Die Zeit ist nah
Ein Gloria singend geht die Winternacht
durch Schneegefilde; keines Sternbilds Pracht
schaut aus den schwarzverhüllten Himmeln nieder, –
durch eisbereifte Fenster aber bricht
ins Straßendunkel eine Flut von Licht
und eine Woge kindhaft süßer Lieder.
In Bethlems Tälern nicht, – nicht weltenfern
und himmelhoch glänzt heut der Weihnacht Stern,
nach dessen Strahl die Brust sich sehnend weitet:
die Zeit ist nah, wo licht und hüllenlos,
wo neugeboren aus der Menschheit Schoß
die Liebe durch des Elends Nächte schreitet.
Die Zeit ist nah, wo jede Klage schweigt,
wo jedem Flehn ein menschlich Herz sich neigt,
Das Bruder heißt den Irrenden und Armen, –
wo sich der Keim aus brauner Scholle drängt
und Licht und Wärme als sein Recht empfängt
und nicht als Bettelgabe – aus Erbarmen!
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Die Zeit ist nah: schon blüht ein bleiches Rot
im Osten auf, – schon zuckt in heißer Not
ein letztes Wehe durch der Menschheit Glieder;
sie ruft und ringt – der Dämmerung Schleier fällt:
erlösungsfreudig steigt zur dunklen Welt
das Himmelskind, die goldne Liebe, nieder.