Fünfundvierzigste Erzählung.

Ein Ehemann giebt vor, seinem Kammermädchen mit einer Ruthe 2 Schläge geben zu wollen, und täuscht dabei seine nichtsahnende Frau aufs gröblichste.


In Tours lebte ein sehr gescheuter und kluger Mann, welcher Tapetenmacher des verstorbenen Herzogs von Orleans, des Sohnes Franz I., war. Obwohl er in Folge einer Krankheit taub geworden war, hatte sein Verstand dadurch nichts an Schärfe eingebüßt; denn es gab keinen geschickteren in seinem Fach und auch in anderen Dingen; Ihr werdet gleich sehen, wie er seine Klugheit anwandte. Er hatte eine ehrbare und vermögende Frau geheirathet, mit der er in Frieden und Eintracht lebte. Er fürchtete sehr, ihr irgendwo zu mißfallen, und sie suchte auch um, ihm in allen Dingen zu gehorchen. Bei aller seiner Freundschaft für sie war er aber so freigebig und barmherzig, daß er oft seinen Nachbarinnen das gab, was nur seiner Frau zustand, immer aber so heimlich wie möglich. Sie hatten in ihrem Hause eine Kammerzofe von sehr schönem Wuchse, in welche der Tapetenmacher sich verliebt hatte. Aus Furcht aber, daß seine Frau etwas davon merken könnte, stellte er sich oft böse und zankte und tadelte sie, indem er sagte, sie sei die faulste Dirne, die er je gehabt habe, und er wundere sich darüber, daß seine Frau sie nie schlage. Einmal sprachen sie von dem Fest zum Andenken an die Ermordung der unschuldigen Kindlein, wobei [320] er zu seiner Frau sagte: »Es wäre sehr gut, Eurer faulen Dirne einmal die Ruthe zu geben; Ihr müßtet das aber nicht mit Eurer Hand thun, denn Ihr seid nur schwach und habt ein zu mitleidiges Herz. Ich müßte es thun, dann würden wir wohl besser von ihr bedient werden, als bisher.« Die arme Frau ahnte nichts Schlimmes und bat ihn, es zu thun, indem sie zugab, daß sie weder den Muth noch die Kraft habe, sie zu schlagen. Der Mann übernahm den Auftrag bereitwilligst, that, als wenn er ein sehr strenger Büttel wäre, und kaufte die feinsten Weidenruthen, die er auftreiben konnte, und um einen ganz besonderen Eifer, sie zu strafen, an den Tag zu legen, ließ er sie noch in Salzwasser quellen, so daß die arme Frau viel zu viel Mitleid mit ihrer Zofe hatte, als daß ihr ein Zweifel an ihrem Manne hätte kommen können. Als nun der bewußte Tag herangekommen war, ging der Mann nach der Kammer, wo das Mädchen ganz allein schlief, und gab ihr dort die Ruthe in anderer Weise, als er seiner Frau gesagt hatte. Die Zofe weinte sehr, aber das half ihr nichts. Damit seine Frau sie aber nicht überraschte, schlug er mit den Ruthen auf die Seitenbretter des Bettes, bis sie sprangen und zerbrachen, und in diesem Zustande brachte er sie seiner Frau zurück, indem er sagte: »Nun, meine Liebe, ich denke, sie wird sich an die Ruthen erinnern.« Nachdem der Tapetenmacher das Haus verlassen hatte, warf sich die Zofe ihrer Herrin zu Füßen und sagte ihr, ihr Mann habe ihr ein größeres Unrecht angethan, als je einem Mädchen angethan worden sei. Ihre Herrin dachte nicht anders, als daß es sich auf die Ruthenstreiche bezöge, ließ sie deshalb garnicht zu Ende reden, sondern sagte ihr: »Mein Mann hat nur wohl gethan, ich bitte ihn schon länger als einen Monat darum. Wenn es Euch weh gethan hat, so freut es mich nur, haltet Euch deshalb nur an mich; er hat Euch noch lange nicht so viel angethan, als er gekonnt hätte.« Als die Zofe sah, daß ihre Herrin den Fall nur billigte, hielt sie es nicht mehr für eine so große Sünde als bisher, da diejenige, die man allgemein für eine sehr anständige Frau hielt, selbst die Veranlassung gewesen war; sie sprach deshalb nicht weiter darüber. Als ferner der Mann seinerseits sah, daß seine Frau nicht weniger zufrieden in ihrer Selbsttäuschung weiter lebte, als er in seiner Täuschung, beschloß [321] er, ihr diese Zufriedenheit recht oft zu verschaffen, und machte die Zofe so zahm, das sie nicht mehr weinte, wenn sie die Ruthe bekam. Dieses Leben setzte er lange Zelt, ohne daß seine Frau etwas merkte, fort, bis die großen Schneefälle kamen. Ebenso nun, wie der Tapetenmacher seiner Kammerzofe die Ruthe auf dem Grase des Gartens gegeben hatte, wollte er es auch auf dem Schnee thun. Eines Morgens nun, noch bevor jemand im Hause aufgewacht war, führte er sie hinaus, und während beide sich mit Schneeballen vergnügten, vergaßen sie auch nicht das andere. Eine der Nachbarinnen aber, die ans Fenster getreten war, um nach dem Wetter zu sehen, und die gerade auf den Garten hinuntersehen konnte, sah diesen Verrath und wurde darüber so erzürnt, daß sie sich vornahm, es ihrer guten Freundin zu sagen, damit sie sich nicht länger von einem so schlechten Mann betrügen, noch von einer so ungetreuen Dienerin bedienen lasse.

Nachdem der Tapetenmacher sich genugsam vergnügt hatte, blickte er um sich, ob niemand ihn gesehen habe, und bemerkte die Nachbarin am Fenster, worüber er sehr bestürzt wurde. Da er es aber sehr gut verstand, Tapeten zu färben, verließ er sich darauf, auch diesen Fall schön zu färben und seine Nachbarin ebenso wie seine Frau zu täuschen. Sobald er sich wieder hingelegt hatte, ließ er seine Frau aufstehen, führte sie ebenfalls in den Garten nach der Stelle, wohin er mit der Zofe vorher gegangen war, spielte mit ihr Schneeballenwerfen und machte es auch im übrigen mit ihr genau so, wie mit jener, worauf sie alle beide sich wieder zur Ruhe begaben. Als die Frau zur Messe ging, fand sich dort auch ihre Nachbarin und gute Freundin ein, stellte sich sehr besorgt und eifrig und bat sie, ohne ihr mehr zu sagen, sie möchte ihr Kammermädchen fortjagen, die eine schlechte und gefährliche Person sei. Sie wollte es nicht thun, ohne zu erfahren, weshalb ihre Nachbarin diese schlechte Meinung von ihr habe; jene erzählte ihr also, daß sie sie mit ihrem Manne des Morgens zusammen im Garten gesehen habe. Die gute Frau lachte laut und sagte: »Aber, meine Liebe, das war ja ich.« »Wie«, fragte jene, »fünf Uhr morgens im Nachtgewand?« Die andere antwortete: »Ich sage Euch ja, ich war es.« Die andere konnte es garnicht glauben und fuhr fort: [322] »Sie warfen sich einander mit Schneeballen, auch an die Brust und noch wo anders hin.« Jene versicherte noch einmal, daß sie es gewesen sei. »Aber«, begann die Nachbarin weiter, »ich habe sie auf dem Schnee Dinge machen sehen, die nicht schön und anständig sind.« Die Frau sagte weiter: »Ich habe Euch nun gesagt und sage noch einmal, ich war es und keine andere, welche alles, was ihr sagt, gethan hat; mein Mann und ich ergötzen uns nun einmal so. Ich bitte Euch, nehmet kein Aergerniß daran; Ihr wißt doch, daß wir unsern Männern zu Gefallen sein müssen.« So ging die Nachbarin nach Hause und wünschte jetzt viel mehr, selbst einen solchen Mann zu haben, als ihr vorher eingefallen wäre, gerade nach dem ihrer Nachbarin zu verlangen. Als der Tapetenmacher nach Hause zurückgekehrt war, erzählte ihm seine Frau die Mittheilung ihrer Nachbarin in aller ihrer Länge. Er antwortete: »Sehet also, meine Liebe, wie lange wir schon getrennt wären, wenn Ihr nicht eine so vernünftige und verständige Frau wäret. Aber ich hoffe, daß Gott uns zu seinem Ruhm und seiner Zufriedenheit unsere gute Freundschaft bewahren wird.« »Amen, mein Lieber«, erwiderte die Frau, »und ich hoffe, daß Ihr niemals einen Fehler an mir wahrnehmen werdet.«

»Wenn einer diese wahrhaftige Geschichte gehört hat, meine Damen«, fuhr Simontault fort, »so wäre er nur sehr ungläubig, wenn er annehmen wollte, daß Ihr gleiche Durchtriebenheit wie die Männer besäßet, obwohl man, um Niemandem zu nahe zu treten und nach Verdienst Mann und Frau zu loben, sagen muß, daß beide sich nichts nachgeben.« Parlamente sagte: »Jener Mann war ein ganz besonders schlechter Mensch, denn einerseits betrog er die Kammerzofe und andererseits täuschte er seine Frau.« »Ihr habt also nur nicht ordentlich aufgepaßt«, sagte Hircan, »denn es ist in der Erzählung gesagt, daß er alle beide an einem Morgen zufrieden stellte, und das halte ich für einen großen Beweis von Tugend, zwei Gegnerinnen in jeder Beziehung zufrieden zu stellen.« »Hierin ist er doppelt verwerflich«, erwiderte Parlamente, »die Einfalt der einen durch Lüge zu bethören und die Schlechtigkeit der anderen durch ein Laster zu befriedigen. Aber ich weiß wohl, wenn solche Sünden Euch als Richter unterbreitet werden, erhalten sie [323] nimmer Verzeihung.« Hircan antwortete: »Immerhin kann ich Euch versichern, daß ich mich auf eine so schwierige Stellung nicht einlassen werde, ich werde meinen Tag immer schon gut verbracht haben, wenn ich Euch von demselben zu Eurer Zufriedenheit Rechenschaft ablegen kann.« »Wenn gegenseitige Liebe das Herz nicht befriedigen kann«, sagte Parlamente, »so kann es etwas anderes nur um so weniger.« »Wahrlich«, sagte Simontault, »einen größeren Schmerz giebt es auf der Welt nicht, als zu lieben und nicht wieder geliebt zu werden.« »Das glaube ich wohl«, sagte Oisille, »und bei dieser Gelegenheit fällt mir eine Geschichte ein, die ich eigentlich nicht für gut genug gehalten hatte, um erzählt zu werden; da sie aber gerade hierfür ein Beispiel giebt, will ich sie zum Besten geben.«

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TextGrid Repository (2012). Navarra, Margarete von. Erzählungen. Der Heptameron. Fünfter Tag. 45. Erzählung: [Ein Ehemann giebt vor]. 45. Erzählung: [Ein Ehemann giebt vor]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5ED1-4