Sieben und zwanzigstes Kapitel
Peninnens Geschichte
Dieser Tag war dazu bestimmt, alle meine Zweifel über Peninnens bisherige Aufführung zu heben.
Wir saßen des Nachmittags alle beysammen. Es war ein schwüler Frühlingstag, das erste Gewitter hatte uns aus dem Garten ins Zimmer getrieben. Ich saß am geöfneten Fenster in meinem Lehnstuhl, und athmete die Wohlgerüche der erfrischten Natur. Meine Kinder saßen um mich her bey ihrer Arbeit, der Oberste rauchte seine [205] Pfeife und Peninna begann ihre Erzehlung wie folget:
Ich weis in der That nicht, auf was für Art ich meine Geschichte anfange. Soll ich sie liebe Mutter bis zu Ende derselben in der Täuschung lassen, aus welcher ich selbst erst vor kurzer Zeit gerissen wurde? soll ich sie in dem Wahne erhalten, den ich selbst so lange hegte, daß Gabriele mich aus alter Freundschaft in ihr Haus nahm, oder entdecke ich ihnen die abscheuliche Verschwörung wider mich, welche der Grund dieses in meinen Augen so glänzenden Glücks war?
Sie wissen, was mich aus Walters Hause trieb, auch mein Gemahl weis es; ich hielt es für unbillig, demjenigen, welcher in aller Absicht so edel gegen mich handelte, ein Geheimniß aus meiner ehemaligen Neigung für Charlottens Gatten zu machen, auch sehe ich nicht ein, warum ich nicht von einer Schwachheit gegen ihn hätte reden sollen, welche die Zeit, und die Liebe, und die innige Hochachtung für den, dem ich jetzt angehöre längst vernichtet hat.
Ein zärtlicher Blick und ein feuriger Händedruck des Obristlieutenantes, lohnte Peninnen, für diese mit ihrer eigenen holdseligen Art vorgebrachten Worte. Sie zog seine Hand an ihre Lippen, und ich dachte in meinem Herzen, es könne keinen reizendern Anblick geben, als eine junge und schöne Frau, welcher die redliche treue Liebe gegen einen bejahrten Gemahl so ganz aus den Augen blickt, [206] wie hier der Obristlieutenantinn von Sarnim. Sie fuhr fort:
Den Aufenthalt in Walters Hause, mit dem Leben zu Hohenweiler zu vertauschen, war der einige Ausweg den ich kannte, und sie werden sich noch erinnern, liebe Mutter, daß die Verfassung in meinem väterlichen Hause damals gar nicht so war, daß ich mich, ungeachtet ich Sie daselbst fand, sehr nach demselben sehnen konnte.
Wie ein Engel vom Himmel trat Gabriele auf, und zeigte mir einen dritten Weg, an den ich nie gedacht hatte, und den ich mir nicht reizender hätte wünschen können. Sie kam mit der Miene der Unschuld und der alten Vertraulichkeit; es wurde ihr leicht meinen Unwillen über vergangene Dinge zu tilgen. Sie redete mit mir die Sprache des Herzens, entdeckte mir ihre ganze Lage, klagte mir ihre eigene Kränklichkeit, und die Hypochondrie ihres Mannes, und versicherte mich, daß ihnen meine Gesellschaft zu der erwünschtesten Aufheiterung dienen würde, schilderte mir die glänzenden Scenen der großen Welt, in welche sie versprach mich einzuführen, und – ich war gefangen.
Einige Einwendungen, welche sich auf die ehemalige Liebe des Regierungsraths gegen mich bezogen, und die ich mit ziemlicher Schüchternheit vorbrachte, wurden mit großem Gelächter aufgenommen. Gabriele versicherte mich, mit einem etwas empfindlichen Ton, die Liebe des Regierungsraths gegen sie wäre älter, als die zu mir; nur [207] Verzweifelung über ihre ehemalige Hörte, hatte ihn zu meinem Verehrer gemacht, und ich hätte keine Ursach mich für einen Rückfall zu mir zu fürchten, ihr Gemahl sey zu glücklich durch sie, um an fremde Liebe zu denken.
Ein Blick in den Spiegel, und ein stolzes Zurückwerfen ihres Kopfs, verwies es mir, daß ich so unbesonnen eine Furcht vor der Macht meiner eignen Reitzungen in Vergleichung mit den ihrigen geäußert hatte, und ich wußte meinen Fehler durch nichts, als durch die sorglose Einwilligung in alles was sie verlangte, zu verbessern. Ich konnte, ich mußte ja wohl ruhig über die Folgen des Schrittes seyn, den sie mir zumuthete, da sie es war.
Aber wahrhaftig, unterbrach ich Peninnen, ich kann auch nicht einsehen, was die Regierungsräthinn für Absichten haben konnte, dich zu sich zu locken, wenn sie der Treue ihres Mannes nicht ganz versichert war? Du sprichst von Fallstricken, von Anschlägen wider dich, und ich sehe nicht ein, wo sie liegen können, und was man darunter suchen konnte, dich auf Irrwege zu leiten; welche, wenn sie dahinaus giengen, wie ich vermuthe, ja Gabrielen am nachtheilichsten werden mußten.
Die ganze Sache, fuhr die Erzehlerinn fort, bezieht sich auf einen in dem hochadelichen Wilteckischen Hause angenommenen Grundsatz: Liebe könne durch nichts leichter getilgt werden, als durch zwanglosen ungestörten Umgang, und die eifersüchtigste Gattinn könne sich durch nichts der [208] Rückkehr ihres Ungetreuen gewisser versichern, als wenn sie ihre Nebenbuhlerinnen ganz in seine Gewalt hingäbe.
Der Regierungsrath hatte nie aufgehört mich zu lieben; er war mit Gabrielens Heirath in dem Augenblicke des Unwillens wider mich übereilt worden, er konnte sich kaum die ersten Tage seines Ehestandes zwingen, seine Verachtung gegen seine Gemahlinn, und seine immer noch dauernde Neigung gegen mich zu verhelen. Gabriele liebte ihn würklich, sein Bezeigen stürzte sie in Verzweiflung, und sie suchte in ihrem Kummer Rath bey ihrer Mutter, welche ihr ihn auf die vorhin angeführte Art gab.
Ich konnte mich nicht enthalten, bey dieser Stelle von Peninnens Erzählung einen tiefen Seufzer auszustossen. Ich kannte diesen edeln Wilteckischen Grundsatz aus der Erfahrung; auf ähnliche Art war man mit meiner unglücklichen verstorbenen Tochter umgegangen; man hatte ihre Tugend aufgeopfert, um des Lieutenants Liebe zu ihr zu tödten.
Peninna, welche noch zu kurze Zeit wieder bey mir war, um umständlich von Hannchens Geschichte benachrichtiget zu seyn, verstand meinen Seufzer nicht; sie deutete ihn vermuthlich allein auf sich, und gieng in ihrer Erzählung weiter. –
Frau von Wilteck hatte einige Mühe Gabrielen zu dieser verzweifelten Kur einer unrechtmäßigen Liebe zu bereden, und sie siegte nur endlich [209] durch ihr eigenes Beyspiel. Sie führte an, daß Demoiselle Robignac auch ehemals diejenige war, welche dem alten Herrn von Wilteck weit besser als seine Gemahlinn gefiel; die Nachsicht und Gefälligkeit der klugen Frau von Wilteck brachte es dahin, daß die gefährliche Französinn, bald der Gegenstand der tiefsten Verachtung ihres ehemaligen Liebhabers ward, und Gabriele jauchzte über die Vorstellung, ihren Gemahl nach dem Beyspiel ihres Vaters einst mit verneuter Treue zu ihr zurückkehren, und mich, die sie von Herzen haßte, in seinen Augen zu dem verächtlichen Charakter einer Robignac erniedrigt zu sehen.
Abscheulich! schrie ich, indem ich die Erzählerinn unterbrach, fast zu abscheulich, um geglaubt zu werden!
Und doch wahr, erwiederte der Obristlieutenant. Wie glücklich wär meine Peninna gewesen, wenn sie diese Dinge gleich von Anfange gewußt hätte! sie erfuhr sie erst spät durch mich, und auch ich hätte nie ein solches Gewebe von Bosheit vermuthen können, wenn ich nicht durch einen Zufall hinter dasselbe gekommen wäre.
Peninna nahm das Wort von neuem: Gabriele war froh mich in ihrer Gewalt zu haben. Sie stellte mich ihrem Gemahl vor, und die Bestürzung die er über meinen Anblick, und über meinen Entschluß bey seiner Gemahlinn zu leben, blicken ließ, war zu sichtlich, um mir und der Regierungsräthinn zu entgehen. Gabrielens Gesicht ward [210] mit einer glühenden Röthe überzogen, und ich dachte bey mir selbst, die gute Frau möchte doch wohl einen zu vortheilhaften Begrif von der ungetheilten Liebe ihres Gemahls für sie haben. Der Entschluß auf meiner Hut zu seyn, allen Umgang mit meinem ehemaligen Liebhaber zu fliehen, und seine Gattinn, die in meinen Augen so unschuldig und truglos handelte, nicht mit Undank zu belohnen, war fest gefaßt.
Ich fand bald, daß ich Ursach zu diesem Entschluß hatte. Sie beste Mutter, gaben mir einesmals die Lehre, ein ehrliches Mädchen müsse sich jedem Auge entziehen, welches kein Recht hätte, nach ihr zu blicken, wenn sie sich nicht, selbst bey ihren Verehrern, in schlechten Kredit setzen wolle, und ich ward jetzt von der Wahrheit dieses Satzes überzeugt.
Der Regierungsrath schien aus der Kühnheit, mit welcher ich es wagte, sein Haus zu meinem Aufenthalte zu machen, schlechte Folgen für meine Tugend zu ziehen. Er verfolgte mich überall; er strebte nach einer einsamen Unterredung mit mir, und als er dieselbe, aller meiner Behutsamkeit ungeachtet, endlich fand, so nützte er diese Gelegenheit, mich so ungescheut von seiner nie verloschenen Liebe zu unterhalten, daß mir die Augen völlig aufgiengen, und ich die Gefahr, in welche ich mich gestürzt hatte, deutlich vor Augen sah.
Ich begegnete ihm auf die Art, wie er es verdiente, aber wenn ich mich auch für den gegenwärtigen [211] Augenblick seiner entschlagen hatte, so wußte ich doch nicht, ob ich in Zukunft für ähnlichen Auftritten sicher wär.
Ich war unschlüssig, was ich thun sollte. Sollte ich fliehen? sollte ich Gabrielen von der Sache benachrichtigen? das erste dünkte mich zu romanhaft, und das andere grausam. Ich wußte von den teuflischen Anschlägen meiner sogenannten Freundinn nichts, und es gieng mir nahe, sie aus dem süssen Wahn von der Treue ihres Gemahls, in welchem ich sie glaubte, zu reissen.
Wir befanden uns gegenwärtig zu Pyrmont im Bade, die Gewohnheit erforderte es, die ganze Kurzeit dem Müßiggange und den Vergnügungen zu weihen; ich konnte hoffen, daß die Leidenschaft meines Verfolgers gegenwärtig nur durch die ungewohnte Muße genährt würde, und daß, wenn wir in Wien angelangt wären, mehrere Geschäfte dieselbe schwächen würden; auch nahm ich mir vor, dann mich so einzurichten, daß ich nie mit ihm in einer Gesellschaft wär, und ihm so wenig als möglich vor die Augen käme; ein Entschluß, der nicht so leicht auszuführen als zu fassen war.
Wir giengen nach Wien zurück. Gabriele machte mich mit allen Schauplätzen der großen Welt bekannt, und ich darf sagen, daß ich keine verächtliche Rolle auf denselben spielte. Ich war eine ganz neue Erscheinung, Gabriele schien etwas darunter zu suchen, daß sie mich mit allem möglichen Glanz auftreten ließ, und ich taumelte eine [212] Zeitlang, trunken von einer Ergötzlichkeit zur andern. Konnte etwas das Vergnügen, das ich genoß, schwächen, so war es der lästige Regierungsrath, dessen Anblick ich nirgend entfliehen konnte, und der mich mit seinen verdrüßlichen Unterhaltungen überall umlagert hielt. – Ich ward nach gerade des Geräusches überdrüßig, ich hofte meinem widrigen Gesellschafter zu entfliehen, und entschloß mich, inskünftige die Einsamkeit zu wählen.
Aber auch hier ward ich von meinem Verfolger vertrieben. Die äußerste Verachtung, mit welcher ich ihm begegnete, diente nur dazu, meinen Werth in seinen Augen zu erhöhen. Er schwur, er könne mich nicht vergessen; er wolle sich von Gabrielen scheiden lassen, und mich zu seiner Gemahlinn machen, und als er sahe, daß er auch mit diesen Anerbietungen nicht auskam, so fieng er an, eine andere Rolle zu spielen, welche mich nöthigte, meinen Entwurf zum stillen einsamen Leben aufzugeben, und mich lieber mitten in den Wirbel der modischen Zerstreuungen zu stürzen, als seinen Anfällen ausgesetzt zu seyn.
Wer mich zu dieser Zeit gesehen hat, der mußte mich wohl für die ausgelassenste Thörinn halten, welche im ganzen Bezirk des schwindelnden Wiens zu finden war, aber wer in mein Herz geblickt hätte, würde mich anders beurtheilt haben. Unter dieser frohen Außenseite, unter diesem schimmernden Putz, schlug ein von Sorgen zernagtes Herz; ich wußte nicht, wie ich dem glänzenden [213] Elend, unter welchem ich schmachtete, entfliehen sollte; wußte nicht, wenn ich blieb, was endlich mit mir werden würde, und hatte keinen andern Trost, als den Umgang des edeln Obristlieutenants, meines jetzigen Gemahls. O hätte ich nur das Herz gehabt, ihm meinen eigentlichen Kummer sogleich zu entdecken, so aber war das einige, womit ich mir zu helfen suchte, daß ich mich immer an seiner Seite hielt, ihn am liebsten zu meinem Begleiter bey öffentlichen Lustharkeiten wählte, und wenn ich zu Hause blieb, immer um seine Gesellschaft bat.
Ja wahrhaftig, fiel der Obristlieutenant ein, ich wußte manchesmal nicht, wie ich mit der kleinen Hexe daran war, fast hätte ich denken können, sie habe sich, nachdem sie mich durch ihre ehemalige Laune von sich gescheucht hatte, noch hinten nach in mich verliebt; denn welcher ehrliche Kerl, der nur ein bischen gute Meynung von sich hegt, wird denn denken, daß seine Gesellschaft blos darum gesucht wird, um einen andern zu verjagen?
Mein lieber Sarnim, mein Schutzengel, fuhr Peninne fort, war mir in der That die beste Vertheidigung gegen die Gesellschaft meines Verfolgers; der Regierungsrath scheute sich vor ihm fast allein, und ich brauchte oft nur seinen Namen zu nennen, um ihn los zu werden. Ich hatte zuweilen mich Gabrielens zu eben diesem Endzwecke bedienen wollen, aber die Erwehnung ihrer hatte bey ihrem Gemahl keine Kraft, und ihre Gesellschaft [214] zu haben war vollends unmöglich; sie war ihrem teuflischen Anschlage der Leidenschaft ihres Gemahls in allem nachzusehen zu treu, als daß sie ihm eine einige Gelegenheit, mich ohne Zwang zu sehen, hätte entwenden sollen; und ließ ich etwa ein zweydeutiges Wort über meine verdrüßliche Verfassung fallen, so brach sie in ein lautes Gelächter aus, und fragte mich, ob ich etwa auf meine alten Grillen gerathen, und sie bereden wollte, daß ihr Gemahl seine ehemaligen Absichten auf mich noch nicht aufgegeben habe?
Zu dieser Zeit war es, als das Fräulein von Vöhlen in unserm Hause erschien. Ich hofte an ihr eine Gespielinn, und eine Gefährtinn zu finden, welche mich vor lästiger Gesellschaft schützen könne; aber – darf ich es in ihrer Gegenwart sagen? – Gabriele wußte mich wider sie einzunehmen, sie machte mir ein Bild von ihr, welches ich damals für so richtig gezeichnet hielt, als ich gegenwärtig von dem Gegentheil überzeugt bin.
Ich hoffe, das werden sie, gnädige Frau, fiel die erröthende Klare meiner Tochter in die Rede; Gabriele spielte die nehmliche Rolle in Ansehung ihrer gegen mich, und ich fürchte, ich bin durch die Erzehlung, die ich bey Madam Haller von ihnen machte, Ursach gewesen, daß Unwille und Misverständnisse in ihrem Herzen genährt wurden.
Wollte Gott, erwiederte die Obristlieutenantinn, sie wären die einige gewesen, deren schlechte Meynung von mir ich zu bekämpfen gehabt hätte. [215] Falscher Verdacht läßt sich ja noch wohl aus einem guten Herzen ausrotten, wenn man ihm die Wahrheit vor Augen legt; aber wie will man diejenigen überzeugen, welche nicht überzeugt seyn wollen? welche sich freuen, an andern einen Schein von ihren eigenen Lastern zu finden, um sich damit entschuldigen zu können?
Ich ward nach und nach gewahr, daß alle meine strenge Anhänglichkeit an Tugend und Unschuld mich nicht für bösen Ruf schützen konnte. Gabriele zürnte, daß ihre Anschläge so schlecht glückten, und daß sie sehen mußte, wie die Neigung ihres Gemahls durch meine Standhaftigkeit eher wuchs als abnahm. Ich entgieng allen ihren Fallstricken, von welchen ich ihnen manche Auftritte melden könnte, wo ich dem Verderben, durch eine Hand, die ich damals noch nicht kannte, recht augenscheinlich entgegen geführt ward, wenn ich nicht immer noch hofte, meine damals an sie, meine Mutter geschriebenen Briefe, die das meiste davon enthalten, wieder in meine Hände zu bekommen, und sie ihnen vorlegen zu können.
Da die Regierungsräthinn meine Tugend nicht stürzen konnte, so wollte sie wenigstens meinen guten Ruf zerstören. Die Leidenschaft ihres Gemahls für mich, mußte einem jeden in die Augen fallen. Der Glanz, in welchem mich die betrügerische Freygebigkeit meiner Freundinn erscheinen ließ, erregte Neid, und, da man meinen Stand und Vermögen kannte, den Verdacht, ich prangte mit dem [216] Lohne meiner Schande. Gabrielens verstohlne Winke, und künstlich angebrachte Thränen und Klagen, gaben meiner Ehre vollends den letzten Stoß, und es ward bald durchgängig behauptet, daß Peninna Haller die erklärte Geliebte des Regierungsraths sey. Das Gericht setzte mich der – setzte mich den verworfensten meines Geschlechts an die Seite. –
Sage es doch nur heraus, was du auf dem Herzen hast, unterbrach Herr von Sarnim seine Gemahlinn, du willst sagen, man habe dich der lüderlichen Josephe, meiner verworfenen Gattinn, an die Seite gesetzt. – Die Ausschweifungen dieses Ungeheuers, waren damals so stadtkündig geworden, daß ich sie nicht länger an meiner Seite dulden konnte, ohne meiner eigenen Ehre zu schaden; ich ließ mich von ihr scheiden, und diese Scheidung war die Veranlassung, daß ich hinter alle Anschläge kam, welche die Wilteckischen Furien wider die unschuldige Peninna geschmiedet hatten. Ich durchsuchte Josephens nachgelassene Papiere, und fand unter denselben, eine gute Parthie Briefe, welche zwischen Gabrielen, Josephen und ihrer Mutter über diesen Punkt gewechselt worden waren. – – Ich erstaunte. Ich eilte zu Peninnen, um ihr diese schrecklichen Geheimnisse zu eröfnen. Ich fand sie in Thränen, sie war eben aus einer Gesellschaft nach Hause gekommen, wo sie die Erstlinge von der Verachtung eingeerndtet hatte, in welche sie der böse Ruf, in den sie unschuldiger Weise gerathen[217] war, zu stürzen begann. Hier hatte sie zuerst deutlich erfahren, was man von ihr hielt, und es fehlte nicht viel, daß man es ihr frey unter die Augen sagte, daß sie die Mätresse des Regierungsraths sey.
Ich wußte ihre Unschuld. Sie weinen zu sehen, durchbohrte mir das Herz. Ich hatte die Beweise von der Bosheit ihrer Feinde in den Händen, und mein Entschluß, wie ihr zu helfen, und auch mein Glück wieder herzustellen wär, wär gefaßt. Ich tröstete sie, so gut ich konnte, ich bat sie, sich einige Tage eingezogen zu halten, und unter dem Schein einer Unpäßlichkeit, jedermann von sich entfernen. Auch der überlästige Regierungsrath, mußte sich durch diesen Vorwand abweisen lassen.
Ich nützte diese zeit, alle meine Anstalten zu machen; ich bat, als ich mit denselben zu Stande war, eine große Gesellschaft von den vornehmsten Personen aus unserer Bekanntschaft zusammen, und vergas vor allen andern diejenigen nicht, welche meiner Peninna bey der letzten Gesellschaft, die sie besuchte, so schimpflich begegnet hatten. Auch der Regierungsrath und seine Gemahlinn waren nicht vergessen.
Meine Gäste waren alle in meinem Hause versammelt. Man hatte von meiner Einladung etwas außerordentliches erwartet, und sich daher in vollem Glanz eingefunden. Man war eben im Begriff, sich zum Spiel niederzusetzen, als ich mit [218] meiner reizenden, unschuldigen, erröthenden Peninna eintrat.
Alles ward rege. Es entstand ein unvernehmliches Geflüster, welches bald in ziemlich laute Schmähungen ausartete; die Damen riefen nach ihren Bedienten, und die Herren nahmen Hut und Degen zur Hand. Ich fragte nach der Ursach dieses Aufstandes, niemand wollte reden, bis die alte Generalinn von *** das Wort nahm, und mir im Namen der ganzen Gesellschaft meldete, daß sie mich für zu edel und gesittet gehalten hätten, eine Person, wie Mamsell Haller, in ihre Gesellschaft zu bringen, und darum auf meine Einladung erschienen wären; daß ich ihnen aber verzeihen müßte, daß sie nun, da sie ihren Irrthum inne würden, mein Haus sogleich verließen, und es nicht eher wieder betreten würden, bis ich ihnen Genugthuung für diesen Schimpf gegeben hätte.
Ich glaube, ich habe so ziemlich die Stimme und das Ansehen darnach, mir Gehör zu verschaffen; ich führte die Generalinn sehr höflich nach ihrem Stuhl zurück, bat um eine Viertelstunde Aufmerksamkeit, und trug denn ohngefehr dasjenige vor, was ich bisher gesagt habe, nur vielleicht mit etwas mehrerm Feuer und Nachdruck. Zum Beweis meiner Worte, ließ ich dann die wichtigsten von den vorerwehnten Briefen, von Hand zu Hand gehen, und als ich sahe, was dieses für Würkung that, so gab ich der Sache dadurch das [219] völlige Gewicht, daß ich Peninnen bey der Hand nahm, und sie der Gesellschaft als meine Braut vorstellte. Ich, sagte ich, ich war der Zeuge aller ihrer Handlungen, ich getraue mich für ihre Unschuld so zu sprechen, wie für meine Ehre, und ich führe sie zur Bestättigung meiner guten Meynung, zur Bestättigung, daß ich sie allen Damen der ganzen Welt, selbst allen in dieser gegenwärtigen Versammlung vorziehe, zum Altar, und mache sie zu meiner Gemahlinn.
Peninna und ich waren vorher schon unserer Sachen eins geworden, sie bezeigte sich also bey dieser Gelegenheit so, wie es ihr zukam. Die ganze Gesellschaft war wie umgekehrt; Entschuldigungen und Glückwünsche strömten von allen Seiten herbey. Die alte Generalinn umarmte meine Braut, und bat um die Ehre sie als Mutter zum Altar zu führen. Im Nebenzimmer war alles zur Trauung bereitet; die ganze Gesellschaft folgte uns dahin, bis auf Gabrielen und ihren Mann, welche zu deschämt gewesen waren, um in der Gesellschaft bleiben zu können, und gleich, da die Briefe zum Vorschein kamen, ihren Abschied in der Stille genommen hatten.
Peninne, meine holde unschuldige reizende Peninne, war nun meine Frau, und lehrte mich das Leben, das mir die nichtswürdige Josephe verbittert hatte, liebgewinnen. Jedermann billigte meine Wahl. Die Obristlieutenantinn von Sarnim wurde vergöttert, und die beschimpfte Peninne [220] Haller ganz vergessen. Man drängte sich um uns, man stellte Feste uns zu Ehren an, und raubte uns dadurch die schönen Tage, die wir so gern im einsamen Genuß unsers Glücks zugebracht hätten.
An einem von diesen ersten Tagen nach unserer Vermählung war es, daß Peninna im Schauspiel ihre Schwester auf dem Theater erblickte; was sie that, ist bekannt, und ich glaube, man wird die geheimnißvolle Art, mit welcher sie die beyden Unglücklichen, die sie retten wollte, zu sich kommen ließ, welche man hier so tadelhaft gefunden hat, jetzt entschuldigen. Der Augenblick, da die Schmähsucht eben erst aufgehört hatte, Peninnens Ehre zu verlästern, war gewiß nicht die schicklichste Zeit, ihr neuen Stoff zu albernem Geschwätz in den Weg zu werfen. – Ich schätze Amalien und Jucunden, und sie sollen sehen, daß sie an mir einen Bruder haben werden, welcher ihr Glück zu machen weis; aber sie werden selbst gestehen müssen, daß der Stand, in welchem sie von ihrer Schwester gefunden wurden, nicht so beschaffen war, daß er ihr oder mir Ehre machen konnte, und daß meine Peninna wohl that, die Sache so geheim zu behandeln, daß selbst ich nichts davon erfuhr. –
Sie entdeckte mir nach der Abreise ihrer Schwestern alles, und ich fand nichts daran zu tadeln, als daß sie nicht deutlich mit ihnen von ihrer gegenwärtigen Verfassung gesprochen hatte. – Mit [221] was für Herzen, sagte die gutmüthige Seele, hätte ich meine unglücklichen Schwestern von meinem Glück benachrichtigen können, ohne sie öffentlich an demselben Theil nehmen zu lassen? Dieses war unmöglich, und ich ließ es also dabey bewenden, ihnen einen Brief an unsere Mutter mitzugeben, welcher alles enthält, was sie wissen müssen, und was sie am besten aus ihrem Munde hören werden; mich dünkt, diese Erzählung, aus meinem Munde würde Beschämung und Vorwurf ihrer Verirrungen gewesen seyn.
Ich war mit allem zufrieden, was Peninne gethan hatte, und freute mich, sie nach dieser Begebenheit ruhiger als zuvor zu sehn. Das bisherige Stillschweigen ihrer Mutter auf alle ihre Briefe, hatte sie oft sehr beunruhigt, sie glaubte, ganz von ihr vergessen zu seyn, und sie setzte jetzt große Hoffnungen auf die Vermittelung ihrer Schwestern, und den durch sie abgeschickten Brief, daß dadurch alle Misverständnisse aufgehoben werden würden.
Aber wie erstaunten wir, als wir nach einiger Zeit diesen Brief, ohne eine Zeile zur Beantwortung zu rück erhielten; auch das kleine Geschenk, das ich für die Frau, die ich so sehr verehrte, bestimmte, und das meine Gattinn nebst dem Briefe abgeschickt hatte, war verschmäht worden, und es enthielt Spuren, daß man ihm, diesem unschuldigen Merkmahl meiner Achtung mit der äußersten Geringschätzigkeit begegnet hatte.
[222] Meine Frau war in Verzweiflung, und ich kann nicht läugnen, daß auch ich nicht kaltsinnig bey der Sache blieb. Ein alter Soldat ist in solchen Dingen empfindlich. Sie müssen mir verzeihen, Madam, wahrlich, ihr Betragen kränkte mich in der Seele, und ich weis es nicht, ob ich in meinen Ausdrücken über diesen Punkt, allemal in den Schranken der Sanftmuth geblieben bin, wenigstens hat mir meine Peninne zuweilen so etwas vorgeworfen. Auch Amalie und Jucunde, bekamen ihren Theil an meinem Unwillen; sie waren in meinen Augen Friedensstöhrerinnen, oder hatten wenigstens ihren Auftrag schlecht ausgerichtet.
Peninne setzte ihre ganze Hoffnung auf eine mündliche Unterredung; sie sehnte sich nach Hohenweiler zu ihren Eltern, und ich hätte die angenehme Reise dahin, längst mit ihr unternommen, wenn nicht meine Geschäfte mich theils noch eine Zeitlang zu Wien aufgehalten, theils meine Gegenwart auf meinen Gütern nothwendig gemacht hätten; ich habe sie nunmehr alle besucht, alles auf denselben in Richtigkeit gebracht, nur das eine neugekaufte, haben wir noch nicht gesehen; es ist in ihrer Nachbarschaft, in denke mit meiner Frau morgen dahin abzugehen; es soll inskünftige unsere beständige Wohnung seyn. Es würde mir leid thun, wenn wir uns so bald wieder von denen, die wir lieben, trennen müßten.
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