Kinderfrühling

Wollt euch nicht so schnell belauben,
Wälder, und mir wieder rauben
Diesen lieben Sonnenschein,
Den so lang' ich mußte missen,
Bis die Schleier er zerrissen,
Die den Himmel hüllten ein.
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Zwischen knospenvollen Zweigen
Seh' ich auf und nieder steigen
Kleiner Vöglein buntes Heer,
Seh' sie schnäbeln, seh' sie picken,
Und die schwanken Reiser nicken,
Denen ihre Last zu schwer.
Und der klare blaue Himmel
Breitet hinter dem Gewimmel
Sich in stillem Frieden aus.
Wie durch kleine Fenstergitter
Spielt die Sonne mit Gezitter
Durch der Zweige Flechtenhaus.
Halbbegrünet stehn die Hecken,
Und die Nachbarskinder necken
Durch die dürren Lücken sich,
Bis das Mädchen röther glühet
Und zu dichtern Stellen fliehet
Vor dem Knaben jüngferlich.
Frühling, heute noch ein Knabe,
Treibet auf des Winters Grabe
Mit den Kindern seinen Scherz,
Bis der Gott der süßen Triebe
Mit dem Flammenpfeil der Liebe
Ihm durchbohrt das kleine Herz.

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TextGrid Repository (2012). Müller, Wilhelm. Gedichte. Lyrische Reisen und epigrammatische Spaziergänge. Frühlingskranz. Kinderfrühling. Kinderfrühling. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5987-7