[254] Friedhof im Süd

Raschelnde Rosen an Perlendraht,
Badepüppchen im Heiligenstaat,
Gruftkapellchen mit Polstersitzen,
leinene Deckchen mit Häkelspitzen,
Kreuzchen und Bildwerk, Flitter und Spiel,
gläserne Ampeln im Jugendstil,
steinerne Engel im Modekleid,
Platte an Platte dicht gereiht –
und um des marmornen Schweigens Schauer
die himmelversperrende, neidische Mauer:
das ist, von Orangen und Rosen umblüht
die Heimstatt der Toten im sonnigen Süd.
In der eisigen Oede bin ich allein.
Hart klingt mein Schritt auf dem harten Stein.
Und die Träne, die mir so rasch den Blick
verdunkelt, kriecht scheu ins Herz zurück.
Ein Windstoß kommt aus dem Pinienhain,
und die Kränze klappern wie Totenbein . . .
O du Ewige, Weltenbeschattende du,
Mutter des Lebens, zeugende Ruh,
wie haben sie dich so klein gemacht,
mit ihrer Plunder- und Flickenpracht!
Sie spielten ein gellendes Jahrmarktsstück
auf deiner heitern himmlischen Harfe
und hängen die grinsende Faschingslarve
vor deinen gütigen Mutterblick.
Nein, meine Heilige, hier wohnst du nicht!
Aufatmend grüß ich das Frühlingslicht!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Müller-Jahnke, Clara. Gedichte. Gedichte. An sonnigen Borden. Friedhof im Süd. Friedhof im Süd. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-52E7-9