6.
Gedanke du voll stiller Majestät,
der mir durchs Hirn an sonnigen Tagen geht,
wenn rings die Welt nach Frucht und Reife ringt,
du Lied der Sehnsucht, das in lauer Nacht,
wenn nur der Mond auf blauen Bergen wacht,
das rauschende Blut in meinen Adern singt –
Du Lebensflut, die aus den Tiefen quillt
begrabnen Seins und rastlos wächst und schwillt
und von Geschlecht sich zu Geschlecht ergießt,
verborgener Stern im tiefsten Weltenraum,
der schlummernd seine Strahlen keusch verschließt, –
du meiner Liebe rosiger Knospentraum:
ich fordre dich vom Himmel kraft der Kraft
die dieses Frühlings holde Wunder schafft,
die, Purpurblut, in schwellender Traube schäumt,
die im begrenzten Raum Unendlichkeiten träumt,
ich glühe nach dir, wie Frührot nach dem Tag!
[157]
Aufjauchzend steh ich vor der Zukunft Tor
und klopfe an mit starkem Herzensschlag:
die schweren Marmorflügel drehn sich schon
und klaffen weit – –
Auf beiden Händen heb ich dich empor,
hebe dich zu des Geisterkönigs Tron,
daß er mit Feuer deine Stirne weiht,
du meine Sehnsucht, meine Ewigkeit:
Mein ungeborener Sohn!
[158]