Der Chier

Ich hatt' ein schönes Schloß mit hohen, blanken Zinnen,
Und mancherlei Geschirr von Gold und Silber drinnen;
Und wenn ich von dem Dach hinab mein Auge schickte,
War alles meine Flur, was es rundum erblickte.
Ich hatt' ein edles Weib, die Flamme meiner Jugend,
Die Herrin jeder Huld, das Abbild aller Tugend.
[203]
Drei Söhne hatt' ich auch in rother Knabenblüthe,
In deren klarem Blick ein Hoffnungsmorgen glühte,
Der einen Tag verhieß von reiner, steter Sonne.
Ich hatt' ein Töchterlein, der Mutter bange Wonne,
Halb Jungfrau und halb Kind, ein Röslein, das die Schale
Der Knospe scheu und froh durchblickt zum ersten Male. –
Nun hab' ich nichts, als mich und eine scharfe Klinge,
Und wenn ich meinen Stahl auf die Barbaren schwinge,
Fühl' ich mich wunderreich. Bald hab' ich alles wieder,
Wann um mich weit und breit zerstückte Türkenglieder,
Zu Bergen aufgehäuft, als Rachemahle prangen.
Dann ist es satt getränkt, das brünstige Verlangen
Nach meinem edlen Gut, und über meinen Schätzen
Lieg' ich dahingestreckt, nicht todt daran zu letzen.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Müller, Wilhelm. Gedichte. Lyrische Reisen und epigrammatische Spaziergänge. Griechenlieder. Neue Lieder der Griechen. Der Chier. Der Chier. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-57F4-3