Sam und Siuph, oder die Rache.

Sam war der unglücklichste unter allen Königen Egyptens. Der Perser Kambyses nahm ihm seine Krone, beschimpfte die Asche seiner Väter, raubte ihm seine Götter, entführte seine Weiber, tödtete seine Kinder, und lies ihm nur darum das Leben, weil er fühlte, daß der Tod eine Wohlthat für ihn gewesen seyn würde. Bey der Fülle des Elends, das wohl nie in solchem Maas über einen Sterblichen ausgegossen ward, hatte Sam keine Thräne für sich, keine für die erhabenen Leidenden, die seinem Herzen am nächsten waren. Groß und unerschüttert, ein Fels in Ungewittern stand er da, seine Standhaftigkeit spottete des Sclaven auf dem Throne, der vergebens strebte ihn zu[21] demüthigen, und er – – war und blieb ein König, mitten unter den Fesseln, die ihn zu Boden drückten.

Erst dann, als sein unermüdeter Peiniger anfing, seine Wuth an den treuen Dienern seines Ueberwundenen auszulassen, erst dann, als Egyptens König sahe, daß er zu schwach war, denen zu helfen, die ehemals ihm alles aufopferten, und nun den kargen Lohn ihrer Treue, Schutz und Rettung im Elend, vergebens von seinen gefesselten Händen erwarteten, erst dann brach sein Herz, und der persische Tyrann sahe des Helden erste Thräne.

Die Geschichte sagt, daß diese Thräne es war, die Sams Henker entwaffnete, und ihnen das Mordschwerd aus der Hand wand. Nur sehen wollte Kambyses, daß sein Ueberwundener kein Gott, daß er ein Mensch sey, um ihm Menschlichkeit zu zeigen, und man könnte sagen, Egyptens unglücklicher König habe nun Milde und Schonung erfahren, wenn Milde und Schonung für den noch möglich gewesen wäre, der alles verloren hatte.

[22] Sams unerschütterter Muth, oder wie seine Feinde es nannten, sein Starrsinn, der lieber alles dulden, als sich demüthigen wollte, hatte indessen doch einen Vortheil für ihn gehabt. Zwölf seiner jüngsten Söhne, die in dem Tempel des heiligen Stiers, nach der Weise der egyptischen Herrscher, ihres Standes unbewußt unter andern Kindern erzogen wurden, hatte man nebst ihren Gespielen nackend und gefesselt vor dem gequälten Vater übergeführt; man wußte, daß sie sich unter den jungen Unglücklichen befanden, die man aus der Sicherheit des Tempels gerissen hatte; man kannte sie nicht; man hoffte, eine väterliche Thräne würde sie verrathen, aber es ist schon gesagt worden, daß ihr Elend für Sams Thränen zu groß war, und daß diese erst auf geringere Veranlassung flossen.

Sams Söhne blieben unentdeckt, und da jetzt Milde und Schonung in dem Herzen der Tyrannen Platz zu gewinnen schien, so führte man sie nebst ihren Gespielen nicht zum Tode, wie vielleicht sonst, um den Streich, der Egyptens Königsstamm ausrotten [23] sollte, nicht zu verfehlen, geschehen seyn würde, sondern man hatte die grausame Barmherzigkeit, sie ihren Banden zu entnehmen, und sie nackend und hülflos ihrem Schicksale zu überlassen.

Unter diesen zweyhundert Knaben, deren keiner noch das zwölfte Jahr überschritten hatte, waren wenige, die in den damahligen schrecklichen Zeiten, da ganz Egypten im Blute schwamm, auf väterlichen Schutz hätten Anspruch machen können. Die Eltern dieser geschonten Kinder waren größtentheils nicht mehr, und die, welche durch Zufall der Wuth des Tyrannen, der alles geschlachtet hatte, was am memphitischen Hofe groß und edel war, entgangen seyn mochten, kannten ihre Kinder so wenig, als sie von ihnen gekannt wurden. Auch die Priester des Apis, die Verwahrer der heiligen Geheimnisse, waren nicht mehr, und niemand konnte also den kleinen Verlassenen Anleitung geben, wo sie etwa Recht und Hoffnung hatten, Zuflucht zu finden.

[24] Wieviel von diesen dem Schwerdt entflohenen Kindern, dem Hunger oder dem Elend zum Opfer wurden, gehört nicht hieher; aber Sams Söhne dürfen wir nicht aus den Augen lassen. Sie schienen ein vorzügliches Augenmerk der schützenden Gottheit zu seyn, die sie zu bessern Tagen aufbewahrte; ein alter Priester des Apis, der sie vorzüglich unter seiner Aufsicht gehabt hatte, lebte noch, und war glücklich genug, sie aus dem Haufen der freygelassenen Unglücklichen, der sich hier und dahin zerstreute, um hie und da den Tod oder Rettung zu finden, nach und nach zusammen zu bringen. Er sammelte sie in der Verborgenheit eines Palmenwäldchens, in welchem er seine Zuflucht gefunden hatte, und brachte sie, als erträglichere Zeiten eintraten, als der Tyrann anfing, mehr auf Schonung des eroberten Landes, als auf neue Grausamkeiten bedacht zu seyn, in den Tempel des Phtah, wo Ruhe bis zum Jünglingsalter den Unterricht begünstigte, den sie im Heiligthum der reinsten Gottheit der Egyptier finden konnten.

[25] Ich sehe Befremdung in den Augen der großen Termuthis, daß ich das Feuer der Sonne vorziehe; aber gewiß ists, daß selbst die Geheimnisse des großen Osiris den Nachkommen ihrer ersten Verehrer nicht so rein und unverfälscht erhalten wurden, als der Dienst jenes Elements, das durch die ganze Natur verbreitet, selbst der Sonne Licht und Wärme giebt. Es ist mir nicht erlaubt, mich hierüber näher zu erklären, und ich gehe zu jenen zwölf jungen Unglücklichen zurück, die an der Hand des weisen Arueris, so hieß der Erhalter dieser Verlassenen, bald vergaßen, daß außer den Mauren ihres Tempels, noch eine andre Welt vorhanden sey; erinnerten sie sich je derselben aus den wenigen Schritten, die sie am Triumphtage des persischen Tyrannen in dieselbe gethan hatten, so konnte diese Erinnerung nicht anders als unangenehm seyn, und sie ward daher bald unterdrückt; in den zarten Seelen der kleinsten dieser Unmündigen, konnte die rauhe Behandlung, die sie erfahren hatten, der Weg über Blut und Leichen, das Geschrey, die Verwirrung, welche damahls überall herrschte, nur widrige [26] Eindrücke zurückgelassen haben. Prinz Siuph, der älteste unter seinen Brüdern, ein zwölfjähriger Knabe, welcher durch Verstand und tiefes Gefühl noch einige Jahre über sein Alter voraus hatte, empfand beym Andenken an jene Scenen noch mehr; ihm war das Bild des großen leidenden Sam, des Königs in Fesseln, des Helden, der übermenschliche Kräfte äußerte, um nicht zu sinken, da alle Stürme irdischer Qualen auf ihn eindrangen, unvergeßlich; ihm flossen tausend heimliche Thränen, ihm tönten Seufzer der Nachahmung, und Wünsche der Rache; so wollte Siuph einst leiden, wären ihm Leiden wie Sams bestimmt; rächen wollte er ihn, wär ihm die Macht und Gewalt verliehen, von welcher oft ein dunkles ahndendes Bild durch seine Seele flog.

Siuph kannte den unglücklichen König von Egypten nicht als seinen Vater; blos Stimme der Natur war es, was hier in seinem Herzen sprach; er verstand ihn nicht, den heiligen Ruf, und blieb nebst seinen andern Brüdern in dem Wahn, der weise Arueris sey sein Vater. So wuchsen die Knaben [27] heran, bis Begebenheiten sich ereigneten, welche, da sie schon anderwärts beschrieben sind, nur im Fluge von mir erwähnt werden dürfen.

Arueris erzog nebst den jungen Prinzen noch einen andern Knaben von ihrem Alter, welcher ihn gleichfalls Vater, und seine zwölf Gespielen Brüder nannte. Arueris duldete dieses ungern; er sagte ihm, was er jenen nie sagte, daß er keine väterlichen Rechte auf ihn habe, und drohte oft, ihm den glorreichen Namen Sam, den er führte, zu nehmen, wenn er nicht aufhöre, sich mit seinen zwölf Gespielen, die von der Gottheit zu großen Dingen bestimmt seyen, in eine Klasse zu setzen.

Diese Worte fruchteten wenig mehr, als daß Sam seinen Wahn in seinem Herzen verschloß. Warum sollte er aufhören, die für seine Brüder zu halten, die ihn brüderlich liebten, und sich vom ersten Hauch des Lebens an, lange vor dem persischen Einfall, als Sam mit einer viel größern Anzahl von Gespielen im Isistempel erzogen [28] ward, vor allen andern brüderlich mit ihm verbunden hatten. Was die Beraubung des Namens Sam anbetraf, so wußte er, daß er ihn von jeher geführt hatte, daß er also sein Eigenthum sey, und noch dazu ein Eigenthum, auf welches er keinen Werth setzte, das er also willig mit jedem andern würde vertauscht haben; dieser Sam hatte nicht Siuphs Gefühle, dem alles heilig war, was eine Beziehung auf den letzten unglücklichen König von Egypten hatte.

Die Zeit kam nun heran, da der persische Tyrann es unleidlich fand, den Mann, dem er alles geraubt hatte, lebend zu wissen. Aus mancherley Ursachen hatte er dem großen Sam noch die letzte Wohlthat, den Tod, versagt; jetzt erwachte sein Grimm gegen ihn aufs neue, er ward aus seinem Kerker gezogen, und man hätte des Vorwands heimlich von ihm angerichteter Meuterey nicht nöthig gehabt, um den Schwerdstreich zu rechtfertigen, welcher ihn eines leidenvollen Lebens entnahm. König Sam starb gern, seine Freunde, die ihn sterben sahen, freuten sich seiner Befreyung,[29] und nur seine Feinde gingen in düstrer stummer Verzweiflung vom Richtplatz. Die Seele des Gottlosen hat ein eignes Gefühl, ein ewiges unveräußerliches Ueberbleibsel ihrer himmlischen Abkunft, vermöge dessen sie jeden weitern Schritt zum Abgrund, jedes neue Siegel, das ihrer Verworfenheit aufgedrückt wird, mit heimlichem Schaudern fühlt. Der mächtige Verbrecher sagt sich in solchen Augenblicken klar und deutlich, was sonst niemand ihm sagen dürfte, und fällt sich ein Urtheil, in dessen Bestätigung vor dem obersten Richterstuhl, dereinst alle Kräfte seiner zitternden Seele einstimmen werden.

An dem düstern, gedankenvollen Tage, welcher Egypten seinen letzten guten König nahm, hatte Arueris seine zwölf Pflegesöhne zu besondern heiligen Gebräuchen im innersten Tempel des Feuers versammelt; auch der Namensträger des großen Mannes der heute starb, auch der junge Sam, dessen wir vorhin gedachten, fehlte nicht unter seinen Gespielen.

[30] Er hatte seit einiger Zeit Ursache, sich noch unzertrennlicher von ihnen zu halten, als je zuvor. Im Tempel ging eine dunkle Rede unter den Priestern: Arueris Pfleglinge wären Egyptens Thronerben, und obgleich Sam seit dieser Zeit sehr gern aufhörte, sich für den Sohn seines Pflegevaters zu halten, so schloß er sich doch desto fester an die Prinzen, als seine Brüder, an. Die Ursache seines Verfahrens in tiefes Schweigen zu hüllen, war er sehr wohl gelehrt. Verschwiegenheit lernt sich nicht besser, als in den Göttertempeln; auch war er schon einst wegen zu freyes Geständnisses seiner Gedanken bestraft worden.

Es war Nacht, als Arueris sich mit der kleinen Anzahl seiner Lieben in einer der innersten Hallen des Tempels versammelte. Einem Klagopfer, dem Schatten des großen Todten geweiht, der heute verblich, folgten feyerliche Gelübde, der Tugend und dem reinen Dienst des Hephästos ewig treu zu bleiben, und den Schluß machte die Entdeckung des großen Geheimnisses von der Geburt, und den Ansprüchen der jungen Prinzen.

[31] Nein, meine Kinder, rief Arueris, ihr seyd nicht meine Söhne! eine höhere Abkunft ruft euch zu höhern Pflichten; es ist Zeit, diesen Tempel zu verlassen, und sie zu üben. Nicht Rache ists, was König Sams Schatten von Euch fordert, jene reine Seelen dort über den Sternen, durch himmlisches Feuer geläutert, fodern nicht von uns den Untergang ihrer Beleidiger, aber sie fodern Beglückung derer, die ihnen lieb waren; kann denn diese nicht ohne jene bewürkt werden, wohlan, so fallen die Tyrannen, aber nicht als Opfer der Rache, sondern der Gerechtigkeit; so werde Egypten gerettet, so falle auch der persische Tyrann, weil eines das andere nach sich zieht.

Arueris Rede und Unterricht an die Prinzen dauerte noch lange, und verbreitete sich über alle Theile des künftigen Verhaltens, das ihnen nöthig seyn würde, und Sam drängte sich dichter in ihren Kreis, um sich alles dessen, was hier gesagt und vorgenommen wurde, desto gewisser theilhaftig zu machen. Er wußte sehr wohl, daß nur zwölf egyptische Prinzen vorhanden [32] waren, und daß also unter der Zahl von dreyzehn Personen, die sich hier versammelt hatten, einer ausfallen müßte; aber dieser eine mochte und wollte er nicht seyn, ob er gleich wissen konnte, daß kein andrer, als er, der überzählige war.

Am Ende schritt Arueris, der es nicht gewahr geworden war, daß sich hier ein Fremder in den heiligen Zirkel geschlichen hatte, zur Entscheidung: welcher unter den Prinzen, deren außer Siuph noch verschiedene dem Jünglingsalter nahe waren, das Schwerd wider den Tyrannen führen sollte. Opferschaalen wurden gebracht zum heiligen Trankopfer, bey welchen, so versprach es der Diener Hephästos, die Gottheit sich durch ein besonderes Zeichen erklären würde, welchen unter den Brüdern sie zum Heerführer wider den Tyrannen, zum Befreyer Egyptens erwähle. Ein jeder der Brüder nahm die seinige, und füllte sie mit dem heiligen Opferwein, den er in die Flamme ausströmte, nur für Siuph und den eingedrungenen Sam ward kein Gefäß gefunden, der Gottheit das Opfer zu thun.

[33] Sam, der nicht gewahr ward, daß es außer ihm noch einem von der heiligen Gesellschaft so gegangen war, stand beschämt, wie ein Verbrecher, und ertrug nicht Arueris treffendes, jetzt erst auf ihn gerichtetes Auge, indessen Prinz Siuph schnell sich erholte, und sich durch das, was er that, selbst die Stimme zum Haupt seiner Brüder gab. Er fand nichts besonders darin, daß man bey den Anstalten zum Opfer auf ihn nicht gerechnet hatte, auch war er nicht verlegen, was hier zu thun sey. Die Jünglinge waren von den ritterlichen Uebungen, die in dem Tempel des Phtah nicht verabsäumt wurden, sogleich zum Opfer geführt wor den; noch befanden sie sich in dem Kriegsgewand, und Siuph nahm sogleich den Helm von seinem Haupte, und bediente sich desselben statt der fehlenden Opferschaale. Die Glut wallte höher auf, und die Söhne Sams, die dieses als das versprochne Zeichen ansahen, sammelten sich jauchzend um ihren Bruder, ihm die Huldigung als ihrem Oberhaupte zu leisten, die er als der Erstgebohrne, Weiseste und Beste unter ihnen, ihrem eigenen Urtheil nach, so wohl verdiente.

[34] Ihr habt recht, meine Kinder, rief Arueris, als sich der fröhliche Tumult um Egyptens künftigen Retter geendiget hatte. Siuph ist der von der Gottheit Erkohrne; aber nicht weil die Flamme von seinem Opfer höher aufstieg, sondern weil er in dem wenigen, was er that, einen Beweis ablegte, daß er geschickt sey zu dem großen Werke. Weit entfernt, sich von dem anscheinenden Zeichen göttlicher Verwerfung, der fehlenden Opferschaale, muthlos machen zu lassen, goß er der Gottheit sein Trankopfer aus diesem Helm, der mit Lorbeern bekränzt, einst der Krone Platz machen wird; gleich entschlossen in den größten Verlegenheiten, gleich scharfsinnig in der Wahl tauglicher Mittel, wird er sich den Weg zum Throne bahnen, wird er dem seufzenden Egypten das persische Joch von dem Nacken nehmen, und den Völkern des Nils die Zeiten seiner ersten Götterkönige wieder bringen.

Als Arueris geredet hatte, sahe er sich um nach dem eingedrungenen Sam, um auch diesem einige Weisung wegen seiner Verwegenheit zu geben; allein er war verschwunden, [35] verschwunden nicht allein aus diesem Zirkel, sondern auch aus dem Tempel; alle Nachforschungen, die man in den folgenden Tagen seinetwegen anstellte, waren vergebens.

Meine Kinder, sagte der tiefdenkende Arueris, seltsame Bilder der Zukunft gehen vor meiner Seele über. Sams Schicksal wird sich einst wunderbar in das Eurige verweben; laßt uns dem Gott der Rache, dem furchtbaren Typhon, Opfer bringen, damit er das Unglück abwende, das vielleicht Egyptens künftigen Rettern droht, damit er vergangene Schulden abgebüßt seyn lasse, und nicht an den Kindern räche, was vielleicht der Vater verbrach.

Die große Termuthis erlaube mir den Priester des Hephästos, und die Prinzen ihrer Andacht bey den Altären der furchtbarsten Gottheit, unter allen Göttern Egyptens zu überlassen, und dem jungen Sam zu folgen, welcher, wie ich schon gesagt habe, nach dem Siegel der Verwerfung, das er bey König Sams Todtenopfer erhielt, sogleich [36] den Tempel verlassen hatte, um in der weiten Welt Schadloshaltung für das zu suchen, was er hier verlohren zu haben glaubte.

Die Empfindungen Sams, als er die Mauern des Tempels verlies, waren unaussprechlich. Sein Wahn, er könne mehr seyn, als man ihm erlaubte von sich selbst zu wissen, war seit einiger Zeit fest genug geworden, um alles zu überstimmen, was ihm von seiner niedrigen Herkunft bewußt war. Seine frühsten Erinnerungen verlohren sich in einer dunkeln Hütte, aber die Vorstellung, daß er demohngeachtet, sowohl als Sams Söhne, wenigstens so gut als Siuph, zum Throne gebohren seyn könne, war ihm durch geflissentliche Anhänglichkeit an den Gedanken, das Glück, welches ihn bisher in allem den Prinzen gleichgesetzt hatte, könne ihn nun hier nicht zurücklassen, so ungezweifelt geworden, daß er sie nicht ohne die heftigsten Schmerzen aufgeben konnte.

Er ging in den dunkeln Straßen der Stadt und weinte, und rang die Hände. [37] Also sie angenommen, und ich verworfen! sagte er zu sich selbst. Und warum eben sie? Sam hatte nur zwölf Söhne, das ist bekannt, vielleicht nur eilf, wie die Begebenheit beym Opfer fast zu beweisen scheint, aber warum mußte nun eben ich der Verstoßene seyn! Dieser Siuph, hatte er nicht gleiches Merkmahl der göttlichen Verwerfung? Die Kühnheit, mit welcher er sich den Göttern zum Trotz in die heilige Zahl eindrang, würde sie ihn ohne Begünstigung jenes falschen Priesters, der es nie redlich mit mir meynte, gelungen seyn? Ich stand beschämt, weil ich den Ausspruch der Gottheit ehrte; aber er, war er nicht eben sowohl verworfen als ich? und er soll siegen, blos weil er glücklicher ist, als der elende Sam, der nun von der ganzen Welt ausgestoßen, dem Tode entgegen geht, da er sein Leben nicht an dem Orte fortsetzen mag, wo seine Feinde wohnen!

Sam hatte seine Klagen nicht so heimlich ausgestoßen, daß sie ungehört hätten bleiben können. Sein Seufzen tönte durch die Stille der Nacht, und so einsam jetzt [38] zur Zeit des tiefsten Schlafs die Gegend war, wo er wandelte, so gab es doch einen, von dem er nicht unbemerkt blieb, und der sich schon seit einigen Minuten ihm genugsam genähert hatte, um keines seiner Worte zu verlieren.

Der junge Trauernde fühlte sich auf einmahl von Freundes Armen umschlungen, und Worte flüsterten ihm ins Ohr, die vielleicht das einzige Mittel waren, ihn vom Dahinsinken in völlige Verzweiflung zu retten.

Nein, mein Kind, tönte die freundschaftliche Stimme, du bist nicht verlassen, nicht verworfen, wenigstens nicht von mir. Den Sinn deiner Klagen verstehe ich zwar kaum halb, aber komm zurück in die heiligen Mauern, und öffne mir dein Herz, du sollst Tröstung finden. Und warum verließest du den Tempel ohne mir, wenigstens mir Kunde von deinem Entschlusse zu geben? Meynst du, unter den Dienern des heiligen Feuers sey blos Arueris für dein Wohl besorgt? er, gegen dessen Redlichkeit [39] du, wie es scheint, bereits Muthmaßungen hast? Komm mit mir zurück, ich will deine Gedanken hierüber auf eine Art aufklären, die dir deine bisherige Blindheit in diesem Stück unbegreiflich machen wird.

Der weinende Sam fühlte sich würklich in den Armen eines Bekannten, eines Priesters aus dem Tempel, den er eben verlassen hatte. Seine Thränen wurden durch den Trost, den man ihm zusprach, noch häufiger hervorgelockt, und sein Stöhnen wurde jetzt so laut, daß Besa, dies war der Name des mitleidigen Priesters, ihn auf die Seite führen mußte, damit nicht der Zufall noch irgend einen Theilnehmer seines Geheimnisses herbey zöge.

Besa führte den trostlosen Jüngling in ein verlassenes Gebäude, das am Wege lag; man durfte hier keine Aufmerker besorgen; ein steinerner Sitz an der Mauer nahm die beyden Freunde auf, und nachdem die unabläßig tönenden Klagworte Sams: Sie angenommen, und ich verworfen! deutlichern Erklärungen Platz[40] machten, so erfuhr Besa alles, was diese Klagen und diese Thränen hervorlockte.

Mein Sohn, sagte Besa, nach einem Stillschweigen, in welchem er das, was er gehört hatte, reiflich zu überlegen schien, das, was du mir offenbaret hast, ist mir keinesweges ganz neu; um deinen Ursprung weiß ich vielleicht bessern Bescheid, als irgend ein Mensch auf der Welt. Daß er königlich ist, beweißt dir der königliche Name, Sam, den nie ein anderer trug, als die Abkömmlinge der Herrscher Egyptens. O jener falsche Priester, jener Arueris, hatte wohl Ursach, dir einst mit Beraubung dieses Namens zu drohen! Freylich, würde er dir in ihm, das vorzüglichste, ach, daß ich es sagen muß! das einzige Document geraubt haben, das uns von deiner Herkunft übrig ist. Verlange jetzt, in dieser uns kurz zugemessenen Zeit, keine umständliche Auseinandersetzung dieser Dinge; wisse nur so viel: Du bist so wohl zum Throne gebohren, als Arueris Pfleglinge, und Besa wird nicht ruhen, bis er dir deine Rechte gesichert hat. Komm jetzt zurück in [41] den Tempel, er ist der einzige Zufluchtsort, den ich dir zu geben vermag; aber heimlich mußt du ihn in Zukunft bewohnen. Arueris glaube immer, daß seine Ungerechtigkeit gegen deine Ansprüche, dich aus dem Tempel vertrieben habe. Er halte dich immer für eine Beute des verderbenden Zufalls, oder der Mordlust der Perser, welche in dir die Ansprüche zur Krone, die dir auf der Stirne geschrieben stehen, nicht verkannt, und dich bald genug ihrem Tyrannen ausgeliefert haben würden; er denke sich immer mit heimlichem Triumph: dein Tod werde nun das Glück seiner Lieblinge desto sicherer machen, dies ist besser, als wenn du noch, ihm bekannt, unter seinen Augen lebtest, wo er nicht ermangeln würde, dich seinem Siuph, bald oder spät, zum Opfer zu schlachten.

Besa und Sam hatten unter diesen Gesprächen den Tempel erreicht; dem letzten war es in der Verwirrung, in der halben Verzweiflung, in der er sich befand, nicht sonderbar vorgekommen, daß er ihn unverschlossen und unbewacht gefunden hatte, als [42] er ihn verlies, und eben so wenig befremdete es ihn, daß bey seiner Rückkehr die heiligen Pforten, ihn und seine Begleiter, noch eben so ungehindert und unbemerkt aufnahmen. Sein Freund hätte nicht Ursache gehabt, ihm Aufklärungen hierüber zu geben, wie er würklich that, als er ihn genöthigt hatte, in einer Nische, über welcher eine Ampel schwebte, Platz zu nehmen.

Erhole dich hier, mein Sohn, sagte er, und erwarte mit mir die Ankunft desjenigen, dem sich diese Nacht unsere Pforten öffneten, und dem ich entgegen gesandt wurde. Die Schickungen der Götter sind wunderbar: den unglücklichen König, den Gott gerichtet hat, sollte ich einladen, hier die letzte Todenweihe zu erhalten, und ich fand den, der Gottes Gericht an ihm rechtfertigen wird. O Sam, wenn einst Gott, zwischen dir und den Söhnen des Gerichteten entschieden hat, und du auf dem Stuhl des Pharao Hophra sitzest; Sam! sey dann ein guter König. Des Menschen Leben dauert nicht ewig, dem Fürsten entflieht es so schnell, wie dem Bettler, und bald kommt [43] die Stunde, die dann zwischen Bruder und Bruder entscheidet.

Sam antwortete nichts auf diese Formel, welche den Priestern bey ähnlichen Gelegenheiten zu sagen gewöhnlich war; doch rief das, was er gehöret hatte, seine Seele aus dem dumpfen Tiefsinn in helleres Bewußtseyn zurück, und neugierige, frohe, befremdende Fragen würden seinen Lippen entschlüpft seyn, wär nicht seine Aufmerksamkeit in diesem Augenblicke auf andere Gegenstände gezogen worden.

Eine kleine Anzahl von Isispriestern, ihre weißen Gewande und der Mondgeformte Hauptschmuck machte sie kenntlich, nahte gegen den Tempel sich aus der Ferne. Ihr Zug war langsam; wenige Fackeln leuchteten ihnen; sie trugen die Ueberbleibsel des unglücklichen Prinzen, der am vorigen Tage unter dem Schwerd des Tyrannen gefallen war.

Als sie die Stufen des Tempels heraufkamen und das Marmorpflaster des Vorhofs betraten, winkte Besa seinem jungen [44] Gefährten, sich zu erheben, und ein auf den Mund gelegter Finger gebot ihm ein Stillschweigen, welches er ohnedem zu brechen keine Lust zu haben schien.

Mit auf die Brust gekreuzten Armen und niedergesenktem Haupte, begrüßte man den Leichnam und seine Träger; man ließ ihn von den Schultern herab auf den Boden, und schlug die Tücher zurück, die seine Wunden verhüllten.

Fluch über den, der diesen Heiligen ermordete! rief einer der Leichenträger. Wer ist heilig vor dem reinen Auge des Himmels? antwortete Besa, oder, wer darf meistern, wo Gott gerichtet hat? Sam, der sich noch immer für einen der Söhne des Ermordeten hielt, glaubte hier weinen zu müssen; aber die Thränen konnten den Weg nicht durch seine Augen finden, und er setzte blos ein Knie auf die Erde, um den Saum der Leichentücher zu küssen. Zurück! sagte Besa, mit halb lauter Stimme, hier gelten keine verstellten Empfindungen. Deine Pflichten gegen diesen Toden sind andrer Art, als du meynst.

[45] Die Priester standen noch eine Weile mit zusammengeschränkten Armen, und schweigend über den Toden gesenktem Blick, als begönnen sie in ihrem Herzen bereits das Todengericht, das in einigen Tagen über ihn sollte gehalten werden; dann schaueten sie sich noch einmahl ernst und voll Wehmuth an, und beluden sich von neuem mit der heiligen Last, die sie, unter Vortritt des alten Besa, durch eine der Thüren, die nach den innern Tempel führten, welche Sam zuvor nie öffnen sah, hinwegtrugen. Ein Wink von Besa verbot dem Jünglinge die Nachfolge. Die Pforte, durch die man gegangen war, verschloß sich, und Sam war allein in dem weiten Gewölbe, welchem das Licht der erlöschenden Ampel, die nur bis auf gewisse Stunden der Nacht zu brennen bestimmt war, einen grauenvollen Anstrich gab.

Diese Stunden, welche die alten Bewohner des Nils, nur den Tod der Nacht zu nennen pflegen, sind diejenigen, welche zunächst an den Morgen gränzen; sie sind die stillsten, düstersten und deutungsvollesten [46] in der Natur. In ihnen ruhet alles; selbst der müde Arbeiter und der tiefe Denker, welcher die Mitternacht noch wachend heran brachte, sinkt in ihnen dem Schlaf in die Arme; der erste Hahnenschrey ist vorüber, der Mond hat sich ins Meer gesenkt, und selbst die Sterne flimmern mit matterm Licht, weil sie Auroren von ferne sehen. Diese Augenblicke sollen, so geht die Sage, dem Ruf der Götter, und den warnenden Träumen, besonders heilig seyn, wohl dem, der ihre Stimme zu deuten weiß!

Almé! fuhr bey diesen Worten die große Termuthis auf; Almé! was sagst du?

Was befiehlt meine Gebieterin? antwortete ich voll Erstaunen, mich auf diese Art unterbrochen zu sehen.

O ich weiß selbst nicht! antwortete die Dame, indem sie die Augen rieb, und mir gebot, die Kerzen heller brennen zu machen. Ich glaubte, geschlafen, geträumt zu haben, gleichwohl weiß ich jedes Wort, das du sagtest. Mich dünkt, du sprachst von warnenden Nachtgesichern.

[47] Sam, fuhr ich fort, stand im Begriff, in den Stunden, welche jetzt auch über uns schweben, eine Erfahrung von etwas ähnlichem zu machen. Ihn drängten zu mancherley Gedanken, zu vielfache Gefühle bestürmten seine Seele, als daß er hätte schlummern können, und wachend war es, daß er aus einem der tiefsten Tempelgewölbe eine Stimme vernahm, die seinen Namen nannte.

Besa's Ruf war es, was er zu hören glaubte, und er eilte, so gut es die Dunkelheit verstattete, demselben entgegen, als die nehmliche Stimme von einer andern Gegend herüberschallte. Schon war er im Begriff, sich nach derselben zu wenden, als Besa dicht neben ihm mit einer Fackel aus einer Thür trat, und ihn mit einem verweisenden Blick fragte, was er hier suche, da ihm geboten worden sey, im Vorhof zu warten?

Ich glaubte, von dir gerufen zu seyn, erwiederte der Jüngling.

Von mir? antwortete Besa.

[48] Zum zweytenmahl, mein Vater; doch mit Befremden hörte ich in diesem Augenblick deine Stimme aus dem Gewölbe dort drüben, da du mir nun hier erschienst.

Sam! Sam! erscholl es jetzt weit stärker, als zuvor. Besa hörte es, und Sam schauderte.

Sohn, sagte Besa, indem er sich mit der leuchtenden Flamme entfernte, haben die Götter mit dir zu reden, so kann ich es nicht wehren. Der Ruf kam vom innern Heiligthum; du weißt, wo du mehr zu erfahren, und deine Antwort zu ertheilen hast.

Es waren noch wenig Stunden, bis zum Morgen. Als die Priester der untersten Ordnung in den Tempel kamen, die Pforten zu öffnen und Wasser zum Frühopfer zu holen, fanden sie Sam leblos auf dem Boden ausgestreckt.

Voll Furcht, als er sich erholte, zu Arueris gebracht zu werden, den man als seinen Aufseher kannte, nannte er Besa; man brachte ihn zu demselben, und er ward von ihm mit Blicken empfangen, in welchen [49] die lebhafteste Begierde, von den Vorgängen vergangener Nacht unterrichtet zu seyn, geschrieben stand.

Sam zitterte, stockte, und versicherte am Ende, er sey sich von dem Augenblicke an, da ihn Besa in der Dunkelheit zurück gelassen habe, nichts mehrerern bewußt, als eines vierten Rufs von jener furchtbaren Stimme; und das Entsetzen über die Möglichkeit einer unmittelbaren Offenbarung der Gottheit sey es vielleicht gewesen, was ihm hie Kraft und Besonnenheit geraubt habe.

Besa sah den Jüngling mit einem durchdringenden Blicke an, indessen dieser die Augen niederschlug, und fernern Fragen durch die Bitte auszuweichen suchte, ihm möchte ein Ort angewiesen werden, an welchem er, als nunmehr unmittelbar unter Besa's Schutz lebend, vor Arueris Augen verborgen bleiben könne; eine Bitte, welche, da Besa die äußern zum Tempel gehörigen Gebäude unter seiner Aufsicht hatte, sehr leicht zu bewilligen war.

[50] Die vierte Nacht war zur ersten Hegung des Todengerichts bestimmt. In der Stille und unter weniger Begleitung war, wie ich der großen Termuthis sagte, der königliche Leichnam hier eingebracht worden; man hatte ihn den Persern, seinen Mördern, heimlich zu entrücken gewußt, und es kam alles darauf an, daß ihnen, was nun mit demselben vorgenommen werden mußte, verborgen blieb. Aber da diese Dinge, nach den Gesetzen der großen Isis, die Gegenwart des ganzen Volks, wenigstens des größern Theils der Bewohner von Memphis erforderten, so war blos den Feinden die Wichtigkeit der kommenden Tage unbekannt; aber das Volk des Nils bereitete sich im Stillen zu den heiligen Festen, und kaum erschienen am bestimmten Tage jene düstern schweigenden Stunden, wo Mitternacht an Morgen gränzt, so öffneten sich die Pforten des Tempels, so strömte still und schweigend von allen Seiten das Volk herein, und die heiligen Gebräuche begannen, deren Bild für die Könige künftiger Zeiten aufbewahrt werden sollte, um sie zu lehren, daß sie Menschen sind.

[51] Im innern Heiligthum des Tempels des großen Phtah, senkten sich zweyhundert Marmorstufen in ein weites Gewölbe hinab, wo die Priester dieses Gottes ihre heiligsten Mysterien zu halten pflegten. Zu einem Todengericht war dasselbe noch nie gebraucht worden; aber die Unmöglichkeit, bey den gegenwärtigen Zeiten den Leichnam nach den Ufern des schwarzen Sees zu bringen, über welchen die Feinde sich verbreitet hatten, deren unheilige Augen man scheute, diese Unmöglichkeit rechtfertigte die Ausnahme, die man machen mußte; auch hatten die Diener Hephästos nichts verabsäumt, was die hier noch nie gehaltene Feyer von ihrem Tempel erforderte.

Sam, der von Besa geführt, die schauervolle Stätte zuletzt betrat, erstaunte über den Anblick, der sich seinen Augen darbot. Diese Menge versammelten Volks, und dieses Schweigen, diese halbhelle Dunkelheit, die man nur im Tempel des Feuers erkünsteln konnte, dieses ganze All, wer hat je etwas ähnliches gesehen, und sahe er es, wer kann es beschreiben? Sams Leichnam, [52] der Leichnam des großen, des angebeteten Königs, den selbst Fesseln nicht erniedrigen konnten, lag in Leinewand gehüllt mitten unter dem Volke, das ehemahls von seinem Winke abhing; keine Krone, kein Abzeichen seiner Hoheit schmückte ihn, sie würden ihn nicht geschmückt haben, und wär' er in der Herrlichkeit Sethons gestorben; seine Armuth, die scheinbare Verachtung, in der er, als des Persers Ueberwundener, ein Opfer seiner Grausamkeit, fiel, machte, daß man ihm (ein Vorzug vor allen Königen Egyptens) einen Cypressenkranz gegönnt hatte. »Diademe,« sagte der Isispriester, welcher die Anrede an das Volk hielt, »Diademe folgen uns nicht über das Grab; aber unverschuldete und heldenmüthig ertragene Leiden sind ein Kranz für die Ewigkeit; und nun ihr Völker des Nils, nun beginnt das Todengericht über diesen Menschen, der einst Euer König war, nun urtheilt, ob ihm auch dieser Kranz entrissen werden muß, so wie ihm seine Krone entrissen ward; Ein von Euch erpreßter Seufzer, eine Thräne, nimmt dem, was er erduldete, die herrliche Benennung unverschuldeter [53] Leiden, stempelt sie mit dem Namen göttlicher Rache, und macht Euren Feind, den Perser, zum Ausrichter des Winks der Gottheit.«

Der Redner hatte noch nicht geendet, so unterbrach ihn das Volk mit der Stimme des unterdrückten Weinens. Wer von der versammelten Menge sich zu Worten ermannen konnte, rief: »Er war nicht unser König! er war unser Vater!« Viele erzählten einzelne schöne Thaten von ihm, und einige, die weder Thränen noch Worte hatten, legten Kränze, aus der Blume der Isis geflochten, zu den Füßen des Leichnams, und verstohlen sich schnell wieder unter den Haufen, wohl wissend, daß dieses Opfer wider die Gebräuche des Tempels, und die Annäherung zu den heiligen Gebeinen vielleicht zu kühn war, um ungeahndet zu bleiben.

Arueris und seine Pflegesöhne waren gegenwärtig, und man kann denken, welche Rolle sie bey diesem Todenfeste spielten. Doch, sie wollten nicht für das erkannt seyn, was sie waren; auch kennte, auch bemerkte man [54] sie nicht. Hier war ein ganzes Volk, das seinen Vater betrauerte; die eigenthümlichen Kinder dieses Vaters, konnten sich durch ihren Schmerz nicht besonders auszeichnen.

Weil man den Tag fürchtete, und die Wächter des Tempels ansagten, daß sich die Spitzen des Isistempels rötheten, so war man bereits im Begriff, das Gericht vor heute aufzuheben; als Besa aufstand, und sich dem Toden nahete. Ist keiner, rief er mit erhobener Stimme, keiner unter Euch, der diesen Toden eines Unrechts zeihe?

Das Volk schwieg, und seine Thränen strömten von neuem.

Und ihr, ihr Priester, fuhr Besa fort, ihr Diener der Wahrheit, ihr einzigen richtigen Beurtheiler dessen, was vor den Göttern rein ist, und den Blick des Himmels vertragen kann, auch ihr schweiget, und wißt keinen Makel an diesem Menschen? Keinen! erwiederten die Diener der Gottheit, und das Volk setzte hinzu, wie im Wiederhall: Keinen!

[55] Arueris! fuhr Besa fort, indem er sich zu dem Schützer der Söhne Sams wendete; Arueris, ich beschwöre dich, bey deinen und meinen Gottheiten, bey der Natur und ihrem Diener, dem Feuer, auch du, auch du lässest diese Hände schuldlos? auch du gönnst diesen Schläfen diese Krone? Besa's Gesicht wurde bey diesen mit der größten Heftigkeit ausgesprochenen Worten mit Glut übergossen, und Arueris erbleichte.

Und ob ich, hub er auf Besa's zweyte Aufforderung zu reden an, und ob ich einen Flecken in der Sonne kennte, dürfte ich darum ihr Licht lästern? und ob ich wüßte, daß Sam ein Mensch war, der fehlen konnte, würde nicht der Laut der schwachen Anklage von dem bloßen Namen Vater, den ihn ein ganzes Volk giebt, verschlungen werden?

Arueris sprach schwach und zitternd, sein Gesicht ward bleicher, und Siuph, der neben ihm stand, mußte ihn unterstützen, weil er im Sinken war. Ach! Siuph selbst, und alle seine Brüder, zitterten, und schwankten bey dem Gedanken: auf ihren [56] großen Vater könne etwas gebracht werden, das ihm den Eingang in die Wohnungen der Seligen verwehrte, oder seinen Nachruf mit einem Flecken verunstaltete.

Besa erwartete nicht, bis Arueris sich erholte; das Volk schien nicht sehr verlangend zu seyn, aus seinem Munde etwas zu vernehmen, das seinen Abgott zum Menschen herab setzte, sie sahen auf Besa's Gesicht die Miene des Anklägers, sie hätten ihm gern geboten zu schweigen; auch ertönten schon hier und da einige Stimmen, welche sagten: die Götter könnten vergeben; die Götter hätten gerichtet; Sams Fehler, daferne er einige gehabt hätte, könnten unmöglich mit seinen Tugenden und erdulteten Leiden gemessen werden; aber Besa ließ sich nicht irre machen. Er erhob seine Stimme zum zweytenmahl und rief: Ich klage diesen Toden an, wegen des Pharao Hophra, den er im Kriege überwand. Ich weiß, gerecht waren Sams Waffen gegen ihn, ich weiß, Schickung der Götter war es, daß Sam so lange Jahr auf seinem Stuhl saß; aber, war auch Gerechtigkeit auf der Seite des [57] Ueberwinders, so wie sie auf der Seite des Krieges war? Was that Sam, nachdem er gesiegt hatte? und wo sind Pharao Hophras Sohn und Enkel?

Sam, der sich schon alle diese Zeit über bestrebt hatte, den Redner zu unterbrechen, nahm hier das Wort:

Volk der Sonne, rief er, Hophras Enkel bin ich, ich kenne die Rechte, die mir meine Geburt giebt und morgen will ich sie behaupten. Jetzt eilet, Euch zu zerstreuen. Die Morgenröthe verkündigt den Tag; die Feinde erwachen; Euch und uns droht der Untergang!

Nie ist wohl eine Versammlung, die sich so still und friedlich anfing, verwirrungsvoller geendiget worden. Das Volk verstahl sich weinend zu seinen Häusern. Um Hophras, des Unterdrückers willen, sagte einer zum andern, soll unser Vater die ewige Ruhe missen? Seinem Sohn sollten wir unterthan seyn, wenn das Joch des Tyrannen bricht, da noch Kinder Sams vorhanden seyn müssen, ihres Vaters sanfte [58] Regierung bey uns zu erneuern? Saht ihr die schönen Jünglinge, die den weisen Arueris umringten? Einer von ihnen, oder alle, sind vielleicht die Söhne unsers guten Königs! Einer von ihnen wird doch in die Fußtapfen des besten der Könige treten! Hinweg mit dem Enkel Hophras, und Fluch über Besa, der den Triumph des Heiligen verzögert!

Während das Volk auf diese Art urtheilte, gingen unter den Priestern eben so ernste, aber weit schlauere Berathschlagungen. Die Anwesenheit der Kinder Sams war nicht mehr zu läugnen. Hophras Enkel war gleichfalls gefunden, es war wohl der Mühe werth, gewiß zu seyn, welche von beyden Partheyen die meiste Wahrscheinlichkeit hatte einst zu siegen, und auf welche Seite man sich also mit Rathsamkeit schlagen könne.

Arueris erhielt Vorwürfe von allen Seiten; von den Priestern, die noch keine Parthie ergriffen hatten, weil er eigenmächtig gehandelt habe, von Besa und seinem Anhange noch weit schärfere, und selbst seine [59] Pflegesöhne klagten ihn an: aus Partheylichkeit für sie, des jungen Sams Rechte unterdrückt, und dem Namen ihres Vaters einen Schandflecken angehangen zu haben. Siuph besonders war versichert, dies sey seines Vaters Wille nicht gewesen; Sams gleiche Erziehung mit ihm und seinen Brüdern beweise, daß er ihm gleiche Rechte mit ihnen habe gönnen wollen; dies öffentlich zu bekennen, und in seinem und seiner Brüder Namen zu versichern, daß er Sam für Bruder erkenne, und kein Glück ohne seine Theilnahme genießen wolle, dies solle sein Geschäft am künftigen Tage seyn, und er hoffe, dies werde Sam und Besa befriedigen, das Volk trösten, und des Königs Gebeinen die heilige Salbung, und die Ruhe in den Gräbern seiner Väter verschaffen.

Besa riß sich am Abend von dem Getümmel, das ihn den ganzen Tag umringt hatte, los, den jungen Sam zu umarmen. Indessen die Priester beyder Tempel nicht müde wurden, ihm Glück zu wünschen und sich ihm und seinem Prinzen zu empfehlen, [60] war er noch zweifelhaft, wie das alles enden würde, und er brannte vor Verlangen, tausend Dinge aus seines Pflegesohns Munde zu erfahren, die ihm noch ein Räthsel waren.

O Sam! rief er, als er endlich Freyheit gewann, sich allein mit ihm zu unterhalten, Liebling der Gottheit! wie erfuhrst du das Geheimniß deiner Geburt, das ich dir erst heute in voller Versammlung zu entdecken, dich damit zu erfreuen, und den stolzen Arueris zu beschämen dachte? War dies die Offenbarung, die du in der Nacht, die dich in meine Arme lieferte, erhieltest? Was waren ihre fernern Weisungen? Wie wirst du den Perser demüthigen? Wie Sams Söhne verdrängen, und Arueris strafen?

Sam war der Muthmaßung, die Besa von der Art hegte, wie er zu Entdeckung des Geheimnisses gekommen sey, nicht entgegen; das andere beantwortete er mit lächelndem Stillschweigen. Besa, versetzte er, auf ferneres Eindringen, Besa handelte so wenig ganz rein und edel in diesen Dingen [61] als Arueris. Verdient Arueris Strafe, wo wird Besa bleiben? Prüfe dich, Besa, ob dir es mehr um die Gerechtigkeit, mehr um mein Glück, oder mehr um die Wonne zu thun war, Egypten einen König gegeben zu haben? Was meine übrigen Entschlüsse anbelangt, so werden sie sich in wenig Stunden enthüllen. Schon neigt sich der Tag; wie bald wird die Mitternacht da seyn, welche über das arme Häufchen Asche, das einst König Sam war, entscheiden, und seinen Nachfolger, der ja vielleicht bald, wie er, im Staube liegen wird, bestimmen soll.

Besa fand alles groß und königlich, was Sam sagte, von der gestrigen gebietenden Entlassung des Volks an, bis auf die heutige Erklärung. Er war gewiß in seinem Herzen, Sam einst als Egyptens Pharao zu sehen, aber er sagte es sich leise und nicht ohne Kummer: nicht als einen solchen, der sich von einem Besa würde beherrschen lassen. Wie hat sich, endete er sein Selbstgespräch, wie hat sich dieser junge Mensch seit heut und gestern geändert! Hat die Offenbarung [62] im Tempel, oder die Kenntniß seiner Geburt, dieses Wunder gewürkt?

Die Stunden der Entscheidung kamen, die Einwohner von Memphis versammelten sich in weit größerer Anzahl als in voriger Nacht, das letzte Endurtheil über ihren guten König zu vernehmen. Viele von ihnen waren entschlossen, sollte dasselbe widrig ausfallen, die Rechte des Verstorbenen auf das Loos aller guten Könige Egyptens, mit ihrem Blute zu verfechten, Pharao Hophras Enkel nicht anzuerkennen, und sich laut für Sams Söhne zu erklären. Die Unglücklichen! Welch ein Entschluß! Vergaßen sie, daß das Joch der Perser noch nicht gebrochen war? daß man ihnen kaum die zahlreiche Versammlung in dem Göttertempel, noch vielweniger die Veranlassung derselben ungerochen würde haben hingehen lassen? daß viele von ihnen, daß wenigstens König Sams Kinder das Opfer ihrer Voreiligkeit würden gewesen seyn, im Fall von diesen nächtlichen Verhandlungen etwas lautbar geworden wäre?

[63] Die Götter, welche alles zum besten lenken, und die selbst unserer Unvorsichtigkeit Einhalt zu thun wissen, wenn dieselbe ihre Rathschlüsse zu durchkreuzen droht, hatten der Sache, die so bedenklich hätte werden können, ein Ende bestimmt, das außer Einem, den ihre Hand leitete, niemand voraus wußte, und das für alle gut war oder gut hätte werden können.

Ich schildere der großen Termuthis nicht das Aeußere des zweyten Todengerichts über Egyptens König; noch einmahl, es war dem ersten vollkommen gleich, nur, daß die Versammlung weit größer, die Gemüther erwartungsvoller, und das arme Häufchen Asche (Sams Worte zu wiederholen), das einst Egyptens König vorstellte, seiner Vernichtung weit näher war, als gestern; fünf heiße Egyptische Tage waren verflossen, seit dieser Leichnam seiner letzten Ruhestatt harrete. Sams Söhne hingen mit kummervollem Blicke an den Ueberbleibseln ihres Vaters, ihr thränenvolles Auge, ihre gefalteten Hände erflehten seiner Asche von den Göttern die heilige Salbung und Ruhe[64] im Grabe seiner Väter; höhere Wünsche in diesen Augenblicken, Wünsche für sich selbst zu thun, waren sie zu fromm. Mochte doch Hophras Enkel die Anwartschaft auf den Thron hinnehmen, blieb nur das Andenken ihres Vaters und die Seligkeit seines wandernden Geistes ungekränkt.

Arueris, der sich heute besser gefaßt hatte als gestern im Entsetzen der ersten Ueberraschung, brach zuerst die erwartungsvolle Stille, in welcher das Volk den Begebenheiten dieser Nacht entgegen sah.

Gestern, begann er, gestern, ihr Völker des Nils, gab es unter allen, die über diesen Toden richten sollten, nur eine verdammende Stimme; ehe diese heute sich von neuem hören läßt, erlaube man mir ein Wort zu sagen, das vielleicht einen Theil der Schuld von dem Verstorbenen, auf mich den Lebenden übertragen, und seinem Schatten den Eingang in die ewige Ruhe verschaffen wird. Ja, es ist wahr, jener Jüngling ist Pharao Hophras Enkel; König Sam aber ist vielleicht zu entschuldigen, [65] daß er den Thron von Egypten, den ihm die Götter gaben, lieber seinen Kindern, als demjenigen gönnen wollte, der ja in seinem Vater bereits von den Göttern verworfen war. Tödten hätte Sam den Sprößling seines Ueberwundenen können, aber er schenkte ihm das Leben. Daß er ihn vom Throne entfernte, und in die Hütten der Armuth verwies, war mehr mein, als sein Rathschluß. Ich liebte meinen König, liebte seine Kinder, und mir ahndete von dem, der sich jetzt so feindlich gegen die Asche seines Wohlthäters beweißt, das, was wir jetzt vor Augen sehen. Gezwungen durch den Willen dieses guten Königs, gezwungen mußte ich es in der Folge dulden, daß Sam aus der Dunkelheit hervorgezogen und den Prinzen gleich gehalten wurde; was des guten Königs Absicht dabey war, läßt sich errathen; aber mir war es nicht zu verdenken, daß ich diese Absicht nicht anerkannte, und dem Abkömmling Pharao Hophras, nicht gleiche Ansprüche mit meinen Zöglingen gönnen konnte. Alle Schuld also, die ihr dem Verstorbenen aufbürden wollet, fällt auf mich! Ist Treue gegen seinen König Verbrechen, [66] so tödtet mich, so richtet über meiner Asche, wie ihr euch hier zu richten erkühnen wollt, so versagt ihr die heilige Weihe, und laßt nur diese Gebeine unbeschimpft, und in Frieden in die stille Wohnung einziehen, die die letzte Wohlthat ist, welche König Sams Schatten für tausend Euch erzeigte Wohlthaten fordert.

Besa hatte den Redner schon oftmahls unterbrechen wollen, und jetzt, da er geendet hatte, wollte er sogleich in seine Stelle treten; aber Sam hielt ihn zurück.

Besa, sagte er, die Sache ist mein, mein seyen auch die Worte! Ich werde nicht weitläuftig werden, wie Arueris, der mit Aufwand von so viel Athem erwieß, daß er mein Feind, der Unterdrücker eines Unschuldigen war. Völker des Nils! Ich habe Euch nichts mehr zu sagen, als: Ich kenne meine Rechte! Durch unmittelbare Offenbarung der Gottheit kenne ich sie! aber auf die nehmliche Art weiß ich auch, was mir zu thun obliegt. Ist irrdisches Glück das Siegel von Schuld oder Unschuld der Sterblichen, [67] so ist König Sam freylich gerechtfertigt. Die Götter gaben ihm ja den Thron meiner Väter, sie gönnen ihm ein ruhiges Grab, und bestimmen seinen Kindern die Krone von Egypten. Mir, – bestimmen sie die Weihe der Isis. – Ich bin verbunden, dem Wink der Gottheit zu gehorchen, die mich ruft, und verlobe mich in diesem Augenblicke zu ihren heiligsten Geheimnissen!

Keine Erklärung konnte wohl allen unerwarteter kommen als diese, und die Würkungen der Ueberraschung zeigten sich auf die seltsamste Art. Besa warf einen wütenden Blick auf seinen Pflegling und entfernte sich; Arueris mit beschämtem Angesicht that das nehmliche. Sams Söhne drängten sich um den jungen Sam und umarmten ihn als ihren Bruder; sie dankten ihm, nicht sowohl für die Abtretung der Rechte, die sie gern mit ihm getheilt hätten, als für die Wohlthat, die er den Ueberresten ihres Vaters erzeigte, welche sogleich von den dazu bestellten Priestern dem Auge des Volks entzogen und zu der heiligen Salbung abgeführt wurden.

[68] Das Volk rief seinen künftigen Beherrschern, den Söhnen des vergötterten Sam, Heil und das Gelübde der Treue, dem Enkel Hophras einen Dank und eine Bewunderung zu, die, da sie das Siegel seiner entschiedenen Verwerfung war, ihm unmöglich schmeichelhaft seyn konnte.

Er antwortete nichts auf alles, was man ihm sagte, und entfernte sich im Geleite der Isispriester, welche nicht säumten sich um ihn zu versammeln, und ihn, als einen Verlobten ihrer Gottheit, in Empfang zu nehmen.

Es fiel in die Augen, daß Sams Entsagung der Krone nicht eigene Wahl, sondern Folge der Einwürkung einer höhern Macht war; um so mehr glaubte man seiner Standhaftigkeit mistrauen, und sich seiner auf alle Weise versichern zu müssen. Die Priester der Isis ließen den Jüngling die kurze Zeit über, die man noch im Tempel des Feuers verweilen mußte, wenig aus den Augen, und mit Mühe konnte Besa einige Augenblicke abstehlen, um seinen Pflegling mit den Verweisen zu überhäufen, [69] die er seiner verkehrten Wahl zwischen der Inful und der Krone schuldig zu seyn glaubte!

O dreymahl thörichter Jüngling! rief er; ist dies der Dank für das, was ich für dich that und noch gethan haben würde?

Mich leitete der Wille der Gottheit, erwiederte Sam. Der Ruf in jener Nacht, den du selbst hörtest, belehrte mich, was ich thun sollte; ob ich es gern that, ist unnöthig zu bestimmen. Gern bey der Wahl zu bleiben, die mir vorgeschrieben ward, dies muß nun mein Bestreben seyn, und ich bitte dich, Besa, zerreiß mein Herz nicht weiter durch Vorwürfe, die ich nicht verdiene. Siehe, hier sind meine künftigen Brüder, verlangst du sie zu Zeugen unserer fortgesetzten Unterredung?

Besa entfernte sich, weil er würklich einige von Sams beständigen Begleitern, den Isispriestern eintreten sahe, und murmelte im Abgehen: Also ungern? Also ein gezwungenes Opfer des Schicksals? Wohl! Wohl! hier ist noch Rath, und die Zukunft [70] enthält vielleicht noch Erfüllung der kühnsten Wünsche!

Der junge Sam ward nach dem Tempel seiner Göttin abgeführt, und erhielt in mehrern Jahren, die er daselbst zubrachte, die verschiedenen Weihen, indessen jenseit der Ruhe des Heiligthums der Isis, Egypten im Blut und Thränen schwamm. Sams Söhne, von Arueris geleitet, von den Wünschen des Volks begünstigt, säumeten nicht die ersten Versuche zu machen, sich dem Tyrannen entgegen zu setzen. Diese ersten Versuche waren, wie meistens geschieht, unglücklich, und kosteten das Blut von Tausenden. In der Folge vereinigten sich mehrere Umstände, den Prinzen Sieg auf Siege zu verschaffen, bis endlich der Tod des persischen Tyrannen, der in sein eigenes Schwerd fiel, ihnen den Weg zum Throne ohne Hinderniß offen ließ. Wundervoll waren die Begebenheiten, die die Götter zu Erreichung ihrer Endzwecke veranstalteten, aber da sie der großen Termuthis bereits bekannt sind, darf ich mich nicht erkühnen, sie ihr zu wiederhohlen.

[71] Jetzt, da Sams Söhne ihren Feind völlig besiegt hatten, und von den Völkern des Nils einstimmig zur Krone gerufen wurden, war unter ihnen nur noch die einzige Frage zu entscheiden, welcher von allen diese Krone tragen sollte. Das Volk stimmte einmüthig auf Siuph, den ältesten und edelsten seiner Brüder; diese Brüder, nie getrennt in ihren Meynungen, und besonders in der Liebe zu dem einstimmig, der in allen den Vorzug vor ihnen verdiente, warfen sich Siuph zu Füßen, und nannten ihn König. Arueris wußte nichts hiergegen einzuwenden, und Siuph ward mit allgemeinem Jubel auf den Thron seiner Väter gesetzt.

Die Isispriester waren nicht die letzten, ihn bey seinem Einzug in Memphis zu bewillkommen; Sam war unter ihnen, aber Jahre und Gram hatten ihn verändert, Siuph kannte ihn so wenig, als dieser in ihm, dem ausgebildeten Helden, denjenigen erkannt haben würde, dessen Schicksal im Tempel des Feuers, einst mit dem Seinigen auf der Waage lag.

[72] Ich sagte, Gram habe den unglücklichen Sam umgestaltet, und es läßt sich leicht begreifen, wie dies möglich war. Es ist ein anderes, mit voller reiner Dahingebung, ein anderes, mit heimlichem Widerstreben den Willen der Götter erfüllen; das letzte war der Fall, in welchem Sam sich befand. Der Ruf der Gottheit, der ihm im Tempel Hephästos gebot, Sams Kindern zu weichen, begeisterte seine Phantasie, und gab ihm eine Art von Willigkeit. Das Bewußtseyn einer edeln That, die Bewunderung des Volks, und selbst Besa's Tadel, erhoben den jungen Unglücklichen über sich selbst; selbst die Weihen der Göttin, der er sich widmete, und ihr geheimnißvoller Dienst hatten einige Reitze, aber als alle diese Dinge die Anmuth der Neuheit verlohren hatten, als der Rausch der Schwärmerey verflogen war, da fühlte Sam es ganz, daß er alles, für nichts hingegeben hatte. Noch dachte er zu gut, um zu wünschen, anders gehandelt zu haben, aber daß der Frühling des Lebens in nutzlosen Aufopferungen verflogen war, daß andere mit den Reichthümern des Jahrs, den Blüthen und Früchten irrdischen[73] Glücks geschmückt, ihn umringten, und er immer noch mit leeren Händen dastand, o das empfand er so tief, daß er Trost und Mitleiden verdiente. Wo warst du, o Isis! daß du den, der sich dir aufgeopfert hatte, in diesen bedenklichen Minuten verließest? Warum duldetest du, daß hier am Scheidewege sich ein böser Geist seiner Hand bemächtigte, ihn dem Abgrunde entgegen zu führen?

Besa hatte den, aus dem er einst einen Egyptischen König schaffen wollte, seit ihm diese Schöpfung mislang, nicht aus den Augen gelassen. Augenblicke wie die gegenwärtigen hatte er, ein tiefer Menschenkenner, vorausgesehen, und die Möglichkeit, sie zu nützen, längst vorgearbeitet. Er wollte Pharao Hophras Enkel immer nahe seyn, und seit dieser sich der großen Isis verlobte, hatte auch er den Dienst des Feuers mit dem Dienst dieser Göttin verwechselt.

Sam, der seine Vorwürfe fürchtete, hatte ihn anfangs ungern an seiner Seite gesehen, aber Besa's kluges Stillschweigen [74] über geschehene Dinge, und seine zärtliche vorwurfsfreye Theilnahme an ihren Folgen, hatten ihm längst das Herz, und das Zutrauen seines jungen Freundes wieder gewonnen. Besa wußte seine Gefühle immer mehr als halb zu errathen, und der Balsam, den er auf die verheelte Wunde legte, war immer so lindernd, daß man seiner Hülfe mehr begehrte.

An Siuphs Triumphtage blutete diese Wunde stärker als zuvor; ein unbekanntes Etwas war es, was sie heute fürchterlich erweiterte und unheilbar zu machen drohte. Die Ordnung des Tempels brachte heute Sam und Besa bey der Nachtwache vor dem Bilde der Isis zusammen, und hier wars, wo der letzte den ersten in Thränen fand.

Sind dies Thränen der Andacht? fragte der heimtückische Besa, oder des Danks, für irgend eine geheime Offenbarung der großen Einzigen?

Seit jener furchtbaren im Tempel Hephästos hatte ich keine Offenbarungen.

[75] Wie? so schlecht lohnt dir deine Göttin, was du ihr aufopfertest?

Es war viel, Besa, was ich aufopferte, es war mein Alles! Heute lernte ich erst es schätzen. Ich war ein Unmündiger, ich wußte damahls noch nicht, was ich gab!

Du hast recht. So wie Siuph, könntest du heute triumphirend den Thron deiner Väter besteigen.

O Besa, und so wie er, dem seligsten Leben an der Seite einer irrdischen Göttin entgegen sehen! Sahst du die junge Nitetis, Siuphs Verlobte?

Sie ist schön! schöner, als Isis!

Sam brach in Thränen aus. Was ist Isis? schrie er. Eine Gottheit, unvereinbar mit der Liebe eines Sterblichen; was ist ihr Bild? kalter Marmor! Eine grauenerregende Gestalt, ein Räthsel, das nie ein Sterblicher ganz lösen wird!

Besa stand vor dem gigantischen Bilde der Göttin; die Ampel, die vor derselben brannte, erhellete kaum das Fußgestelle derselben, indeß sich das übrige in dem grauenvollen Dunkel des hohen Gewölbes verlohr.

[76] »Ich Isis,« (so las er die zehnmahl gelesene Inschrift,) »ich bin alles, was ist, was war, was seyn wird. Nie hob ein Sterblicher meinen Schleyer.«

Sie ist alles, was war, was ist, was seyn wird? wiederholte er, sie ist also auch Nitetis; liebt Sam Siuphs Verlobte, so liebt er seine Göttin in ihr.

O Besa! schrie Sam, mein Gelübde, das mir irdische Liebe versagt!

Wem legtest du es ab, oder wer forderte es von dir? War dir bey jener gerühmten Offenbarung im Tempel des Feuers, der Ruf der Gottheit so kenntlich, daß du ihn mit keinem andern verwechseln konntest? Ich hörte ihn auch, und er lautete, so dünkte es mich, ganz eigen wie Arueris Stimme.

Arueris? was sagst du?

Nichts würksameres hätte er wenigstens ersinnen können, dich seinen Pfleglingen aus dem Wege zu räumen. Ihnen den Thron, dir den Dienst der Isis; du warst nicht schlecht bedacht! wenigstens damahls schienst du es zu glauben.

Sollte Arueris würklich? – Und warum sagtest du mir dieses erst heute?

[77] Hörtest du auf meine Warnung? wiesest du nicht jede zurück?

Rege gemachte irdische Liebe, in Zweifel gestellter Ruf der Gottheit, was bedurfte es mehr, eine ohnedem zerrüttete Seele völlig zu verwirren! In einer langen einsam durchwachten Nacht wie dieser, die Besa und Sam an dem Bilde ihrer Göttin zusammen brachte, ließen sich die hier leise angeschlagenen Töne, zur vollständigsten Harmonie, oder zu dem gräßlichsten Mislaute völlig entwickeln; doch die geheimen Berathschlagungen zweyer Isispriester, sind nicht für die schüchterne Almé. Sie kehrt zu Siuph zurück, dem sie auch einen Theil ihrer Aufmerksamkeit schuldig ist.

Siuph, der siegreiche Siuph, der angebetete König Egyptens, war würklich der Verlobte der schönsten Person, welche je die Länder des Nils hervorbrachten. Nitetis war die Tochter des Pharao Amosis, eines der vorigen Herrscher Egyptens; ihre Liebe zu Siuph, und die seinige zu ihr, verlohr sich in der frühesten Kindheit ihres Lebens, auch waren der Zufälle nicht wenig, die dieser [78] Liebe entgegen gestanden, sie zu vernichten gedroht, und also desto stärker befestiget hatten; Hofnung der Vereinigung, war beyden erst seit kurzer Zeit aufgegangen.

Und jetzt war er nahe, der glückliche Zeitpunkt. Egypten freuete sich schon seiner künftigen Königin, und Siuphs Glück ward nur noch durch einige religiöse Gebräuche aufgehalten, nach denen er sich bequemen mußte, wenn er bey dem Volke den Namen eines frommen Königes behalten, und nicht die mächtige Rache der Priester auf sich ziehen wollte.

Viele derselben waren schon überstanden. Nitetis hatte bereits in den ersten Wochen ihres Aufenthalts zu Memphis im Tempel der himmlischen Jungfrau eine ihrer Haarlocken, im Tempel des Remphis ihren Schleyer geopfert; das Bad im Brunnen des Mondes war auch schon vorüber, und nichts war noch zurück, als die dreyfache Nachtwache im Tempel der Isis, bey welcher sie doch ihren Verlobten und sieben ihrer Jungfrauen zu Gefährten haben durfte. [79] Siuph und Nitetis bequemten sich gern zu diesem letzten der heiligen Gebräuche. Sie waren eifrige Verehrer der Gottheit der Natur, und der weise Arueris hatte ihnen gesagt, daß man ihnen, als dem König und der Königin von Egypten, im Innern des Heiligthums, mehr von den Geheimnissen der großen Alten 1 offenbaren würde, als irgend einem Menschen, außer den Priestern bewußt wäre.

Die Zubereitung zu diesem Vorspiel ihrer Vereinigung war den jungen Verlobten ein Fest. Liebe und Wißbegierde bey dem frommen Siuph; Liebe und schwärmerische Andacht bey seiner noch frömmern Braut, spannte ihre Erwartungen aufs Höchste; man war im Tempel gefaßt, diese Erwartungen überschwenglich zu befriedigen, und drey Tage nebst zwey Nächten verflogen Stunden gleich und bereicherten die Liebenden mit Kenntnissen und Andachtsgefühlen, [80] durch welche sie über sich selbst erhoben wurden.

Viele der neugemachten Entdeckungen in den Geheimnissen der Natur, waren schon längst in der Gewalt der Isispriester, ehe die Welt etwas von ihnen erfuhr, und viele andere werden erst für die Nachwelt aus ihren zerstörten Tempeln hervorgehen. Dem Himmel das Feuer des Blitzes zu stehlen und Tote aus dem Reiche der Schatten hervorzurufen, waren noch nicht die schwersten Versuche, deren sich die Diener der Natur erkühnten. Siuph und Nitetis sahen und erstaunten. Ihr Glaube an die Gottheit des Tempels, ihre Ehrfurcht gegen die Priester desselben, ward bis zur Schwärmerey erhöht, und man brauchte ihnen es nicht erst unter den Fuß zu geben, sie kamen von selbst auf den Gedanken, in der letzten Nacht, welche im Heiligthum der Isis zugebracht wurde, eine ihrer untersten Weihen anzunehmen, und sich dadurch zu höhern verborgenen Dingen fähig zu machen.

Es war eine Kleinigkeit, worauf es hier ankam, Man stürzte sich von einer [81] ziemlichen Anhöhe in einen Abgrund, wo ein Arm des Nils schäumte, man passirte denn die Fluthen des feurigen Sees, so war die berühmte egyptische Feuer- und Wasserprobe überstanden. Zwey von den muthigsten Begleiterinnen der königlichen Braut, die man auf ihre Bitte mit zu den heiligsten Mysterien gelassen hatte, hielten die Prüfung in weniger als einer Stunde glücklich aus; auch hatte Nitetis in dieser Wohnung der Wunder zu oft gesehen, daß das Wasser nicht netzte und die Flamme nicht brannte, als daß sie hier noch die geringste Bedenklichkeit hätte haben sollen.

Siuph war nach den Gespielinnen der Prinzessin der erste, welcher die kurze Reise durch die Regionen des Feuers, und des Wassers antrat; man wollte ihm nicht erlauben, dieselbe mit seiner Verlobten gemeinschaftlich zu unternehmen, aber Zeugin war sie, wie die Fluthen über ihren Geliebten zusammen schlugen, wie die Flammen ihn zu verzehren schienen. Ihr dünkte, man verfahre strenger mit ihm, als mit seinen Vorgängerinnen; sie zagte und brach in [82] Klagen und Vorwürfe aus. Diese Dinge, antwortete der Diener der Gottheit, der den Prüfungen vorstand, diese Dinge stehen nicht in unserer Gewalt, sie hängen von der Gottheit und dem Zustand des Sterblichen ab, der sich der heiligen Läuterung erkühnt. Ist deine Seele rein, so wage dich getrost in diese Flammen, in diese Fluthen, die Tugendhaften sind ihnen unzerstörbar; aber freylich warten die Schmerzen des Todes auf den, welcher nicht gerecht ist vor dem Auge des Himmels, und nicht selten war gänzliche Zerstörung das Loos des Elenden, der es wagte den Göttern zu nahen, ohne daß seine Seele wenigstens den siebenten Grad der Reinigkeit erlangt hatte.

Nitetis wußte nicht, was der siebente Grad der Reinigkeit war; sie zitterte, ihr Siuph, so edel, so vortrefflich sie ihn auch kannte, möchte ihn noch nicht erreicht haben und hier umkommen müssen; schon sahe sie ihn nicht mehr, schon schlugen die Gluten über ihn zusammen, und sie mußte glauben, ihn auf ewig verloren zu haben!

[83] Der Priester lächelte. Ist dein Glaube an die Tugend deines Geliebten so klein? sagte er. Meynst du, es sey möglich, daß selbst deine Dienerinnen, ihm an innerer Vortreflichkeit vorgehen? Wie verdient er denn diese Klagen, diese Thränen? Doch sey getrost! Hier ist er. Er entdecke dir selbst, was seinen Kampf so schwer machte! Unschuldiges Blut klebt immer am Schwerde des Kriegers, und dies ist hinlänglich seine Läuterung zu erschweren, wenn auch keine andern Vergehungen auf seiner Seele haften sollten.

Nitetis hörte die letzten Worte des Priesters kaum halb, denn ihr Siuph lag in ihren Armen. Ein weißes leuchtendes Gewand umfloß ihn, und das reinigende Feuer schien seinen Augen lebhaftern Glanz, seinen Wangen höhere Glut mitgetheilt zu haben.

Er konnte das Entzücken, konnte die Thränen seiner Geliebten nicht begreifen, er wollte nicht gestehen, viel gelitten zu haben. Nitetis wiederholte ihm wörtlich, was sie von dem Diener der Gottheit gehört hatte, [84] und versetzte ihn dadurch in ein tiefes Nachdenken.

Die Lust der Prinzessin war schlecht, nach dem, was sie jetzt von den Qualen der Prüfung gesehen hatte, sich denselben zu unterziehen. Ihre Seele war rein, ihr Gewissen schuldlos; aber, wie konnte sie wissen, ob sie eben den siebenten Grad der Lauterkeit erlangt hatte, der hier erforderlich war? Sie wankte, die Priester warnten, und Siuph ward immer tiefsinniger. Entscheide, Geliebter, rief die Prinzessin, darf ich wagen, wozu ich vielleicht zu schwach bin?

Es giebt wohl kein Paar Liebende, welche vor ihrer Vereinigung nicht mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, die bey der Rückerinnerung an die Dunkelheiten ihres Lebens, nicht hier und da auf Stellen stoßen sollten, wo ihnen die Tugend und Treue des Geliebten verdächtig ward; Wohl dann dem, der im Augenblick seines Glücks sich über diese Zweifel völlig beruhigen kann! Und wie sehr ist hingegen derjenige zu beklagen, [85] für den sich aus diesen düstern Regionen, noch kleine Nebel erheben, die Freuden ewiger Vereinigung zu trüben! Siuph befand sich in diesem Fall; wer seine und Nitetis Geschichte näher kennet, wird sich seinen Zustand zu enträthseln wissen.

Die Prinzessin wiederholte ihre Fragen, und er sahe sie mit scharfem forschenden Auge an. Der Priester predigte fort und mischte manches in seine Warnungen, was Siuphs keimenden Verdacht in die Vortreflichkeit seiner Geliebten vermehrte.

Nitetis, antwortete der junge König am Ende, Nitetis muß sich selbst kennen. Ist ihre Seele rein, war ihr Herz immer der Tugend treu, warum wollte sie nicht wagen, was ich wagen konnte, was selbst ihre Dienerinnen überstanden haben? Ich habe nichts gelitten; die Schmerzen des Todes, die auf mich eingestürmt haben sollten, hatten ihr Daseyn nur dem Auge des Schauers zu danken. Hat die, welche ich für tadellos hielt wie die Sonne, mehr zu fürchten; nun freylich, dann ist sie – – –

[86] Deiner Wahl unwürdig! rief die Prinzessin, und vollendete so die Worte ihres stockenden Geliebten. – Nein, Siuph, das bin ich nicht! Mein Entschluß soll dir dieses beweisen. Hier bin ich, Priester! stürzt mich in Eure Fluthen, läutert mich durch Euer Feuer und verstärkt sie siebenfach, damit der König von Egypten, dessen Seele so rein ist wie das Auge des Himmels, der nie empfand, daß er ein Mensch und kein Halbgott ist, eine himmelreine Gattin in seine Arme schließe.

Es war in dem Ausdrucke, welchen die Prinzessin ihren Worten gab, etwas, das man für Hohn und Unwillen halten konnte; auch war ihr Herz nicht ganz frey von widrigen Empfindungen gegen ihren Geliebten. Seine Zweifel in ihre Tugend, denen sie doch selbst durch ihre Zaghaftigkeit ihr Daseyn gegeben hatte, erbitterten sie, sie fand die Bereitwilligkeit, mit welcher er sie den furchtbarsten Prüfungen preis gab, unnatürlich und seiner Liebe ungemäß; sie bedachte nicht, daß er in diesem Augenblicke erfahren hatte, daß diese Prüfungen nichts [87] waren für den Reinen, und daß er von ihr erwarten konnte, sie werde ihm den nehmlichen Beweis ihrer Tugend geben, den sie von ihm erhalten hatte.

So ward auf einmahl eine Art von Misverständniß zwischen zwey sonst immer einigen Herzen geboren; so hatten diese Dinge, diese Prüfungen und Weyhen, zum frohen Spiel ihrer Phantasie, zu Erhöhung ihres Glücks bestimmt, auf einmahl ein ganz anderes Ansehen gewonnen, und schon halb getrennt verließen sich die, welche nun bald, vielleicht auf ewig, geschieden werden sollten.

Siuph war in der That in den letzten Augenblicken ganz an seiner Geliebten irre geworden, und die Art, mit welcher sie ihn verließ, trug nichts bey, seine schwankende Meynung von ihr zu bessern. Doch dieser Zustand dauerte nur wenig Augenblicke; schnell behauptete seine Liebe zu Nitetis wieder ihre Rechte. Er machte sich Vorwürfe, ihr Proben zur Pflicht gemacht zu haben, die sie ihm bey besserer Besinnung[88] nicht zu bedürfen schien. Ihre Zaghaftigkeit schien ihm jetzt edles Mistrauen in sich selbst, höchstens weibliche Schwachheit zu seyn. Er fürchtete in der That für sie, wenigstens wegen der Angst, mit welcher sie einen Weg antreten mußte, dessen Ende ihr zweifelhaft schien; er wollte sie zurückrufen, wollte ihr sagen, daß er ihr ohne Prüfung traue, aber es war zu spät; ein durchdringender Schrey aus der Tiefe sagte ihm, daß diese Unglückliche schon mit den Wellen kämpfe. Er sahe sie jetzt emporkommen, jetzt verschwinden. Bittend streckte sie die Arme nach ihm aus; er konnte ihr nicht helfen! Seine Verzweiflung kannte keine Gränzen. Umsonst sagte ihm der kaltblütige Priester, daß dieser Kampf vielleicht nur scheinbar sey, daß man ja ihn, Siuph selbst, kurz zuvor in dem nehmlichen schrecklichen Zustande erblickt habe, davon ihm doch nichts bekannt sey; und daß, wenn hier vielleicht etwas mehr Würklichkeit obwalte, er ja am Ende nichts verliere, als eine unwürdige Geliebte, die ihn mit falscher Tugend zu täuschen gewußt habe, und welcher die Götter, die ihn liebten, noch [89] zu rechter Zeit die Larve entrissen hätten, ihren Liebling nicht unglücklich zu machen.

Siuph war taub bey diesen seltsamen Tröstungen. Er wollte seine Geliebte, die ihm nie schöner und unschuldiger vorgekommen war als in diesen Augenblicken, wenigstens der Probe des Feuers überheben; doch dies war vergebens, war zu spät! Fast ihres Wesens beraubt, verlies Nitetis schon die Wellen des läuternden Stroms. Wie einen Schatten sahe er sie noch einige Mahl durch die Flammen des feurigen Sees fliegen; nach und nach lößte sich die geliebte Gestalt in eine blaulichte Wolke auf, und gar bald verdampfte sie völlig vor seinen Augen.

Laß uns nicht trauern wo Gott gerichtet hat, sagte der Priester, welchem es endlich gelang, den unglücklichen König von Egypten aus der schrecklichen Bewußtlosigkeit, in welche ihn der letzte Auftritt gestürzt hatte, zu ermuntern. Nitetis war deiner unwerth; wenn du offene Augen hattest, so mußtest du dies schon vorher wissen, ehe [90] sie den Weg zu ihrem schrecklichen Tode antrat.

O, schrie Siuph, und, wenn ihr es wußtet, warum rettetet, warum warntet ihr die Unglückliche nicht?

Siehe, wir warnten und wurden nicht gehört! Auch war es uns Pflicht, den Gewählten der Götter von der Verbindung mit einer Tochter des Abgrunds zu retten, – sollte es auch durch den Untergang jener Elenden geschehen.

Siuph weinte und rang die Hände, er bedauerte seine glückliche Unwissenheit. Gern hätte er Nitetis in seine Arme zurück gewünscht wie sie war. Sie verloren zu haben, war jetzt das Schrecklichste, was er sich denken konnte.

Die Priester schonten seiner Schwachheit, sie fluchten nicht mehr dem Andenken der unglücklichen Nitetis; sie pflegten ihn in der Krankheit, die ihn befiel, und entließen ihn nicht eher aus ihrem Tempel, bis er einigermaßen an Leib und Geiste geheilt zu seyn schien.

[91] Ach diese Heilung war betrüglich! Siuph verlies die furchtbaren Mauern der Isis nur um mitten im Glanz der königlichen Hoheit ein elendes, ein sterbendes Leben zu führen.

Daß er den Tempel ohne Nitetis verlassen hatte, das sahe man wohl, und konnte sich also seinen Zustand erklären; aber die rechte Beschaffenheit der Sache, die rechte Art ihres Verlusts, erfuhr niemand, selbst Arueris nicht. O hätte Siuph ein Herz fassen können, mit diesem weisen Manne aufrichtig zu sprechen, vielleicht wär ein lindernder Tropfen in seine Wunden geflossen! Doch die Isispriester hatten sich jetzt ganz des Herzens des unglücklichen Königs bemeistert. Seit der Zeit von einem Monate, den er in ihrem Tempel zubrachte, galt niemand etwas bey ihm als sie, und Arueris besonders schien in seiner Gnade völlig gesunken zu seyn.

Die Schwermuth des Königs ging so weit, daß sie endlich in völlige Lebensmüdigkeit ausartete. Wer ihn sahe, kannte [92] ihn nicht mehr. Man grübelte über die Ursachen seines Dahinwelkens, und fand sie nicht; wie hätte man in die Geheimnisse der Tempel dringen sollen! –

Niemand litt bey Siuphs traurigem Zustande mehr, als seine Brüder; der König hatte ihnen allen Theil an der Regierung gegeben; im Grunde waren alle sowohl Könige als er, ungeachtet sie der Krone unter verschiedenen Namen, nur dienten. Einige waren Stadthalter der entfernten Provinzen, andere kommandirten die Heere, und die ältesten und weisesten unter ihnen führten in Siuphs Namen, als seine vertrautesten Minister, das Ruder des Staats; diese, welche der Person des guten angebeteten Königs die nächsten waren, fühlten am meisten seinen nahen Verlust; sie schrieben an ihre Brüder, und nicht lange, so sahe sich Siuph von allen umringt, die ihm lieb waren. Sie warfen sich ihm zu Füßen, sie beschworen ihn beym Schatten ihres gemeinschaftlichen Vaters und dem Wohl Egyptens, sich ihnen zu entdecken und überzeugt zu seyn, daß brüderliche Liebe, [93] vereint mit der Macht, die er ihnen geliehen habe, Wunder würken werde, ihn zu beruhigen.

Siuph, welcher wohl wußte, daß keine irdische Macht, keine brüderliche Aufopferung im Stande war, sein heimliches Leiden zu lindern, oder ihm wieder zu geben, was er verloren hatte, antwortete auf ihr Eindringen nichts. Er umarmte einen nach dem andern, mischte seine Thränen mit den ihrigen, und sank in sein dumpfes Schweigen zurück.

Wenn ich nun todt bin, begann er nach einer langen Weile, gleich als setze er eine Reihe von Gedanken fort, die niemand errathen konnte; wenn ich nun todt bin, so nimmt mein Bruder, der mir an Jahren der nächste ist, der weise Neotanebus das Scepter von Egypten; die andern behalten den Rang und die Hoheit, die sie bisher besaßen, und folgen einander in der Reihe, so wie sie der Tod ihres Vorgängers zur Regierung fordert; denn ach, mir ahndet es! Schnell tritt einer dem andern in die Fußtapfen, [94] die zum Schattenreich führen! Ein unerbittliches Verhängniß waltet über König Sams Söhnen! Die Gottheiten der Rache, meine Brüder, wurden nicht befriedigt durch jenes Opfer, welches uns Arueris an den Fuß ihres Altars niederlegen lies! – Wenn denn nun du, Amyrthaeus, du liebster und jüngstgeborner unter meinen Brüdern, wenn denn nun auch du den Scepter und die Krone zu unsern Kronen und Sceptern niedergelegt hast, wer wird dann über die Völker des Nils herrschen? – Meine Gedanken verwirren sich! Ich glaubte mich bishieher, von dem Geiste der Weissagung beseelt, aber hier hüllt sich alles in Dunkelheit. Bilder, deren Erfüllung unmöglich ist, steigen vor meiner Seele auf. Unmöglich, unmöglich ist das, was sich meinen Augen zeigt! Denn Siuph gehet jetzt hin den Weg, den er nie wiederkommen wird. Sollte er aus dem Grabe gehen, um zum zweyten Mahl die Völker des Nils zu beherrschen?

Der König stand nach Endigung dieser Worte eilig auf, und ein Wink gebot seinen [95] Brüdern, sich zu entfernen. Er wollte allein seyn, und man gehorchte ihm mit einer Ehrfurcht, die alles übertraf, was man bisher für ihn gefühlt hatte. Es war etwas übermenschliches in seinem Betragen, er schien schon ganz das zu seyn, wozu er in kurzem sich machen wollte.

Mittlerweile die Prinzen diese kurze, schauervolle Audienz bey ihrem Bruder hatten, verfügte sich der weise Arueris in den Tempel der Isis. Der Oberpriester war, seit langen Jahren, sein Freund, und er hofte von diesem ehrwürdigen Greise Aufschlüsse über das zu erhalten, was mit dem Könige, in seinem Tempel vorgegangen war. Er ging schwer an diesen Schritt; Priester pflegen nicht gern nach Priestergeheimnissen zu forschen. Gefährlich waren die Fragen, die er thun wollte, und aufs beste genommen, mußten sie wenigstens vergeblich seyn; doch er wagte es, und hoffte von der Nachsicht seines alten Freundes wenigstens einige belehrende Winke.

Arueris Rang im Königreiche, und in seinem Tempel, war zu hoch, daß er ihm [96] nicht augenblickliche Audienz, bey der Isis oberstem Diener, hätte verschaffen sollen, aber schon die Pracht, mit welcher er zu demselben geführt wurde, hätte ihm sagen sollen, daß er hier alles anders finden würde, als er vermuthet hatte.

Die größte und traurigste Ueberraschung stand ihm bevor. Sein alter Freund, der bis in sein neunzigstes Jahr das Oberpriesterthum der Isis verwaltet hatte, war nicht mehr, und der Erbe seiner Würde, der den staunenden Arueris mit königlichem Pomp empfing, war – Besa! – –

Sam, der zur Rechten seines Stuhls, als der nächste nach ihm im Rang und Würde stand, vermehrte Arueris Staunen, und man mußte ganz er selbst seyn, um nicht bey dem Anblick dieser beyden Personen in völlige Verwirrung zu gerathen.

Wer sich an die Vorgänge im Tempel des Phtah erinnert, kann sich ein Bild von der Unterhaltung machen, die hier statt fand. Man blieb zwar in den Schranken der genauesten Politik, aber daß statt der[97] treuherzigen offenen Fragen, statt der gehofften Erklärungen über gewisse Geheimnisse, nichts als geschraubte Worte vorfielen, und daß Arueris den Tempel völlig unbefriediget, und trauriger als zuvor verlies, das läßt sich denken. Den tiefsten Kummer empfand er, wenn er berechnete, daß Besa schon seit drey Mondswechseln die heilige Inful trug, und daß er sie also schon zur Zeit der Abendtheuer Siuphs im Tempel getragen hatte.

Er wünschte, als er zurück kam, vor den König gelassen zu werden; wenigstens fragen wollte er ihn, ob er Sam und Besa damahls gesehen und erkannt habe. Das Gegentheil hiervon war sehr leicht möglich; denn oft waren die Oberpriester der Isis zu vornehm, sich den Königen von Egypten zu zeigen, wenn diese einen Besuch in dem Tempel ihrer Göttin machten, und nicht ausdrücklich das Oberhaupt der Priesterschaft zu sprechen verlangten.

Zutritt bey Siuph zu erhalten war unmöglich, er lies niemand, selbst seine Brüder, [98] nicht mehr vor sich; alle beschied er auf den dritten Tag in den Isistempel, wo, dem ganzen Lande war es kund, ein großes Fest gefeyert werden sollte, bey welchem niemand fehlen durfte, der einigen Anspruch auf Rang und Hoheit hatte.

Die große Alte hatte in ihrem Ritual sehr seltsame und höchst geheimnißvolle Gebräuche; viele derselben wurden äußerst selten gefeyert, weil sich selten Gelegenheit fand, sie feyern zu können.

Einer derselben war die Schlachtung eines Isispriesters zum Opfer der Gottheit. Sehr erwünscht war den Priestern und dem Lande allemahl ein solches Opfer; denn es gab den erstern die Ehre, durch ihr Opfermesser einem neuen Gotte das Daseyn gegeben zu haben, und den andern auf viele Jahre ein Orakel. Der, welcher sein Blut auf diese Art an den heiligen Altären dahin gab, ward in den Rang der Unter-Gottheiten versetzt, und seine Gebeine erhielten, so lange sie unverweßt blieben, die Kraft, nach seinem Tode den Rathfragenden untrügliche Antwort zu geben.

[99] Lange hatte das Land dieses Vortheils entbehrt. Die Gebeine des letztern Isisopfers waren längst zerstäubt, und man hatte noch keine Aussicht zu Ersetzung seiner Stelle. Derjenige, welcher zu diesem heiligsten Opfer der Göttin tauglich seyn sollte, mußte ein Erstgebohrner, ein Jüngling in der Blüthe des Lebens, mußte vom höchsten Stande, schön, ohne Makel an Leib und Seele, und reiner unbescholtener Sitten seyn. Wie schwer es war, bey allen diesen erforderlichen Vorzügen, einen Menschen zu finden, der sich freywillig zum Opfer der Göttin hingab, läßt sich errathen, und Freywilligkeit war das letzte, aber das Haupterforderniß, das, wenn auch in den andern Eigenschaften etwas zu erlassen gewesen seyn möchte, nie übergangen werden durfte.

Der einzige Umstand, daß der zu Opfernde ein Isispriester seyn mußte, brachte noch einige Möglichkeit hervor, daß sich der seltene Fall eines solchen Opfers zuweilen fand. Unter den der Göttin geweihten Jünglingen, gab es allerdings zuweilen einige, welche,[100] nach Ablegung ihres Gelübdes, die Last desselben fühlten, und die, zu fromm seine Grenzen zu durchbrechen und sich jenseit derselben Lebensgenuß zu verschaffen, wie die meisten thaten, lieber einen glänzenden Tod nebst der mit ihm verbundenen Vergötterung, als ein Leben ohne Lebensfreuden wählten. Sam, Pharao Hophras Enkel, befand sich bey jenem Gespräch, das er vor dem Bilde seiner Göttin mit Besa hielt, vielleicht ziemlich in dem Falle, einen solchen Schritt zu thun, und es fehlte ihm wohl nur ein Rathgeber, ihn auf diese oder jene Seite zu lenken.

Schon seit einigen Wochen bereitete sich das erfreute Egypten auf das Höchste der Feste ihrer Göttin. Ihnen war seit dieser Zeit vom Tempel aus verkündiget worden: Die Völker des Nils sollten wieder einen neuen Stellvertreter bey der Gottheit, sollten wieder ein Orakel haben, und an diesem traurigen Freudentage war es eben, da König Siuph den weisen Arueris, seine Brüder, und alle, die ihn zu sprechen wünschten, im Tempel sehen und sprechen wollte.

[101] Man hofte viel zu Aufheiterung des Königs von dieser Feyerlichkeit, und selbst Arueris glaubte, ein glücklicher Götterspruch aus dem Munde des neuen Orakels, könnte vielleicht Einfluß auf Siuphs Gemüthsruhe haben. Er, bekannt mit allen Geheimnissen der Tempel, würde nicht an den Mitteln gezweifelt haben, einen solchen zu bewürken, wenn – nicht Besa, sein Feind, gegenwärtig Oberpriester gewesen wäre, mit welchem er auf keine Art was zu thun haben wollte.

Der wichtige Tag erschien. Ganz Egypten versammelte sich in den Vorhöfen des Isistempels. Der König war, wie dies das Ceremoniel mit sich brachte, früher daselbst als einer seiner Unterthanen. Ihm folgte unmittelbar Arueris mit den Prinzen. Sie hatten gehofft, den König noch vor Anfang des Gottesdienstes zu sprechen; aber dies war unmöglich, denn Siuph verschloß sich sogleich bey seiner Ankunft mit dem Oberpriester, und kam nicht ehe zum Vorschein, als da schon die heiligsten Gebräuche ihren Anfang nahmen.

[102] Vor der Opferung sollte diesmahl noch eine andere Ceremonie hergehen. Es war die Einweihung eines neuen Isispriesters, und Besa säumte nicht dem Volke bekannt zu machen, daß es der nehmliche sey, den man hernachmahls schlachten wollte.

Egypten hörte es und erstaunte. Alle Priester der andern Göttertempel standen auf, und protestirten. Dies war wider alle Rechte des Priesterthums! Kein Neueingeweihter, sondern nur ein solcher, der den Dienst der Göttin wenigstens ein Jahr, versehen hatte, konnte der Ehre, zum Orakel geschlachtet zu werden, genießen. Der Tumult, der sich über Besa's eigenmächtiges Verfahren in diesem Stück erhob, war unglaublich, und in völlige Verwirrung artete er aus, als man das schöne, unschuldige, bereits seiner wallenden Locken beraubte, und mit Blumenketten gebundene Schlachtopfer, und in ihm – Egyptens angebeteten König, den unglücklichen Siuph erkannte.

Keine Worte können das Entsetzen schildern, das dieser Anblick verbreitete. Das [103] Volk raßte und tobete. Alle Kerzen wurden ausgelöscht, die stürmende Menge zog sich nach dem Allerheiligsten des Tempels, und die Priester mußten entfliehen, um nicht von dem Volke zerrissen zu werden.

Es ist nicht zu läugnen, daß Arueris diesen Aufruhr lenkte und vermehrte. Halb außer sich über das, was ihm wie ein schrecklicher Traum vorkam, sahe er kein anderes als ein verzweifeltes Mittel, das, was hier verübet werden sollte, zu stören.

Siuph war entweder das Opfer der schlauesten Priestertücke, das Opfer seiner unversöhnlichen Feinde, Sams und Besa's, oder er war wahnsinnig; in beyden Fällen war Gewalt der einzige Weg, ihn zu retten. Die Prinzen waren hierinne mit Arueris einverstanden, und nichts ward gespart, weder Tempel noch Heiligthum sollten geschont werden, um den großen Endzweck durchzusetzen.

Doch die Wuth des Pöbels ließ sich nur bis auf einen gewissen Punkt entflammen. Sie liebten ihren König, aber nicht mit [104] Bruder- und Vaterliebe, wie die Prinzen und Arueris. Die große Isis war ihnen mehr. Ihre Heiligthümer konnten sie nur in der ersten Raserey bedrohen; auch war schon, seit sich Besa in den innern Tempel zurückgezogen hatte, eine Menge verkleideter Priester unter dem Volke, welche Siuphs Rettern entgegen arbeitete.

»Bedenkt, flüsterten sie, daß des Königs Wahl freywillig ist! Welch ein Glück, Euren König zum Gott zu haben! Welch eine Ehre, daß er sich für euch aufopfert! Wollt ihr den Vortheil, wieder ein Orakel zu haben, wie Eure Väter hatten, selbst vernichten? Bedenkt, wie wohl dem Lande durch die Göttersprüche eines Siuph gerathen werden wird! Höre auf, Volk des Nils, deine Götter und deinen heiligen König, einen König, dessen gleichen die Welt nicht sahe, durch Widerstand und Aufruhr zu beleidigen! Du vermagst nichts zu hindern, was geschehen soll; aber den Vortheil kannst du dir rauben, der aus dem Geschehenen erwachsen könnte, wenn du den König, der nun bald im Rathe der Götter sitzet, mit [105] feindlichen Gedanken gegen dich in die obern Regionen aufsteigen lässest!«

Worte, wie diese, verfehlten ihrer Würkung nicht. Siuphs Freunde vermochten nichts weiter. Das Volk ward ruhig, es forderte die Priester selbst auf, ihre Gebräuche von neuem zu beginnen, indem es zugleich diejenigen fürchterlich bedrohete, die sich dem Willen der Götter und des Königs länger widersetzen würden.

Arueris war bereits ohnmächtig hinweggetragen worden, als die Priester mit ihrem Königlichen Opfer wieder zum Vorscheine kamen, und die Prinzen hatten sich verzweifelnd hier und da zerstreut, weil sie sahen, daß nun alles verlohren war. Nur Nektanebus und Amyrthaeus, der älteste und jüngste der Brüder, wurden noch durch die Liebe auf dieser Stelle des Grauens zurückgehalten. Liebe giebt erst spät alle Hoffnung auf; beyde wähnten noch eine Möglichkeit der Hülfe.

Völker der Sonne, rief jetzt Siuph, der aus dem Kreise der ihn umringenden [106] Priester hervortrat und sich der anbetenden Menge zeigte: Ich verzeihe euch eure Widerspenstigkeit. Sehet, sie fruchtete nichts! Dieser heilige Schmuck zeigt euch, was ich indessen geworden bin, da ihr euch dem Willen der Gottheit widersetztet. Ich bin ein Priester der Isis, bin bald euer König nicht mehr, und keine menschliche Gewalt kann mich hindern zu sterben, da ich sterben will! Keiner von euch beurtheile den Schritt, den ich gethan habe. Niemand weiß, was ich verlor, niemand weiß, was mir das Leben zum Abscheu macht. Ich vermag es nicht mehr zu ertragen dieses elende verzweiflungsvolle Leben. Mir ist nichts übrig als der Tod! Auf Erden nütze ich meinem Volke nichts mehr, dort in jenen Regionen des Lichts werde ich ihm vielleicht nützen können. Ich habe noch rückständige Pflichten gegen Egypten, und ich eile, sie auf diese Art zu erfüllen. Und, o welch ein Gedanke! Nitetis! welch ein Gedanke! dir, auch dir in meinem neuen Götterrange vielleicht noch nützen zu können! Deine ungereinigte Seele entfloh durch meine Schuld zum Abgrund, dir bin ich Rettung schuldig, und wer weiß, [107] ob mir die Macht, die Herrlichkeit, welcher ich nun entgegen sehe, nicht dieselbe möglich machen wird. –

Siuph fiel bey diesen Worten in ein tiefes, entzückungvolles Stillschweigen. Die Pause wurde durch das Schluchzen des Volks, das die Scheideworte seines Königs schön fand, ohne sie ganz zu verstehen, ausgefüllt.

Ich habe, begann der König, der sich indessen gefaßt hatte, von neuem, ich habe von irdischen Dingen nur noch eins zu besorgen, und das ist die Bestimmung meines Nachfolgers. Man gab mir zwar den Rath, Krone und Land Sam, dem Enkel Pharao Hophras, zu hinterlassen; auch war ich bis diesen Augenblick nicht übel zu diesem Entschluß gestimmt. Doch, dort erblicke ich meinen Bruder Nektanebus. Seine Rechte auf meine Wahl, sind die nächsten. Komm her, Geliebter meiner Seele, umarme deinen sterben den Bruder. Dies gute Volk wird dir die Krone nicht versagen! Die Stimme, die [108] ich dir zu deiner Wahl in diesem Augenblicke gebe, und der Fluch, den ich auf Egypten lege, daferne es nicht dir, und nach dir, allen meinen Brüdern bis zu dem jüngsten das Königthum gönnt, sey der erste Orakelspruch, den es aus meinem Munde hört. Nahe dich, mein Liebling! Amyrthaeus! Sohn und Bruder meines Herzens, auch du bist hier! komm, empfange auch du den Kuß des Scheidens und der heiligen Königs-Weihe. Volk des Nils! siehe hier den ersten und den letzten meiner Nachfolger! Noch einmahl: Fluch über dir! wenn du den letzten Willen dessen, der noch jetzt dein König ist, nicht erfüllest!

Derjenige, welcher im Stande gewesen wär, im Augenblicke dieser letzten Worte des Königs, Bemerkungen über das Betragen der Priester zu machen, würde seltsame Aufschlüsse über manches Geheimnißvolle dieser Scenen erhalten haben; aber die Dämonen, die das Schlachtopfer umringten, (Wuth und fehlgeschlagene Hoffnung funkelten in ihren Blicken) hatten keinen Bemerker. Siuph fühlte sich schon halb der [109] Erde entrückt, sein Geist schwebte schon in höhern Regionen. Seine Brüder hingen an seinem Halse, und weinten, sie fühlten nichts, als die Trennung von ihm. Das Volk war von Bewunderung seines Königs trunken, und die Anbetung, zu welcher sein Betragen sie hinriß, gab keinen Gedanken Raum, als den Willen des Sterbenden augenblicklich zu erfüllen. Sie strömten herzu, und rissen ihre bestimmten Herrscher aus seinen Armen; sie trugen dieselben auf ihren Schultern im Triumph davon, und die Namen: Könige und Väter des Volks! die es ihnen zurief, raubten den bestürzten Priestern alle Hoffnung, den Endzweck noch zu erreichen, den sie durch Aufopferung des besten und unglücklichsten Königs, heran gearbeitet hatten.

Siuph, ein duldendes, williges Opfer, blieb in ihren Händen. Egypten erfuhr in wenig Stunden, des heiligen Königs großer Entschluß sey erfüllt, und nach sieben Wochen, wenn die Gebeine des vergötterten Siuph die volle Salbung erhalten hätten, könne man die ersten Aussprüche desselben einholen.

[110] Welches Todes Siuph eigentlich gestorben war, erfuhr niemand. Die Priester waren zu klug, wie sonst das Ceremoniel bey Schlachtung eines Isispriesters erforderte, sein Blut vor den Augen des Volks zu vergießen. Niemand sicherte sie bey einem solchen Auftritt vor neuer Empörung. Siuph hatte in dem Innern des Tempels seinen Opfertod geduldet, ob durchs Schwerd oder durch Feuer, das wußte niemand. Die ältesten Egyptier erinnerten sich, von ihren Großvätern gehört zu haben, daß es noch einen dritten Opfertod gebe, welchen man für den heiligsten hielt, aber sie hüteten sich, denselben zu nennen, um den Freun den des vergötterten Königs nicht noch einige Zeit die Hoffnung seiner Rettung zu erhalten, und Egypten vielleicht seine Orakel zu rauben. Dieses wär um desto eher möglich gewesen, da man wußte, daß im Isistempel Streit und Zwietracht bis zur gänzlichen Verwirrung herrschte. Er blieb mehrere Tage geschlossen, wie die Diener der Göttin sagten, um in Zubereitung der heiligen Mumie nicht gestört zu werden, aber, wie andere behaupteten, aus Ursachen, die dem [111] neuen Könige von Egypten und seinem ganzen Lande den Vortheil hätten geben können, sich auf einmahl der Hierarchie zu entreissen, deren drückendes Joch sie fühlten, ohne sich es gestehen zu wollen.

Weder Nektanebus, noch seine Brüder erfuhren etwas von diesen geheimen Gerüchten. Sie kannten das Land noch nicht hinlänglich, um seine innere Verfassung beurtheilen zu können; mancher König von Egypten verlies den Thron, ohne in dieselbe einen tiefern Blick gethan zu haben; selbst Siuph war ja in diesem Fall gewesen.

Der alte Arueris, welcher, besonders in den letzten Zeiten, heller sah, und als Priester heller sehen konnte, würde vielleicht seine Pflegesöhne von gewissen wahrscheinlichen Muthmaßungen unterrichtet und ihre Schritte geleitet haben, aber er war nicht mehr. Das Entsetzen über das Trauerspiel im Tempel, hatte ihm eine Schwachheit zugezogen, die er nur wenig Tage überlebte.

[112] Sohn, sagte er zu dem neuen König von Egypten, der an seinem Lager kindliche Thränen vergoß: Bitte die Götter der Rache, daß sie mit dem Blute Siuphs die Vergehungen deines Vaters abgewaschen seyn lassen. König Sam, ich mochte sein Verfahren gegen das Haus Pharao Hophra's jenesmahl im Tempel Hephästos beschönigen wie ich wollte, handelte nicht ganz gut als Ueberwinder. Hophra's Sohn, der Vater jenes Sam im Isistempel, mußte sterben, um deinem Vater den Thron zu sichern. Dies ist die Weise der Eroberer! Nektanebus trete nicht in ihre Fußtapfen; er sey ein friedlicher Beherrscher seines Volks, damit er einst sterben kann, wie ich sterbe.

Es würde mich zu weit führen, wenn ich der großen Termuthis alles umständlich erzählen wollte, was nach Siuphs Hintritt unter den Regierungen Nektanebus und seiner Brüder vorgieng. So viel sey genug: Hatte Siuph jemahls richtig prophezeihet, so war es in jener Stunde, als er das letzte Gespräch vor seinem Eingang in dem Tempel mit seinen versammelten Brüdern [113] hielt. Er weissagte allen die Egyptische Krone, die er ihnen auch, wie wir gesehen haben, in der Folge zu sichern wußte, und allen einen frühen Tod, und die Zeit von den Regierungen zehn guter Könige, drängte sich in den Raum von zwölf bis dreyzehn Jahren zusammen.

Der vergötterte Siuph schien sich zu sehnen, in den himmlischen Regionen, alle seine Brüder bald um sich zu haben; denn die Göttersprüche, die man bey seinem Grabe holte, hatten alle einen wunderbaren Einfluß auf das Schicksal und das schnelle Lebensende seiner Brüder.

Nektanebus, von dem heiligen Toden aufgefordert, drey Nächte an seinem Grabe zu wachen und dort besonderer Aufschlüsse über das Wohl Egyptens gewärtig zu seyn, ward in der heiligen Gruft todt gefunden; wahrscheinlich, so sagte man wenigstens, hatte ihn der Schmerz, um den verlorenen Bruder, oder das Ungewohnte himmlischer Offenbarungen getödet.

[114] Dem Nachfolger dieses Prinzen prophezeihete der vergötterte König den schönsten Tod an heiliger Stelle, und gebot ihm, die Wohnung der Isis fleißig zu besuchen; ihn tödete, einst in voller Versammlung, ein Blitz bey heiterm Himmel.

Als König Nekos, der Dritte nach Siuph, sein Ende auf ähnliche Art im Tempel fand, so fing das Volk an zu murren; die Könige wurden vorsichtiger, sie besuchten nicht mehr so fleißig das Grab ihres Bruders; aber seine Orakelsprüche dauerten fort, und ihr Einfluß schlängelte sich unabläßig bis zum Thron der Könige heran. Nutzlose Heerzüge, gewagte Unternehmungen von anderer Art, in der Lybischen Wüste geholte giftige Krankheiten, machten die Zahl von Siuphs Brüdern klein, und Amyrthaeus war an der Reihe den Thron zu besteigen, ehe man, seit Egypten wieder einen weissagenden Gott besaß, zum dreyzehnten mahl das Fest der Niloen feyerte.

Dieses Fest, das dem großen Wohlthäter Egyptens, dem fruchtbarmachenden siebenarmigten [115] Strom heilig war, fiel in die Zeit des längsten Tages, und wurde, wie sich das von den ceremonienreichen Egyptiern erwarten läßt, mit ganz besondern Gebräuchen begangen. Amyrthaeus, welcher, als man ihm den Tod seines letzten Bruders meldete, und ihn zum Throne rief, bey dem Heere war, das er fast in den letzten zehn Jahren nie verlassen hatte, wurde ermahnt, sich unausbleiblich vor den Niloen einzufinden, und keine der bey diesem Feste dem Könige zukommenden Gebräuche zu unterlassen.

Amyrthaeus, ein Kriegsheld, war mehr in den Waffen, als in den Sitten einer Religion erfahren, die er nicht liebte, weil sie ihn um eilf seiner Brüder gebracht hatte. Er ließ den Priestern der Isis, die ihm diese Botschaft zusandten, sagen: er würde kommen, kommen als König, aber die Art seiner Zukunft würde von dem Zufall und seinem Willen abhängen.

Eine zweyte Botschaft kam an, welche nichts als einen Orakelspruch des vergötterten [116] Siuph enthielt. Amyrthaeus öffnete sie mit wenigerer Ehrfurcht, als er dem Andenken eines so zärtlichen Bruders schuldig zu seyn schien, und las folgende Worte:

»Willkommen, willkommen auf dem Thron unserer Väter! Willkommen, Pharao Amyrthaeus! Siehe, er zieht daher, nicht mit glänzenden Waffen; einsam, und mit den Sprossen des Oehlbaums geschmückt, wallt er den Weg zur Krone! An der Grenze des Königreichs läßt er seine Krieger zurück das Land zu decken, dem Ueberfall aus Persien droht! Schnell und ungesäumt ist sein Schritt, um die Zeit der Niloen nicht zu versäumen! Doch vergißt er nicht, wenn er dem Nil naht, die heiligen Krokodile zu besuchen. Sanftmüthig und ohne Wuth durchschlüpfen sie in diesen seeligen Tagen die schilfigten Ufer des Stroms; vermag Amyrthaeus mit eigener, unbewaffneter Hand eins der geweiheten Thiere zu fahen, und gebunden nach Memphis zu führen, so hat er den Typhon gefesselt, dessen [117] Wuth seine Brüder tödete; der Fluch, der auf Sams Kindern ruhte, ist abgethan, und die Jahre der Herrschung des Pharao Amyrthaeus vergleichen sich mit König Sethons Jahren!«

Amyrthaeus, der in der langen Entfernung von Priestern und Tempeln heller hatte sehen lernen, als alle seine Brüder, fand den Gift, der in diesem Götterspruch lag, fast zu plump aufgestreut, und konnte sich nicht entbrechen, da er sich unter lauter vertrauten Freunden glaubte, denn niemand umringte ihn, als die vornehmsten Anführer seines Heers, seine Gedanken laut werden zu lassen.

Es scheint, begann er mit bitterm Lachen, man hat dem Pharao Amyrthaeus ein noch kürzeres Ziel bestimmt, als seinen Brüdern. Einsam und ohne Schutz soll er die Gegend betreten, wo Siuphs Mörder, wo die Mörder aller seiner Brüder herrschen, soll – ein herrliches Zumuthen für Egyptens König! – noch erst mit den Krokodilen kämpfen, – ehe er den Thron betritt, [118] den, bey König Sams Schatten seys geschworen, keine menschliche Macht ihm entreissen wird!!

Pharao Amyrthaeus vergißt, antwortete einer seiner liebsten Diener, daß es sein himmlischer Bruder, kein Feind und Mörder ist, der in diesen Worten mit ihm spricht. Was das Zurückbleiben des Heers anbelangt, so wird es allerdings nöthig seyn, da wir von Persien her wenig Sicherheit haben. Der sogenannte Kampf mit den Krokodilen ist kaum der Rede werth. Es ist ja bekannt, daß sie während der Niloen keinen Menschen verletzen. Ein Kind kann sie binden in diesen Tagen, und ich besinne mich selbst, daß ich als achtjähriger Knabe – –

So? unterbrach ihn Amyrthaeus mit flammendem Gesicht, besinnst du dich auf ein ähnliches Wunder? Wohl gut! Man fessele diesen Mann, damit er der Ehre, dies Wunder zum zweyten mahle gewürkt zu haben, nicht entfliehe. Wenn ich nach Memphis komme, werde ich nicht ermangeln, [119] ihn das Krokodil, das Sams Haus mit dem rächenden Typhon aussöhnen soll, an meiner Statt binden, und den Isispriestern zum Geschenk bringen zu lassen.

Man erzitterte über die Majestät, mit welcher der neue Pharao diese Worte sagte; viele unter seinen Räthen, welche gesinnet waren wie derjenige, den man jetzt gebunden abführte, schwiegen gern, um sich nicht zu verrathen. Einige andere, welche ihrem Herrn wirklich treu dienten, aber auch die Macht der Isispriester kannten, und besorgten, Amyrthaeus möchte durch Hitze und übereilte Aeußerung seiner wahren Gedanken, sich den Weg zum Tode bahnen, den seine Brüder gegangen waren, nahmen ihre Seele in die Hand, und wagten, auf die Gefahr ihm zu misfallen und für Creaturen seiner Feinde gehalten zu werden, die nöthige Warnung.

Amyrthaeus wußte die Stimme der Wahrheit zu unterscheiden; er dankte seinen Freunden und bat sie, ihn seinen eigenen Weg gehen zu lassen. Glaubt mir, sagte [120] er, ich kenne dies Geschlecht, dieses Priestervolk! Zur Zeit unsers hülflosen Herumirrens in der Welt, zur Zeit, da Sams unglückliche Kinder den Weg zum Throne suchten, der ihnen der Weg zum Grabe ward, wurde ich von meinem Schicksale in einen ihrer Göttertempel geschleudert, ich gerieth unter die Zahl der Kinder des Apis, die sie Göttersprüche reden lassen, ich weiß sehr wohl, wie es mit ihren Orakeln bewandt ist, und wie sie sie zu erkünsteln wissen. Glaubet mir, der vergötterte Siuph sprach immer nur, was die Priester sprachen, und er weiß in jenen Reichen des Lichts, die sein verklärter Geist bewohnt, kein Wort –

O! fiel hier die große Termuthis ein. O Almé! du sprichst zu viel! du lästerst das, was auch uns noch heilig ist!

Prinzessin, antwortete ich, ich lasse den Pharao Amyrthaeus reden, ohne zu billigen oder zu tadeln, was er sprach.

Gut, gut, Rusma! fuhr sie fort, aber ich bitte dich überhaupt, fasse dich kurz, ich wünschte in der That, das Ende deiner [121] Erzählung zu hören. Eine seltsame Unruhe in meinem Blute, ein angstvolles Schlagen des Herzens, dessen Ursache ich nicht errathe, macht, daß ich es länger finde, als irgend etwas, das ich aus deinem Munde gehört habe.

Ich that den Vorschlag, sogleich abzubrechen, weil ich mich selbst nicht ohne eine heimliche Unruhe fühlte, die mir fast das Reden schwer machte, aber die Prinzessin, welche die Ordnung liebte, fand dieses unthunlich, und ich fuhr fort:

Amyrthaeus kam, auf Anrathen seiner Freunde, die es nicht für gut fanden, jede religiöse Rücksicht bey einem so abergläubigen Volk, wie die Egyptier, auf die Seite zu setzen, würklich noch während der Niloen in Memphis an, welche von ihnen, als eine besonders glückliche Epoche zur Einführung eines Königs, angesehen wurden. Auch lies er einen Theil des Heers an den Grenzen zurück; er wollte nicht das Ansehen haben, als vernachlässige er die Götterstimme seines Bruders, ob er gleich wohl einsahe, [122] daß der besorgte Einfall der Feinde eine Fabel war, die nur darzu dienen sollte, ihn einsam und unbeschützt in die Hände seiner Feinde zu liefern; aber ein anderer Theil seiner Krieger, und nicht der unbeträchtlichste begleitete ihn. Seine Schläfe umkränzte zwar der Oehlzweig des Friedens, denn er hatte Frieden mit seinem Volk, und kam als Vater zu ihm, aber das Schwerd an seiner Seite drohte den Feinden, und schon sein bloßer Anblick war denen unter ihnen, welche ihm entgegen gesandt wurden, um ihn einzuholen, Schrecken und Unterpfand, daß hier kein Siuph, kein Nekos, kein Nektanebus den Einzug halte.

Kaum wagte man es, ihn an den freundlichen Vorschlag, mit den heiligen Krokodilen zu kämpfen, zu erinnern, die zur Zeit der Niloen die schilfigen Ufer des siebenarmigten Stroms, zahm wie duldsame Lämmer, durchschlüpfen; er beantwortete den leisesten Wink hievon, mit einem Blicke, der hierüber ewiges Stillschweigen gebot; doch zu großmüthig war er, seine Drohung an demjenigen zu erfüllen, der sich zum [123] Bürgen für die Sanftmuth dieser Ungeheuer ge macht hatte, und welcher gefesselt, dem Heer nachgeführet wurde.

Ganz Memphis regte sich, als der neue Pharao mit der wahren Majestät eines Königs seinen Einzug hielt; die Priester zitterten bey seinem ersten Eintritt in den Tempel, und bey allen Schritten, die er in den folgenden Tagen that, zur Befestigung seines Thrones that, eigenmächtig that, ohne Priester und zweydeutige Räthe zu befragen.

Tausend Kabalen wurden geschmiedet, seine Entwürfe zu vereiteln; es war fast kein Geheimniß mehr, daß der König und die Diener der Isis Feinde waren. Noch drey Tage sollten bis zu seiner Krönung im Tempel der Göttin verfließen. Aber man versicherte ihn von allen Seiten, besonders die Priester des Phtah, des Osiris und des heiligen Stieres versicherten ihn, er werde diesen Tag nicht sehen, oder, sähe er ihn, schwerlich denselben überleben. Die Priester der andern Göttertempel, heimliche [124] Hasser der Diener der herrschenden Isis, drängten sich mit diesen und ähnlichen Weisungen dicht an den König. Aber er hörte, er achtete sie nicht, und versicherte einen jeden, daß er Mittel in sich selbst habe, jede Verrätherey zu vernichten, und den Thron, den ihm die Götter aufgehoben hätten, zu behaupten.

Die Aussprüche des vergötterten Siuph in diesen Tagen, waren unzählig; niemand achtete mehr auf die selben, und selbst das Volk spottete des Orakels, das zu deutliche Spuren des Odems trug, welcher es beseelte. Eine Art von Verzweiflung mußte sich der Feinde des Königs bemeistert haben, daß sie so plump zu Werke gingen; auch war es dem weisen Amyrthaeus wohl bekannt, daß im Tempel wüthende Zwietracht herrsche, und daß man in diesen Tagen, in den Tagen seiner persönlichen Anwesenheit, die allen Gewaltthätigkeiten hätten Einhalt thun sollen, es gewagt habe, einen der vornehmsten Isispriester hinzurichten.

[125] Nur Geduld! rief der erzürnte König, nur noch die Zeit von Nacht bis Morgen Geduld! und meine Rache soll alles finden, soll jedes Verbrechen ans Licht ziehen.

Es war auch in der That nur noch die Zeit von Nacht zu Morgen, bis auf den großen Augenblick, der den muthigen Amyrthäus die Krone bestätigen sollte. Um ein wenig zu schlummern, warf er sich nach Mitternacht auf sein Lager. Seine Seele von der dunkeln Aussicht auf unausgeführte Entwürfe ermüdet, bedurfte dieser Erholung. Seine Augen schlossen sich indessen nur halb, und sein Geist verlor nicht ganz das Bewußtseyn der Dinge, die ihn umgaben; da wars, als trät' seines Vaters, König Sams, Schatten zu ihm, blickte ihn mit forschendem Auge an, legte dann seine Hand auf sein klopfendes Herz, und fragte: Amyrthaeus! was schlägt in diesem Busen? Durst nach Gerechtigkeitsübung, oder Kronensucht?

Vater, antwortete er, das weißest du? Egyptens Krone trage wer da wolle, wenn [126] nur dem Frevel gesteuert wird! Oder sollen meine Brüder ungerochen geblutet haben?

Wohl! antwortete die Erscheinung im Verschwinden. Noch lange, lange ists dahin, bis Egypten einen Pharao Amyrthaeus sieht; aber das Schwerd der Gerechtigkeit ist in deiner Hand!

Amyrthaeus richtete sich noch im halben Schlummer auf, und starrte in die Dämmerung hin, die sein Zimmer umzog, da wars, als schwebte der Schatten noch einmahl hervor. Erwache! rief er, die Zeit der Rache beginnt!

Der Prinz hatte sich noch nicht völlig ermuntert, als man an seine Thür klopfte; das gewöhnliche Zeichen für ihn, daß der Morgen graue, und die Zeit des Erwachens da sey.

Amyrthaeus erhob sich, die dunkelste Mitternacht herrschte noch draußen, und die Sterne funkelten tiefe Ruhe herab. Was ists, rufte er, daß man so früh mich[127] erweckt? – Herr, war die Antwort, hier ist geheime Botschaft aus dem Isistempel. Man verlangt dich augenblicklich zu sprechen.

Der Prinz war, so nahe er auch gegenwärtig am Throne stand, noch immer der einfachen Sitte des Kriegslebens getreu; kein zahlreiches Heer von Dienern umringte ihn, und machte dem, der Gehör suchte, den Zutritt schwer; er selbst erschwerte ihn nur denjenigen, von denen er nutzloses Einmischen in Dinge, die er sich selbst vorbehielt, Versuche seine Entschlüsse zu durchkreuzen, oder Verschwendung der Zeit besorgen mußte. Eine geheime innere Stimme sagte ihm, daß hier keiner dieser Fälle statt finde, daß er diese Botschaft hören müsse, ob sie gleich aus der Wohnung seiner Feinde kam.

Die Person, welche eintrat, war ein junger Isispriester. Er sahe sich schüchtern um, als ob er Aufmerken besorgte. Pharao verstand die Miene, gab einen [128] Wink, allein zu seyn, und verschloß selbst die Thüre.

Jüngling, sagte er zu dem Boten, der noch immer zitternd vor ihm stand und keine Worte finden konnte, Jüngling, was bringst du mir?

Botschaft von einem sterbenden Feinde.

Welcher meiner Feinde im Isistempel ist gestorben?

Du hast ihrer viele, Amyrthaeus! wollte Gott, sie lägen alle so ruhig, wie dieser! – Verzeihung ihm! er war keiner deiner hartnäckigsten Verfolger. Er mußte sterben, weil er dir Friede und Aussöhnung bringen wollte. Lies diese Zeilen, sie geben dir Aufschluß:

Amyrthaeus las und staunte.

»Letzter der Königssöhne, die auch ich verfolgen half! Friede und Aussöhnung in der Stunde des Todes! Ich bin der unglückliche Sam, den Liebe [129] und Kronensucht zum Verbrecher machten. Besa war mein Verführer! O der schrecklichen Nacht, die ich mit ihm beym Isisbilde verwachte! Sie war die Geburtsstunde meiner Verbrechen! – Konnte ich so den Ruf der Götter im Tempel Hephästos, so der Stimme vergessen, die Siuphs Brüder wählte, und mich verwarf? Und wie wagte ich es, wider den Willen der Götter zu streiten? Höre, o Pharao Amyrthäus, höre die Geschichte meiner Verbrechen, und lerne verzeihen! –

Ich liebte Siuphs reizende Braut, liebte sie, ohne Hoffnung. Besa wußte mir Aussichten zu ihrem Besitz zu eröffnen, wo ich keine sah, und hier schloß sich mir der erste Weg zum Verbrechen auf. Ich warf jetzt kühnere Blicke auf Nitetis, und durch teuflische Künste wußte sie jener Verführer in meine Arme zu zaubern. Nitetis starb nicht des schrecklichen Todes, von dem vielleicht auch du gehört hast, sie wurde nur ihrem Gemahl durch ein Blendwerk entrückt, um mein zu werden.

[130] Sie ward es nicht, ob man gleich ihr Herz, in den letzten Stunden der Trennung, von ihrem Verlobten loszureissen gewußt hatte. Treu blieb sie ihm bis zum Tode.

Nicht genug, daß mich Besa zum Verbrecher aus Liebe gemacht hatte, auch durch Ehrsucht sollte ich fallen. Er weckte in mir den längst getödteten Trieb zur Krone auf, und lehrte auch hier, mich hoffen. Siuph starb, alle seine Brüder mußten sterben, sterben für mich!

Auch dir war der Tod bestimmt! und Sam, der Verworfene, der jetzt so gern reuend deine Knie umfassen möchte, ward nicht erschüttert von dem Blute, das um seinetwillen geflossen war und noch fließen sollte, er hoffte, doch endlich nach den Söhnen König Sams die Krone zu tragen, und durch ihren Glanz vielleicht die grausame Nitetis zu erweichen. Da erfuhr er, daß er nur König werden sollte, um den [131] nichtswürdigen Besa zu krönen, da erfuhr er, daß dieser Bösewicht, all diese Jahre über – für sich, nicht für ihn gearbeitet hatte.

Auch Nitetis sollte sterben, nur Besa's Thron desto gewisser zu machen. Da Sam dies nicht mehr bezweifeln konnte, entbrannte sein Herz im heiligen Grimme, ihm gingen die Augen auf; er wollte den unglücklichen Amyrthaeus retten, retten Nitetis, wollte fliehen zu den Füßen des neuen Pharao, und ihm alles entdecken.

Doch seine Reue war zu spät, war vielleicht nicht rein vor den Augen der Götter. Sams Flucht ward entdeckt, entdeckt seine Plane! Er liegt jetzt in Ketten, und sieht in wenig Stunden dem Tode entgegen.

Noch fand er unter seinen Henkern eine mitleidige Seele, die seine letzten Worte, diese Worte der Warnung, an Pharao Amyrthaeus zu befördern, und [132] wo möglich, Nitetis zu retten, verspricht. Wenn du dieses erhältst, so wird der unglückliche Sam nicht mehr seyn, aber seine Stimme erschallt dir aus seinem blutigen Grabe:

Hüte dich, Pharao! hüte dich! der erste Schritt in den Isistempel ist dein Untergang, wenn du nicht die Vorsicht brauchst, dich vor demselben des ruchlosen Besa zu bemächtigen! Noch hast du Freunde unter den Tugendhaften der Priesterschaft. Sie werden zu dir treten, wenn du Muth hast, die Bande des heiligen Wahns zu brechen, und deine Hand an den Oberpriester der Göttin zu legen. Leb wohl, auf ewig! der unglückliche Sam grüßt dich als Egyptens Retter!

Gelingt der Plan meines Freundes, so ist der Ueberbringer dieses Briefes, in Priesterkleidern, diejenige, die ich in Jahren nicht sehen durfte, weil sie das Werkzeug werden sollte, mich zu allem zu nöthigen, was man von mir verlangte. [133] In weit von mir entfernten Gefängnissen wurde sie enthalten; man wußte, mit der Bedrohung, sie zu quälen, sie zu tödten, oder mit dem Versprechen von Linderung und Freyheit für sie, konnte man die Unmöglichkeit von mir erzwingen. Grüße, o grüße Nitetis! Sie war grausam gegen den, der alles für sie opferte, der ihr zu Liebe ein Verbrecher ward! Sage ihr jetzt, daß sie bey dir für mich bitte!«

Nitetis? schrie Amyrthaeus am Ende dieses Briefs, indem er den bleichen schüchternen Jüngling, der ihm zitternd gegenüber stand, näher betrachtete. – Du, Nitetis?

Wird der Bruder meines Siuph mich dafür erkennen? antwortete eine wohlbekannte Stimme; wird er diese Unglückliche, für jenen heiligen Schatten treu, für unschuldig halten, nachdem sie zwölf Jahre in der Gewalt des Verbrechens lebte?

[134] Amyrthaeus erwartete nicht das Ende dieser Worte, er umfaßte mit einem Strom von Thränen seine Schwester, und wiederholte unablässig ihren Namen.

Nitetis hatte sich wenig verändert, die Züge des Grams und des erduldeten Elends konnten ihre Schönheit nicht ganz entstellen. Sie war erst sechzehn Jahr alt, als ihr langes Leiden begann.

Man denke sich die Unterhaltung dieser Beyden, nach dieser großen wundervollen Entdeckung! Amyrthaeus Gemahlin wurde am Ende herbey gerufen, um der wiedergefundenen Toden, der unbekannten Schwester, Ruhe in ihren Armen zu geben, bis der große Tag der Rache völlig angebrochen sey, an welchem sie wider ihre Tyrannen, wider Sams Henker, wider den Mörder aller Brüder Siuphs, zeugen sollte. Nur Beweise dessen, was Besa wider Sam, Siuph und Nitetis verbrochen hatte, waren deutlich und vollständig in ihrer Gewalt, auch waren sie hinlänglich. Das Blut der übrigen Ermordeten zu rügen [135] und zu richten, wär das Werk eines halben Gerichtstags gewesen, wie ihn einst die Todenrichter halten werden: Besa's Gericht sollte kurz seyn, man hatte alle gerochen, wenn man das Blut Sams und Siuphs von seinen Händen forderte.

Nitetis war sehr matt und ohnmächtig, sie wünschte von den schrecklichen Auftritten des folgenden Tages ausgenommen zu seyn, und Amyrthäus versprach ihr, sie zu schonen. Dein Zeugniß, sagte er, war nöthig, mich zu überzeugen, auch wird in der Folge das Volk Ueberzeugung aus deinem Munde erhalten können. Aber das Gewissen des Verbrechers durch deine Erscheinung zu überführen, ist unnöthig. Ueberführung seiner Unthaten trägt schon jeder Ruchlose in seinem Herzen. Auch seine Mitbrüder kennen ihn, wie es scheint, und sehen seinem Urtheil entgegen, ohne daß du zu erscheinen brauchst.

Almé, so zartfühlend als Nitetis, mag dem zornigen Pharao, der sich flammend, wie ein Rachgott mit dem Aufsteigen der [136] ersten Morgenröthe nach dem Tempel erhob, nicht folgen. Die Verurtheilung eines Verbrechers ist allemahl ein schreckliches Schauspiel, Almé wendet ihre Augen ab, sie naht sich erst, als Besa, schon völlig überführt, völlig von dem Volke und sei nen bisherigen Mitbrüdern der Rache preis gegeben, noch einen ohnmächtigen Versuch macht, den, der ihn stürzte, zu stürzen.

Freue dich nicht, Amyrthaeus! so riß sich Besa aus seiner Verzweiflung empor, freue dich nicht meines Falls, er wird dir nicht Egyptens Krone gewinnen. Noch ist etwas in meiner Macht, dich tief in den Staub zu treten, und aus dem geglaubten Pharao einen kriechenden Anbeter eines rechtmäßigern Königs, oder einen Rebellen zu machen. Man gönne mir nur einen Augenblick den Gebrauch meiner gefesselten Hände, und ich will den Todten erwecken, der, wenn er gleich mich schrecklicher richten, doch auch dich demüthigen, oder zum Verbrecher machen soll.

Man gönnte dem Verbrecher, was er forderte; er zog einen Schlüssel hervor, und [137] nahte sich, eine verborgene Thür im Fußgestelle des Isisbildes, zu eröffnen.

Heraus du Todter! schrie er, deine Rechte auf Egyptens Thron zu behaupten! Wie? du zögerst? Ahndest du bereits, daß Besa's Worte aufhören, dir Gesetz zu seyn? Oder hältst du für Hohn, was ich sagte?

Amyrthaeus empfand bey dieser Handlung, die niemand verstand, ein freudiges Zittern, das alle seine Glieder durchdrang; es giebt Augenblicke in unserm Leben, wo wir das Glück, das uns bevorsteht, auf ein Haar ahnden.

Besa wollte seinen Ruf wiederholen, aber ein gebietender Wink des Königs legte ihm Stillschweigen auf. Er nahm eine Kerze aus den Händen der umringenden Priester, um selbst in die Dunkelheit hinabzusteigen, aus welcher man Todte hervorrufen wollte. Verschiedene seiner Diener, welche es nicht wagen durften, ihn zurückzuhalten, folgten ihm. Man fand die Gegend, in welcher man war, zu gefährlich, um einem geliebten Prinzen den kühnen Besuch [138] eines ganz unbekannten Theils derselben ohne nöthige Vorsicht zu gestatten.

Sieben Personen waren es, die den König begleiteten. Besa schickte ihnen ein teuflisches Gelächter hinten nach. Völker des Nils, sagte er, ihr werdet jetzt einen ganz unvermutheten Auftritt sehen! Vergnügt sterbe ich, da ich die Genugthuung habe, dem stolzen Amyrthaeus die Krone entrissen, oder euch in derselben den Grund zu Bürgerkrieg und jahrelangem Elend hinterlassen zu haben.

Man hörte kaum auf das, was der heimtückische Verbrecher sagte; denn aller Aufmerksamkeit wurde jetzt auf das Innere des Gewölbes gerichtet, aus welchem sich ganz deutlich Stimmen der Freude und der Jubel eines glückwünschenden Zurufs hören ließen. Man drängte sich näher hinzu, um genaue Erkundigung einzuziehen. Aber im Augenblicke stürzten schon einige von Amyrthaeus Begleitern heraus. Mit gen Himmel gefaltenen Händen, mit Augen, in welchen die Thränen des Entzückens schwammen, [139] wollten sie der erwartungsvollen Menge ein Etwas verkündigen; aber sie stammelten, und niemand konnte sie verstehen. Auch war wörtliche Verkündigung unnöthig, da man in diesem Augenblicke schon sehen sollte, was niemand zu hoffen gewagt hätte, und was niemand seinen Augen glauben konnte.

Amyrthaeus führte aus dem Grabe eine bleiche, in Todentücher gehüllte, Gestalt herauf, welche ersten Blicks niemand kannte, und die des Prinzen von Freudenthränen erstickte Worte, lange vergebens kenntlich zu machen strebten. Sie trug die Egyptische Krone, mit welcher Amyrthaeus diesen Morgen, als er dem Oberpriester der Isis sein Urtheil sprach, sich selbst gekrönet hatte!

Was sehen wir! schrien einige der nächsten, die endlich denjenigen, welchen Amyrthaeus mit der Krone von Egypten geschmückt hatte, näher ins Auge faßten. Was sehen wir! ist das nicht Pharao Siuph? –

[140] Ja! schrie Amyrthaeus, dem jetzt die Sprache wieder kam, er ists! er ists, dieser geliebte Bruder! Volk der Sonne! siehe deinen angebeteten König wieder! er lebt! er lebt! o Freude, die ich diesseit des Grabes nicht mehr zu finden hoffte!

Das Entzücken, das eine solche Entdeckung her vorbringen mußte, lief wie eine zündende Flamme durch die ganze zahllose Versammlung, sie theilte sich allen mit, und alles rief aus einem Munde: es lebe der Beste der Könige, es lebe der auferstandene Siuph! Siehe, schon trägt er die Krone, die ihm zukommt! ihn krönte damit die Hand des treuen Bruders, und ewig, ewig müsse er sie tragen!

Amyrthaeus war trunken vor Freude; er lies seinen Bruder nicht von der Hand, sein Auge hing unablässig an dem seinigen, er beschwor ihn, zu sprechen, nur ein Wort zu sagen, damit er gewiß werde, daß er würklich lebe; aber Siuph schwieg, und nur sein Lächeln und der dankende Druck seiner Hand sagte seinem Bruder, sagte dem Volke, das zu seinen Füßen lag, daß er sie [141] verstehe. Zu bestürzt mußte der, welcher zwölf Jahre in einem Grabe verlebt hatte, über den schnellen Wechsel des Glücks seyn, um sprechen zu können.

Amyrthaeus riß sich jetzt von seines Bruders Hand los, um zu Besa zu eilen. O Unglücklicher, rief er, indem er anfing ihm mit eigener Hand seiner Fesseln zu entnehmen, wie habe ich dich verkannt! Ich wollte dich tödten, und du schenkst mir meinen Bruder wieder! Vergieb! vergieb! nimm Leben und Freyheit von mir an, ich denke, das Geschenk, das ich dir mache, bey meinem Könige verantworten zu können. Hast du andere Verbrechen begangen, so wisse, daß sie nichts sind, gegen die Wohlthat, uns Siuph erhalten zu haben!

Elender, schrie der schäumende Besa, indem er seine Hand von sich schleuderte, denkst du, daß dein Todfeind dir oder Siuph eine Wohlthat zudachte? – Ha, daß ich jeden meiner Entwürfe scheitern sehen muß! Ich dachte mein sterbendes Auge mit der Demüthigung eines selbst gemachten Königs, mit dem Anblick eines angehenden Bruderzwistes [142] zu laben, und nun diesen Jubel! diesen Triumph schwärmerischer Liebe! O zu viel, zu viel für mich zu ertragen! Brich, mein Herz! auch der letzte Trost ward dir versagt!

Besa war in der freudigen Bestürzung über Siuphs Auferstehung nicht wieder gefesselt worden, er zuckte bey diesen Worten einen verborgenen Dolch und drückte sich ihn ins Herz. Zu schnell geschah die That, um verhindert zu werden. Amyrthaeus sahe mit stummen Entsetzen seinen Feind fallen; es war in dem, was er sagte und that, etwas, dafür seine edle Seele keine Begriffe hatte.

Doch bald riß er sich von diesem Anblick des Schreckens los, und eilte zu seinem Bruder zurück, der jetzt die ersten Worte zu seinem Volke geredet hatte, und sich nun auch mit einigen Tönen der Freude und des Entzückens zu seinem Bruder wandte!

Alles, was er sprach, war kurz und einsylbig; die Fragen, die man an ihn that, gingen alle verloren; er verstand sie noch [143] nicht, oder konnte sie noch nicht beantworten. Seine Erhaltung im Grabe, die Ursach, warum ihn sein Feind, der sein Leben in seiner Gewalt hatte, nicht tödtete, waren erst der Gegenstand späterer Unterhaltungen, und überhaupt konnte Siuph hiervon nur dieses sagen: daß die Aenderung des abgenöthigten Entschlusses, Sam die Krone zu hinterlassen, daß die unerwartete Bestätigung seiner Brüder auf dem Egyptischen Throne, seinen Opfertod verschoben, daß, da man ihn vergebens gequält, zu widerrufen, die Absicht seiner Henker wahrscheinlich dahingegangen sey, wie schon mehr Isisopfern geschehen seyn sollte, ihn hier langsam im Grabe verschmachten zu lassen.

Von den Priestern erfuhr man mit ziemlicher Gewißheit, daß Besa den unglücklichen König blos darum erhalten habe, damit er immer ein Mittel in Händen behielt, Sam, sollte dieser irgend einmahl unter andern Bedingungen, als welche er ihm vorschreiben würde, den Thron besteigen, wieder zu stürzen. So bindet die Vorsicht der Bosheit die Hände, und nöthigt sie oft, sich selbst entgegen zu arbeiten.

[144] Man hielt es jetzt für gut, den schwachen König zu nöthiger Pflege in den Pallast der Pharaonen zu bringen, wo die entzückte Nitetis schon das unglaubliche Gerücht von ihrem Glück vernommen, und sich eben hinlänglich ermannet hatte, es zu glauben, und ihrem Geliebten entgegen zu stürzen.

Man hielt sie zurück. Ach, noch lange, lange war es bis dahin, daß man es wagen konnte, Siuph mit dem ganzen Umfang seines Glücks zu erfreuen! Doch, endlich kam diese Zeit. Siuph ward nach einigen Monaten völlig wieder er selbst, man machte ihn Stufenweise mit seiner Täuschung im Tempel, mit Nitetis Leben, und dem, was sie für ihn erduldet hatte, bekannt, und lieferte ihm seine Geliebte in die Arme.

Ihr Entzücken zu schildern, würde vergeblich seyn. Wer die Freude des Wiedersehens in jenen lichteren Regionen bereits geschmeckt hätte, würde sich den besten Begriff davon machen können.

Amyrthaeus war glücklich in dem Glück seiner Geliebten; sie wollten die Krone von [145] Egypten mit ihm theilen, aber dieser treue Bruder wünschte, sie möchten sie für ihre Kinder ganz aufbewahren; ein Glück, das sie jedoch nicht sahen: die Götter hatten dem letzten von Sams Söhnen die Krone von Egypten sowohl, als dem ersten versprochen, die er auch, nach Siuphs spät erfolgtem Tode, erhielt, und lange trug.

Jetzt, nach befestigtem Glück Egyptens, und seines wiedergefundenen Königs, war eins seiner ersten Geschäfte, die Reformation, nicht allein des Isistempels, sondern auch aller andern. O, wie manche Geheimnisse wurden hier entdeckt, von welchen es der Nachwelt nicht erlaubt ist, zu reden!

Und ich bitte dich auch, Rusma, fiel hier Termuthis ein, solche Winke dir nie zu verstatten; du hast heute bereits verschiedene mahl auf diese Art gefehlt, und dadurch vielleicht mich gehindert, in den Schlaf zu kommen, welchen ich heute schlechterdings nicht finden kann.

Ich hatte meine Geschichte fast geendiget; um aber zu sehen, ob sich nicht noch [146] die Absicht meiner Erzählung erreichen, und der unruhigen Prinzessin ein sanftes Schlummern zu wege bringen ließ, hielt ich mich noch etwas weitläuftig bey dem Umstande auf: wie man in Besa's Wohnung eine goldene und silberne Schaale fand, mit Siuphs und Nitetis Namen bezeichnet, und mit dem stärksten Gift gefüllt, und wie das fromme Ehepaar, welches die Bestimmung dieser Gefäße, ihnen bey irgend einer unvorhergesehenen Gelegenheit schnell und unvermerkt den Tod zu geben, nicht verkennen konnte, bey wiederkehrenden Niloen, als der Gedächtnißzeit ihrer Rettung, dem Nil diese Denkmahle ihres Elendes, und des wundervollen göttlichen Schutzes opferte; daher es denn kommt, daß zur Zeit des längsten Tages, noch jetzt von den Verehrern des siebenarmigen Stromes güldene und silberne Schaalen, in seine Fluthen geworfen werden. »Siehe:« so singt man bey diesem Gebrauch: »siehe! wir sind ja in der Hand der Feinde! Was hindert sie, uns zu tödten, wenn Gott uns nicht schützt?«

Ich wollte hierüber noch mehr sagen, ob mir gleich ein seltsames Klopfen meines [147] Herzens fast den Athem benahm, als die Prinzessin, welche auf die letzt würklich in einen Schlummer zu fallen schien, auf einmahl mit Heftigkeit auffuhr, und mich am weitern Reden hinderte. Siehe wir sind – begann ich in halber Todesangst zum zweytenmahl meine letzten Worte, aber die Prinzessin lies mich nicht ausreden.

O, ich bitte dich, Rusma, schrie sie. Kein Wort, auch nun kein Wort mehr! – O ihr Götter! was ist geschehen! – Aus welchem Traume erwache ich! – Oder ists Würklichkeit! – O Zaide! Zaide! Krone meines Hauses, du geraubt? – von meinem Herzen gerissen? – Doch nein! – Nein nicht geraubt! – Noch schrecklicher für deine Mutter, freywillig entflohen! entflohen am Arme des Mannes, den ich verabscheue?

Die Prinzessin Termuthis war am Ende meiner Erzählung in eine Art von Schlaf gesunken, und mit diesen, in einem Schauer erregenden Tone gesprochnen Worten wars, daß sie erwachte!

[148] Ich sprang voll Entsetzen auf, ich faßte mit bittendem Blick ihre Hand und suchte sie zu besänftigen. Ich versicherte sie, was sie beunruhige, sey ein Traum. Zaide sey in Sicherheit, schlummere wahrscheinlich auf ihrem Lager dem nahen Morgen entgegen. Noch kurz vorher, ehe ich abgeholt worden sey, die Geschichte von Sam und Siuph zu erzählen, habe ich sie gesehen.

O die unglückliche Geschichte von Sam und Siuph! schrie Termuthis, ohne auf meine Tröstungen zu hören. Durch sie wurde ich hier festgehalten, indessen man mir meinen Liebling entführte! Almé! Almé! du bist im Einverständniß mit meinen Feinden! Mein Traum zeigte dich mir so! Sterben mußt du! du mußt sterben, wenn Zaide verloren ist.

Das Toben der Prinzessin, – (so kann ich den Affekt wohl nennen, in welchem sie sprach) – ward endlich durch einen betäubenden Lärm von außen unterbrochen.

Das Geräusch von eilenden Füßen tönte auf dem Marmorpflaster der äußern Gallerie, [149] männliche Stimmen brüllten, weibliche heulten, Gott! welch ein Bruch der heiligen Stille, die sonst, die besonders zu dieser Stunde, in dem Innern des Frauenzimmerpallasts zu herrschen pflegte, und welch ein Unglück weissagte er mir!

Von, ich weiß nicht, welchen Vorstellungen schon mehr als halb entseelt, bleich, schwankend, zitternd stand ich, als das Näherkommen des Geräusches, das Hereinstürmen der Frauen, der Sclaven, der Kämmerlinge, und das allgemeine Geschrey: Zaide sey geraubt, entflohen, entführt, mir alles Bewußtseyn benahm. Ein Umstand, der, da man ihn als Merkmahl eines schlagenden Gewissens annahm, in dem, was in der Folge mich betraf, merklich zu meinem Nachtheil redete.

Ach wie soll ich diese schreckliche Folge erzählen! Wie Euch darlegen, was mit mir vorging, da ich todt und vertheidigungslos zu den Füßen des Bettes der Prinzessin hingesunken war! Vergönnt meiner Feder, oder vielmehr meiner aufgeregten Einbildungskraft [150] einige Ruhe! Noch jetzt, so weit über alles Leiden erhaben, fühle ich Todesangst bey dem Rückkehren jener Bilder.

Die große Termuthis, welche gleichfalls ohnmächtig geworden war, mochte wohl auf ihrem elfenbeinernen Lager unter den Händen ihrer tröstenden Frauen erwacht seyn, aber die arme Almé erwachte – im Kerker!

O ihr meine Schwestern! werdet ihr den Muth haben, meine traurige Geschichte bis zu Ende zu hören? – O der schrecklichen Beschuldigungen, mit welchen man mich überhäufte! und, o der noch schrecklichern Wahrscheinlichkeit, mit welcher jeder Theil derselben bekleidet war! – Kann man unschuldig seyn, und doch den vollen Anstrich des Verbrechens haben? – so fragte ich mich oft, an meiner eigenen Unschuld zweifelnd, so werdet auch ihr fragen. Geduld, ihr Lieben! Eure Neugier soll befriediget werden!


[151] Wenn ich Euch im Anfang meiner Geschichte, beym ersten Eintritt in den Pallast der egyptischen Dame, von seinen Prachtgewölben, seinen Marmorhöfen, seinen zauberischen Gärten sagte, so dürft ihr nicht glauben, daß ich damit das ganze All dieses Wundergebäudes schilderte; ich kannte es damahls selbst noch nicht ganz: es hatte auch seine Kerker!

Mahlte ich Euch damahls den Hof dieser Prinzessin, ihre fröhlichen und reichgekleideten Mädchen, ihre dienstfertigen Sclaven, und die freundliche herzliche Aufnahme, die mir überall, die mir selbst auf dem Gesicht der Gebieterinnen entgegen lachte, so dürft Ihr wiederum nicht glauben, daß Ihr den Cirkel, in welchen ich Euch führte, ganz kennen lerntet. Auch ich kannte ihn damahls noch nicht, erst jetzt sollte ich erfahren, daß Falschheit und trügliche Hoflist unter dem Lächeln, das mich entzückte, wohnen könne.

Vergesset, was ich Euch damahls schilderte, vergesset alle lockende Aussichten, die damahls mir schmeichelten; Almé im Kerker, [152] Almé durch Falschheit und trügliche Hoflist dahingebracht, ist das Bild, das sich jetzt Euch darstellt. Wohl mir, wenn ihr ihm eine Thräne, wenigstens ein leichtes Bedauren schenkt!

Den Ort, wo ich erwachte, habe ich Euch genannt, obgleich nicht geschildert; ich vermag ihn nicht zu schildern, doch könnt ihr denken, daß in dem Pallaste der großen Termuthis von Oxyrinchus, da alles unvergleichlich war, auch die Kerker ihre Eigenschaften in unvergleichbar hohem Grade besessen haben werden.

Ich war allein, meine Erholung aus der Sinnlosigkeit, in welche mich schreckensvolle Ahndung gestürzt hatte, war von meinen bisherigen Freunden ganz ruhig der Natur und der Möglichkeit überlassen worden; sehr möglich wär es freylich auch gewesen, daß ich mich an diesem Orte nie wieder erholt hätte. Unbegreifliche Sorglosigkeit selbst derjenigen, die mich noch einer Art von Theilnahme würdigten! Doch Almé hatte in ihren Augen ihren moralischen [153] Werth verloren, die Vernachlässigung, mit welcher man sie dem Ohngefähr überlies, läßt sich erklären!

Ein schauervolles kaltes Gewölbe war es, das mich umgab. Die Eisluft um mich her, und die unabsehliche Höhe, in welcher eine Ampel über mir hing, lies mich schließen, wie tief man dieses Grab nach dem Mittelpunkte der Erde hinab gegraben haben müsse, um Lebendige zu den Todten zu verstoßen, und ihnen jede Hoffnung auf Rettung zu rauben.

Die kleine Flamme in der Höhe, welche man nur aufgehangen haben konnte, um den Elenden, die man hieher verstieß, ihren Jammer sichtbar zu machen, verbreitete kaum Dämmerung um sich her; zu mir in meine Tiefe hinab konnte sie unmöglich einen Lichtstrahl schicken, und ich weiß es daher nicht, was es war, das mich in dieser Todesnacht nach und nach einige Gegenstände unterscheiden lies.

Das, was ich fühlte, war so wie das, was ich sahe, von der Art, daß es mich [154] mit den schrecklichsten Vorstellungen erfüllte. Alles war mir fremd und unbegreiflich, und darum desto fürchterlicher.

Wohl hatte die Bewohnerin des Landes der Sonne zuweilen von Gegenden der Erde gehört, wo etwas, das man Kälte nennt, den Körper mit den peinlichsten Erschütterungen durchdringt, wo der Hauch von unserm Munde sich in ein dichteres Element verwandelt, und Wassertropfen zu funkelnden Demanten gerinnen.

Was ich gehört und gelesen, was ich nur halb geglaubt, und auf keine Weise begriffen hatte, das sollte ich jetzt erfahren.

Ich lag auf einem glatten funkelnden Boden, auf meinem Busenschleyer lag ein weißer glänzender Staub, den ich Reif oder Schnee genannt haben würde, hätte ich für diese Fremdlinge im Lande des Nils, in meiner Sprache einen Namen gehabt.

Daß ich diese Dinge mehr empfand, als mit Ueberlegung gewahr ward, das werdet ihr mir glauben; zu ungewöhnlich war mir das, was mein körperliches Gefühl reitzte, [155] als daß ich deutlicher Vorstellungen hätte fähig seyn sollen.

Der Frost, der meine Glieder durchbebte, ein Etwas, davon ich zuvor keine Idee gehabt hatte, schien mir Vorbote des Todes zu seyn, er war es auch vielleicht, und ich weiß nicht, was mich nach einiger Zeit von neuem belebt haben muß, so daß ich die Nothwendigkeit empfand mich aufzuraffen, wenn ich nicht hier umkommen wollte, und auch Kräfte in mir fühlte, diesem innern Trieb des aufstrebenden Lebens zu gehorchen.

Ich schleppte mich einige Schritte, aber ich glitt aus auf dem eisigten Boden, und die brennend scharfe Empfindung, die mein ganzes Wesen durchbebte, vermehrte sich von Augenblick zu Augenblicke. Nah an einander gränzende Empfindungen lassen uns leicht die Mittel, ihnen abzuhelfen, verwechseln. In heißer Sonnenglut hatte mich oft ein Tropfen Wasser gelabt. Dort im Winkel quoll eine silberne Quelle; konnte ich nur sie erreichen, so fand ich vielleicht Erquickung. Ich strengte alle meine Kräfte an, ich erreichte sie würklich, aber der lockende [156] Wasserstrahl war ein fester Körper; auch die letzte Hoffnung hatte mich getäuscht.

Ihr Almés der kältern Zonen, unmöglich könnt Ihr Euch vorstellen, was diese Erscheinung auf mich für einen Eindruck machte; ich glaubte mich bezaubert, ich sank voll Entsetzen auf den gefrornen Boden, mein Weh vermehrte sich, ich fiel wahrscheinlich in eine zweyte Bewußtlosigkeit, aus welcher ich vielleicht nie wieder erwacht seyn würde, wär nicht ein rettender Engel zu mir in meine Gruft hernieder gestiegen.

Dafür hielt ich wenigstens damahls die Gestalt, die sich mir zeigte, als ich meine Augen aufschlug; denn es war Menes, den ich vor mir sahe.

Er hatte einige Sclaven bey sich, welche beschäftigt waren, mich in dicke Decken zu hüllen, und in eine Maschine zu legen, die sich an Seilen in die Höhe wand. Er und sie machten, als sie im Gange war, in andern neben mir, die nämliche Reise.

Ich glaubte in einem abendtheuerlichen Traume zu liegen, und wandte mich auf die [157] andere Seite, um klüger zu träumen. Das Gefühl der Wärme, das meine Hüllen nach und nach über meine Glieder verbreiteten, begünstigte den Schlaf; ich entschlummerte würklich, und erwachte wahrscheinlich erst nach mehreren Stunden in einem prächtigen Zimmer, das ich zuvor noch nie gesehen hatte, wo Nephtis an meiner Seite saß, und mir ein heißes Getränke von gewürztem Weine bereitete, das, wie ich glaube, einen Todten mit Lebenswärme hätte durchdringen können.

Noch konnte ich nicht reden; ich stammelte den Namen meiner Freundin, und bestrebte mich die Arme nach ihr auszustrecken.

Sie winkte Stillschweigen, und ich schwieg. Sie flößte mir ihren Feuertrank ein, ich nahm ihn, und ward erquickt. Menes trat nach einer Weile in das Zimmer. Er warf sich an meinem Lager auf die Kniee; Arme, liebe Seele! rief er, indem er die Decken küßte, in welche ich gewickelt war. Man ist grausam mit dir umgegangen; doch dies war vielleicht das einzige Mittel, dich mir auf ewig zu schenken!

[158] Menes hatte noch nie so frey von seinen Wünschen gegen mich gesprochen, als in diesen Augenblicken; er wußte, daß ich ganz unfähig war, zu antworten, und ihm Stillschweigen aufzulegen. Er fuhr in einem Tone fort, der mich immer mehr beängstigte, er nannte mich sein Eigenthum, er sprach von glücklichem Leben an meiner Seite, er redete mit mir, wie der Bräutigam mit seiner Braut, und ich, welche wohl wußte, daß der königliche Menes der armen Almé Rusma das nie werden konnte, faßte endlich alle Kräfte zusammen, Nephtis, die sich ein wenig entfernet hatte, herbeyzurufen, und sie zu bitten, sie möge mich wecken, weil ich noch in einem fürchterlichen Traume zu liegen glaubte.

O, daß es ein Traum gewesen seyn möchte! Nur zu bald ward ich gewahr, daß ich wachte, daß Nephtis mich an Menes verrathen hatte.

Ich konnte den Zusammenhang dieser Dinge, so schwach wie ich war, nicht übersehen, nur das übersah ich, daß Menes eine Sprache gegen mich redete, die ich nicht anhören durfte; was ich in der Folge besser [159] von der Sache begriff, das will ich euch in der Ordnung mittheilen, wie mir es, weit später, kund ward.

In jener Nacht, da ich am Lager der großen Termuthis, die Geschichte vom Sam und Siuph erzählte, und so wie sie, in dem unruhigen Schlagen meines Herzens, welches mir oft fast das Reden unmöglich machte, (Ihr werdet die Abkürzung der Geschichte gegen das Ende, die mir die Angst eingab, wahrgenommen haben) eine warnende Unglücksahndung verkannte, die mich hätte retten können; in jener Nacht war es, daß sich eine Begebenheit ereignete, welche den fürchterlichen Einfluß auf mein Schicksal hatte, davon ihr nur den Anfang vernommen habt.

Zaide, schon längst ein Opfer schimpflicher Liebe zu einem Menschen, der ihrer unwerth war, setzte in dieser schrecklichen Nacht ihrem Leichtsinne die Krone auf; sie entfloh in seinen Armen, und Almé, die unglückliche Almé, sollte die Beförderin dieser Unthat, die Ernährerin der verwerflichen Leidenschaft gewesen seyn, welche das [160] Haus der großen Termuthis, das Haus, das sie ein ganzes Jahr genährt und gepflegt hatte, so unglücklich machte. Unglaublich dünkt es euch, ihr Lieben, daß man die tugendhafte Rusma so verkennen konnte; unglaublich dünkte es auch mir, bis Beweise über Beweise auf mich einstürmten, und mir die Macht der Selbstvertheidigung raubten. Nichts blieb mir übrig, da ich meine Anklage vernahm, als der Zeugniß fordernde Blick gen Himmel, und die Worte, die ich unabläßig rief: ich bin unschuldig.

Niemand glaubte mir; denn ich konnte nichts von dem, was man mir aufbürdete, läugnen. Wahr war es, daß ich ein Jahr lang – (die Prinzessin Pamylia führte in dem ernsten Gerichte über mich diese Klage) – wahr war es, daß ich ein Jahr lang täglich vor Zuhörerinnen, deren Herzen, wie es schien, nicht aus Eis gebildet waren, Geschichten der Liebe erzählt hatte, die ihren Eindruck nicht verfehlen konnten, besonders, wo diese Leidenschaft schon Besitz genommen hatte. Wahr war es, daß es mir nicht unbekannt war, daß Zaide sich in diesem Zustande [161] befand; die geschwätzige Nephtis hatte mich gleich in den ersten Tagen meines hiesigen Aufenthalts davon benachrichtiget; auch wahr war es, daß ich sie weder warnte – (darzu war ich nicht berufen) – noch – (und das hätte ich gesollt) – in ihrer Gegenwart Erzählungen vermied, die verheimlichter Liebe mit glücklichen Aussichten schmeicheln konnten.

Unter allen meinen Mährchen ward allein Athyrtis gerecht erfunden; meine Faöué, meine Suchis, so sehr sie beym ersten Gehör selbst Termuthis gebilliget hatte, wurden als Zunder unheiligen Feuers verworfen. Das strengste Gericht erging über die Geschichte des Pythicus, welcher Mittel fand, eine äthiopische Prinzessin, die er liebte, in Frauentracht zu sehen, und sie endlich auf diese Art zu entführen.

Ach, dieser schrecklichen Geschichte – so unschuldig erzählt, so unschuldig gemeynt, – dankte Zaide den unseligen Einfall, ihren geliebten Amun, den Sohn der Ameßes, oft unter den Almées, die seine Mutter begleiteten, zu sehen und Anschläge [162] zu schmieden, deren Ausführung wir nun sahen.

Da ich nicht läugnen konnte, auf diese Art Veranlassung zu der schändlichen Flucht Zaidens gegeben zu haben, so hielt man mich auch in dem, was man mir wegen eines heimlichen Einverständnisses mit ihr in diesen Dingen aufbürdete, für überwiesen. Niemand hatte zwar in dem schönen großen Mädchen, das mit Zaiden in unzertrennlicher Freundschaft lebte, einen Jüngling geahndet; aber daß ich so blind gewesen seyn sollte, als die andern alle, das hielt man für unmöglich. Alle Frauen der großen Termuthis standen wider mich auf, und schrien Rache wider mich, daß ich die heiligen Rechte des innern Pallasts durch Verheimlichung des Mannes, der ihn so oft mit seiner Gegenwart entweihte, verletzt habe.

Ich hätte vielleicht hierauf, noch etwas antworten können, aber ganz unbeantwortlich blieb die Wahrheit, daß Zaide seit geraumer Zeit mich allen ihren Gespielinnen vorgezogen, daß sie halbe Tage und Nächte, allein oder mit ihrer Almé, auf meinem [163] Zimmer zugebracht habe, daß ich sie, befanden wir uns allein, mit einem andern Namen als dem ihrigen genannt, und tausend andere Zeichen der innigsten Vertraulichkeit mit ihr von mir gegeben habe. Noch diese Nacht, zwey Stunden vor ihrer Flucht, sey sie und der verkleidete Amun, nach einem Gespräch, welches man wörtlich zu wiederholen wußte, und das ihr im Anfange dieser Blätter nachlesen möget, mit räthselhaften Worten von mir geschieden, die sich nun erklärten. Mich habe man abgeschickt, die Mutter, deren ahndende Schlaflosigkeit man als Hinderniß der Flucht gescheuet hatte, mit einer endlosen Geschichte zu äffen, welche noch darzu Spuren von Ruchlosigkeit und Gottesvergessenheit enthalte, die jede Unthat, welche ich begangen habe, nicht mehr als verwundernswürdig vorstellten.

Dieses waren die entsetzlichen Beschuldigungen, die man wider die unschuldige Almé vorbrachte; Beschuldigungen, deren Wahrscheinlichkeit mich auf das fürchterlichste belastete, und welchen der Traum[164] der großen Termuthis, das Siegel aufdrückte. Was so eine Dame geträumt hatte, das konnte freylich nicht unwahr seyn.

Der Augenblick, da man zuerst mit den Anklagen wider mich losbrach, war der, in welche mich die bloße Ahndung von etwas Schrecklichen, vor dem Bette der großen Termuthis ohnmächtig gemacht hatte. Ich war unfähig, mich zu vertheidigen; denn ich wußte nichts von dem, was um mich her vorging, auch fand ich keinen andern Anwalt, da alle Frauen des Pallastes mich vom Anfang beneidet hatten, mich nun haßten, und also meinen Fall gern sahen.

Auch Pamylia, Nephtis und Iphis schwiegen; die erste, weil sie die strenge Pamylia war, Iphis, weil sie, die mich in den Pallast gebracht hatte, nun selbst durch meine Anklagen betroffen wurde, und Nephtis, aus andern Ursachen.

Diese feile Sclavenseele! – Wie konnte ich doch jemahls glauben, daß sie sich durch edle Gesinnungen über ihre Ketten erheben würde! – Diese Nephtis liebte mich, oder [165] gab vor, mich zu lieben, aber auf eine ganz ihr eigene Art; sie wollte mich glücklich machen, so wie sie vielleicht gewünscht haben würde, glücklich zu werden. Sie wußte, Menes liebte mich, und daß auch Neigung für ihn in meinem Herzen glomm, das hatte sie mir mehr abgestohlen, als daß ich es ihr je hätte freywillig zugestehen sollen. – Sie wußte, oder glaubte zu wissen, daß ich nie die Gemahlin des königlichen Menes werden könne. Einer leichtern Verbindung mit ihm stund, wie sie meynte, nur meine Tugend und seine tiefe Achtung für dieselbe im Wege.

Nephtis war vielleicht jetzt selbst irre an der ersten, oder sie wollte es seyn, so suchte sie denn geflissentlich auch die andere zu untergraben. Menes, von ihr gelehrt, lernte mich geringschätzen; er hat mir in der Folge gestanden, mich schon seit einiger Zeit, je zärtlicher meine Geschichten wurden, je weniger geachtet zu haben. Man lehrte ihn, mich als die Vertraute eines verbotenen Liebesverständnisses anzusehen, und ich sank noch tiefer in seiner Meynung. Der letzte[166] Streich, Zaidens Entführung, geschahe, und Almé ward ihm ein ganz gewöhnliches Mädchen, eine Nephtis, oder so ein Geschöpf, welches sich durch die gesetzlose Neigung eines Prinzen, übrig geehrt finden müsse.

Nephtis und Menes bekümmerten sich nicht sehr, als mich das strenge Gericht, das über mich, während ich bewußtlos vor meinen Klägern lag, gehalten ward, zum Eiskeller verdammte; denn sie dachten mich zu retten; wie schön ich gerettet war, das habe ich erzählt, aber meine Empfindungen, als mir mein ganzer Zustand mit vollem Licht vor die Augen gelegt wurde, diese zu schildern würde Unmöglichkeit seyn.

Ich schwieg bey allem, was Menes und Nephtis mir sagten, aber das, was bey ihren Anklagen in mir stürmte, brachte mich dem Wahnsinne nahe.

Menes nützte mein Schweigen, mir alles vorzulegen, was er für mich im Herzen hatte. Ob er mich auch nicht mehr schätzte, so fühlte er doch noch genug für mich, was [167] er Liebe nannte, und was ihn bewog, mein Loos so angenehm machen zu wollen, als möglich. In einem, ihm eigenem Pallaste am See Moeris, sollte ich mit eben dem Glanze leben, wie Termuthis in dem ihrigen. Nichts sollte mir abgehen, als der Name einer rechtmäßigen Gemahlin, auf den ich nun freylich, nach diesen Vorgängen, keinen Anspruch machen könnte. Vor Verfolgungen schützte mich der Wahn von meinem Tode, dem man leicht Raum geben würde, da lebendige Ausdauer in dem Eisgewölbe, so lang als man mich in demselben gelassen hatte, kaum denkbar war; für die Einsamkeit sollten mich die fleißigen Besuche meines Menes und der treuen Nephtis Gesellschaft entschädigen; auch Iphis wollte man mir zu gewinnen suchen; man hoffte, sie werde gegen das Glück ihres Pflegesohns nicht unempfindlich seyn. Diese Dinge waren es, welche mir, als ich von meiner Erstarrung in Menes Zimmer erwachend, noch halb ohnmächtig unter Nephtis Händen war, von dieser Sclavin vorgetragen wurden, und ich war zu betäubt, zu tief gekränkt, um sie beantworten zu können.

[168] Sie schweigt, sagte Nephtis, als sie kein Zeichen des Unwillens oder der Verwunderung an mir wahrnahm; o, die, welche eine so treue Unterhändlerin bedrängter Liebenden war, kann gegen Menes nicht grausam handeln!

Sie schweigt, rief Menes, o die, welche die zärtlichste Leidenschaft der Sterblichen, die Liebe, so schön zu schildern weiß, muß ein fühlendes Herz im Busen tragen; so mahlt man nicht die Liebe, wenn man sie nicht aus der Erfahrung kennt. Almé! sey nicht grausam gegen dich und mich! verstecke dich nicht hinter ein Phantom, das du unserer keinem als Würklichkeit aufdringen wirst! Sey glücklich, weil du es seyn kannst, und laß den Prunk stolzer Tugend, die dir niemand glaubt, allenfalls einer Pamylia, wider deren Strenge niemand einen Argwohn hat.

Leserinnen! ihr wißt meine Unschuld, denn ihr wißt meine ganze Geschichte. Nichts verhelte ich Euch; warum hätte ich in der glücklichen Lage, in welcher ich jetzt bin, Euch nicht auch Fehler gestehen sollen, hätte [169] ich sie begangen? Mich gegen das, was man mir aufbürdete, zu rechtfertigen, fühlte ich mich zu groß, auch würde Rechtfertigung vergeblich gewesen seyn.

Ich schwieg, ich mußte schweigen, wenn ich mir nicht das zehnmahl Gehörte wollte von neuem wiederholen lassen. Gönnt mir Zeit, mich zu erholen, rief ich endlich, verlaßt mich nur auf eine Stunde, nur auf eine halbe, und ich werde besser gefaßt seyn euch zu antworten. Noch eine Viertelstunde Schlaf, oder es ist um meinen Verstand gethan! Mein Gehirn steht in Feuer!

Menes, der weit bescheidener war, als Nephtis, stand ehrerbietig auf von der demüthigen Stellung, in der er noch immer vor meinem Bette gelegen hatte. Ein Wink befahl der Sclavin das nämliche zu thun. Noch konnte er in seinen Handlungen die Ehrfurcht, die er mir schuldig war, nicht so leichtsinnig brechen, als in den Worten, die ihn Nephtis reden lehrte.

Ich war also allein. Allein! – Von dieser augenblicklichen Einsamkeit hing alles [170] ab, und gleichwohl, wo sollte ich Besonnenheit hernehmen, sie gehörig zu nützen? Noch waren meine Glieder halb gelähmt, noch schwindelte mein Kopf; ich vermochte keinen festen Gedanken zu fassen.

Ich erhub mich langsam von meinem Lager, und sahe um mich her. Ich stand auf und überlegte mir die Möglichkeit, belauscht zu werden. Ich trat an die Fenster, sie sahen in einen Hof, der mir sehr wohl bekannt war. Hinter diesen Zimmern mußte eine lange Gallerie, nah an dieser eine Stiege seyn, und von dieser war der Weg nicht weit zu dem Flügel des Pallastes, den die große Termuthis bewohnte.

Ha, Almé! sagte ich zu mir selbst, keinen Augenblick Bedenkzeit! Hin, zu ihr! Zu ihren Füßen deine Rechtfertigung! Zu ihren Füßen Entschuldigung, oder das Urtheil des Todes! Der Eiskeller, das Schwerd, der seidene Strick; alles gilt gleich, nur nicht die Folter, welcher ich hier entfliehe!

Die Thüre war in meiner Hand, das Schloß wich. Die Gallerie war glücklich [171] zurückgelegt. Auf der Stiege begegnete mir Iphis. Mein Anblick erschreckte sie so, daß sie sich an dem Geländer fest halten mußte.

Keine Frage, Liebe! schrie ich. Begleite mich zu meiner Richterin!

Aber Himmel! da du einmahl dem gewissen Tode, Gott weiß wie, entgangen bist, so könnte völlige Flucht dich retten! Sieh! noch sind wir hier allein, und dort ist das offene Thor!

Fliehen will ich nicht, ich will gerichtet seyn!

Wie willst du dich rechtfertigen, da selbst ich keinen entschuldigenden Gedanken für dich habe!

Ich will mich nicht rechtfertigen, ich will sterben!

Iphis sagte noch einige Worte, mich zu retten, aber es war zu spät; hundert Augen hatten mich hier, wo alles von Sclaven und Sclavinnen wimmelte, schon gesehen.

[172] Man nahm mich und schleppte mich zu den Füßen der Prinzessin Termuthis. Die strenge Pamylia und ein gutes Theil meiner Hasserinnen, waren an ihrer Seite. Was ich für ein Verhör auszustehen hatte, davon habe ich euch schon Bruchstücke gegeben; was ich für ein Urtheil erhielt, das erfahrt ihr in der Folge.

Bereitet euch, eure Almé von neuem in einem Kerker zu sehen.

Fussnote

1 Isis, die Alte, eine Benennung, mit welcher die Egypter, die Ewigkeit der Natur, die sie in dieser Göttin anbeten, andeuten wollten.

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TextGrid Repository (2012). Naubert, Benedikte. Märchen. Alme oder Egyptische Märchen. Vierter Theil. Sam und Siuph, oder die Rache. Sam und Siuph, oder die Rache. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5E92-1