bei diesen Umständen aß er so viel, als vier Personen; wenn er aber seinen Hunger nicht hinlänglich stillen konnte: so verschluckte er kleine Steinchen, Stücke von Leder, Knöpfe und andere kleine Körper, deren er nur habhaft werden konnte. Einige, die vor seinem Eintritte ins Spital oft um ihn waren, sagten uns, daß er kurz vorher 2 Stücke Holz, 4 oder 5 Zoll lang, verschluckt habe; wie, und zu welcher Zeit er aber das große Stück von einem Reifen in den Magenschlund hinein gezwungen habe, dieß hat man nicht erfahren können.


Während dieser Unglückliche im Spitale war, genoß er meistens dünne und flüßige Speisen, weil sie durch die Eingeweide ziemlich frei [44] fortgiengen; von solidern aber wenig, weil sie ihm alle Zeit große Schmerzen verursachten. Dieß wird Niemanden sehr befremden, wenn man bedenkt, daß die Speisen, zwischen den vielen fremden Körpern, die er im Magen und Schlunde hatte, sich durchdrängen mußten; welches auch durch die widernatürliche Lage des Magens noch beschwerlicher wurde, da sie von dem eiförmigen Loche gegen das von ihnen selbst im Magen ausmachende Uebergewicht, nach dem Pylorus zu stiegen. Aus diesen Zufällen, so wie aus den Nachrichten, die man in Ansehung des Unglücklichen einziehen konnte, wird sehr wahrscheinlich, daß diese fremden Körper noch bei seinem Leben, und nicht erst nach seinem Tode, wie es Einigen vorkam, in den Magen gekommen sind; denn diese beträchtliche Abweichung des Magens konnte nicht anders, als langsam, und, wie es scheint, bloß durch das Gewicht der darin enthaltenen Stücken vor sich gehen. Auch war der Magen an dem eiförmigen Loche angewachsen, und eben daselbst durch das Anreiben des großen Stücks von dem Reifen brandig. Die Farbe aller vorgefundenen Stücke, so wie des Darmschlauchs selbst; die großen Kolikschmerzen, welche ihn schon beim Eintritt in das Spital quälten, nebst den übrigen Zufällen, die sich nur erst in den letzten Tagen äußerten; die Aussage einer Krankenwärterin, daß sie öfters von ihm gehört habe: qu'il avoit mille diables de choses dans le corps, qui le tueroient, [45] worauf man aber, weil er für verrückt gehalten worden wäre, nicht geachtet hätte; alles dieses kann hinlänglich überzeugen, daß diese Stücke eine Zeitlang in dem Magen müssen gelehaben.


Der Hunger, der ihn zu Zeiten so heftig überfiel, kam, nach der Meisten Meinung, von dem Reize her, welchen die, durch was für Ursachen es auch immer geschehen sei, scharf gewordenen Säfte in dem Magen veranlaßt hatten.


S. Johann Hunzovsky medicinisch-chirurgische Beobachtungen, S. 201.

5. Drei merkwürdige Briefe
Der erste Brief
Der erste Brief.

Hochedelke Erter Her.


Da di Bäst in Onserem Torf krasiret, so had mich ter H. Kraf Pefohlen, Ihnen vm rad zu fragen, waß ich anfangen sollen. Schon 13 Pauren Send mir tahen gestorfen une tie Weiper und Ginder mid zu rechnen. Ich gabe alin solchindes Rezebt


[46]
R Haerb. rada
R Haerb. aspend
R Haerb. Zint. O. maj.
Coq tin evllnt
1 ß
Ω O Tulz.
j

M. p alle stont 1 Läfel fol.


Die Meiesten hape Ater klassen, vnd die starbin aper noch geschwönder, Ich klaupe wie ich Kena gehabt hädē die Leide lepden, noch alle. Schigen Sie mier doch ein oter 2 Lod, nebst dinin Midelen, die Si glaupin, daß die Böst auf tas geschwendiste verdreubin mögte. Auch mahte görne einen Oessih hapin, din vnsere knötiche Frau Vener de kater Voller nönt, der seer gud Sain in ter bästilenzalischen Grankhaid. Auch vor mich schigen Sie was din ich muß ja en alle die Grenkinlöcher henein krichen, unt kond auch enwizirt werten. Auch vor Tin Jongin Herin was zom borgyrin. Was Sie der Abdeka schigen gehed auf teß knötigen Krefin Regestier.

Wie Ih meine Pauerin nihd zu Résun bränche, wirt der knötiche Her schigen om Sie die Kudze unt Pfert.

Verbleibe mit ziemlicher Esdemazion meines Herrn Knötichen


Dener N N Scherurien de sa Egletinc-Munsiur le Gont. des N.

Zweiter Brief von demselben
[47] Zweiter Brief von demselben.

Ter Her fahr em Torff had Schuhn 4 Jahr tin Gelden Perant am röchden Fuß. Er had sig auf das Schönpein kestossen. Er had Schon fielles kepraucht, auch dorh di Sempanie had In wolin ain aldis Weip korieren, Es half aper nix Non hape solchen in tin Gur genommen, ond jm versorohin en 3 Wochen zu goriren. Schigin Sie mier ein kudes Onkvint oder Pflahsster. Ter Zeit verbönnte Ih die Prant mit rada Tegekd ond läke en di Midecein Gatablasema fon gälpin Rüpen

Ih hape tim farer gesakt, wön Er en 3 Wochin nicht wirt sein gurieret, so möste man tin Fueß ambotieren, ond ta habe jn Sie tazu forgeschlachen. Er wil aper nix dafon heren. Aleine gomd zeid gomd rad Ich hape alemal die Ehrschözing vor Inne ond pleib


Ihre Tiener N N.

Dritter Brief
Dritter Brief.

Ich unwirdicher Tiener nähme mir die hohe Freiheiten an den höchst und wohlge Ehrten Herrn zu melden, die Krankheit welche bei Seiner Exc. dem Wohlgebohrnen Herrn Herrn N N sich einfinden thut.


[48] Durch mein gleines Observatorium melde ich Ihnen.


1) Der Kranke hat ein zorn gelbliches Angesicht.
2) Heftige Kopfschmerzen im Haubt.
3) Schwache Glieder auch in Extremidäten.
4) Herzwehe mit Pulsiren und Klopfen in der Brust.
5) Schwindel im Kopfe bis ins Hinterhaubd und Genicke.
6) Schwarzgelbrothen Urin.
7) Keinen Appetit ohne Eßlust.
8) Eine Zunge mit weißbrauner Speckhaut.
9) Eine kalte Verkältung des Magens und Körpers öfters mit Hitze.

10) Cartarischen Husten mit Auswurf gelbgrün.


11) Einen Balonförmigen Bauch mit Guren und Winden, auch mit Stuhlgange mit Gestanck und übeln Geruch.


12) Der Schlaf ist klein, unterbrochen mit Traumereyen, manchmal auch ohne Sinne fantarsirend.

[49] 13) Eigelbe Augen mit schwarzgelblicher Haut.
14) Unterdrückte Schweislöcher Transpiration.
15) Melancholisch, Meßleidig mit Zorn, Zank und Ungedult.
16) Schlaf am ganzen Körper und Extremidäten.

17) Alternirende Wärme mit anfliegender phlogistischer Hitze.


18) Die Krankheit ist biliosus morboram materia in denen canalibus Intestinariorum, und davon habe ihm schon viel aus dem annum getrieben.


Ich habe Seiner Excellenz verschrieben wie folgd


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Pulv. rad rabarbarium gr vjii
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Sirop o.
Okemel S. m f. Bot. d.S.

Alle Stunde eine Coffe Theeschale vol zu nehmen.

[50] Wen der Hoch: geEhrt: Herr was bessers müßen, so bitte mir dero Gutachten aus nebst gehörigen Mitteln.

Ich aber bin mit gehorsamer Estimation


Meines GeEhrten Herrn

Kollegiams Diener

N N.

Med. Doctor.

6. Von der Austreibung eines bösen Geistes
6.
Von der Austreibung eines bösen Geistes.

Zu der Zeit, zu welcher man anfieng, Luftbälle zu füllen und in die Höhe steigen zu lassen, und diese Erfindung in den finsiersten Gegenden Frankreichs fast noch gar nicht bekannt geworden war: lebte auf einem, an der spanischen Gränze gelegenen, französischen Landgute ein Edelmann, der das Unglück hatte, daß sein einziges Kind, die bereits verstorbene schöne Agnese, in ihrem vierzehnten Jahre geisteskrank wurde. Sie bildete sich nämlich ein, daß sie von einem ungeheuer großen Teufel besessen würde. Der Vater würde mit Freuden sein ganzes Vermögen hingegeben haben, [51] wenn er seine zärtlich geliebte Tochter dadurch von ihrer tollen Einbildung zu befreien gewußt hätte. Er ließ aus allen Gegenden Frankreichs geschickte Aerzte zusammen holen, und suchte bei ihnen Hülfe für den kranken Geist seiner Tochter. Viele versprachen sie ihm sehr zuversichtlich; allein keiner von allen hielt Wort. Ob man gleich der schönen blühenden Agnese äußerlich gar keine Krankheit ansah: so hatten doch die Arzneien der Herren größtentheils den Zweck zuvörderst, ihren gesunden Körper noch gesünder zu machen. Aber die arme Agnese glaubte nach mehreren Jahren noch immer vom Teufel besessen zu sein.


Man gab endlich dem unglücklichen bekümmerten Vater den vernünftigen Rath, er möchte seine geistkranke Tochter einem Geistesarzte, das heißt, einem Manne in die Cur geben, der sich hauptsächlich mit ihrer kranken Einbildungskraft beschäfftigte. Er that es, und wählte dazu seinen Gewissensrath, den katholischen Geistlichen des Orts.


Allein dieser geistliche arme Tropf war unter Allen, die man zu Geistesärzten bei diesem überaus schweren Geschäffte hätte wählen können, vielleicht gerade am wenigsten geschickt, und gab im ahndenden Gefühle seiner Einfalt die Kranke bald auf.


[52] Hierauf übernahm es ein Apotheker aus der Nachbarschaft, Agnesens kranken Geist von dem Wahne der Teufelsbesitzung mit Gottes Hülfe zu befreien. Und wirklich hatte er das Glück, Wort halten zu können. Zuvörderst suchte er auf alle Art und Weise, das uneingeschränkte Zutrauen der Agnese zu gewinnen, wozu ihm ihre Eltern gern behülflich waren. Man brachte es zuletzt dahin, daß sie jede Behauptung des Apothekers für unbezweifelte Wahrheit hielt; und bei jeder Gelegenheit nicht mehr ihre Mutter oder ihren Vater, sondern – den Freund zu Rathe zog. Mittelst dieses unbegränzten Vertrauens gelang es ihm, sie von allem zu überzeugen, was sie glauben mußte, wenn folgende originelle Geistesarznei anschlagen, und die Kranke von ihrem Wahne befreiet werden sollte.


Einst erzählte sie ihm, der Teufel, von welchem sie gequält würde, sei so groß, wie der größte Riese; aber sehr schlang und mager; er wachse indessen noch, und werde zuletzt so dick werden, wie das Stammende der ungeheuern Linde, die auf ihrem väterlichen Schloßhofe stehe; und dergleichen Albernheiten mehr. Der Apotheker merkte sich alle diese Ausgeburten ihres Wahnsinns, um diejenigen, welche in seinen Kram paßten, einst zu ihrem Besten zu benutzen; ja er wagte es sogar, ihr in dieser Absicht noch mehr sinnloses Zeug in den Kopf zu setzen; unter andern sagte[53] er ihr bey verschiedenen Gelegenheiten: Nach der Beschreibung, welche sie ihm von ihrem Teufel gemacht habe, kenne er denselben persönlich; seine eigene Tochter sei einmal von ihm besessen worden; er habe gewöhnlich ein seidnes Kleid von Taffent an, und könne durchaus keinen Rauch von gewissen Sachen vertragen, die er in seiner Apotheke habe, und die man auf Kohlenfeuer schütten müsse, um sie in einen dicken Qualm zu verwandeln. – Es sei auch gar nicht schwer, einen solchen Teufel, vermittelst dieses Rauchs und gewisser ihm bekannter Beschwörungsformeln, aus der Person, in welcher er seinen Sitz habe, auszutreiben, so daß er krachend durch die Lüfte davon fliege, und niemals wiederkehre. Ihm selbst sei es gelungen, auf diese Art seine Tochter von dem bösen Inwohner glücklich und auf immer zu befreien.


Agnesen fiel es nicht ein, diese Erdichtungen im Geringsten zu bezweifeln; denn sie nahm zuletzt jedes Wort ihres Freundes für ein Evangelium an. Jetzt fieng der Apotheker an, hieraus den lange beabsichtigten Nutzen, zum Besten der Kranken, zu ziehen. Die ungesuchteste Gelegenheit gab ihm die damals noch ganz neue Erfindung mit der Luftschifffahrt. Noch ehe das Geringste hievon zu Agnesens Kenntniß gekommen war: verfertigte er, ganz im Geheimen, einen länglichten Luftball von Taffent in menschlicher Gestalt, der so hoch war, als der größte Riese, und so aufgeblasen [54] und dick, als das Stammende der Linde auf Agnesens väterlichem Landgute. Oben gab er ihm Hörner, und unten einen vollkommenen Pferdefuß. Das Ganze hatte also ungefähr die Gestalt, in welcher einfältige Leute sich einst den Teufel zu denken pflegten.


Indessen hatte der schlaue Apotheker Agnesen unvermerkt dahin zu bringen gewußt, daß sie selbst ihn flehentlich bitten mußte, doch auch sie von dem lästigen Teufel zu befreien, den er so glücklich von seiner Tochter entfernt habe. Er versprach ihr das gern, und hielt jenen Teufel von Taffent, das heißt, den kleinen Luftball in Teufelsgestalt, und Alles in Bereitschaft, was dazu erforderlich war, ihn anzufüllen und steigen zu lassen.


Die Verbannung des unsaubern Geistes war an einem sehr schwülen Nachmittage anberaumt. Man konnte mit höchster Wahrscheinlichkeit ein Gewitter erwarten. Auch dieses gehörte mit in den Plan des Apothekers; denn der Agnese war sehr bange, wenn es donnerte, und sie blieb während eines Gewitters kaum ihrer Sinne mächtig. Auch hatte er ihr erzählt, aus seiner Tochter sei der Teufel mit einem fürchterlichen Krachen ausgefahren.


Da die Gewitterwolken rund umher am Horizont sich aufbläheten, und das Gewitter selbst zu [55] reifen anfieng: begann der Apotheker, mit der Mine der Wichtigkeit, verschiedene nichts bedeutende Beschwörungsformeln über Agnesen zu plaudern. Er führte sie mit ihrem Vater nach dessen Schloßgarten, wo er hinter einem Gesträuche den Luftball vorher aufgehängt hatte.


Der taffente Teufel war aber noch nicht mit Luft angefüllt, sondern so schlank, wie Agnese den ihrigen beschrieben hatte. Einige treue Diener mußten sie mit Kohlenbecken begleiten und räuchern.


Der Zug mit der erwartungsvollen Agnese gieng feierlich langsam auf allerlei Umwegen, durch den weitläuftigen Garten; denn der Apotheker harrte mit Schmerzen auf den ersten Donner des sich nähernden Gewitters.


Endlich rollte dieser feierlich und grausenvoll durch die Lüfte. Agnese zitterte am ganzen Leibe, und glaubte nichts gewisser, als daß dieser natürliche und ungerufene Diener durch die Beschwörungsformelm ihres Freundes herbei geführt worden, und eine unmittelbare Wirkung ihres Teufels sei.


Der Apotheker fuhr jetzt mit dem Blendwerke seiner Zauberworte eifrig fort. Und da sich bald darauf abermals ein anhaltender, noch stärkerer Donner hören ließ: so führte er Agnesen in dem nämlichen Augenblicke hinter das Gesträuch, wo [56] sie in jenem Luftballe, auf eine heftig erschütternde Art, ihren in Taffent gekleideten schlanken Teufel zu erblicken glaubte. Der Apotheker und die sämmtliche Dienerschaft fuhren entschlossen auf ihn zu, als freueten sie sich des gelungenen und nur noch zu vollendenden Werkes. Sie beräucherten die Schreckensgestalt auf allen Seiten, und füllten sie indessen geschwind und unvermerkt. Wirklich erschien sie nach vollendetem Anschwellen auch den Uebrigen scheußlich und furchtbar. Indem Agnese sie jetzt mit Entsetzen betrachtete: donnerte es abermals. Man entließ den Teufel augenblicklich. Er fuhr noch unter dem Krachen des nämlichen Donners in die Lüfte; stieg, in einer schiefen Richtung, fast bis zum Unsichtbarwerden, und wurde indessen von dem Winde, den das Gewitter mit sich führte, schnell in eine unabsehbare Ferne fortgerissen und – verschwand. Agnesens starrer Blick sah ihm mit freudigem Erstaunen nach. Alle frohlockten um sie her, und wünschten ihr Glück, sie nun auf immer von dem Teufel befreiet zu sehen. Sie fiel, mit Thränen in Augen, auf ihre Knie, und dankte dem Himmel dafür; sie umarmte und küßte dankbar ihren Freund, den Apotheker, dem sie nächst Gott dieses Glück schuldig zu sein glaubte; sie fiel entzückt ihrer Mutter, ihrem Vater, einmal um das andre, um den Hals; – kurz! der unglückliche Wahn, als ob sie vom Teufel besessen sei, war [57] mit dem davon eilenden Luftballe glücklich aus ihrer Seele verschwunden.


* *

*


Nachfolgender Geschichte eines Geisteskranken mag, wegen ihrer Aehnlichkeit mit der vorhergehenden, hier ebenfalls ein Plätzchen vergönnt sein.


Zu Berlin lebte vor mehrern Jahren unter der dortigen Garnison ein gemeiner Soldat, der mit einem Male sich einbildete, er könnte nimmermehr ein Kind des Himmels werden, weil er sich von dem Teufel habe verblenden und überreden lassen, mit ihm ein Bündniß zu schließen. So gesund am Körper dieser Soldat bisher gewesen war: so sehr schwanden nun auch, bei der Krankheit seines Gemüths, seine Körperskräfte dahin. Der Regimentschirurgus that sein Möglichstes, die kranke Einbildungskraft zu heilen; aber alle seine Bemühungen blieben fruchtlos. Er überlieferte nun den von ihm aufgegebenen Kranken einem Seelenarzte, und zwar dem Feldprediger des Regiments. Dieser behandelte ihn genau so, wie man, der Regel nach, freilich noch am ersten Hülfe für ein moralisch krankes Gemüth hätte erwarten sollen, das heißt, er suchte ihm durch die Belehrungen und Tröstungen der Religion ein vernünftiges Vertrauen zur Güte Gottes und zu sich [58] selbst einzuflößen, und hoffte darneben, durch die faßlichsten und einleuchtendsten Vernunftgründe, ihn von dem Irrthume und der Unvernunft seiner Einbildung zu überzeugen. Aber auch dieses war vergebens; schon wollte auch er die Hoffnung aufgeben, daß die Bemühungen seiner moralischen Cur an dem Geisteskranken etwas fruchten würden; indessen glaubte er doch, noch einen Versuch anderer Art mit ihm machen zu müssen. Er stimmte sich nämlich ganz zu der Einfalt des Kranken herab; that, als ob er selbst nach und nach von der Richtigkeit der unvernünftigen Einbildung desselben immer mehr überzeugt würde, und bedauerte ihn um so herzlicher, je weniger Hoffnung da sei, das Bündniß mit dem Teufel wieder umzustoßen, und ihn der schrecklichen Gewalt desselben wieder zu entreißen.


Eine geraume Zeit trat er jetzt immer mit einer Mine voller Traurigkeit, und mit den sichtbarsten Zeichen einer schmerzlichen Theilnahme, in das Zimmer des kranken Soldaten; auch dann, wenn dieser zu ihm kam, welches jetzt zuweilen geschah, fand er den Feldprediger traurig darüber, daß ihm noch immer kein Mittel eingefallen sei, wie man jenes mit dem Teufel geschloßne Bündniß wieder vernichten könne. Dennoch aber suchte der Feldprediger in der Seele des Kranken nach und nach die Hoffnung zu beleben, daß er vielleicht doch noch ein kräftiges Mittel erdenken würde, [59] wodurch man dem Teufel einen Queerstrich in die Rechnung machen könnte.


Endlich da der Feldprediger das Vertrauen des Kranken in dem erforderlich hohen Grade zu besitzen glaubte: trat er einmal, sehr eilfertig und höchst vergnügt, mit einem königlichen Edicte in der Hand, in das Zimmer des Kranken. Auch die Mine des Soldaten erheiterte sich bei diesem bloßen Anblicke, ohne noch einmal bestimmt die Ursache zu wissen, warum der Besuchende dieses Mal so hoch erfreuet zu ihm komme.


Liebster Freund! – redete der Feldprediger ihn an – »Er hat doch hoffentlich sein Bündniß mit dem Teufel nicht schriftlich gemacht?« Er bekam ein freudiges Nein, und die lebhafteste Versicherung des Kranken zur Antwort, daß er sich wohl gehütet hätte, dem Teufel etwas schriftlich zu versprechen. Nun Gott sei tausend Mal gelobt, rief der Feldprediger jetzt aus, dann kann ich ihm die die fröhliche Botschaft bringen, daß er gänzlich und auf immer aus den Klauen des Teufels befreiet ist.


Unserm guten Landesvater, unserm, Friz, ist Er diese Befreiung schuldig; denn sehe er nur hier, und lese er selbst, da steht es ganz deutlich gedruckt in dem königlichen Edicte, welches Friedrich der Einzige schon im Jahre 1764. öffentlich im ganzen Lande bekannt machen ließ. – Da [60] stehts, und selbst der Teufel soll es nicht auskratzen, »daß alle Contracte oder Bündnisse im ganzen Lande null und nichtig sein sollen, wenn sie nicht schriftlich gemacht, nicht förmlich auf einem Stempelbogen niedergeschrieben, und zu Papiere gebracht worden seien.«


Wer war froher, als unser Seelenkranker, da er diese ihn entzückenden Worte des Trostes und der Beruhigung vernahm! Sein ganzes Wesen veränderte sich jetzt plötzlich; sein dickes Blut fieng, durch Beihülfe des Regimentsarztes, allgemach wieder an, den Kreislauf rascher zu vollenden; und hatte man ihn bisher nur schwermüthig, stille, menschenscheu und mit gesenktem Haupte gesehen: so war er nun wieder beredt, umgänglich und vollkommen beruhigt. Seine dahin geschwundenen Köperkräfte kehrten nach und nach wieder zurück. Seine bisher herrschende Krankheitsidee, als ob er unrettbar wäre, und auf immer im Besitz des Satans bleiben müsse, war durch den entzückenden Gedanken an das königliche Edict auf immer aus seiner Seele verdrängt. Er lebte von nun an noch mehrere Jahre in Gesundheit und ungestörter Zufriedenheit, und hielt den ohnehin schon so sehr geliebten Friz für die Quelle seines Glücks – für seinen ersten irdischen Wohlthäter.


S. Die Gespenster von Wagener, 1. Th. S. 155.

7. Durch einen Säbelhieb geheiltes Stottern
[61] 7.
Durch einen Säbelhieb geheiltes Stottern.

Ein Officier stotterte in einem solchen Grade, daß er beinahe keine vernehmliche Silbe aussprechen konnte. In dem letzten Türkenkriege erhielt er einen Säbelhieb, welcher den Hals, zum Theil auch das Kinn traf. Man heilte die Wunde, und von der Zeit spricht er fließend und deutlich, ohne anzustoßen.


S. Wagners Beyträge zur Anthropologie.

8. Die schwarz machende Medicin
8.
Die schwarz machende Medicin.

An Se. Hochedelgeboren, Herrn Bernhard Nic las Weigel, der Arzneigelahrheit Doctor und hiesigen Proto-Physikus, von Herrmann Gottfried Willig, Regiments-Pastor zum Königl. von Blixenschen Regiment.


Mein bester Gönner!


Da sie nun seit mehreren Jahren her, und [62] besonders seit 1768, sich alle Mühe gegeben haben, meinen Körper von seinen Krankheiten frei zu machen, und ich durch Ihre gütige Fürsorge und Bemühungen gegen viele Leiden geschützt bin, die mich bedrohten, auch eine sehr merkliche Erleichterung meines Elendes mit Dank gegen Gott wahrnehme: so bin ich Ihnen, als meinem größten Wohlthäter, zu allem Dank verpflichtet. So gern legte ich Ihnen die beste Dankbarkeit an den Tag, wenn mein Vermögen nicht in aller Absicht zu schwach wäre. Und darum schätze ich Ihre Güte um so viel höher, da Sie mich auch darin großmüthig übersehen.


Mit Schaamhaftigkeit gegen mich, und mit Hochachtung gegen Sie, bekenne ich, daß Sie mich bis jetzt noch nicht zu der thätigen Erkenntlichkeit angetrieben haben, die Sie doch nach allen Rechten von mir fordern könnten, auch in gewisser Absicht fordern sollten. Nur dieß Einzige haben Sie seit längerer Zeit begehrt: »Ich soll Ihnen ein freies und ehrliches Bekenntniß ablegen, ob ich der Meinung bin, daß Ihre mir verordneten Arzneimittel, oder meine eigne Kränklichkeit, oder andere Umstände die Ursache sein mögen, daß ich seit einigen Jahren her mit einer widernatürlichen blauen Farbe bezeichnet bin.« Ich weiß die Veranlassung zu dieser Aufgabe. Ich weiß, daß Vorurtheile und Gerüchte sich verbreitet haben: »Als sollte meine Farbe eine unselige Wirkung [63] Ihrer vortrefflichen Mittel, bald der Pillen, bald der Tropfen sein.« Sie kennen mich ohne Zweifel von der Seite, daß ich alle Lügen und Irrthümer verabscheue, und die Wahrheit gern befördere. Mit vielem Vergnügen würde ich solchergestalt auch hierin ein Zeuge der Wahrheit sein. Aber ich habe hierbei stets gezögert, und Ihnen die vorlängst versprochene Aeußerung meines Urtheils nicht bekannt werden lassen. Sie wissen auch selbst die Ursachen. Was für Glauben wird mein Urtheil bei denen haben, die vom Vorurtheile mit mehrerer oder weniger Kenntniß der Sache selbst hingerissen sind? Werde ich auch so deutlich von meinem Zustande, dessen Veranlassung und Begleitungen reden können, daß mich Jedermann versteht? Werde ich mich nicht auf etliche Tage selbst wieder krank machen?


Dennoch will ich mich nun über alles dieß hinaussetzen, Ihnen meine Gedanken und Urtheile eröffnen, und das Einzige vor Augen haben, daß ich die reine Wahrheit melde. Und wenn ich mich in einigen Ausdrücken nicht ganz deutlich erkläre: so verschweige ich nur, was mich besonders betrifft; die Sache selbst wird dem Verständigen nicht dunkel bleiben.


Ich will folgende Fragen mir selbst zur Beantwortung vorlegen.


[64] 1) Habe ich allgemeine oder besondere Gründe zu muthmaaßen, daß Sie mich durch Geschicklichkeit oder Ungeschicklichkeit gefärbt haben?


2) Habe ich allgemeine oder besondere Gründe zu glauben, daß andere Ursachen zu meiner Farbe da sind, als Ihre Arzneimittel?


3) Bin ich davon überzeugt?


Ueber die erste Frage.


Sollte ich annehmen wollen, daß ich von Ihren Arzneimitteln blau gefärbt wäre: so mußte ich dazu Grund haben; denn ein vernünftiger Mann denkt und urtheilt immer nach Gründen, nach wohl geprüften Gründen.


a) Ich müßte entweder allgemeine Gründe vor mir haben. Große, von der Welt ihrer Geschicklichkeit wegen hochgeachtete, Aerzte, die viele Jahre lang mit allem Fleiß richtige Erfahrungen gemacht haben, müßten in ihren Schriften melden, daß Arzneimittel, gleich wie sie die Krankheiten heben, Schmerzen lindern, Genesung befördern, oder hierin keine Veränderungen machen, so auch die Farbe der Haut verändern, sie grün, roth, gelb ober blau machen können. Von allen den weltbekannten Aerzten, die ich kenne, [65] hat noch kein einziger darüber die geringste Anzeige gemacht, so ausführlich sie sonst auch von den Wirkungen der Arzneimittel schreiben.


b) Oder ich könnte besondere Gründe haben. Ich könnte denken: Ihre Pillen und Tropfen sind so besondere Mittel, daß sie nicht auf allen Apotheken gefunden werden, und auf besondere Art im menschlichen Körper wirken, viele glückliche Curen machen. Es kann also eine besondere Wirkung ihrer Mittel sein, daß sie die Farbe der Haut bis zum Schwarzblau verwandelt. So müßte ich doch aus mehreren Beispielen, als aus meinem eigenen und einer einzigen Dame, überzeugt werden. Wie viele Kranke aber haben nicht ihre Mittel länger und in stärkerem Maaße gebraucht als ich, und sind nicht blau geworden? Vielmehr haben sie, nach Wiedererhaltung der Gesundheit, natürliche Farbe wieder erhalten. Ich würde hier gewiß drei Personen nennen, auf die ich mich jetzt beziehe, wenn ich nur wüßte, daß dieselben mir es nicht zur Last legen wollten, ihre Namen bei dieser Gelegenheit genannt zu haben. Ich kann aber dieß um so viel eher unterlassen, da ich auf den Fall, daß ich Ihren Mitteln die Ursache meiner blauen Farbe beimessen wollte, auch keine Erfahrung haben müßte, daß andere [66] Kranke, die Ihre Mittel nie gebraucht haben, nie die blaue Farbe angezogen hätten. So aber erinnere ich mich ganz lebhaft, daß ich 1756 in Greifswalde einen Strumpfweber gekannt habe, der gewiß damals eben so blau war, als ich gewesen bin. So habe ich auch den Soldaten Schönemuß so schwarzblau gesehen, daß ich selbst vor ihm erschrack. Haben Sie diese Leute auch gefärbt? Es müssen also andere Ursachen zur blauen Farbe da sein. Diese müssen sich in dem Zustande des Kranken aufsuchen lassen. Ich will daher meine Betrachtung jetzt richten


Auf die zweite Frage.


Ob ich allgemeine oder besondere Gründe habe zu glauben, daß meine blaue Farbe nicht von Ihren Mitteln, sondern von meinem Zustande und meinen Umständen herruhre?


Wenn ein van Swieten, Teichmeier, Hofmann, Baumann, Klein, Ettmüller, Vogel, Lorry, kurz! Aerzte, die die gelehrte Welt hochachtet, von kachektischen Krankheiten schreiben, daß diese die Farbe der Haut verändern, und auch den Schein einer mehr oder weniger blauen Farbe zum Zeichen haben, wenn diese sich auf den Hippokrates, den Stammvater der Aerzte berufen, daß schon dieser etwa 400 Jahre vor Christo diese [67] Anmerkungen gemacht hat. Wenn ich in Stephani thesaurus linguae graecae lese: Melanchlorus heißt derjenige, der eine schwarze mit Blau vermischte Farbe hat; auf solche Art bloß ist, daß er zugleich eine Beimischung von Schwärze hat (etc.): so habe ich ohne Zweifel einen allgemeinen Grund, den Gedanken zu fassen: Es giebt eine Krankheit in der Menschenwelt, bei welcher der Kranke blau wird; und da ich blau bin, den Schluß zu machen: Ich habe wohl die Krankheit, bei der der Mensch blau wird. Und da die Aerzte diese Krankheit Kachexie nennen: so muß ich wohl auf die Frage: Woher sind sie so blau? diese Antwort geben: Ich bin ein kachektisch Kranker. Sollte auch dieser Gedanke irrig sein? Es können sehr oft verschiedene Menschen in gewisse ähnliche Umstände gesetzt sein, aber aus sehr verschiedenen Ursachen. Ich ward einmal zu einem sonst gesunden und starken Mann gerufen, der aber jetzt an einem hitzigen Fieber heftig krank lag. Er rasete sehr, war zum Bette herausgefahren, gieng in der Stube herum, aber mit sehr ungewissen Tritten, sprach, aber mit lallender und stotternder Stimme. Arzt, Frau und alle Umstehende sagten, er raset in einem gewaltsamen hitzigen Fieber. In späterer Zeit kam ich am Abend zu einem andern Manne, und ich fand ihn ebenfalls außer Bette, mit ungewissen Tritten wandelnd, mit stotternder Zunge redend. Bald wäre ich auf den Gedanken gerathen, er sei auch [68] am hitzigen Fieber krank, wie jener. Sein Bedienter aber sagte mir bald leise ins Ohr etwas vom zu Gaste gewesen, viel Punsch getrunken (etc.). Da waren also meine beiden Freunde dem äußerlichen Ansehn nach in ähnliche Umstände gesetzt, aber aus ungleichen Ursachen. Vielleicht haben der Strumpfweber und Schönemuß ihre blaue Farbe von ihrer Krankheit; ich aber die meinige von Ihren mir gereichten Mitteln, so wie erstgedachter Kranker seine wankenden Schritte und undeutliche Sprache von seiner Krankheit, letzterer aber das Seinige vom zu viel getrunkenen Punsch. Dieß letztere ist für meine Unwissenheit in der Naturlehre, Arzneiwissenschaft, und was mehr dazu gehört, wohl unmöglich zu unterscheiden. Inzwischen habe ich doch wenigstens einige besondere Gründe zu glauben, daß ich nach der möglichsten Wahrscheinlichkeit mehr von meiner Krankheit und eignen Umständen die blaue Farbe habe, als von Ihren Mitteln. Mein offenherziges und treues Geständniß darüber ist dieses:


Herr Prof. Vogel in Göttingen sagt ausdrücklich in seiner akademischen Streitschrift von 1764:


p. 1. n. 8. Cachexiae male colorata corporis constitutio cum debilitate.

p. 18. n. 304. Cachexia, corpus grave [69] atque iners, colore pallide squalidum.


p. 18. n. 307. Melanchlorus, cachexia cum subnigro cutis colore, urina de naivo statu haud decedente.


Zu deutsch:


n. 8. Cachexiae (üble Leibesbeschaffenheiten) bestehen in einer Krankheit einer widernatürlichen Farbe und Schwäche des Körpers.


n. 304. Cachexia, wenn der Körper schwer und träge, die Farbe scheußlich blaß ist.


n. 307. Melanchlorus, Cachexie mit schwärzlicher Farbe der Haut, und vom gesunden Zustande nicht abweichendem Urin.


Gleichlautende Beschreibungen von diesen Krankheiten machen die übrigen Aerzte, die ich zuvor angeführt und gelesen habe, wenn gleich nicht den Worten, doch der Sache selbst nach. Es giebt also Krankheiten, die die Farbe der Haut verändern, und bei einigen sie grün oder gelb, und bei andern, wie bei mir, blau färben. Es fehlt also nur daran, mich zu überzeugen, daß [70] ich nun eben diese Krankheit habe. Und dessen bin ich mir nur gar zu sehr bewußt.


Uebel ist mein Körper seit einigen Jahren her beschaffen gewesen. Statt dessen, daß ich in meiner Kindheit und Jünglingsjahren schneeweiß von Farbe, und ohne alle Röthe, gewesen bin, ward die Farbe meines Gesichts, nach einer sehr schweren Krankheit 1756, blaß. Dennoch war dieß sehr erträglich, bis ich 1758 wieder heftig krank ward. Ich kann von der Geschichte dieser Krankheit keinen ausführlich getreuen Bericht abstatten. Nur dieß bin ich mir, und Sie sich ebenfalls, ganz deutlich bewußt: Ich hatte zuerst 1768 häufige und heftige Kopfschmerzen, Spannungen über die Brust, heftiges Brennen das Rückgrad herunter, kurz! hämorrhoidal- und hypochondrische Bewegungen. Ich gebrauchte zuerst Ihre Pillen, und hernach die Tropfen, und wieder die Pillen. Aber mein Zustand ward immer trauriger. Viele Nächte brachte ich schlaflos zu, und hatte des Morgens häufiges Erbrechen; das Fleisch nahm ab, und die Kräfte verließen mich. Ich war so entkräftet, daß mir jeder Gang, und besonders das Treppensteigen, schwer ward. Schlief ich ja zuweilen etliche Stunden: so war ich nachher eben so träge und schwer, als zuvor. Von der Beschaffenheit des Urins weiß ich nichts anzugeben. Es war im Jahre 1769, etwa im April oder Mai, als ist zuerst unter den Augen [71] und in den Schläfen eine dunkle Farbe wahrnahm, die ich anfänglich für Schmutz hielt, und daher mich oft wusch; die aber immer weiter sich verbreitete, bis ich endlich im August über das ganze Gesicht, den ganzen Leib, mit Händen und Füssen, blau ward. Es urtheile nun ein jeder über diese meine kränklichen Umstände, und verbinde damit die Beschreibung des Herrn Prof. Vogels von der Kachexie und Melanchlorie: so wird vermuthlich jeder mit mir übereinstimmen: Ich habe eine kachektische Krankheit. Tausend Menschen tragen vielleicht diese Krankheit, und unter ihnen verändern vielleicht nur wenige die Farbe der Haut. Warum mag ich eine Farbe, und eben die blaue, angenommen haben? Ich kann unmöglich darauf antworten. Verstehe ich doch nicht, wie es zugeht, daß ein jedes tugend- und zugleich schaamhaftes Mädchen bei zweideutigen Reden erröthet; daß der Mensch, alt oder jung, beim Schlagfluß im Leben und Tode an dem gelähmten Theile blau, und wer von der Gelbsucht geplagt ist, gelb wird. Doch glaube ich, aus der Erfahrung zu wissen, daß heftige Gemüthsbewegungen sehr leicht eine Veränderung in der Farbe der Haut veranlassen, je nachdem der Zustand des Körpers mehr oder weniger gesund oder krank ist. Ein Mann von cholerischem Temperamente, gesund am Leibe, und heftig an Gemüthsbewegungen, wird bald roth, wenn er Stichelreden gegen sich hört; und ein hypochondrisch Kranker, matt an Kräften [72] des Körpers, aber heftig an Gemüthsbewegungen, wird über gesprochene Worte, die er für anzüglich hält, blaß. Denken wir nun an meine Geschichte vom Jahre 1768, und meine Umstände 1769: so wirds uns wohl nicht schwer fallen, einzusehen, daß zu meinen schlaflosen Nächten, zu meiner Auszehrung an Kräften, und zu meiner blauen Farbe nur ein Grund sei. Weiter lasse ich mich über diese Sache nicht ein, und ich erinnere Sie bei dieser Gelegenheit an Ihren Doctor Eid.


So werde ich gewiß nun antworten müssen


Auf die dritte Frage.


Ich bin überzeugt, daß meine blaue Farbe nicht eine Mißgeburt Ihrer Arzneimittel, sondern eine für mich sehr traurige Begleitung meiner Krankheit sei. Große, der Welt bekannte, Aerzte sagen, daß es Krankheiten gäbe, bei welchen der Kranke blau wird, und schreiben die Krankheit, die sie die Kachexie nennen, der Ursache der blauen Farbe zu, und nennen diese besondere Aeußerung der Krankheit Melanchlorie. Weder die genannten Aerzte, noch andere berühmte Männer, sagen, daß irgend ein Mittel da sei, die Menschen blau zu färben. Ich folge also diesen Männern in ihren Urtheilen, und ich hoffe hierbei sicherer zu gehen, als wenn ich Geschwätzen, oder solchen [73] Männern trauen sollte, deren Schwäche oder Stärke ich nicht übersehen kann.


Ich habe noch zweierlei Gründe, worauf ich dieß mein Urtheil baue. Ich habe mit Fleiß auf diejenigen Gründe gemerkt, die mir gegen diese Meinung bekannt geworden sind. Wenn jemand sagt: »Ihr Mittel, das mich blau gefärbt hat, müßte die Eingeweide so sehr zusammenziehn, daß der Umlauf des Geblüts in demselben gehemmt, und in die äußern Theile gedrängt würde, daß dadurch die Haut dunkel oder blau würde.« Ich will nun annehmen, daß ein Mittel die Eingeweide so sehr zusammen entweder ziehn oder schnüren könnte: so müßten denn doch daraus ohne Zweifel seltsame Veränderungen kommen. Nach meinem dummen Verstande müßte ich dann wohl eine leise oder heisere Sprache führen, Husten haben, Eiter auswerfen, an Kräften abzehren, beständige Schmerzen in den Gedärmen fühlen. Ich überlasse es aber jedem, der mich kennt und predigen hört, zu urtheilen, ob ich diese Fehler habe. Uebrigens da dieses Urtheil nur vermuthungsweise geführt ist: so scheint es mir von so geringer Erheblichkeit zu seyn, daß ich mich darüber nicht weiter erkläre. Ich würde mich vor mir selbst schämen, wenn ich mir bewußt wäre, nur einen Augenblick demselben nachgehängt zu haben. Ferner, man finde sonst keine blaugefärbten Kranken, als solche, die Ihre Mittel gebraucht [74] haben. Um Vergebung! ich habe zwei Personen, den Strumpfweber in Greifswalde und den Soldaten Schönemuß vom königl. v. Blixenschen Regiment, unter des Herrn Hauptmann und Ritter Stiernroos Compagnie, gekannt, denen ich, wenn es auf die Stärke der Farbe ankommt, nothwendig den Vorzug lassen muß. Und wer weiß, wie viele Kranke hier in Stralsund und andern Orten unbemerkt wandeln mögen, die eine widernatürliche, ins Blau fallende Farbe haben? Etwa von gleichem Gewichte sind, nach meinem Urtheile, alle übrige mir bekannt gewordene Gründe.


Der letzte aber, der mich bis zur Ueberzeugung besiegt, ist die vortreffliche Wirkung, die mir die gebrauchten Mittel verschafft haben. Ich muß mich nothwendig hier an meine Krankheit erinnern, und sollte ich auch morgen zu Bette liegen müssen. Ich habe mich zuvor nicht undeutlich geäußert, daß ich 1768 heftige Gemüthsbewegungen gehabt habe, und jetzt muß ich hinzufügen, daß ich eben nicht so geschwind davon befreit worden bin. Worin dieselben bestanden? das sage ich keinesweges, und dem Leser wird es auch gleichgültig seyn können, ob ich gefürchtet habe, daß meine Gläubiger mich möchten in den Schuldthurm setzen lassen, oder daß ich wegen eines begangenen Verbrechens möchte mit Ruthen gepeitscht, und zum Vestungsbau geschickt werden, oder was es sonst gewesen sein mag. Alle diejenigen, welche [75] meine damaligen Umstände etwas genauer wissen, bitte ich ergebenst, nicht ein einziges Wort davon zu sprechen. Ich erbiete mich zu allen Gegengefälligkeiten. Genug! ich lebte in Kummer, Sorge und Gram sehr lange Zeit. Ich hatte schon, besonders seit ein paar Jahren her, mich mit heftigen Kopfschmerzen, gewaltsamem Erbrechen, Brennen im Kreuze und andern hypochondrischen Beschwerden getragen, die so wenig ich, als mein Arzt für gefährlich hielt. Die Beschwerden des Leibes hatten von Zeit zu Zeit zugenommen, dieß wußte ich; dazu kamen nun die heftigsten Gemüthsbewegungen, da mußte also das Uebel nothwendig ärger werden. Die angeführten Zufälle kamen häufiger und heftiger. Ich hörte auf zu essen, zu schlafen, ward zu Geschäfften entweder faul oder ungeschickt, und kannte keine andre Wollust, als im verschloßnen Zimmer ganz allein zu sitzen. Ich ward so mager, daß nicht nur von den Wangen, Rippen und Beinen das Fleisch wegfiel, sondern der Kinnladen ward so weit entblößt, daß man von außen die Wurzeln der Zähne deutlich sehen, und ich beim Sprechen deutlich fühlen konnte, wie ich mit der Zunge an die scharfen Wurzeln der Zähne stieß. Dabei nahm nun die Farbe so abscheulich zu, daß sie über den ganzen Leib, vom Scheitel bis zur Sohle, an der Zunge und Zahnfleisch schwarzblau ward. Ich hatte beständige Schmerzen. Etwa einen Monat lang hatte ich Schmerzen im Auge, und befürchte blind zu [76] werden. Hierauf drang die Schärfe in die Ohren, daß ich bei schwachem Geräusch zusammenfuhr, und bei anhaltenden Gesprächen mehrerer Personen in einer kleinen Gesellschaft von Kopfschmerzen befallen ward. Eine ganze Zeit mußte ich entweder Sänfte oder Wagen gebrauchen, wenn ich in einer Entfernung von 1000 Schritten Verrichtungen hatte. Ich war mit dem Gemüth bei gegenwärtigen Dingen ganz abwesend, las Bücher, und wußte nicht, was ich gelesen hatte. Viel trauriger, als ich meinen Zustand hier beschrieben habe, ward er beim Gebrauch der Mittel, dieß bekenne ich, und Sie werden dieß nicht läugnen können noch wollen. Aber auch beim Gebrauch der Mittel verloren sich dieselben allgemach. Ich fieng im Frühjahr 1770 wieder an, munter zu werden, geschäfftig zu sein, setzte Fleisch, und ward schon gegen den Herbst wieder über den ganzen Leib, nur nicht in den Schläfen und unter den Augen, natürlich weiß.


Im Decembermonat, wie bekannt, zersprengte der Pulverthurm, und ich hatte den Unfall, daß ein merklich großer Stein mir ins Zimmer fiel. Ich hatte mich in der letzten Woche außerordentlich wohl befunden, und war nun am dritten Tage bei einem Geschäffte sehr emsig, wozu ich viele Papiere und einige Bücher auf dem Tisch liegen hatte. Der Stein fiel auf den Tisch, und verwüstete fast alles. Das Zimmer ward mir unbrauchbar, [77] und ich mußte ein größeres beziehen, das nicht durch Holz warm zu machen war. Ueber die Größe dieses Unfalls, der ganze Familien in die traurigsten Umstände versetzte, und über meinen Verlust, der Fremden immer klein scheinen mag, stellte ich meine Betrachtungen an, und ward bis zur Wehmuth gerührt. Ich mußte so gut wie im kalten Zimmer wohnen, und in einer Zeit von etwa zwei Wochen war ich wieder so elend am Leibe, so traurig im Gemüthe, so schwarzblau von Farbe, wie ich vorher gewesen war. Sie fuhren fort, mein Arzt und treuer Freund zu bleiben. Sie geboten mir, ein etwa dreifaches Maaß der Tropfen zu gebrauchen, und nach einigen Monaten erst nahmen die Zufälle des Körpers und Geistes, wie im Sommer die Farbe, merklich ab.


Am 30sten December 1771 überfiel mich ein epidemisches hitziges Fieber, das ohne Zweifel eins der heftigsten war. Schon am dritten Tage soll ich wieder fast schwarz gewesen sein. Sie gebrauchten bei mir täglich 2 Stück Ihrer Morseillen. Auf mein ungestümes Anhalten verstattete Ihr Herr Sohn – Gott laß es ihm wohlergehn! – Aderlaß, Süßholzwasser und spanische Fliege, auch etwas Gurgelwasser. Am siebenten Tage der Krankheit, den 6ten Januar, erfolgte die Krisis, und von der Zeit an gebrauchte ich nichts weiter, als die Kuchen. Das Fieber verlor sich [78] etwa in der zehnten Woche, die Farbe nahm etwas ab. Hernach gebrauchte ich die Tropfen, und ich fieng erst im spätesten Sommer an, von den Ueberbleibseln dieser so schweren Krankheit und der Farbe der Haut ganz wieder hergestellt zu werden. Seit der Zeit habe ich mich sehr erträglich befunden, Fleisch, Kräfte, Heiterkeit des Gemüths gewonnen, und ich bin jetzt Menschen von schwächlicher Gesundheit gleich. Nach der Aussage der mehresten Leute ist meine Farbe im Gesichte ganz erträglich; obgleich nicht so natürlich weiß, als auf dem Leibe und an den Händen. Ich enthalte mich bedächtlich, mit Ruhm und Lob von meiner glücklichen Veränderung zu sprechen; so sehr ich mich auch im Stillen oft darüber freue. Sonst möchte ich fast sagen, daß meinem Zustande nichts weiter fehlt, als ein Recept, welches weder Sie, noch sonst der größteDoctor Medicinae schreiben kann.


Kann ich den gebrauchten Mitteln den ganzen oder halben Antheil meiner Genesung absprechen? Wenn ich nur zur Mittagsstunde sehr hungrig bin; mein wohlthätiger Freund speiset und tränket mich, und ich gehe satt aus seinem Hause: so bin ich ohne Zweifel schuldig, mit dankbarem Gemüth zu sagen: Mein Freund hat mich gesättigt. Zu gleicher Verbindlichkeit halte ich auch den Kranken gegen den Arzt verpflichtet. Mithin sage ich auch: Sie haben mir mit Ihrer Hülfe eine Erleichterung [79] verschafft, die ich immer mit Dank zu erkennen habe. Ihnen verdanke ich es, daß ich am Leben erhalten, von meinen Plagen befreit, wider viele sehr nahe und betrübte Unfälle geschützt, und zu einer erträglichen Gesundheit verholfen bin. Haben ihre Mittel dazu das ihrige gethan: wie könnte ich entweder so unvernünftig, oder so ungerecht sein, denselbigen einigen Antheil an meiner Farbe beizumessen. So starken Schein auch daraus hervorleuchten möchte, daß ich beim Gebrauch der Mittel blau geworden bin: so fällt ja aller Verdacht hinweg, daß ich bei ebendenselben wieder weiß geworden bin; daß die Farbe sich immer verändert habe, je nachdem ich mich besser oder übeler befunden habe. Wenn ich fast natürlich weiß war: so ward ich ja in einem Augenblicke blau, wenn entweder Schmerzen mich zu quälen anfiengen, oder gewisse Gespräche geführt wurden, oder die Luft kälter ward. Ganz frei von allem Antheil an der Ursache zu meiner blauen Farbe spreche ich daher Ihre Mittel, und bis dahin werde ich bei dieser Meinung steif beharren, daß ein einsichtsvoller Arzt, Chemist, Apotheker, oder wer die Sache sonst richtig verstehen kann, mich aus richtigen Gründen überführt, daß van Swieten, Börhaave, oder diesen gleiche Aerzte es schon angemerkt haben, daß ein Arzt auch ein Menschenfärber durch innerliche Mittel sein könne, oder daß dieser mich deutlich unterrichtet, wie er Ihre Mittel versucht und untersucht, und nun befunden [80] habe, daß sie blau färben. Das hin und her Schnacken kann wohl Menschen betäuben; vernünftige Leute müssen sich aber dadurch nicht einnehmen lassen; Gewäsche muß man den Wäschern überlassen. Ich will ordentlich und gründlich überzeugt sein. Ich werde darin doch nicht unbillig handeln? Sie haben mich durch mehr als ein Dutzend medicinische Schriftsteller überzeugt, daß es eine Krankheit giebt, bei der der Mensch blau wird; und keiner dieser Schriftsteller setzt hinzu: ein Mensch kann auch durch einen Arzt blau gefärbt werden. Ich bin also Ihnen die Gerechtigkeit schuldig, bei diesem Urtheile so lange zu beharren, bis ich durch bessere Gründe vom Gegentheile überzeugt werde.


Mehr denn zu oft haben wackere Aerzte das widrige Schicksal, daß Kranke unter den Lasten ihres Elendes und Schmerzes mit Jammern und Aechzen Hülfe bei ihnen suchen, daß diese dann den äußersten Gehorsam gegen seine Rathschläge, und die vollkommenste Erkenntlichkeit für seine Mittel und Bemühungen versprechen, unter der Cur aber den versprochenen Gehorsam nicht erfüllen, den glücklichen Ausgang der Heilung verhindern, und alsdann die Schuld ihres oft noch größern Elendes dem Arzte und denen von ihm gereichten Mitteln beimessen. Oft findet man Leute von so niederträchtigem Charakter, daß sie Lästerungen, Scheltworte und Flüche hinter dem [81] Arzte herspeien. Diese machen es mit dem Arzt, wie viele Buben mit Gott selbst. Wenn diese lange genug ihren Lüsten und Lastern gedient haben, und endlich den Lohn ihrer Ungerechtigkeiten empfangen: so sagen sie mit unverschämter Stirne: das Kreuz hat mir Gott zugeschickt, und ich muß es nun tragen. Mit diesem Laster der Undankbarkeit möchte ich nie mein Gewissen und Wandel beflecken. Ich muß folglich auch dagegen kämpfen. Dabei erinnere ich mich oft an alle die Mühe und Sorgfalt, mit welcher in den Jahren 55, 56, 57 Herr Doctor Droysen in Greifswalde, und in den Jahren 58 bis 62 Herr Assessor Carisius, meine geneigten Gönner und großmüthigen Wohlthäter, gesucht haben, mir Hülfe zu verschaffen; auch bekenne ich es, daß Sie mir die größten Vortheile bereitet haben, und ich bin ihnen zu der äußersten Erkenntlichkeit auf ewig verpflichtet. Oft erinnere ich mich mit dankendem Herzen daran, wie viele Häuser und einzelne Personen mich besonders in den letzten Jahren an sich gezogen, an ihren Tischen gespeiset und getränket, bald in ernsthafte, bald in scherzhafte Gespräche und unschuldige Spiele geführt haben, damit ich doch wenigstens auf eine kurze Zeit vom quälenden Grame befreiet würde. Mehr denn ein Viertelhundert solcher Häuser müßte ich nennen, die ohne mich immer glücklich genug sind, und doch um meine dankbarste Hochachtung sich verdient gemacht haben. Könnte ich bei dieser Gelegenheit meines[82] Schindlers vergessen, der mir fast die andere Hälfte gewesen ist? Ich will allem Leichtsinn bei allem, was ich thue und was mir begegnet; widerstreben. Ich will allem ungefärbten Dank nachjagen. Ich will, da alles unter der Regierung Gottes geschieht, auf alles Acht haben. Ich will auch Wohlthaten, von Menschen genossen, mit dankbarem Herzen erkennen; und kann ich meinen Wohlthätern selbst keine Erkenntlichkeit erweisen: so will ich es dahin gestellt sein lassen, ob ich Gelegenheit finden möge, ihrem Saamen nach ihnen Gefälligkeiten zu erweisen.


Haben Sie sich nun meiner in meinem tiefen Elende als Arzt und Freund mit aller Treue angenommen: so überlasse ich es Ihnen zu beurtheilen, wie groß meine Verbindlichkeit gegen Sie ist. Ich will, wenn's möglich ist, nichts vergessen. Vergesse ich aber auch alles: so wird mir doch die Geschichte nicht entfallen, die wir, wenn ich nicht irre, 1768 zu Anfange des Octobers hatten. Ich kam am Morgen im Schlafrocke zu Ihnen, sprach mit Ihnen über meinen Zustand. Ich war ganz Gefühl, und weinte, klopfte ihre Wangen, küßte Sie, bat, flehete: Helfen Sie doch, wenn es möglich ist. Sie antworteten, wie ein Arzt und rechtschaffener Freund. Zufällig trat Ihre Gemahlin, das Muster braver Frauen, ins Zimmer, und fragte mit Mienen, die Zärtlichkeit und Mitleiden ausdrückten: Was ist? Sie sagten es Ihr, weil ich nicht reden konnte. Sie, die mir [83] immer, wie eine Mutter ihrem Kinde, begegnet ist, schwamm sogleich in Thränen, reichte mir ihre Hand, sprach Worte der Lehre, der Ermahnung, des Trostes. Ich will sie ewig nicht vergessen.


Erlauben Sie mir nun, daß ich mich zum Schluß dieses Briefes richte. Mein Gemüth wird allzusehr erregt, als daß ich weiter schreiben könnte. Nur einen Umstand muß ich noch kürzlich mit Ihnen besprechen.


Sie haben mein eignes Urtheil über meinen vorigen und gegenwärtigen Zustand, auch die Wirkungen Ihrer Mittel an meinem Körper schriftlich zu haben begehrt. Zu was für einem Endzweck? Ich habe Sie deutlich darnach gefragt; Sie haben mir keine deutliche Antwort gegeben. Ich habe Ihre Absicht versteckt zu erforschen gesucht, aber vergebens. Ich mußte mir also mögliche Endzwecke denken. Er kann, dachte ich, es mit meiner Aeußerung machen, wie mit den Papieren über die glückliche Cur eines Nitschen. Und was nützt das? Er kann meinen Brief drucken lassen unter diesen oder andern Begleitungen. Und was läßt sich darüber denken? Ohne Ihr Vorwissen und Einwilligung übergebe ich nun meine Aeußerung dem Druck, und wünsche nur, daß Sie nichts davon erfahren mögen, ehe Sie das Exemplar wirklich besitzen. Nun kann auf diese Weise ein jeder Leser meine Gedanken scharf prüfen, und [84] wer mich aus triftigen Gründen auf Irrwegen findet, mich belehren und zurecht weisen.


Wofern ich Sie und mich recht kenne: so wird unsere Freundschaft so lange fortdauern, als wir beide vernünftig denken, redlich handeln und zärtlich empfinden. Ich bitte inständigst um die unveränderte Fortdauer ihrer Freundschaft weil mir daran so sehr viel gelegen ist. Ich versichre Sie, daß ich das beste Herz, mit Hochachtung und Dank erfüllt, gegen Sie hegen und erhalten will, weil es meine Pflicht ist. Gott lasse es Ihnen und Jedem, der Ihnen angehört, an keinem Guten mangeln!


Stralsund, den 13ten October 1773. H.G. Willich.

9. Die Sucht zum Stehlen
9.
Die Sucht zum Stehlen.

Ein Recrut beim ..... Bataillon, der eines von ihm begangenen Diebstahls wegen bestraft werden sollte, gestand beim Verhör, daß ohne durch Stolz oder Liederlichkeit dazu angetrieben zu werden, er einen unwiderstehlichen Hang zum Stehlen habe.


[85] Der Paroxysmus überfällt ihn gewöhnlich mit Zittern und entsetzlicher Angst, und er wird nicht eher ruhig, bis er etwas, es mag ihm nutzen oder nicht, genommen hat. Oft ergreift er in dieser Angst Töpfe und andere zerbrechliche Dinge, die er denn in Stücken zerschmeißt, und sodann ruhig wird.


Moriz Magazin zur Erfahrungsseelenkunde.

10. Der wieder auflebende Schulmeister
10.
Der wieder auflebende Schulmeister.

Ein Schulmeister in ..... hatte mehrere Wochen an einem hitzigen Fieber danieder gelegen; sein Tod schien unvermeidlich. Er starb endlich nach der Meinung der Umstehenden wirklich. Man legte ihn in einer Kammer aufs Stroh, und bestellte einen Sarg. Nachdem dieser herbeigeschafft worden war: gieng man in gedachte Kammer, um den Todten in den Sarg zu bringen. Aber wie erstaunte man nicht, als man ihn völlig angezogen sein gewöhnliches Geschäfft verrichtend fand; und als man alles, was während seiner Krankheit mit ihm vorgefallen war, erzählte: konnte er sich an nichts erinnern, ja nicht nicht einmal, daß er krank gewesen [86] war. Nach einem halben Jahre erst war er im Stande, sich alles dessen zu erinnern.


Ebendaselbst.

11. Die abgebrochene Rede
11.
Die abgebrochene Rede.

Ein Mann hielt auf dem Gerüste eines zu erbauenden Hauses eine Rede. Das Gerüste stürzte nieder und er mit demselben. Er lag einige Tage sinn- und sprachlos. Als er wieder zu sich selbst kam: setzte er seine Rede da fort, wo sie durch den Einsturz des Gerüstes unterbrochen worden war.


Ebendaselbst.

12. Der nervenkranke Bart
12.
Der nervenkranke Bart.

Bei einem Nervenkranken ließ der sehr besorgte Arzt sogar den Bart des Patienten mit altem Rheinwein einseifen. Alle Einwendungen des Barbiers, welcher durch diesen Zusatz keinen Schaum erhalten konnte, halfen nichts.


Aus dem Intell. Bl. der N.A.D. Bibl.

13. Sonderbares Schönheitsmittel
[87] 13.
Sonderbares Schönheitsmittel.

Der Unterschied, welcher zwischen den beiden Geschlechtern in Ansehung der Gefühle, Affecten und Leidenschaften Statt findet, ist zu auffallend, als daß er nicht jedermann in die Augen leuchten sollte. Der zarte Körperbau der Frauenzimmer, die Empfindsamkeit ihrer Nerven und die Beschafftenheit ihrer gesammten Organisation erhöhen ihre Empfänglichkeit gegen alle sinnliche Eindrücke, und die Lebhaftigkeit ihrer Einbildungskraft und ihres Temperaments macht sie in den meisten Affecten und Leidenschaften heftiger. Die Liebe ist ihr Interesse und ihre vornehmste Beschäfftigung; die Eitelkeit eine ihrer gewöhnlichsten moralischen Krankheiten, welche letztere am gefährlichsten wird, wenn sie sich auf die Schönheit gründet, und von der Sucht, dem andern Geschlechte zu gefallen, oder Aufsehen zu machen, begleitet wird. Nicht selten ist sie die Quelle der empörendsten Grausamkeiten und der unmenschlichsten Handlungen. Eine in dieser Rücksicht äußerst merkwürdige Geschichte einer ungarischen Dame findet man in einigen ungarischen Geschichtschreibern, als in Ladislaus Thurotz, Istvanfy, u.i.m. aufgezeichnet. Ich erzähle die hieher gehörigen Umstände sowohl nach den besagten Geschichtschreibern, [88] als vorzüglich nach den vorhandenen gerichtlichen Urkunden.


Elisabetha *** putzte sich, ihrem Gemahle zu gefallen, in ungemeinem Grade, und brachte halbe Tage bei der Toilette zu. Einstmals versahe eines ihrer Kammermädchen, wie Thurotz erzählt, etwas an dem Kopfputz, und bekam für das Versehen eine so derbe Ohrfeige, daß das Blut auf das Gesicht der Gebieterin sprützte. Als sie mittlerweile den Blutstropfen von ihrem Gesichte abwischte, schien ihr die Haut auf dieser Stelle viel schöner, weißer und feiner zu sein. Sie faßte sogleich den unmenschlichen Entschluß, ihr Gesicht, ja ihren ganzen Leib, im menschlichen Blute zu baden, um dadurch ihre Schönheit und ihre Reize zu erhöhen. Bei diesem grausamen Vorsatz zog sie zwei alte Weiber zu Rathe, welche ihr den gänzlichen Beifall gaben, und bei diesem grausamen Vorhaben an die Hand zu gehen versprachen. In diese blutdürftige Gesellschaft ward auch ein gewisser Sitzko, Zögling der Elisabetha von *** aufgenommen. Dieser Wüthrich tödtete gewöhnlich die unglücklichen Schlachtopfer, und die alten Weiber faßten das Blut auf, in welchem sich dann dieses Ungeheuer in einem Troge um 4 Uhr des Morgens zu baden pflegte.


Nach dem Bade kam sie sich immer schöner vor. Sie setzte daher dieses Handwerk auch nach [89] dem Tode ihres Gemahls fort, welcher im Jahre 1604 starb, um neue Anbeter und Liebhaber zu gewinnen. Die unglücklichen Mädchen, welche unter dem Vorwande des Dienstes durch die alten Weiber in das Haus der Elisabetha von *** gelockt wurden, brachte man unter verschiedenem Vorwand in den Keller. Hier ergriff man sie, und schlug sie so lange, bis ihr Körper anschwoll. Elisabetha *** peinigte die Unglücklichen nicht selten selbst, und sehr oft wechselte sie ihre vom Blute triefenden Kleider um, und fieng dann ihre Grausamkeiten aufs neue an. Der aufgeschwollene Körper der unglücklichen Mädchen wurde dann mit Scheermessern aufgeschnitten. Nicht selten ließ dieses Ungeheuer die Mädchen brennen, und dann schinden. Die meisten wurden bis zum Tode geschlagen.


Die Vertrauten, welche ihr beim Prügeln nicht behülflich sein wollten, schlug sie selbst; im Gegentheil belohnte sie diejenigen Weiber reichlich, welche ihr die Mädchen zuführten, und sich bei der Ausführung der Grausamkeiten als Werkzeug gebrauchen ließen.


Sie war auch der vermeinten Zauberei ergeben; hatte einen eigenen Zauberspiegel in Gestalt einer Brezel, bei dem sie stundenlang betete.


Gegen das Ende gieng ihre Grausamkeit so [90] weit, daß sie ihre Leute, zumal Mädchen, die mit ihr im Wagen fuhren, zwickte und mit Nadeln stach. Eines ihrer Dienstmädchen ließ sie nackend ausziehen, und mit Honig beschmieren, damit es von den Fliegen aufgefressen werden sollte. – Als sie krank wurde, und ihre gewöhnlichen Grausamkeiten nicht ausüben konnte: ließ sie eine Person zu ihrem Krankenbette kommen, und biß dieselbe wie ein wildes Thier. Sie brachte auf die oben beschriebene Art gegen 650 Mädchen ums Leben, theils in Tscheita (Cseita, in der Neutrauer Gespannschaft), wo sie einen eigenen dazu eingerichteten Keller hatte; theils in andern Orten.


Als so viele Mädchen aus der benachbarten Gegend, die man unter dem Vorwande des Dienstes, oder der fernern Ausbildung, in das Schloß brachte, verloren giengen, und die Aeltern auf ihre Nachfrage nie befriedigende, und meistens zweideutige Antworten erhielten: so wurde die Sache verdächtig. Man gab vor, die Mädchen wären an einer Krankheit gestorben. Als die Altern den Ort des Begräbnisses wissen wollten: wurden sie mit Grobheiten abgespeist. Zuletzt hat man durch die Bestechung des Gesindes so viel herausgebracht, daß die vermißten Mädchen gesund in den Keller gegangen, und nie wieder zum Vorschein gekommen wären. Die Sache ward nun sowohl bei Hofe, als auch bei dem Palatin Thurzo [91] angegeben. Der Palatin ließ das Schloß Tscheita überfallen, stellte die strengsten Untersuchungen an, und entdeckte die schaudervollen Mordthaten. Das Ungeheuer ward für die begangenen Greuelthaten zu einem ewigen Gefängniß verdammt; ihre Mitschuldigen aber wurden hingerichtet. – – Nihil mediocre in muliere seu bona sit, seu mala! In diese Worte brechen hierbei Matthias Bel und Thurotz aus.


S. Wagners Beiträge zur Anthropologie.

4. Diätetik
Alles spendirt man auf den Leib
Alles spendirt man auf den Leib, damit derselbe gesund bleibe oder gesund werde.

Man leidet das Brennen, man geduldet das Schneiden, man stehet aus das Brechen, man versucht das Schwitzen, man ergreift das Fasten, man nimmt allerlei graußliche Medicin, Pillulen von Assa foetida oder Teufelskoth, Sal volatile urinae, den Succum und Saft von Esels- oder Saukoth, distillirte Würm, Stinck-Wurzen, sonsten Bigonia genannt, Saft von dem Roßmist, ja allerlei verzuckerten Wust, und präparirten Unflath, nur damit der Leib, dieser grobe Limmel, wieder gesund werde. Wegen der Seele [93] aber, wegen dieser unsterblichen Creatur, wegen dieser so herlichen Braut Jesu Christi, wendet man nit den viertel Theil so viele Mühe und Fleiß an. Bei allen Tafeln, auf allen Mahlzeiten, in allen Gesellschaften, aus Pütschen, aus Gläsern, aus Kandeln, aus Krügen, aus Tätzen, sogar Salzbüchßelein und Pantoffeln trinkt man die Gesundheit dieser und dieses, bald in Wein, bald in Bier, bald in Möth; da wünscht man, ruft man, schreit man vivat! er soll leben! bei allen Zusammenkünften wird der Gruß sein, ich erfreie mich seiner Gesundheit; in allen Beurlaubungen wird das Compliment sein, der Herr bleib fein gesund; in allen Briefen wird der Zusatz sein, ich bin, Gott sei Lob! wohl auf! Ihr Limmel blaue Leckeryer, ihr verbrämten Gassentreter, ihr regenbogenfarbige Paschy, ihr Indianisch hochzornleibfärbige Diener, was ist nur vormittagiges aus und ein, hin und her, auf und Ablaufen, und Schnaufen, was anders, als die ordinari Post, wie man geschlafen, wie man sich befinde? ob man gesund seie? ja und allemalen gedenkt man nur des Leibs, dieses trammplischen Wildfangs; der Seelen aber, dieser nach dem Ebenbild Gottes erschaffenen Wesenheit, dieses so thueren Schatzes, ist man gar selten eingedenk, ja oft gar nite.


Aus Abraham de S. Clara's Schriften.

5. Chirurgie
1. Aushängeschild eines Chirurgus
1.
Aushängeschild eines Chirurgus.

In einem Marktflecken, nicht weit von L., wohnte ein Chirurgus, über dessen Hausthüre ein großes Schild mit folgender Inschrift paradirte:


Balthasar Alexander Fabian Schwarzkittel, Barbierer, Paruckenmacher, Chirurgus, Hochzeitbitter, Altarmann zu der Kirche zum heiligen Kreuz, Schulmeister, Hufschmidt und Geburtshelfer.

2. Brief eines Chirurgus an einen Arzt, wegen des Besuchens einer Universität
[95] 2.
Brief eines Chirurgus an einen Arzt, wegen des Besuchens einer Universität.

Meinen Gruß zu vor an den Herrn


Bitte nicht ungüthig zu teuten daß ich dießen Brieff stelle an den Herrn weil ich auch zwart mit unterpraxicire, ob ich gleich kein Doktor agiren kann, und auch keine Jumferspät gestutirt habe, aber doch vieles von mein althen Ohm geErbt habe, wie der Herr, an Rehsebten und Orcanums, das schon viehl hundert Minschen sinnt durch meine göttliche Hilffe gesunnt geworden, die alle Dokters schon uff gegeben hadten, alßo schreibt der Herr doch so offte, das man soll gestutirt haben, und das sonst nur ein Fuscherkrahm war mit der Mehtizien, abers nix gründlich, alßo wolldte mich wohl noch gedrauen uff meine alte Tahge noch 3 a 4 Wochen zu vereißen, und follent gantz auszulehren uff die Jumferspät, abers ich weiß kein Bescheidt mit die Huremjohra und dem Ladein und Griesch und köndte auch unnothen abkommen von die guden Leudte die mir brauchen thun, wenn ich so lange verreyßen thät. Habe godtlob hipsch waß zu thun und viel prave Minschen, die ihr Lebtag nich kein Dokter brauchen und doch immer kranck sindt, weils ihr Verdtrauen einsmahl [96] zu mir gefast haben, sagen, das sie nich um veel Gelt hebben wulln, datt ick verreiß, un wollten liebers by mi starven, als by en rechten Dokter sunnt wesen, und waß sie so mehr up ehr platttüscht seggt (solches nur anfiehre um das ich ein kleine Schnurr in den Brief machen will, wie der Herr beweilen thut in seine Dingers). Also um wieder uff mein Abropo zu kommen ißt die Frahge bleib ich nun in Lohkoh oodter studtiere ich, den studtiere ich, so kann ich all meine Kundtstschaft verliehren, und sitze denn zwischen zwee Stiele, sthu ichs nich, so sinndt sie Cum-Babel undt setzen mich noch mahl uffs Zuchthauß. Alßo meyn ich so das wenn ich nur kann beweißen mit Altestaaten von meine gelahrdte Wißenschaff wie viel arme Minschen ich allsschon bedient habe, und nächst Godt immer noch hallwege mit mir zufrieden geweest sinndt, auch das ich nich so ins Gelach nein fodtre und Arzßnein schicke wie die Dokterß, und mehr um Godtswillen brauche als bezahldt nehmen thu, und das die armen Minschen mich nich so lange endtbähren können, und doch kein rechter Dokter in ihr Lebent brauchen wollen, wenn ich gleich zehn Jaar studtieren mus, sondtern elendtiglich Kröpiren wollen, und das mich schon ein reicher und angesehner Herr, der viel Jahr sein Verdtrauen uff mich und mein Frau gesetzt hat, und eine gnadtige Frau die auch all viel liebe Jaar meine Parohnin ißt mich schon das erste mal da sie mich hin setzten uff ihre [97] eigene Kohsten loßgekauft haben vonß Zuchthauß, und wenn ich das alles so anfihren thät und las mir von ein Nathariuß ein Excrement darüber machen, so soll ich meinen, das das noch wohl durchgehen müßte ohne mich weiters zu verfollgen, odter zu zwingen daß ich noch uff meine aldte Tahge bey dieße schweehre Kriegszeidten naus muß ins Reich um ein Lumpendokter zu werden. Dahrum so schreibe der Herr doch nur acht Tage vorher, ehe der Bedtel mit mir vorgeht in seine Dingers nur mit ein Pahr Wohrte mir zu gefalle das ein jeder doch seine Freiheit behalten mußte, ob er sich will sein Lebensgefahr übergeben an einen von die rechten Dokters, oder an einen von unßer Sort nur daß wir die rechte Dokters ihre kundtstschaft nicht nachdrachten und abspenstich machen sollen, und sie uns nicht unßre, und von beyden Seyten alles guts von einander reden sollen, und sonst guden Tag und guden Weg wie Christen und Juden hier auch mit einander leben dürffen, weils eine freye Reichstadt ist. Für diesen Dienst hiermit Gott befohle, der ich bin


Des Herrn dienstwilliger

Kilian Brustfleck.


Unzers Arzt. Th. 7. S. 110.
3. Schreiben des Fräuleins von Stich wegen der Flöhe
[98] 3.
Schreiben des Fräuleins von Stich wegen der Flöhe.

Monsieur


Ich bin ein hochadlig Frölen von etliche 63 Jahr, und aus sehr nobler Famylie, und meine hochsälige Vorfahren haben sich schon zu Carl XII. Zeithen distinguirt und haben wohl in 100 Schlachten fast alle ihre gesunde Glieder verlohren, daß manche nur den puren Rump wieder mit nach Hause gebracht haben. Ich hätte mich wohl 80 mahl können vermehlen, hatte auch etzlichemal schon auf dem poeng gestanden, das wir vor Gott schon Eheleute waren: aber meine Capprice hats immer wieder rückgängig gemacht, weil ich keinen nehmen wollen, der nicht erst vor dem Beilager einiger seiner Gliedmaßen verlohren, da sichs denn immer getroffen hatt, daß zum Unglück just solche Gliedmaaßen verlohren gegangen, daß aus den Beilager nichts hat währen können. Anno 1709 hielt ein schöner junger Graff um meine Personne an, allein er wollte sich nicht ins Feld gedrauen, und war noch so wohl gebilt, wie ihn Gott erschaffen hatte. Also ließ ichs zurückgehen: den wir haben Gottlob noch keinen in unserer Familie gehabt, der seine gesunden Glied-Gliedmaßen, mit in unser hochadlig Erpbegrebniß [99] genommen hätte. Waß mich betrift, so habe auch nicht zu Klagen, da schon in meiner Kindheit in einem kleinen Tuel mit mein Herr Bruter den Fänerich daß rechte Auge verloren, und an beide Hände gelähmt bin auf die Welt gekommen, daß die Arme wie ein paar Bistohlen steif von mir abstehen. Diese Ehrenzeichen meines hochadligen Ursprungs wofür den Himmel nicht genug danken kann, machen mir nur in den Monaten July Aougusti einige Ungelegenheit, weßhalb ich mich hierdurch an Ihn Monsieur adressiere, daß er mir davon abhelfen soll. In diese Jahrszeit sind die leydigen Flö so unartig und mal conduisirt, daß sie mich fast an rage setzen, und das edle Geblüt von mir saufen wie Turquen. Weil ich mich nun mit meine steifen Arme nicht gegen sie währen kann, und die größte passesse eine unbewehrte Person zu attaquieren, so soll er mir gegen diese Nichtswürdigen ein bewährtes Remede vorschlagen, daß sie auf den camp de padaille tödtet.


Er kann nicht glauben, wie ich manchmal des Morgens aussehe, wie ein Buch in einem marmorirten Bande, und peinigen mich die Bestien, daß oft im Schlafen laut schreyen und springen muß, und fast alle Contenance verliere. Sie sind auch so dick und fett, daß sie bärsten möchten, und beleydigt mich am meisten, das in der ganzen Nachbarschaft keine adliche Familie wohnt, und ich die Aeser von lauter Bürgervolke bekomme [100] und alle ihre gesunde Gliedmaßen haben. Womit soll ich mich also schmieren, daß sie cröpiren? Wenns etwa Menschenfett sein soll, so habe eine Krucke von einem harkebusirten Edelmann aus meiner Famylie von stieffmütterlicher Seyte, der 500 wog, und davon brauchen wir in der Famylie ständig, weils von unserm Geblüte ist, und nicht so eckelhaft, als von gemeine arme Sünders von Bürgervolke ich bin A.R. Ch. C.W. Fröl. v. Stich.


Unzers Arzt Th. 6. S. 239.

4. Schreiben eines Marktschreiers an einen Arzt
4.
Schreiben eines Marktschreiers an einen Arzt.

Mein Herr College,


Da ich schon seit vielen Jahren mein Gehör verloren habe: so bin ich nicht im Stande mit Ihnen von derjenigen Angelegenheit selbst zu sprechen, weshalb ich meinem Diener befohlen habe, dieses Billet an Sie aufzusetzen; denn die Gicht hat mich unvermögend gemacht, selbst zu schreiben. Es betrifft das Heil und die Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts. Ich habe auf meinen Reisen, da ich fast in allen Kreisen des deutschen [101] Vaterlands als ein Doctor ausgestanden, durch tausend Versuche endlich ein vortreffliches Arzneymittel entdeckt, welches in allen möglichen Krankheiten probatum erfunden ist. Es heilet in wenig Tagen alle Wunden und Geschwüre, Krebs, Gicht und Podagra, Brüche, blöde Augen, das Sausen und Brausen vor den Ohren, Taubheit, Schlag- und Lähmflüsse, Grind, Würmer, Stein- und Wassersucht, Kolik, Ruhr, und die sogenannte galante Krankheit. Es vertreibt allen Ausschlag der Haut, Krätze, Aussatz, Pocken, Masern, Friesel, Finnen, Leber- und Sommerflecken, führt ab durch den Schweiß, Stuhlgang und Urin, und ist ein allgemeines Präservativ gegen alle Krankheiten. In der Schwerenoth und allen desparaten Zufällen wird es keinen ungeholfen lassen. Das Glas kostet 4 Mark grob Courant, welches man sich aber franco ausbittet. Wenn Sie nun, mein Herr College, für mich die Liebe haben wollten, und dieses Mittel in Ihren Blättern bekannt machen: so stehen Ihnen ein Dutzend Gläser umsonst zu Dienste, die Sie zuerst in meinem Namen verkaufen, hernach aber die Patienten zu mir weisen können. Die Noth treibt mich zu dieser Bitte. Ich bin jetzt nicht mehr im Stande selbst herum zu reisen. Es hat der Schickung gefallen, mir meinen Affen und Harlekin in einer Zeit von 3 Wochen, beide in der fallenden Sucht, durch den Tod zu entreißen. Ich selbst bin wie ein Lazarus über den ganzen Leib mit Geschwüren [102] besäet. Meine Glieder sind von der Gicht ganz verlähmt, und ich brülle oft ganze 24 Stunden in den entsetzlichsten Steinschmerzen. Mein Reffträger ist in Mölln von dem Schlage gerührt worden, und der Diener, den ich noch bei mir habe, leidet seit einigen Jahren so viel an seinen Augen, daß er mir ebenfalls unbrauchbar wird. Erbarmen Sie sich also eines verlassenen Mitbruders, und setzen Sie meine Arznei in Ihr nächstes Blatt. Sie können das Publicum versichern, daß ihre Wirkung nie fehl schlägt, und ich setze meine Ehre zum Pfande, daß sie niemanden hülflos lassen soll. Wollen Sie es wagen, und sie im Anfange 5 Mark bieten, so er biete ich mich, Ihnen für jedes Glas 8 Schilling Abzug zu geben. In Erwartung ihres collegialischen Beistandes verharre ich


Meines Herrn Collegen

dienstwilligster

Laurentius Pausback.


Unzers Arzt. Th. 1. S. 143.
5. Schreiben eines alten Chirurgi
5.
Schreiben eines alten Chirurgi.

Was Sie von den 14 Matronen im 2ten Stück erwähnt haben, ist das Scherz oder Ernst? [103] Ich bin ein alter Gregorcus oder Operateur, und habe meine Frau ungern verloren; ob sie gleich 87 auf ihrem Rücken trug. Als sie sterben wollte: sagte sie zu mir, und drückte mir die Hand: Nimm dir wieder eine, wegen deines Hausstandes; aber keinen jungen Affen, die den Modeteufel besitzt. Nun Herr, um des Worts willen, und weil die vierzehn von der Profession sein müssen da Sie sie oft bei sich haben, bin ich entschlossen, eine davon durchs Loos zu ehelichen, wofern sie mir nicht selbst als ein verständiger Greis, der sie am besten kennen wird, eine vorschlagen wollen. Ich bin gar nicht ein gemeiner Bartscheerer oder Gregurgus, sondern mein eigentliches Werk ist die Wundarznei, welches eine freie Kunst ist, wovon die Bartphilosophen so viel wissen, als überhaupt von der ganzen Ostollogiae. Wenn also eine von den Matronen gesonnen wäre, mich zu ehelichen: so verspreche ich Ihnen dafür, das Blatt, das Sie schreiben, bei meinen Kindern zu recummediren. Kann ich auch die Ehre haben, Sie zu bedienen: so soll mein Geselle kommen, wenn Sie's verlangen. Ich schneide auch Leichdörner aus; nehme Arme und Beine ab, wie nichts; setze Brüste ab, wie man eine Wurst ausschneidet; trepanire; breche krumm geheilte Beine, und heile sie gerade; stoße Zähne aus mit Tabackspfeifenstielen; amputiere alles und bittegehorsamst [104] um gütige Recomendatie, der ich verharre


Eur Edlen

kunstverwandter Freund

Errhardt Holunder.


Unzers Arzt. 1. Th. S. 142.
6. Geburtshülfe
1. Wie verhält man sich mit der Taufe bei widernatürlichen Geburten
1.
Wie verhält man sich mit der Taufe bei widernatürlichen Geburten?

Da das Kind bei einer widernatürlichen Geburt einen Theil seines Leibes, welcher entweder einen Arm, oder die Brust, der Bauch, der Rücken, oder einen Schenkel, oder ein Knie, oder was es immer für einen Theil sein mag, zeigt: so muß die Hebamme jenes Glied, welches sie sieht, mit dem Wasser begießen, und zur nämlichen Zeit die Worte aussprechen: Wenn du lebest, so taufe ich dich. Oftmals geschieht es, daß das Kind mit einem brandigen oder geschwollenen Arm oder [106] Fuß zuerst kommt, und also ein todtes Glied ist. Die Hebamme darf aber keinesweges schließen, daß das ganze Kind dieses Ansehen habe, und also nicht mehr lebend sein werde. Sie taufe ohne allen Zweifel den brandigen Arm oder Fuß mit dieser Bedingung: Wenn du lebest, so taufe ich dich, u.s.w. Sobald sie aber ein anderes Glied, das frisch und gesund ist, erhält: so wiederhole sie die Taufe mit dieser Bedingung: Wenn du lebest und noch nicht getauft bist, so taufe ich dich.

2. Wie tauft man das Kind, wenn es mit dem Hintern zur Geburt eintritt
2.
Wie tauft man das Kind, wenn es mit dem Hintern zur Geburt eintritt?

Tritt das Kind manchmal mit dem Hintern ein, und ist vielleicht, weil sich die Hebamme in diesem Falle nicht zu helfen wußte, schon zu stark in der Beckenhöhle eingeklemmt: so muß auch hier die Hebamme oder der Geburtshelfer, bevor sie an dem Kinde Hand anlegen, solches taufen; sie gießen also, ohne einiges Bedenken, das Wasser über den Hintern des Kindes mit dieser Formel ab: Wenn du lebest, so taufe ich dich, u.s.w. Sobald sie ein anderes Glied bekommen: so wiederholen sie die Taufe unter der [107] nämlichen Bedingung: Wenn du lebest und noch nicht getauft bist, so taufe ich dich.

3. Darf man auch die Nabelschnur taufen
3.
Darf man auch die Nabelschnur taufen?

Fällt die Nabelschnur vor: so ist die Geburt für das Kind höchst gefährlich. Die Hebamme taufe die vorgefallene Nabelschnur ohne einiges Bedenken, wenn sie einen Pulsschlag in solcher fühlt, außer, sie würde gar zu stark gedrückt; welches sie aber aus der Geschwulst erkennen kann. Sie taufe demnach die Nabelschnur unter der Bedingung: Wenn du fähig bist getauft zu werden, so taufe ich dich. Sollte aber selbige mit dem Kopfe zugleich vorfallen: so muß die Hebamme den Kopf taufen mit dieser Bedingung: Wenn du lebest, so taufe ich dich.

4. Ist es auch erlaubt den Mutterkuchen zu taufen
4.
Ist es auch erlaubt den Mutterkuchen zu taufen?

Weil der Mutterkuchen, wenn er zur Geburt vorliegt, solche sowohl für die Mutter, als das [108] Kind, höchst gefährlich macht: so darf die Hebamme auch diesen mit der Bedingung taufen: Wenn du fähig bist getauft zu werden, so taufe ich dich etc. In allen diesen Fällen kann die Hebamme auf den vorgefallenen Theil des Kindes das Wasser mit hohler Hand gießen; oder sie kann sich eines mit Wasser benetzten Schwammes; oder in harten Umständen, wo sie das Wasser auf eine solche Weise nicht so leicht anbringen kann, einer kleinen Spritze bedienen.


Obermayers Entbindungskunst. S. 410.

5. Die Geburt durch den Hintern
5.
Die Geburt durch den Hintern.

S. Medicinisches Vademecum. Th. 3. S. 131.


Eine Frau war 21 Jahr schwanger, in welcher Zeit sie eine Reihe von den elendesten Zufällen auszuhalten hatte; am Ende derselben gieng unter den heftigsten Schmerzen das Rippenbein eines Foetus durch den Stuhl ab; und auf diese Art leerte sie in den folgenden funfzehn Jahren über 300 Knochenstücke aus, befand sich auch hierauf völlig wohl, und starb im siebenzigsten Jahre.


S. The London medical Journal. Vol. VIII. part. 2.

6. Das non plus ultra von Hebamme
[109] 6.
Das non plus ultra von Hebamme.

In Cracau gab es eine Hebamme, die das Geheimniß gewisser Pillen besaß, deren Wirksamkeit keine Art von Unfruchtbarkeit zu widerstehen vermögend war. Sie behauptete sogar, daß der eheliche Beischlaf schlechterdings unnöthig, und die Pillen hinlänglich wären, Frauenzimmer zu befruchten. (Der Himmel bewahre, daß nicht irgend durch ein Versehen sich solche Pillen in ein Nonnenkloster verirren!) Diese Hebamme erzählt auch folgende Accouchements-Operation. Hier sind ihre eigenen Worte: »Ich accouchirte eine zwanzigjährige Frau, welche mit einem ebenfalls schwangern Mädchen niederkam. Die Unschuldige befand sich in der außerordentlichen wunderbaren Lage, daß, als ihre Aeltern die eheliche Pflicht verrichteten, der Saamen des Herrn Papa auch das kleine Mädchen befruchtete, und sie auf diese Art schwanger wurde. Ich entband, sagte sie, dieses Kind sechs Monate nach seiner Geburt, denn drei Monate war es schon im Mutterleibe schwanger. Die kleine Leibesfrucht war sehr wohlgestaltet, und vollkommen proportionirt; starb aber bald darauf, wegen ihrer Schwäche. Die junge, sechs Monat alte, Mutter lebt noch bis auf die heutige [110] Stunde, und weiß, da sie nun einige Jahre alt ist, nichts davon, daß sie als Kind schon Mutter war.«


S. De la Fontaine chirurgisch-medicinische Abhandlungen verschiedenen Inhalts, Polen betreffend. S. 139.

7. Zeichenlehre
1. Harnpropheten
1.
Harnpropheten.

S. Medic. Vadem. 1. Th. S. 44. 3. Th. S. 78.


Es ist doch allenthalben ein jämmerlich Ding um das Medicinäwesen. Jedermann würgt, der nur will, oder hohen Schutz bezahlen kann, er mag übrigens der größte Schaafkopf auf Gottes Erdboden sein. Hier wieder ein kleines Actenstück aus dem Reich, dessen Verfasser weder schreiben noch heilen sollte.


[112] Aus dießen Orin find ich Weiter keine sterbliche krankheit, dan noch wohl ein ferderblicher Zustand besitzt sich, wo schon ein Langwertiger umstand sey, und wo das ganze Geblüt ist ünfizürt, und nicht in seyner Circulation bestehet, wie es sey soll, wo so gar das ganze Kroßwerk voller Schleim und feichtigkeit sich besitzt, und sogar Schwachheiten Mattheiten in gliedern erzeigt, wo man sogar die Empfindnuß in Chreutz oder in Lenden Niren empfindniß hat. Die Leber ist hitzig, der Magen ist Eiskalt, wo das Geblüth mit einander Streit, als wie 2 feind mit einander Streuten, das Gute geblüth das Böße das gute infizirt, und zu lauter Koth, Schleim und Materie fürth. zu zeiten ganz Blöth auf dem Herzen wo die Pores oder die Lungeflügeln foller Schleim und feuchtigkeit sich besitzen und werden auch zu zeiten ein kleines Hustel führen; auch zu zeiten was Hütziges, und auch gleich wieder was feisliches, es ist zwar nicht ein Tag wie der Andere, ist auch nicht ein Stund wie der Andere, es ist ein ganz ab Wechsliches Wessen, wie das abwechsliche Wetter, ist nicht recht gesund und nicht recht krank, man gehet herum wie der Schatten an der Wand, weiters kann ich aus diesen Orin nichts finden.


Ich Unterschriebener

Johannes Abel

Chur Beirischer Bergmeister und Doctores.


[113] Dießer Her, hat vör den Orin zu besichtigen und vör die Schriftliche Exsplication 6 Patzen bezahlt.
S. Gruners Almanach. 1786. S. 217.
2. Friederich Hoffmann theilt die Aemter nach den Temperamenten aus
2.
Friederich Hoffmann theilt die Aemter nach den Temperamenten aus.

Die, so man gemeiniglich Sanguineos nennt, haben ein flüßiges und temperirtes Geblüt und Säfte. Sie sind in ihren Verrichtungen und Handlungen munter und hurtig, machen sich nicht leicht über etwas Schwierigkeit, Sorge und Kummer, sind vergnügt, lustig und scherzhaft, lieben die Gesellschaft, sonderlich ihres Gleichen, mögen gerne etwas Gutes essen und trinken, sparen deßhalb kein Geld, halten sich propre in Kleidung, sind den Frauenzimmern sehr geneigt und bei ihnen angenehm, können sich fast in alle Launen schicken, werden nicht leicht zornig, fahren wohl geschwinde auf, aber lassen sich bald wieder besänftigen. Unter den drei Hauptlastern sind sie sonderlich zur Wollust geneigt, fliehen gar sehr mühsame Arbeit, Krankheit und den Tod. Uebrigens haben sie ein gutes Gedächtniß, fassen [114] leicht etwas, sind beredt und angenehm im Umgange.


Die Sanguinei schicken sich bei großen Herren an Höfen zu Hof- und Cammer-Junkern, Exercitien Meistern, Oberschenken, Küchen- und Ceremonienmeistern und Favoriten, allwo sie ihr Glück machen. Man muß dieselben aber nicht zu geheimen Finanzräthen machen, wo sie viel mit Einnahmen und Rechnungen zu thun haben, wozu sich die mehr qualificiren, die eines melancholischen Temperaments sind; denn diese sind sonderlich capable zur Oekonomie; Geld zu erwerben, Commercia in Stand zu bringen, und sich dadurch bei großen Herren beliebt zu machen. Die gelehrten Sanguinei geben wegen ihres guten Gedächtnisses Professoren der Sprachen, Eloquenz, Historie und Alterthümer ab, bekommen wegen ihres guten Vortrages leicht applausum, und wenn sie dabei Ambition haben, loben sie sich gerne selbst, und prahlen mit ihren Wissenschaften und ihrem Gedächtniß.


Solche Personen, die man insgemein Cholericos nennt, sind in ihren Handlungen sehr activ und hurtig, begreifen ein Ding gar bald, und können es bald wieder hervorbringen. Sonst sind sie zur Uebereilung, Ungeduld, Eifer, Hochmuth und Ehrgeiz sehr geneigt, auch zur Rachgier gegen diejenigen, die sie verachten und nicht genugsam [115] ehren, streben nach hohen Dingen und Aemtern, fürchten nichts mehr als Sclaverei und Schande, lieben diejenigen, so sie loben und ehren, machen gerne, wenn sie es haben, äußerlich einen großen Staat. Diese Sanguinei ambitiosi schicken sich zum ersten, andere zu beschützen, und sie, wenn Wollust und genereuse Freigebigkeit bei ihnen ist, zum Guten aufzumuntern.

Es werden daraus gute Officiers, Generals, Gouverneurs und Abgesandten, des Herrn Respect zu observiren.


Bei den Melancholicis ist das Geblüt nebst den Säften etwas dick, und mit vielen groben terrestrischen Theilen angefüllt, daß sie durch die Canäle undMeatus des Hirnhäutleins sich langsam und mit einiger Schwierigkeit bewegen und circuliren. Solche Personen sind in Verrichtungen und Handlungen sehr langsam, und von keiner Resolution, besinnen sich sehr lange, sind zweifelhaftig, mißtrauisch, furchtsam, und wenn sie worauf kommen, verändern sie sich nicht leicht, sondern bleiben bei ihrem Sinn und Gewohnheit, lieben die Einsamkeit, gehen lieber mit ihres Gleichen, als mit lustigen Personen, um, sind keine Liebhaber von Frauenzimmer, sind pensiv und machen Grillen, hängen das Herz sonderlich an das Zeitliche, und sind, wie die Cholerici, dem Ehrgeiz, also vornehmlich dem Geldgeiz, ergeben, fürchten sehr die Armuth, theure Zeit, machen [116] sich viel Angst und Sorge; sonderlich wenn sie etwas vom Zeitlichen verlieren sollen, und können gar leicht zur Desparation gebracht werden. Was aber die sinnlichen Kräfte betrifft: so können sie ein Ding, wenn sie es einmal ins Gedächtniß gefasset, lange behalten, und weil sie alles wohl überlegen und zum Meditiren aufgelegt sind: so schicken sie sich zu solchen Actionen, die ein Iudicium und Nachsinnen erfordern.


Man nimmt wahr, daß Sanguineo-melancholici, wenn sich die andern Requisita dabei befinden, am besten zu Justiz- zu Geheimderäthen, Hofpredigern, Generalsuperintendenten, Urtheilsverfassern und Leibmedicis sich schicken. Die gelehrten Melancholici sind zur Philosophie, Algebra und Medicin aufgelegt. Die Melancholico-cholerici sind fleißig, schreiben viele Bücher, refutiren und reformiren gern andere, können ihres Gleichen nicht wohl vertragen, und wenn sie auf eine Meinung kommen, kann man sie nicht davon abbringen; sie zanken und streiten auch gern, und vergeben nicht leicht, wenn man ihnen etwas zuwider gethan hat.


Die Phlegmatici sind am Gemüthe und ihren Thun und Gewohnheiten sehr langsam, faul und nachläßig, arbeiten und studiren nicht gern, schlafen auch lange, sind sonderlich dem Saufen ergeben, und lieben solche Compagnien; gehen [117] lieber mit geringen als vornehmen Leuten um, fragen nicht viel nach Ehre und Schande, haben wohl ein Gedächtniß, aber kein sonderliches Ingenium und Iudicium; wenn sie reich sind, leben sie sehr unordentlich im Saufen und Unzucht, depensiren das Geld und werden arm.


Die Phlegmatico-sanguinei, die zum liederlichen Leben, Saufen, Spielen und Unzucht geneigt sind, und ihren Vorgesetzten nicht folgen, können nicht besser zurechte gebracht werden, als wenn man sie unter die Disciplin der Soldaten bringt, allwo sie zur Arbeit und Ordnung angehalten werden.

8. Miscellaneen
1. Ode an den Leibstuhl
1.
Ode an den Leibstuhl. 1
Du kleiner Sitz, von dessen eignem Namen
Man mit Respect nur spricht,
Den täglich doch die ekelste der Damen
Besteht und fühlt und riecht;
Du bist der größte aller Opferheerde,
Auf deinem Altar nur
[119]
Zollt täglich der galantre Theil der Erde
Sein Opfer der Natur.
Du bist der Götze, der selbst Majestäten
Ihr Hinterhaupt entbloßt;
Der Freund, vor dem sogar sich ohn' Erröthen,
Die Nonne sehen läßt.
Erhaben setzt, wie auf den Sitz der Götter,
Der Weise sich auf dich;
Sieht stolz herab, und läßt das Donnerwetter
Laut krachen unter sich.
Du bist das wahre Ebenbild der Thronen
Auf diesem Erdrevier;
Denn immer sitzt von vielen Millionen
Ein Einziger auf dir.
Du bist's allein, den Prunk und Etikette
Selbst mehr als Thronen ziert;
Denn sag', bei welchem Thron wird so zur Wette,
Als wie bei dir, hofirt?
Worin jedoch von allen Sorgestühlen
Kein einziger dir gleicht,
Ist das: Auf Thronen sitzt man oft sich Schwielen;
Auf dir sitzt man sich leicht.
[120]
Du beut'st als Freund den Menschen hier auf Erden,
Gefällig deinen Schoos,
Und machest von den drückendsten Beschwerden
Der Menschlichkeit sie los.
Zu dir wallfahren groß' und kleine Geister,
Wenn sie die Milzsucht quält;
Du nimmst von ihnen weg den Seelenkleister,
Der sie umnebelt hält.
Man sieht dich täglich viele Wunder wirken:
Du bist der Ort, wohin,
So wie nach Mekka die bedrängten Türken,
Die armen Kranken ziehn.
Du bist der Heilthumstuhl, an dem der Kranke
Nie fruchtlos Opfer zollt,
Weil er dafür gewiß mit regem Danke
Sich die Genesung holt.
Du bist der Chef, für den auf seinem Stuhle,
So mancher H.. schwitzt;
Der Gott, für den so manche Federspule
Des Autors ab sich nützt.
Der Richterstuhl, wo über die Gehirne
Man streng Gerichte hält;
[121]
Der Schlund, worein, gebrandtmarkt an der Stirne,
So manches Wischchen fällt.
Drum, daß du mich dereinst nicht auch als Richter
Verschlingst mit Haut und Haar:
So bring ich dir, du Erbfeind aller Dichter,
Dieß Lied zum Opfer dar.

Blumauer.

[122]
Fußnoten
Note:

1 Der Leibstuhl spielt in der Geschichte der Arzneikunst eine so wichtige Rolle, daß eine Ode an denselben hier wohl eine Stelle verdient.

2. Die Genesung einer Buhlerinn
[122] 2.
Die Genesung einer Buhlerinn.
Dem Tode ward es jüngst vom Pluto anbefohlen,
Die Lais uns'rer Stadt in jene Welt zu holen;
Sie war so alt noch nicht und reizte manchen noch
Durch Scherz und Willigkeit in das verliebte Joch.
Was? sprach der schlaue Tod, der ökonomisch denkt,
Und nicht, wie man wohl glaubt, die Sense blindlings lenkt,
Die Lais brächt' ich her? Das wäre dumm genung,
Die Huren und den Arzt, die hol' ich nicht so jung.

Lessing.

3. Einfluß der Musik auf die Nerven und Gemüthsstimmung
[122] 3.
Einfluß der Musik auf die Nerven und Gemüthsstimmung.

Ein alter Mann in *** lag an der Entkräftung seines Körpers darnieder. Da er ein leidenschaftlicher Liebhaber der Musik war: so schafften ihm seine Freunde durch ein Concert, welches sie auf seinem Zimmer gaben, die beste und angenehmste Unterhaltung. Eines Tages, als sie sich in dieser Absicht bei ihm versammlet hatten, gerieth er auf den Einfall, ihnen mit dem Triangel zu zu accompagniren. Er sprang aus dem Bette und schlug an sein Lieblingsinstrument mit einer zunehmenden Geschwindigkeit. Endlich, da seine Entzückung den stärksten Grad erreicht, und das Nervensystem desselben gleichsam die höchste Spannung erhalten hatte, fiel er nieder und starb.


Aus Wagners Beyträgen. Erstes Bändchen. S. 266.

4. Charakteristik eines unruhigen Sonderlings
4.
Charakteristik eines unruhigen Sonderlings.

R. ist dreißig Jahre alt, spricht deutsch, ungarisch, slavisch und lateinisch, und hat die sonderbare Sitte, sich an keinem Orte lange aufhalten [123] zu können. Er liebte dieses unstätte Herumirren bereits als Knabe, da er sich auf Schulen die ersten Kenntnisse erwarb. Es ist beinahe keine Lehranstalt in Ungarn, die er nicht besucht hätte. So lange man ihn als einen Gast behandelt und bewirthet, spricht er ganz vernünftig; sobald er aber ermahnt wird, an einem Orte länger zu bleiben: so wird er fast rasend, und verflucht seine Feinde, die ihn an seinem Glücke hindern wollen. Auf seinen Reisen sucht er überall Beförderung; kaum hat er aber irgend ein Aemtchen erhalten: so denkt er schon an eine Veränderung, sucht sich von der Stelle, welche er bekleidet, los zu machen, und geht weiter. Seit dem Jahre 1785 war er Schullehrer in Mähren, Böhmen und Ungarn, Privatlehrer in Siebenbürgen, Canzellist und Comitats-Heiduck. Es muß ihm aber jede Lage mißfallen, weil er sich bei der Uebernahme eines jeden Amtes an einem bestimmten Orte aufhalten muß. Seine beständige und herrschende Neigung ist das Herumreisen. Einen Aufenthalt von drei Tagen an einem Orte ist für ihn eine Ewigkeit. Der Trieb nach neuen Vorstellungen und neuen Ortsverhältnissen scheint bei ihm ganz ausgeartet zu sein; wie dieß der Fall bei jedem Triebe sein kann. Unregelmäßige Beschäfftigung und Zerstreuungssucht kann zur Begründung einer solchen Neigung vieles beitragen. Auf seinen Reisen schleppt er immer seine Schulbücher und Hefte mit. Seine gewöhnliche Marschroute ist [124] folgende: Er gehet aus dem Thurotzer Comitat, wo seine Mutter wohnt, in die Trentschiner, Arver, Liptauer und Zipser Gespannschaften, und wieder nach Hause, setzt dann seine Reise in den Trentschiner, Neutrauer und Presburger Gespannschaften weiter fort, irrt jenseits der Donau herum, und kehrt wieder zurück. Fragt man ihn, wo er hin reise? so giebt er zur Antwort, er suche eine Condition. Er klagt nie über Mattigkeit von den vielen Reisen. Bei Unterredungen über die Religion spricht er am liebsten von den Eigenschaften Gottes. – Er trinkt gerne erhitzende Getränke, welche seine Phantasie noch mehr in eine unregelmäßige Thätigkeit versetzen mögen.


Ebendaselbst. Erstes Bändchen. S. 267.

5.

Ein Arzt verbot einem Kranken den Beischlaf; der Kranke sagte, er glaubte der Beischlaf wäre gut für die Conservation der Augen. Ei bewahre! antwortete der Arzt, wenn das wahr wäre, müßte ich ja durch Berge sehen können.

6. Gefahr des Heirathens, wenn man alt ist
6.
Gefahr des Heirathens, wenn man alt ist.

Der unsterbliche Weise zu Königsberg war [125] einst auf einer Hochzeit, wo ein alter Mann ein junges Mädchen heirathete. Der Prediger sagte zu ihm: von dieser Ehe sind wohl keine Kinder zu hoffen; aber wohl zu fürchten, antwortete der Philosoph.

7. Das kalte Fieber
7.
Das kalte Fieber.

Es sagte jemand von einem Ehepaare, wo der Mann kalt, und die Frau warm war: sie machen zusammen ein kaltes Fieber.

8. Wirkung der auf einen Gegenstand gerichteten Aufmerksamkeit
8.
Wirkung der auf einen Gegenstand gerichteten Aufmerksamkeit.

Die willkührlich sowohl als unwillkührlich auf einen Gegenstand gerichtete Aufmerksamkeit unterdrückt oft das Gefühl des heftigsten Schmerzes, und mit diesem das Fieber und dessen übrige widernatürliche Folgen. Dieses beweist folgende Anekdote: Ein italienischer Missethäter, der durch die grausamste Folter nicht zum Geständniß gebracht werden konnte, und sie ohne die geringste Verzuckung aushielt, rief während derselben immer: io ti veddo! (ich sehe dich!) Er ward [126] frei gesprochen. Als man ihn nach der Bedeutung seines Ausrufs fragte, antwortete er: den Galgen. Die lebhafte Anschauung dieser schrecklichen Folge seines Geständnisses erstumpfte in ihm allen Schmerz.


Marcus Herz Versuch über den Schwindel.

9. Die Heirath durch Inspiration
9.
Die Heirath durch Inspiration.

Ein junges Frauenzimmer auf dem Lande war den Krämpfen unterworfen, und während der Paroxysmen so unruhig, daß sie mit Gewalt niedergehalten werden mußte. Um dieß desto wirksamer zu thun, breitete sich einst, als sie auf der Erde sich herum warf, ein gutmüthiger junger Mann über sie in Gegenwart mehrerer Zuschauer, denen er bald darauf plötzlich, als durch eine Eingebung aufgefordert, zurief: »Der Herr hat zu mir geredet, es ist des Herrn Wille, daß ich die Kranke heirathen soll.« Was für Bewegungen der junge Mann, während seiner zärtlichen und delicaten Lage, innerlich fühlte, kann ich nicht sagen; nur daß er, es sei aus natürlichem oder übernatürlichem Antrieb, eiligst das Mädchen heirathete, und daß die Geschichte, da ich dieses schreibe, noch nicht zwei Monate alt ist. »Eine göttliche Einwirkung wurde von Allen hiebei geglaubt, und [127] die Hand des Herrn schien ganz sichtbar gewesen zu sein.«


S. Sylva or the wood being a collection of Anecdotes, Dissertations, etc. London 1796. S. 131.Biesters Berl. Blätter, Februar. S. 188.

10. Edict wider die unkeuschen Sperlinge
10.
Edict wider die unkeuschen Sperlinge.

Wie ernstlich unsere Vorfahren auf die in unsern Tagen so verscholtene Tugend der Keuschheit hielten, und wie sehr sie sichs angelegen sein ließen, solche Beispiele aus dem Wege zu räumen, woran züchtige Augen ein Aergerniß nehmen können, beweist folgendes im Jahre 1559 zu Dresden an den dasigen Secretair Thomas Nebeln erlassene Edict:


Von Gottes Gnaden Augustus, Herzog zu Sachsen, Kurfürst. Lieber Getreuer! welcher und aus was Ursachen und christlichem Eifer der würdige unser lieber andächtiger Herr Daniel Greußer, Pfarrherr allhier, in seiner nächst gethanenen Predigt über die Sperlinge, etwas heftig bewegt gewesen, und dieselben wegen ihres unaufhörlichen und verdrießlichen großen Geschreyes und ärgerlichen [128] Unkeuschheit, so sie unter der Predigt zur Verhinderung des Gottesworts und christlichen Andacht zu begehen pflegen, in den Bann gethan, und männiglich preis gegeben. Dessen wirst du, als der damals ohne Zweifel aus heiliger Anregung im Tempel zur Predigt gewesen, guter maassen zu erinnern wissen.


Wie wohl wir uns nun versehen, du werdest auf gedachten Herrn Daniels Vermahnen und Bitten, so er an alle Zuhörer insgemein gethan, ohne daß allbereit auf Wege gedacht haben! sintetemal wir diesen Bericht erlangt, daß du dem kleinen Gevögel durch mancherley visirliche und listige Wege und Griffe nachzustellen, auch deine Nahrung unter andern damit zu suchen, und dasselbe zu fahen pflegest; wie solche Sperlinge aufgefangen, und ihnen ihrem Verdienst nach, vermöge weiland des Herrn Doctor Martini seel. Urtheil, gelohnt werden möge; So haben wir doch zur gnädigen Beförderung der Sache und Abhelfung solcher obliegenden verdrießlichen Beschwerden nicht unterlassen können, doch deswegen durch unser Schreiben gnädigst zu erinnern.


Und ist demnach unser gnädiges und ernstes Begehren, du wollest uns zur förderlichsten dein Bedenken in Schriften eröffnen, wie und welcher gestalt, auch durch was für Behendigkeit und Wege du für gut ansehest, daß die Sperlinge eher dann, wenn sie jungen, und sich durch ihre tägliche [129] und unaufhörliche Unkeuschheit unzählig vermehren, ohne sonderliche Kosten, aus der Kirche zum heiligen Krenz gebracht, und solche ärgerliche Vogeley und hinderliches Geschirrpe und Geschrey im Hause Gottes verkümmert werden moge: zuversichtig, du, als ein christlicher Zuhörer, werdest dich hierinnen deinem beiwohnenden Verstande nach und dir selbst zum Besten unverdrossen und gutwillig erzeigen. Das gereicht zur Beförderung guter Kirchenzucht, und beschiehet daran unsre gefällige und zuverläßige Meinung.


Datum Dresden den 18ten Febr. 1559.

Unserm Secretario und lieben Getreuen

Thomas Nebeln.


Was gebe der Dr. Faust dafür, wenn ein solches Keuschheitsedict auch gegen die unkeuschen Menschen erlassen würde!

11. Wie man ein Doctor werden kann
11.
Wie man ein Doctor werden kann.
1.
Wollst du bald ein Doctor werden,
ohne große Müh?
Hättst du alle Weisheit gern,
[130]
daß du fehltest nie?
Das macht Lieb in wenig Stunden,
die ein A.B.C. erfunden,
wie du siehest hie.
2.
A. weißt alle Ding verlassen,
Bosheit heißt das B.
C. lernt Kreuz mit Freud auffassen;
Demuth führt das D.
E. räth um das Ewig werben,
F. den Fried des Herzens erben,
Giebt Geduld das G.
3.
H. gebietet heilig leben,
I. inbrünstig sein;
K. macht kurze Wort uns geben,
L. liebt Gott allein;
M. will mäßig allzeit bleiben,
N. mit Nutz die Zeit vertreiben,
O. ohn Falschheit sein.
4.
P. will d. Lieb der Welt uns prügeln,
Q. sagt Quelle rein;
R. will's Herz ganz rein versiegeln,
S. nimmt Sanftmuth ein;
[131]
T. kann andern Tugend lehren,
V. schafft unterthänig vehren,
W. thut wachsam sein.
5.
Z. im A.B.C. das Ende ist,
und bedeut die Zeit,
welch wie ein Aug verwandt ist,
ohn Beständigkeit;
drum pfleg lieber das Zeitlich melden,
und dich auf die Straß bereiten
zu der Ewigkeit.
6.
Kannst nit so viel Buchstaben tragen,
daß dir bleiben all?
Soll man dirs noch kürzer sagen,
alles auf einmal,
Alsdann bist genug unterwiesen,
Auch glehrt nach der Wahl.
7.
Solcher Buchstab heißt mit Namen,
liebe Gott allein;
fasse diesen nur zusammen
fest ins Herz hinein;
wo du diesen hast verstanden,
kannst du schon in allen Landen
der best Doctor sein.

Aus Abraham a S. Clara's Werken
12. Praxis aurea der ehemaligen Aerzte
[132] 12.
Praxis aurea der ehemaligen Aerzte.

Manlius Cornutus, Aquitanischer Legat, hat seinem Medico, weil er ihn wieder zur vorigen Gesundheit gebracht, zur Belohnung 4000 Ducaten verehrt. Erasistratus, ein berühmter Doctor und Leibarzt, hat von dem König Antiocho allein 60000 Ducaten bekommen; das heißt den Puls greifen! Thaddäus, ein Medicus zu Florenz, hat von dem Papst Honorio dem IV. 20000 Gulden empfangen, weil er ihm wegen der Gesundheit beigestanden. Ludovicus der II., König in Frankreich, hat innerhalb 5 Monaten seinem Medico 45000 Ducaten gegeben, weil solcher dem König persuadirt, daß er ohne seine Hülfe nicht lange Lebensfrist haben werde. Manches altes Weib greift ihr so lange Zeit verschlossenes Schatzgeld an, nimmt hervor die alten Thaler, welche vom Carolo magno sind geprägt worden, schickt und schenkt dem Doctor und Apotheker solche goldne Münzen, die noch mit dem Bildniß des Iulii Caesaris prangen, nur damit sie wieder zur Gesundheit gelange. Eine ist gewesen, die wegen ihres hohen Alters so häufige Katarrhe und gesalzene Flüße am Kopfe gehabt, daß ihr selbige den völligen Verlust ihrer Augen gedrohet haben: worauf sie den Arzt um Gottes Willen gebeten, mit Versprechung einer ziemlichen Summe Geldes, daß er ihr möchte das Gesicht [133] wieder verschaffen; worauf er aber ganz unwillig geantwortet, daß es sich nicht schicke in ein altes baufälliges Haus neue Fenster einzusetzen.


Ebendaselbst.

13. Der Anschlagszettel
13.
Der Anschlagszettel.

Philadelphia war zu seiner Zeit einer der bekanntesten Gaukler, weit gereist, allenthalben mit Zulauf beehrt, und suchte in der Art, seine Wundergaben bekannt zu machen, seines Gleichen; obgleich die Classe, zu welcher er gehörte, überhaupt im Selbstlobe nicht blöde ist. Er kam vor ungefähr 20 Jahren auch nach Göttingen. Einer der vorzüglichsten Köpfe Deutschlands, der als Gelehrter in tiefsinnigen Wissenschaften, und als witziger Schriftsteller gleich berühmt ist, und damals um zwanzig Jahre jünger war, hörte in einer lustigen Abendgesellschaft von der Ankunft des gepriesenen Fremdlings. Nach manchem Scherze verfiel er darauf, die Prahlerei des Taschenspielers in einer ironischen Ankündigung zu züchtigen. Das Blatt ward sogleich gedruckt und in derselben Nacht angeklebt, und am andern Morgen sah Göttingen ein wahres Wunder, größer als Philadelphia noch je eines an andern Orten verrichtet hatte: der Wunderthäter schämte sich, und reiste in der Stille ab.

[134] Dieses einzelne Blatt ist gewiß nur in weniger Sammler Händen; obgleich wohl mehrere Leser es einst mögen gesehen oder davon gehört haben. Durch die Mittheilung desselben hoffe ich deßhalb um so mehr Dank zu verdienen, da die deutsche Literatur an witzigen Satiren nicht überreich ist.


(Ein Folioblatt, auf einer Seite bedruckt, nach Art aller Anschlagezettel. – Oben ein grotesker abentheuerlicher Holzschnitt. Die Erdkugel, von welcher eine Leiter herauf in den Himmel gehet. Auf dieser Leiter stehet die Dreieinigkeit; zu oberst der Vater, welcher von seinem Flitzbogen einen Pfeil nach der linken Seite abschießt; einige Stufen niedriger der Sohn; und unter dem selben die Taube. Häßliche Engelköpfe guken aus den obern Wolken hervor. Zu beiden Seiten, mehr unterwärts, ist die Auferstehung durch Fratzengestalten abgebildet. Die Seligen, zur rechten Seite, gleich Fröschen, die aus der Erde kriechen, werden vom Himmel bestrahlt; links, die schon erstandenen Verdammten, werden von Teufeln hart gepeinigt, auch von Blitzen aus den Wolken getroffen, und von dem Pfeile des gespannten Bogens bedrohet. Ein umlaufendes Band hat die Worte: Gorg MoLLere DoCes terras InIIsse reatVs. Die römischen Zahlbuchstaben in diesem Verse geben die Jahrzahl 1708 an. Es [135] war ein glücklicher Fund, diesen geschmacklosen Aberwitz aufzutreiben, um ihn einem Philadelphischen Zettel vorzusetzen. – Unten, am Schlusse der Ankündigung, stehet ein eben so alter Holzschnitt der Stadt Gottinga, worin vorzüglich die Kirchthürme mit ihren Fahnen u.s.w. hoch hervorragen.


Auf Verlangen dritte Auflage.


Avertissement.


Allen Liebhabern der übernatürlichen Physik wird hierdurch bekannt gemacht, daß vor ein paar Tagen der weltberühmte Zauberer Philadelphus Philadelphia, dessen schon Cardanus in seinem Buche de natura supernaturali Erwähnung thut, indem er ihn den von Himmel und Hölle Beneideten nennt, allhier auf der ordinären Post angelangt ist; ob es ihm gleich ein Leichtes gewesen wäre, durch die Luft zu kommen. Er ist nämlich derselbe, der im Jahre 1482 zu Venedig auf öffentlichem Markte einen Knaul Bindfaden in die Wolken schmiß, und daran in die Luft kletterte, bis man ihn nicht mehr gesehen. Er wird mit dem 9ten Jänner dieses Jahres anfangen, seine Ein-Thalerkünste auf dem hiesigen Kaufhause öffentlich-heimlich den Augen des Publicums vorzulegen, und wöchentlich zu bessern fortschreiten, bis er endlich zu seinen 500 Louisd'or Stücken kommt; worunter sich einige befinden, die, ohne Prahlerei [136] zu reden, das Wunderbare selbst übertreffen, ja, so zu sagen, schlechterdings unmöglich sind.


Es hat derselbe die Gnade gehabt, vor allen hohen und niedrigen Potentaten aller vier Welttheile, und noch vorige Woche auch sogar im fünften vor Ihro Majestät der Köninginn Oberea auf Otaheite, mit dem größten Beifall seine Künste zu machen. Er wird sich hier alle Tage und alle Stunden des Tages sehen lassen, ausgenommen Montags und Donnerstags nicht, da er dem Ehrwürdigen Kongreß seiner Landsleute zu Philadelphia die Grillen verjagt, und nicht von 11 bis 12 des Vormittags, da er zu Konstantinopel engagirt ist, und nicht von 12 bis 1. da er speist.


Von den Alltagsstückchen zu einem Thaler wollen wir einige angeben, nicht sowohl die besten, als vielmehr die, welche sich mit den wenigsten Worten fassen lassen.


1) Nimmt er, ohne aus der Stube zu gehen, den Wetterhahn von der Jakobikirche ab, und setzt ihn auf die Johanniskirche, und wiederum die Fahne des Johanniskirchthurms auf die Jakobikirche. Wenn sie ein paar Minuten gesteckt, bringt er sie wieder an Ort und Stelle.


N B. Alles ohne Magnet, durch die bloße Geschwindigkeit.


[137] 2) Nimmt er zwo von den anwesenden Damen, stellt sie mit den Köpfen auf den Tisch, und läßt sie die Beine in die Höhe kehren; stößt sie alsdann an, daß sie sich mit unglaublicher Geschwindigkeit wie Kreusel drehen, ohne Nachtheil ihres Kopfzeuges oder der Anständigkeit in der Richtung ihrer Röcke, zur größten Satisfaction aller Anwesenden.


3) Nimmt er 6 Loth des besten Arseniks pulverisirt, und kocht ihn in zwei Kannen Milch, und tractirt die Damen damit. Sobald ihnen übel wird, läßt er sie 2 bis 3 Löffel voll geschmolzenes Blei nachtrinken, und die Gesellschaft gehet lachend aus einander.


4) Läßt er sich eine Holzaxt bringen, und schlägt damit einem Chapeaux vor den Kopf, daß er wie todt zur Erde fällt. Auf der Erde versetzt er ihm den zweiten Streich, da dann der Chapeaux aufstehet, und gemeiniglich fragt, was das für eine Musik sei. Uebrigens ist er so gesund wie vorher.


5) Er ziehet dreien bis vier Damen die Zähne sanft aus, läßt sie von der Gesellschaft in einem Beutel sorgfältig durch einander schütteln, ladet sie alsdann in ein kleines Feldstück, und feuert sie besagten Damen auf die Köpfe, da dann jede ihre Zähne rein weiß wieder hat.


[138] 6) Ein metaphysisches Stück, sonst gemeiniglichπᾶν metaphysica gennant, worin er zeigt, daß wirklich etwas zugleich sein und nicht sein kann. Erfordert große Zubereitung und Kosten; auch giebt er es bloß der Universität zu Ehren für einen Thaler.


7) Nimmt er alle Uhren, Ringe und Juwelen der Anwesenden, auch baares Geld, wenn es verlangt wird, und stellt jedem einen Schein aus; wirft hierauf alles in einen Koffer, und reist damit nach Kassel. Nach 8 Tagen zerreißt jede Person ihren Schein, und so wie der Riß durch ist: so sind Uhren, Ringe und Juwelen wieder da. – Mit diesem Stücke hat er sich viel Geld verdient.


N B. Diese Woche noch auf der obern Stube des Kaufhauses; künftig aber hoch in freier Luft über dem Marktsbrunnen. Wer aber nichts bezahlt, siehet nichts.

14. Beantwortung der Preisfrage
14.
Beantwortung der Preisfrage:

Wie muß es ein Arzt, er sei Praktiker oder Professor, anfangen, um bei weniger Gelehrsamkeit[139] und ohne reelle Thätigkeit, dennoch in kurzem berühmt, geehrt, geschätzt und belohnt zu werden? Wie kann ein einzelner Mann alle Fächer als Lehrer würdig ausfüllen, die er zum Theil gar nicht, zum Theil nur halb verstehet, und noch dazu Nebenarbeiten treiben?


Es muß doch nichts anziehender und anlockender sein, als eine Preisfrage. Jede findet gewiß, sobald sie bekannt gemacht ist, ihre Bearbeiter und Liebhaber, es sei nun Genie-, Gewinn- oder Ehrsucht die mächtige Triebfeder zur Beantwortung. Die gegenwärtige betraf die Proteusgewalt der Aerzte, die sich in allen Gestalten zu zeigen wissen, und Dinge unternehmen, vor deren schwerer Ausführung der Kenner und rechtschaffene Mann zittert. Unser Jahrzehend ist besonders an solchen unternehmenden Kraftmännern in allen Fächern sehr ergiebig, und deßhalb schien mir die obige Frage immer einer nähern und documentirten Untersuchung werth zu sein. An Materialien aus der alten und jetzigen Welt könnte es dem Menschenbeobachter nicht fehlen, und eine Gallerie jetzt lebender Aerzte in und außerhalb der Akademien müßte ein sehr verdienstliches Werk werden. Wie viele werden dann ihre Blöße in diesem Spiegel sehen und erkennen! wie viele von der stolzen Höhe herab in ihr wahres Nichts sinken!

[140] Allein hier war Niemand, der die Feder ansetzte, um für eine Preisfrage ohne Belohnung zu arbeiten, und Gold und Silber hatte ich so wenig wie der Apostel zum Austheilen. Schon schwand alle Hoffnung, die Beweise aus der wirklichen Welt zu erlangen, als unvermuthet folgende Schrift einlief. Sie erschöpft die Frage nicht ganz; sie berührt nur den letzten Theil; ist aber auch als Skizze immer belehrend, weil sie bloße Thatsachen erzählet, und zu meinem Einfalle das Original liefert, daß ich nicht finden konnte oder wollte. Stiftete sie doch den Nutzen, den ich bei der Aufgabe beabsichtigte – die Selbsterkenntniß und Besserung! wie glücklich würde ich mich schätzen, das wahre Wohl so vieler Collegen befördert zu haben! Hier ist die Schrift:


»Herr – in – ist der Mann, der durch sein Betragen die zweite Frage beantwortet.« An Gelehrsamkeit in einigen Fächern fehlet es ihm nicht, und Thätigkeit besitzt er genug, um seine Rolle gehörig zu spielen. Er ist ein Mann von einem sehr glücklichen Gedächtniß, von großem Genie, unverschämter Dreustigkeit und erstaunender Gegenwart des Geistes, ein wirkliches Ideal eines Windbeutels und Charlatans. Als ich vor ohngefähr sechs Jahren daselbst studirte, las er täglich zehn Stunden, und in jeder Stunde trug er eine ganz verschiedene Wissenschaft vor, nämlich Physik, Chemie, Botanik, Naturgeschichte, Physiologie, [141] Pathologie, medicinische Praxis, gerichtliche Arzneikunde und Cameralwissenschaft. Dabei besorgte er noch eine große Anzahl Kranken inner- und außerhalb der Stadt, machte chirurgische Operationen, componirte, verfertigte Gedichte, und sammlete Münzen und Kupferstiche. Unmöglich hätte er alle diese verschiedenen Geschäffte bestreiten können, wenn er nicht Genie war, und es auf eine gar besondre Art anzufangen wußte. Hier ist sie:


Um seinen Zuhörern recht bemerklich zu machen, wie sehr er mit Geschäfften überhäuft sei, oder vielmehr sich selber überhäuft habe, (denn alle Vorlesungen seiner Collegen hielt er auch, und trommelte und warb an auf alle mögliche Art, um sie zu Stande zu bringen, und sich dadurch den Ruhm eines höchst arbeitsamen Mannes zu erwerben,) wurde die Vorlesung selten vor der Hälfte der gesetzten Stunde angefangen, und öfters sah er sich genöthigt, seine ans Ungeduld forteilenden Zuhörer wieder zurück in den Hörsaal zu treiben. Hier erzählte er nun weitläuftig die Ursache, warum er so spät gekommen sei, daß ihn so und so viel Kranke um Rath gefragt, dieser oder jener Adliche oder Beamte ihm seinen Gesundheitszustand entdeckt habe; die ganze Summe der Kranken, die ihn brauchten, mit allen ihren Zufällen; endlich wurde das Lesebuch geöffnet. Alle Zuhörer staunten über die vielen Geschäffte und Orakelsprüche [142] des großen Mannes, und waren nun ganz Ohr, um seine göttlichen Lehren zu vernehmen; allein statt deren schimpfte er auf den Verfasser des Handbuchs, legte ihm allerhand Ehrentitel bei, z.B. gelehrter Maulesel, französischer Windmacher, gelehrter Luftspringer, Halber-, Viertheil-, Achttheil- und Sechszehntheils-Kopf, dieß ist ein Lieblingsausdruck von ihm; denn er allein hat einen ganzen Kopf, alle übrige Gelehrte haben nur Theile davon, und glücklich ist der, welcher bei ihm mit einem halben Kopfe davon kommt.


In der Physik, die sein Hauptcollegium ist, erscheint er in seiner ganzen Größe. Alle übrige Vorlesungen sind beinahe in derselben enthalten, weil man hier seinen ganzen Lebenslauf mit allen seinen auf den problematischen Reisen bestandenen Abentheueren zu hören bekommt. Hier erscheint er als Araber, Syrer, Perser, Sineser und Aegyptier, deren Sprachen er alle aus dem Grunde verstehet. Ein kleiner Beweis, daß er schon als Knabe außerordentliche Gaben besaß, und vorzüglich Sprachen ihm sehr leicht wurden, ist folgender. Als er ohngefähr 10 bis 12 Jahr alt war, kam ein Italiener öfters in das Haus seines Vaters, und sang sich beim Weggehen ein italienisches Liedchen; der junge – hörte mit Aufmerksamkeit zu, faßte das Liedchen, brachte nun aus demselben durch seinen alles schnell übersehenden Geist, ohne Beihülfe, die ganze Sprache [143] heraus, und konnte nach etlichen Tagen sich mit dem Italiener in der Muttersprache unterreden. Mit eben der Geschicklichkeit brachte er in reifern Jahren aus einigen phönizischen Worten, die beim Plautus vorkommen, und aus einigen Inschriften die ganze phönizische Sprache heraus, und verfertigte sogar ein Wörterbuch, das aber, zum größten Leidwesen der Gelehrten und unersetzlichen Verlust der Gelehrsamkeit, durch einen Unglücksfall verloren gegangen ist!


Von Jugend auf beschäfftigte er sich mit Naturgeschichte, Naturlehre und andern Wissenschaften, daß er bei seinem Hinzug auf die Akademie alle seine Lehrer schon weit übertraf. Er fuhr daher fort sein eigener Lehrer zu sein; allein, nach Art aller großen Geister, war er mit den Geistesvollkommenheiten nicht zufrieden, sondern er erwarb sich auch in allen körperlichen Uebungen so große Geschicklichkeit, daß er die größten Meister bald übertraf. Er ist, seiner Erzählung nach, der größte Fechter in Jena gewesen, und die größten Renomisten haben vor ihm Ehrfurcht gehabt.


Er war ein starker Reiter, und gab in Neapel einen Beweis davon. Im Königl. Stalle war ein Hengst, den kein Stallmeister bändigen konnte. Er bittet sich denselben aus, setzt sich auf, und reitet ihn in schiefe Winkel, wodurch das unbändige Thier gleich so zahm, wie ein [144] Lamm, wurde, und alle Umstehende für Erstaunen ausriefen: il divino!

In der Musik kommt er dem Orpheus gleich. Bei den sanften Tönen seiner Laute haben sich die Mäuse versammlet, ihn zu hören, und Linné hat davon den Zusatz in seiner Naturgeschichte gemacht: Mus musculus delectatur musica.

Nach geendigter akademischer Laufbahn begab er sich auf Reisen, und hier erst hebt seine glänzende Periode an. Er gieng nach Italien. In jedes Geheimniß einzudringen, alles zu erforschen und zu ergründen, war sein eifrigstes Bemühen. Wer bis jetzt noch gezweifelt hat, daß er Gold machen könne, (dieß sagt er zwar nicht ausdrücklich; giebt es aber nicht undeutlich zu verstehen) der kann sich nun davon überzeugen, da er jetzt genöthigt war, allenthalben Geld auszustreuen, um sich die Wege zu den größten Geheimnissen zu bahnen. Allein nicht immer wollte dieses sonst untrügliche und alle Schwierigkeiten hebende Mittel zureichen. Dann nahm er seine Zuflucht zu seinen chemischen und physischen Zaubereien; Staunen und starre Bewunderung müssen sich desjenigen bemeistern, der sie nur erzählen hört.

Um in das Laboratorium eines großen Prinzen (Santo Severino glaube ich hieß er) Zutritt zu erhalten, ward er einen ganzen Nachmittag mit allerlei Hexereien in Erstaunen gesetzt, und endlich in einem Zimmer, wo verschiedene elektrische Leiter angebracht waren, mit Kaffe bewirthet. Man [145] ließ den Tisch heftig elektrisiren. Der Wundermann schenkt ein, nimmt ohne Zuckung seine Tasse und trinkt. Der Prinz thut ein gleiches, bekommt aber einen so starken Schlag, daß er vor Schrecken und Schmerz betäubt ausruft: oh Dio, mi brachio! Dieser kann es nicht begreifen, wie jener so frei ausgehen könne. Es wird ihm erkläret, und nun erhielt der große Gelehrte den freien Zutritt in sein Laboratorium, um darin zu schalten und zu walten, wie er wolle.

In Venedig bewirthete er den ganzen Rath, um hinter ihre Fabrikgeheimnisse zu kommen, auf eine so feenmäßige Art, daß ich zweifte, ob Oberon oder Titania ein würdigeres Gastmal hätte geben können. Alle Gerichte stellten etwas ganz anders vor, als sie wirklich waren. So ward z.B. zu Anfange der Mahlzeit eine schöne Torte aufgetragen; alle Gäste wundern sich, daß man mit derselben die Mahlzeit anheben solle. Unser Held nimmt einen Vorlegelöffel, wobei die Verwunderung steigt, berührt die Torte, und – sie zerfließt in eine schmackhafte warme Suppe. Das Staunen der Gäste kann man sich leicht vorstellen, und die Folgen leicht vermuthen. Er erreichte seinen Zweck.

Das italienische Frauenzimmer verfolgte ihn so mit Liebe, daß er, um ihren Reizen und Ungestüm zu entgehen, sich genöthigt sah, einigen die Gesichter in Froschantlitze zu verwandeln, andern ihre schöne weiße Haut zu schwärzen, als ob sie unter der Linie geboren wären.

[146] Von der heiligen Inquisition, als ein Hexenmeister verfolgt, veränderte er auf der Flucht in jeder Gasse die Farbe seines Rocks, und entrann dadurch seinen Feinden.

Endlich kehrte er nach Deutschland zurück, und beglückt – mit seiner großen Weisheit.

Dieß ist der Hauptinhalt seiner Vorlesungen; denn die vorzutragende Wissenschaft ist nur Nebensache. Ist es nun noch zu bewundern, daß er so viele Vorlesungen halten kann, da er fast nichts, als seine in fernen Landen bestandenen Abentheuer, seine Größe und die Unwissenheit andrer Gelehrten vorträgt?

Doch nun auch Beweise, daß er Wissenschaften lehrt, die er entweder gar nicht oder nur halb verstehet. Anfänglich war er Mitglied der philosophischen Facultät, und lehrte hauptsächlich Chemie, worin er stark sein soll; dann wurde er Professor der Arzneikunde, und mußte erst Doctor werden, nach vorgängiger Prüfung, wie billig. Hier hat der verstorbene Hofrath F –, als damaliger Lehrer der Zergliederungskunst, verschiedenen Freunden im Vertrauen gesagt, dieser Herr – habe gebeten, ihn in diesem Fache nicht zu sehr auszufragen; dennoch rühmt er sich, mit Janken in Leipzig bey verschlossenen Thüren und zugemachten Fenstern, beim Schimmer vieler Wachskerzen, unzählige Leichen zergliedert, und sogar für seinen Eifer eine schwere Krankheit davon getragen zu haben. Und welcher Zergliederer kann wohl so ein feines Präparat [147] aufweisen, als seine fibra simplicissima ist! Wer es nicht glauben will, der sehe sie, und das Loch in der Wade des göttlichen Mannes, wo sie herausgeschnitten ist. Nie hätte der verstorbene F. das bekannt gemacht, wenn nicht der große Aeskulap mit seinen anatomischen Kenntnissen so geprahlt hätte, und Prahler verdienen dergleichen Darstellung.

Als er in die Facultät gekommen war: so las er alles, was nur dahin gezählet werden kann. In der Physiologie, die er experimentis in vivis animalium corporibus capiendis subtilissimusque suis praeparatis anatomicis, quibus selectissima Liberkühnii praeparata (diese hat, wie bekannt ist, die russische Kaiserinn gekauft, und er nur den Ausschuß bekommen) cum microscopio ex auro et argento ab illo confecto, nuperrime maximis sumtibus addidit, erklärt und vorträgt, demonstrirt er aus Hallers Iconibus die Arterias hypogastricas für die epigastricas, zog auf Hallern los, und bewies, daß es nur drei große Männer in der Arzneikunde gegeben habe, und noch gäbe, einer war Linné, der andere Börhaave, und den dritten wollte man aus Bescheidenheit nicht nennen. (Dieß sind seine eigenen Worte.)

Durch allerhand Kunstgriffe wußte er sich das Lehramt der Wundarznei zu verschaffen; ob er gleich davon nichts verstand, und bloß durch H – erkaufte Instrumente sich glaubte dazu tüchtig gemacht zu haben. Lange Zeit that er nichts weiter, [148] als daß er in das Lectionsverzeichniß setzen ließ, er wolle die Chirurgie lehren, und las sie nie. Endlich fieng er an, alles was ihm vorkam zu operiren, und nun wimmelte es in seinem Hause von krebsigen und preßhaften Kranken. Er schnitt zu Idermanns Freude, bis ein paar Unglücksfälle diesen glänzenden Handlungen einen Stoß gaben. Eine Frau mit einer großen Krebsbrust kam, die allmächtige Hülfe seiner Kunst zu erflehen; er machte die Operation mit gutem Erfolg; allein die Frau starb acht Wochen nachher an Fisteln, die der schlechten Behandlung der Wunden zugeschrieben wurden. Kurz darauf fragten ihn die Aeltern eines jungen, muntern und starken Mädchens, die eine große Drüsengeschwulst am Halse hatte, um Rath. Die Operation ward, aller obwaltenden Schwierigkeiren ohngeachtet, sogleich beschlossen und ausgeführt. Einer von den Zuschauern, ein geschickter junger Wundarzt und Schüler Lobsteins, rieth Behutsamkeit und Vorsicht, der großen Schlagadern halber, an, und schlug vor, den Hauptast vorher zu unterstechen; allein der schnellsehende Geist des großen Mannes sah das Unnöthige ein, oder hielt es zu demüthigend, sich von einem Studirenden etwas sagen zu lassen, an das er nicht gedacht hatte; kurz, er vollführt seinen Plan.

Wer in der Welt kann für Unglück? Die Parzen hatten nun einmal beschlossen, den Lebensfaden des Mädchens nicht länger zu weben, und denselben Abend starb dasselbe an einer Verblutung. Der [149] Stadtphysicus glaubte, dieser Fall gehöre vor sein Forum, und beschloß, den erblaßten Leichnam zu untersuchen; allein den folgenden Morgen mußte die Erde schleunig bedecken, was man zu seiner Demüthigung bestimmt hatte. So kurz auf einander folgende Streiche des widrigen Schicksals erschütterten doch den sonst unerschütterlichen Muth unsers Aeskulaps, und seit der Zeit wagte sich seine gewaffnete Hand nicht wieder an so gefährliche Oerter.

Noch wurde ihm auf Verlangen die erledigte Stelle der Kräuterkunde übertragen, und nun hatte er wieder ein weites Feld vor sich, worin er Lorbeern ärndten wollte. Mit einer Dreustigkeit, die nicht leicht ihres Gleichen hat, wurden auf Pflanzen, die der Lehrer selbst nicht kannte, Preise von zehn Dukaten gleich baar auf den Tisch gelegt, ausgeboten, wenn einer von den Zuhörern dieselben nennen konnte; doch nahm er sich in Acht, dieselben in der Nähe zu zeigen. Auf einen Vorgänger in der Lehrstelle, den würdigen, verdienten und geschickten Prof. F. – wurde geschimpft, und behauptet, er habe keine Botanik verstanden. Einigemal verlor ich, ein Schüler des Verstorbenen, die Geduld; mit Betrübniß sahe ich, wie der sonst wirklich schöne Garten unter der Aufsicht eines solchen Nichtkenners sich täglich verschlimmerte, und so oft ich ihn auf einer Unwahrheit ertappte: so widersprach ich ihm öffentlich; allein nichts war vermögend, ihn außer seine Fassung zu bringen. So [150] gab er einst z.B. den Iuncus campestris für Alopecurus pratensis aus, das Cynoglossum charifolium für, Omphaeodes, dieAnthemis tinctoria für Chrysanthemum segetum, und so könnte ich noch mehr verkannte Pflanzen nennen. Er, der auch Oekonom ist, und ökonomische Collegien liest, kennt die ökonomischen Pflanzen so wenig, als die die Medicinalpflanzen.


Gruners Almanach. I. 84.

15. Auszug eines Schreibens aus Siebenbürgen
15.
Auszug eines Schreibens aus Siebenbürgen, über einen ohnweit Kronstadt in einem Walde gefundenen wilden Menschen.

Hier haben Sie die Nachricht von dem Wilden, der vor einigen Jahren in einem Walde auf der siebenbürgisch-wallachischen Gränze gefunden, und nach Kronstadt gebracht wurde, woselbst er im Jahre 1784 noch lebte. Auf welche Weise dieser Arme in den Wald gerathen, ob er in der Jugend seinen Aeltern entlaufen, oder von einer unglücklichen Mutter im Walde selbst geboren wurde, darüber konnte ich nichts erfahren. Man muß daher das Factum, wie es ist, in der traurigen Gallerie der Gemälde dieser Art aufbewahren.

Der unglückliche Mensch war männlichen Geschlechts, und von mittelmäßiger Größe. Er hatte einen äußerst verwilderten Blick. Seine Augen [151] lagen tief in dem Kopf, und rollten in wilder Bewegung umher. Die Stirne war stark einwärts gebogen, und die Haare von aschgraulicher Farbe, in die Stirne heruntergewachsen, kurz und struppicht. Er hatte starke Augenbraunen, welche weit über die Nase hervorragten, und eine kleine plattgedrückte Nase. Der Hals schien aufgedunsen, und in der Gegend der Luftröhre kropfartig dick. Der Mund, den er beständig halb offen hielt, und durch welchen er schnaufend den Athem zog, stand etwas hervor. Die Zunge war beinah unbeweglich, und die Backen mehr eingefallen als voll, und wie das übrige Gesicht mit einer gelblich schmutzigen Haut überzogen. Man fühlte es beim ersten Anblick des Gesichts, aus welchem Wildheit und thierisches Wesen hervorleuchteten, daß es keinem vernünftigen Geschöpf angehöre; ein neuer Beweis für die Bemerkung, welche man auch in Tollhäusern bestätigt findet, daß jenes eigenthümliche Gepräge, welches die Vernunft der menschlichen Bildung aufgedrückt, bei allen denjenigen Personen mehr oder weniger vermißt werde, welchen der Vernunftgebrauch in höherm oder geringerem Grade versagt ist. Der übrige Körper des Wilden, besonders der Rücken und die Brust, waren stark behaart; die Muskeln von Arm und Beinen stärker und sichtbarer, als bei gewöhnlichen Menschen; die Hände callös, (welches vermuthlich von dem verschiedenen Gebrauch derselben herrührte) und die Haut durchgängig so schmutzig gelb und dick, wie am Gesicht. [152] An den Fingern hatte er sehr lange Nägel, und an den Ellenbogen und Knien dichte, knotenartige Verhärtungen. Die Fußzehen waren länger, als bei gewöhnlichen Menschen. Er gieng zwar aufrecht, aber etwas schwerfällig es schien, als ob er sich von dem einen Fuß auf den an dern würfe. Kopf und Brust trug er vorwärts, welches, wie ich vermuthe, daher zu erklären ist, weil er im Walde sich auf allen Vieren fortzubewegen gewohnt war. Er gieng baarfuß, und konnte schlechterdings keine Schuhe an den Füßen leiden. Die Sprache, selbst jede Spur eines artikulirten Tones, mangelte ihm ganz. Was er hören ließ, war ein unverständliches Gebrumme, welches sich dann äußerte, wenn ihn sein Begleiter vor sich her trieb; und dieß Gebrumme gieng in ein Geheul über, wenn er eines Waldes oder eines Baumes ansichtig wurde. Er schien dadurch seine Begierde nach seinem gewohnten Aufenthalt ausdrücken zu wollen; denn als er einmal auf meinem Zimmer war, wo man die Aussicht nach einem Berge hatte, der mit mehreren Baumgärten bepflanzt ist, fieng er bei dem Anblick der Bäume jämmelich an zu heulen. Von Vernunft waren wenige Spuren bei ihm anzutreffen. Er bezeigte für keine Sache Aufmerksamkeit. Man mochte ihm zeigen, was man wollte: so wurde man mit einem gleichgültige Blicke abgefertigt. Weder ein menschliches Wort, noch irgend eine Mine oder Geberde war ihm verständlich. Man konnte lachen, oder sich zornig stellen, er blieb unbewegt,[153] und verrieth auch nicht die mindeste Fertigkeit, wie dergleichen doch an mehreren wild gefundenen Menschen, besonders an dem Mädchen, von welchem Cordamine in seine Histoire d'une jeune sille sauvage Nachricht giebt, beobachtet wurden. Selbst die bei den wildesten Völkern, und schon an kleinen Kindern sichtbare Neigung nach Gegenständen, die in die Augen fallen, war an ihm nicht bemerkbar. Er strebte, als ich ihn das erste Mal sah, durchaus nach keinem Eigenthum. Wahrscheinlich war die völlige Ungewohnheit seines neuen Zustandes, und die Sehnsucht nach seinem vorigen Aufenthalt, die er bei dem Anblick eines Gartens oder eines Waldes so sichtbar zeigte, Schuld daran. Daher erkläre ich es auch, warum er anfänglich bei dem Anblick eines Weibes nicht die geringste Regung bezeigte. Als ich ihn aber nach dreien Jahren wieder sah, hatte seine Apathie in diesem Punkte aufgehört. Sobald er ein Frauenzimmer bemerkte, brach er in ein heftiges Freudengeschrei aus, und suchte seine rege gewordene Begierde auch durch Geberden auszudrücken. So wenig Neigung er aber, als ich ihn das erste Mal sah, für etwas hatte: so wenig Abneigung bemerkte man an ihm gegen etwas, solche Empfindungen ausgenommen, die er bereits gehabt hatte. Bei keiner Sache, welche andern Menschen Furcht einflößt, ahndete er eine Gefahr; nur, wenn er einen widrigen Eindruck erhalten hatte, bezeigte er Abneigung gegen die Sache, die ihm die unangenehme Empfindung [154] verursachte. Mit einer Stecknabel, die man ihm in die Haut stieß, konnte er zum Laufen gebracht werden; aber ein bloßer Degen, den man auf seine Brust, oder über seinen Kopf hielt, jagte ihm keine Furcht ein. Uebrigens bemerkte ich an ihm keine Menschenscheue, die man sonst doch an Personen seiner Art wahrnimmt. Bei dem Anblick mehrerer Menschen, blieb er eben so unempfindlich, als ob er allein wäre. Kein Ton eines musikalischen Instruments rührte ihn: nur beim Trommelschlag schien er furchtsam zu werden, und suchte sich zu entfernen. Leidenschaften äußerte er, außer der Sehnsucht nach seinem vorigen Aufenthalte, nicht, und diese wurde zuletzt durch die Gewohnheit gemindert. Doch zeigte er Zorn und Unwillen, wenn er Hunger und Durst fühlte, und würde in diesem Falle wohl selbst einen Menschen angegriffen haben; so wenig er sonst ihnen, oder irgend einem andern Thiere gefährlich war. Außer der ursprünglichen Menschengestalt, die übrigens in diesem Zustande einen demüthigenden Anblick gewährte, und außer dem aufrechten Gange, vermißte man an ihm alle jene charakteristischen Züge, wodurch sich der Mensch vor den übrigen Thieren auszeichnet; vielmehr war es eine erbarmungswürdige Scene, dieses unbehülfliche Geschöpf zu sehen, wie es vor seinem Treiber brummend und wild herumblickend einher wankte, und mit stumpfer Unempfindlichkeit gegen alles, was ihm vorkam, sich nach dem Aufenthalte der Raubthiere [155] sehnte. Um diesem heftigen Triebe Einhalt zu thun, wurde er anfänglich, sobald er vor die Stadtthore kam, und sich den Gärten, die für Wälder hielt, näherte, mit Stricken gebunden, und von mehreren Personen begleitet, weil er sich sonst mit Gewalt losgerissen haben würde, und seinem vorigen Aufenthalt im Walde zugelaufen wäre. Seine Speisen waren anfänglich nichts, als allerhand Baumblätter, Gras, Wurzeln und rohes Fleisch. Erst nach und nach gewöhnte er sich an gekochte Speisen, und nach der Aussage desjenigen, bei welchem er wohnte, soll ein ganzes halbes Jahr verflossen sein, bis er gekochte Speisen essen lernte. Dann milderte sich aber die thierische Wildheit merklich.

Das Alter dieses Wilden kann ich nicht mit Gewißheit angeben; dem äußeren Ansehn nach mochte er drei bis fünf und dreißig Jahre haben. Die Sprache erlernte er vermuthlich niemals. Als ich ihn nach drei Jahren wiedersah, fand ich ihn noch immer sprachlos; obgleich in vielen Stücken merklich verändert. Seine Mine verrieth noch immer etwas Thierisches, war aber ungleich sanfter geworden. Sein Blick hatte die vorige Wildheit verloren, sein Gang war fester und ordentlicher. Die Begierde nach Speise, welche er nun von allen Gattungen, besonders der Hülsenfrüchte, liebte, gab er durch unverständliche Töne zu verstehen, und bezeigte eine sichtbare Zufriedenheit, wenn man ihm etwas zu essen brachte; bediente sich auch wohl [156] des Löffels. Selbst an den Gebrauch der Schuhe und der übrigen Kleider hatte er sich gewöhnt, war aber unbekümmert, wenn sie auch noch so sehr zerrissen waren. Nach und nach fand er auch seine Wohnung ohne Führer; das einzige Geschäffte, wozu man ihn brauchen konnte, bestand darin, daß er einen Krug, den man ihm in die Hand gab, bei dem Brunnen mit Wasser anfüllte, und wieder nach Hause brachte. Dieß war der einzige Dienst, welchen er seinem Ernährer zu leisten vermochte. Uebrigens wußte er für seine Nahrung auch dadurch zu sorgen, daß er die Häuser fleißig besuchte, wo man ihm etwas zu essen gegeben hatte. – Der Trieb der Nachahmung zeigte sich auch in vielen Stücken; doch machte nichts einen bleibenden Eindruck auf ihn, und hatte er auch eine Sache mehrmals nachgeahmt: so vergaß er sie doch bald wieder, wenn man die Gewohnheit ausnimmt, welche mit seinen natürlichen Bedürfnissen, dem Essen, Trinken, Schlaf in einem nähern Zusammenhange standen. Durch dieses geleitet fand er des Abends sein Lager, und des Mittags die Häuser, wo er Nahrung zu erwarten hatte. Den Werth des Geldes lernte er nie kennen. Er nahm es zwar an, aber nur, um damit zu spielen. Ueberhaupt glich er in allen Stücken einem Kinde, dessen Fähigkeiten sich zu entwickeln beginnen; nur mit dem Unterschiede, daß er – der Sprache unfähig – keine Fortschritte in dieser Entwicklung machen konnte, sondern stets auf derselben niedern Stufe [157] stehen blieb. Auch darin hatte er mit einem Kinde Aehnlichkeit, daß er alles, was man ihm zeigte, begaffte, aber mit kalter Gedankenlosigkeit seinen Blick von demjenigen, was er begafft hatte, auf etwas Neues hinwandte. Wenn man ihm einen Spiegel vorhielt, suchte er das Bild, das er sah, hinter dem Spiegel; war aber ganz gleichgültig, wenn er es nicht fand. Der Ton musikalischer Instrumente schien ihn jetzt zwar etwas zu rühren; aber es war eine flüchtige Rührung ohne Eindruck. Als ich ihn in meinem Zimmer an das Klavier führte, hörte er die Töne mit einem scheinbaren Vergnügen an, traute sich aber nicht eine Taste anzurühren. Im Jahre 1784 verließ ich Kronstadt, und ich hatte seitdem keine Gelegenheit, weitere Nachricht von ihm einzuziehen.

16.

Wie muß man es anfangen, bald ein großer und berühmter Arzt zu werden? Eine Preisfrage, so wichtig und nöthig, wie manche andere.


Die Arten in der Welt sein Glück zu machen, sind so verschieden, wie die Menschen, die ihre Rolle mit Beifall spielen wollen. Ein jeder bemühet sich den andern zu verdunkeln, und ergreift Wege, die ihm die zweckmäßigsten und besten scheinen. Genug! er erlangt seinen Zweck, und ist unbekümmert, wie lange das vermeinte Glück [158] dauert. Der Weise sieht sich auch wegen der Zukunft vor. Er kommt langsamer zum Ziel; allein der durch den Weg des Verdienstes errungene Ruf ist dauerhaft, und hängt weder vom Schicksale noch von fremder Gunst ab.


Man hat den Aerzten von jeher die Charlatanerie zur Last gelegt, und die Geschichte der vorigen und gegenwärtigen Zeiten stellet manche einleuchtende Beispiele dar. Der Schein betrügt, pflegt man im Sprüchwort zu sagen, und dieß gilt besonders von der Arzneikunde. Wenige Personen können oder wollen wissen, wer ein guter oder schlechter Arzt ist. Sie begnügen sich, nach äußerlichen Umständen zu urtheilen, und werden hintergangen. Denn eben der schlechte Arzt ist Meister in der Kunst, das Publicum durch guten Schein und viele schöne Worte zu gewinnen, und dadurch in kurzem Ansehen und Beifall zu erlangen.


Alte Wahrheiten behalten stets ihren Werth. Ich fand vor einiger Zeit in einem alten Buche dergleichen kurze Vorschriften, (ob von einem medicinischen Machiavell, kann ich nicht sagen, weil das Titelblatt fehlte) und schrieb mir dieselben zu meiner Erbauung ab. Denn es war, als hätte der Schriftsteller in unserm Jahrzehend gelebt. Hier sind sie, ohne Erklärung:


1. Genieße alle Vergnügungen des akademischen Lebens, so lange es geht; studire von allem etwas,[159] und verlasse dich übrigens auf deinen guten Kopf und deine geschwätzige Zunge.

2. Bei der Rückkehr ins Vaterland mache den Vielwisser, und schöpfe alle Weisheit aus Journalen und Zeitungen.

3. Urtheile von allem, wie ein Meister der Kunst, du magst die Sache verstehen oder nicht.

4. Lobe dich und deine Verdienste deine glücklichen Curen und Operationen, bei jeder Gelegenheit; besonders aber bei Personen, die dich nicht beurtheilen können und wollen, und verachte alle Andere als Unwissende.

5. Richte dich nach den Menschen, die dir wohlwollen, schmeichle, thue was ihnen gefällig ist, und komme ihnen bei jeder Gelegenheit zuvor.

6. Studire nicht weiter; aber schimpfe desto mehr auf Gelehrsamkeit, auf Vielschreiberei und Bücherwuth.

7. Laufe vom frühen Morgen an auf der Strasse herum, und suche dadurch die Unerfahrnen zu bereden, du seist der größte und geschäfftigste Arzt.

8. Mache stets den geschäfftigen Mann, wenn du auch nichts thust.

9. Rühme deinen Freunden die wichtigen Entdeckungen und Beobachtungen, die du gemacht, und sage dieß so oft, bis sie es glauben.

10. Werde ein Naturforscher, weil es die Mode mit sich bringt, und kaufe ein ansehnliches Naturalienkabinet voll herrlichen Schnickschnacks.

[160] 11. Lege eine prächtige Bibliothek, eine schöne Instrumenten- und Präparatensammlung an, laß den Eingang mit einer Büste zieren, und das Verdienst des Sammlers überall ausposaunen.

12. Werde Vorsteher eines Journals oder Zeitung, wenigstens Mitarbeiter. Wo nicht: so bestelle wenigstens jemanden, der dich darin lobpreist.

13. Laß dich mehrmals aus dem Gesellschaftszimmer rufen, und erzähle bei der Rückkehr, wie geplagt ein berühmter Mann und Arzt sei.

14. Verschaffe dir Titel von Höfen oder gelehrten Gesellschaften. Sie geben Ansehn und Ruf.

15. Suche die Gunst der Großen.

16. Mische dich in alles, unternimm alles, und versprich alles, und halte, wie ein Hofmann, nur so viel, als du kannst und willst.

17. Gehe, wenn es sein kann, auf Reisen. Weisheit von Paris und Edimburg ist besser, als deutsche Weisheit.

18. Verachte alle medicinische Bücher, die nicht von London oder Edimburg kommen, und kaufe die Originale, wenn du sie auch nicht verstehest. Es sieht doch sehr gelehrt aus.

19. Unterhalte gelehrten Briefwechsel, und wende dein Geld dazu an, um auswärtige Gönner und Freunde zu haben.

20. Sei ein Freund der seichten Collegen, der Prediger, Apotheker, Barbierer und Hebammen, allenfalls auch des Kaufmanns, wenn er dir zur Erreichung deiner Absichten dienen kann.

[161] 21. Sei fromm und ein steifer Beobachter der Kirchensatzungen, wenn dein Ruf und deine Einnahme dadurch gewinnen können.

22. Verfertige geheime Mittel, und laß, Ailhaud Gelegenheitsbriefe drucken, die niemals an dich geschrieben wurden.

23. Schreibe, wenn ja, dem altväterlichen Gebrauche zufolge, geschrieben werden muß, ewtas Paradoxes im modischen Gewande, und bestätige es durch erdichtete und falsche Beobachtungen, ohne dich an Kenner und Selbstdenker zu kehren.

24. Heirathe die Tochter eines vornehmen Mannes, (denn vornehme Verwandten geben Verdienst und Verstand) oder auch die Tochter eines reichen Mannes, er sei vornehmer oder geringer Abkunft; denn Geld schafft Muth, bisweilen auch Ansehn.

25. Laß dein Bildniß mehr als einmal silhouettiren und in Kupfer stechen, und alle verdiente und unverdiente Titel darunter setzen.

26. Laß dich zu allem gebrauchen, was Ehre, Geld oder Belohnungen einträgt, unbekümmert, ob es Recht oder Unrecht sei.

27. Sinne darauf, das Publicum mit Neuigkeiten, Neuerungen, Veränderungen von mancherlei Art, mit allerhand Gerüchten zu unterhalten, und suche deinen Werth jedermänniglich fühlbar zu machen.

28. Rühme dich, von allen Orten her Anträge zu[162] Aemtern zu haben; besorge allenfalls die scheinbaren Dokumente durch Vettern und Basen.


Doch genug, um zu sehen, daß der Verfasser seine Männer kannte. Er hatte noch mehrere Kennzeichen angegeben; allein sie paßten bald zu viel bald zu wenig auf unsere Zeiten, und bleiben mit Fug Rechtens weg. Der rechtschaffene Arzt verdient unsere ganze Achtung, der sich durch gründliche und wahre Gelehrsamkeit unterscheidet, und dieselbe bescheiden, ohne Ruhmredigkeit, zum Besten seiner Brüder anwendet, der sich als einen verdienstvollen Mann fühlet und über den Thoren lacht, der durch Nichtswürdigkeiten, durch Kriecherei und Schmeichelei, durch elende und entehrende Kunstgriffe seine Mitbürger äffet, und ihren Beifall erzwingen will. Der Ruhm eines Arztes ist oft so problematisch, wie der göttliche Ruf des Predigers. Hier thut der Glaube Alles.

17. Blindheit aus Zorn
16.
Blindheit aus Zorn.

Einer der scharfsinnigsten praktischen Aerzte Deutschlands, der verstorbene Hofrath F. zu H., ein Funfziger von Geistesfähigkeit, und ein Zwanziger von Gemüthsbeweglichkeit, ward drei Jahre vor seinem Tode, während eines heftigen Anfalles von Zorn, plötzlich blind. Er erwartete eines Tages, da er sich zu einer feierlichen Schulhandlung [163] seines Sohnes anziehen wollte, mit rastloser Ungeduld die Ankunft seines zeitig bestellten Friseurs. Von Viertelstunde zu Viertelstunde nimmt die stürmische Unruhe in seiner Seele zu, sie steigt bis zur Wuth; nun schlägt die Glocke vier, die Anfangsstunde des Acts, der Kräuseler ist noch nicht da, der unangezogene Vater springt auf, stampft schaumend auf die Erde und – verschwunden ist in dem Moment das Gesicht von beiden Augen; verschwunden auf immer.


Hufelands Journal der praktischen Arzneikunde. 5. Band 2. Stück S. 275.

18. Die Sucht nach lateinischen Namen
17.
Die Sucht nach lateinischen Namen.

Im vorigen Jahrhunderte und bis in die Mitte des jetzigen war es sehr Mode, Nomina propria ins Lateinische zu übersetzen, oder ihnen eine lateinische Endigung zu geben, wenn man lateinische Werke schrieb. Fand man Ursache, sich zu maskiren, oder anonymisch zu schreiben: so wäre dieses noch wohl hingegangen, und man hätte immer Storch zu gute halten können, wenn er sich Pelargus genannt oder Büchner, wenn er sein Dispensatorium Brandenburg unter dem Namen von Faginus herausgab. Aber viele werden es pedantisch finden, Namen auch da zu latinisiren, wo der Verfasser nicht unbekannt bleiben [164] will; denn wer wird je errathen, daß quercetanus heißen solle du Chesne. Würde man Citois jemals an seinem Orte ausgefragt haben, wenn man unter ihm den Namen Citesius, du Bois unter Sylvius, Pois unterPiso, Ricise unter Riverius, Etienne unter Stephanus aufgesucht hätte.


Hätte der berühmte Buchhändler Pankouke zu Paris 100 Jahre früher gelebt: so hätte man ihn vielleicht eben so gut in Omelette umgetauft. Warum sich Albinus, dessen Familie von Dessau herstammen soll, nicht fernerhin Weiß gennant habe, erräth man eben so wenig. Noch weniger würde man, wenn man nach der vor einigen Jahren erschienenen Beschreibung der Insel Frankreich sich geneigt gefühlt hätte nach diesem Lande zu reisen, selbst in einem Deutschen, am wenigsten in einem Auswärtigen, einen Schiffer gefunden haben, mit dem man sich dahin hätte einschiffen können, wenn nicht geschwind Isle de France hinzugesetzt wäre. Man erräth zwar einigermaaßen die Absicht, wenn unser Heister zu Helmstädt seinen Gegner Peu, der über das Accouchement geschrieben, Dominus Paucus, und den Chirurgus Petit wiederDominus Parvus nennt; vielleicht würde er, wenn er in seinen chirurgischen Schriften Gelegenheit gehabt hat, auch von Fontenelle zu reden, diesen eben so zierlich Dominus Fonticulus genannt haben; aber seinen [165] Witz haben jene in dieser Benennung wahrscheinlich nicht gefunden.

Wenn diese Veränderung von Namen aus Pedanterei oder Muthwillen sich erklären läßt: so verräth es dagegen bloß Eilfertigkeit, flüchtiges Lesen oder Unwissenheit, wenn der Ausländer, besonders der Franzose, fast immer auf eine zuweilen sehr lächerliche Art die Namen von Schriftstellern verstümmelt, verändert, umtauft, oder anstatt ganz andrer Dinge Nomina propria schmiedet. Freilich hat er bei der Schwierigkeit, unsre Sprache zu lernen, wohl eben so viel Entschuldigung, als wenn wir Deutsche die polnischen oder russischen Namen ein wenig verstümmeln, und gewiß eben so oft einige Consonanten von den vielen herauslassen. Aber so gar arg werden wir es doch nie machen. Bei ihnen ist es nichts Ungewöhnliches, aus Namen der Städte Namen von Schriftstellern zu machen, besonders wo sich diese nicht auf dem Titel genannt haben; oder sie setzen auch anstatt des Familiennamens bloß den Taufnamen.

Als unser berühmter Arzt und Botaniker zu Mannheim, Casimir Medicus, vor etwa 30 Jahren seine Schrift über die Ausrottung der Kinderblattern herausgab, wurde er in der damaligen Recension, imJournal de Médecine, immer nur kurz weg Monsieur Casimir genannt.

Einer der besten ehemaligen Wundärzte zu Paris, David, hatte kurz vor meinem Aufenthalte [166] daselbst seine sehr interessante Dissertation: Utrum cataractae tutior extractio forcipum ope – 1757 herausgegeben. Dieser führt S. 4. einen Autor celeberrimus Gottfried, und seine descriptio anatomica, an. Ich freute mich die Bekanntschaft eines mir bis dahin unbekannt gebliebenen großen Zergliederers gemacht zu haben, zumal da eben desselben Gottfried eximia oculi anatomia nachher wieder gerühmt wurde, und es kein Druckfehler war; ich suchte in vielen Pariser Buchläden diesen Gottfried auf, und da mir Niemand denselben nachweisen konnte, entdeckte ich endlich aus der angeführten Stelle, daß es unser vortrefflicher Johann Gottfried Zinn war, dessen ganzen Namen dem Franzosen zu lang und zu langweilig gewesen; dieß geschah zu einer Zeit, als zu Paris die medicinischen Dissertationen, Theses oder Quaestiones noch gewöhnlich unter dem Titel herauskamen: Deo optimo maximo, uni et trino, virgini deiparae et S. Lucae, orthodoxorum medicorum patrono. Ich bin so wenig mit der französischen Literatur bekannt, daß ich nicht einmal weiß, wer von den jetzigen dortigen orthodoxen Aerzten der Patron ist, unter dessen Schutze die Dissertationen jetzt erscheinen; ich vermuthe aber, daß man sich anstatt der heiligen Jungfrau, oder des heiligen Lukas, sonst Jemanden gewählt habe, und daß es der medicinischen Freigeister dort nicht weniger als der Orthodoxen gebe.

[167] In eben diesen lustigen Fehler, wo sie den Taufnamen in Familiennamen verwandeln, verfallen die Franzosen sehr oft, und ich entsinne mich, namentlich unsern Justi noch unter dem Namen: Monsieur Gottlob irgendwo angeführt gesehen zu haben.

Das alles ließe sich bei der einmal bekannten Flüchtigkeit der Franzosen noch verzeihen, wenn sie bloß Titel von Büchern anführen müssen, und der Inhalt oder das deutsche Buch sie weiter nicht interessirt. Aber wenn sogar Kritiker, die eigentlich sich mit dergleichen beschäfftigen, und also genau citiren sollten, ähnliche Fehler begehen: so fällt doch die Schuld schwer auf sie.

Zu meiner Zeit gab zu Paris ein berühmter Literator, den man wegen seiner großen Bücherkenntniß mit unserm Vogt zu Bremen (Catalog. lib. rarior.), Clement zu Hannover (Biblioth. curieuse) und andern in eine Reihe setzte, le Bure, eine Bibliographie curieuse et critique heraus, die eine Sammlung von merkwürdigen und seltnen Büchern nach dem Alphabete enthält. Wer dieses Buch in der Nähe hat, der schlage den Buchstaben G nach, und er wird sich selbst bei der traurigsten Stimmung seiner Seele des Lachens nicht enthalten können, wenn er da einen Monsieur Gedruckt findet.

Man wird sich leicht erklären, wie der Franzose diesen lächerlichen Fehler begehen können, da vielleicht das Wort: Gedruckt bey N.N. in einer [168] Zeile gestanden, oder hervorstechende Lettern gehabt hat.

Eben so geht es auch, wenn die Franzosen aus dem Englischen übersetzen. Bekanntlich pflegen die Engländer bei anonymischen Schriften zuweilen auf den Titel zu setzen: by an unknown, by unknown hand. Dieses nun sehr zierlich in Monsieur Unknown verändert zu sehen, das muß manchem meiner Leser, auch bei geringer Belesenheit, nicht selten vorgekommen sein.

Bald nachher, als der große englische Wundarzt Pott seine Methode bekannt gemacht hatte, die Lähmung der untern Gliedmaaßen zu heilen, erschienen:Further remarks upon a method of curing the palsy of the lower extremities; das heißt, wie ein jeder weiß, oder wenigstens immer wissen sollte, der ein Buch aus dem Englischen übersetzen will: Fernere Bemerkungen über etc. Ein Franzose kündigte bald darauf eine Uebersetzung an, die er von den Bemerkungen des Monsieur Further herausgeben wollte. Man kann wohl erwarten, daß diese Uebersetzung sehr treu und buchstäblich gerathen ist; ich habe sie aber nicht gesehen.

Doch wir Deutsche sind von solchen lustigen Fehlern auch nicht frei. Man weiß die alte Geschichte von Iuste Lipse, der durch Iusti zu Leipzig übersetzt wurde, etc.

Ein Hospital zu London, das wegen seiner Bauart und Reinlichkeit unter die besten daselbst [169] gehöret, aber freilich nicht frei genug liegt, ist von einem reichen Buchhändler, Namens Guy, gestiftet. Bei diesem war ein berühmter Wundarzt angestellt, der eine Schrift vor einigen Jahren herausgab, wo er sich Surgeon to the Guy's hospital, wie gewöhnlich, nannte. Der deutsche Uebersetzer, mit jener Stiftung nicht bekannt, übersetzte dieses: N.N. berühmter Wundarzt zu Guy.


Vor 20 Jahren eröffnete ein jetzt angesehener deutscher Arzt seine schriftstellerische Laufbahn mit einem kleinen Buche, worin er ein französisches Werk: Code de médecine militaire par Colombier, anführt, und sagt: Code schreibt im 3ten Bande seiner médecine militaire etc. Wie ich ihn erinnerte, daß sich in seiner Schrift ein kleiner Druckfehler eingeschlichen habe, war unser Freundschaftsband, welches er mit Wärme anzuknüpfen schien, sogleich zerrissen, und ich erhielt nun seit jenen 20 Jahren, zu meinem großen Leidwesen, keinen Brief weiter von ihm.


Die Synopsis universae medicinae von Allen ist bekanntlich eine Compilation aus verschiedenen Schriftstellern, die namentlich angeführt werden: Ettmüller, Sydenham etc. und zuletzt wird ein gemischtes Urtheil von mehrern über eine Krankheit unter der Rubrik: Farrago, beigefügt. Bei einer gewissen Gelegenheit schlug ich einmal mit einem Arzte dieses Werk nach, dem [170] es schon als brauchbar bekannt war, und der mir denn entdeckte, daß ihm aus der ganzen Compilation immer am besten gefalle, was Farrago darin aufgezeichnet habe, ohne mir jedoch anzugeben, ob er den Farrago für einen Dänen oder Holländer halte.


S. Hufelands Journal der praktischen Arzneikunde. 5. Band 3. Stück. Erholung des praktischen Arztes, von Wichmann.

19. Besondere Fruchtbarkeit eines russischen Mannes und seiner Frau
18.
Besondere Fruchtbarkeit eines russischen Mannes und seiner Frau.

In dem Schviskischen Kreise war der ehemals zum Nicolaikloster an der Kaschirka gehörige Bauer, Fedor Wassiliew, zweimal verheirathet, und 1782 bereits 75 Jahre alt. Seine erste Frau gebar 27mal, und brachte 4mal jedesmal 4 Kinder, 7mal Drillinge und 16mal Zwillinge, zusammen 69 Kinder.

Seine zweite Frau gebar 8mal, brachte 2mal Drillinge und 6mal Zwillinge, zusammen 18. Beide Frauen zusammen aber 87 Kinder, wovon 4 starben, und am 27sten Februar 1782 noch 83 Leben waren.


Aus Hermanns statistischer Schilderung von Rußland.

20. Besondere Trepanation
[171] 19.
Besondere Trepanation.

Ein Stud. med. et chirurgiae wurde ganz kürzlich befragt, was er bei einem schadhaften. Testikel für Hülfe anwenden wollte; und er gab den Rath, denselben zu trepaniren.


S. Baldingers Magazin. 18. B. 5. St. 1796.

21. Auction von Pillen
20.
Auction von Pillen.

Ein Arzt verordnete letzthin einer Wassersüchtigen 500 Pillen, wovon alle Abende 3 Stück genommen werden sollten; die Patientinn hatte etwa 2mal genommen, so starb sie. Die noch vorräthigen Pillen sind an den Meistbietenden zu verkaufen. – So verschrieb einer unserer berühmtesten Aerzte einem Hypochondristen:


Tart. tart.

j

d. Dos. 120 S.


Alle Tage ein solches Paket in Wasser aufzulösen, und den Tag über zu nehmen.

Ebendaselbst.

22.
[172] 21.

Ein musterhaftes Recept zur Heilung der Schwindsucht, welches ein privilegirter Quacksalber einem Manne, der phtisin pulmonalem hatte, verordnet, mit diplomatischer Genauigkeit abgeschrieben.


Reibe 2 Lod aloes, 1 Quind Leinsafers, 1/2 Lod rebarber, 2 Lod Lergenschwamv, 2 Lod Zieber Worzel, 2 Lod merren, 2 Lod entzian, 1 Lod schwarzen Derieck. Due alles zusammen in eine potelle, geus 1/2 Rossel guden Brantwein druff, wenn es einen Dag gestanden, so nimbt der Batiende aller 3 Stunden einen eßloffel full.


Dieser Patiente, welcher das Unglück hatte, in die Hände dieses durch alle Instanzen geschätzten Würgengels zu fallen, ist auch wirklich nach einem 3tägigen Gebrauch dieser Arznei gestorben, und hat sich zu Tode purgiren müssen.


Ebendaselbst.

23. Die blauen Hände
22.
Die blauen Hände.

Ein Arzt behauptete, als er die blauen Hände eines Färbers sah, der Mann sei vom Schlage [173] gerührt, denn er habe ja blaue Hände. Und als des Kranken Ehefrau ihm das Räthsel dadurch auflösen will, daß sie sagte: ihr Mann sei ein Färber, und die Hände wären davon blau, weil er erst noch Tages zuvor aus der Blaukipe gefärbt habe; bleibt er doch bei seiner Behauptung, aus dem Grunde, weil die Hände gar zu blau wären.


Baldingers Magazin. 16. B. 3. St.

[174]

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TextGrid Repository (2012). Nebel, Ernst Ludwig Wilhelm. Werk. Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken. Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5F9C-5