[86] An die Liebesgötter
Dem Landschaftsmaler Ferdinand Kobell gewidmet.
In diesem Regenwetter,
Was schwärmt ihr um den Hain?
Ihr liebsten kleinen Götter,
Kommt doch zu mir herein!
Horcht, wie die Stürme heulen,
Durch jene Felsenkluft!
Die grauen Lerchen eilen
Gebadet aus der Luft.
Kommt hurtig doch geflogen,
Damit der Regen nicht
Erschlaffe euren Bogen,
Euch eure Pfeilchen bricht!
Kommt, hängt zu meiner Leier
Den goldnen Köcher hin,
Den Bogen auch! Zum Feuer
Setzt euch um den Kamin.
Und singt mit süßer Kehle
Mir meinen blonden Freund,
In dessen großer Seele
Sich Kunst und Geist vereint.
Was brauch' ich ihn zu nennen?
Ihn nennt die ganze Welt:
Den Kobell müßt ihr kennen!
Sonst, Knaben, wär's gefehlt.
In Cypris dunklen Hainen
Steht er in hoher Ehr;
Die Grazien', ihr Kleinen,
Sind immer um in her.
[87]O, der hat hohe Gaben!
Der malt euch eine Flur,
Ein' Wasserfall, ihr Knaben,
So schön als die Natur.
Ihr hört die Weste wehen
Herab in's kühle Tal;
Ihr schwört, die Sonn' zu sehen
Und fühlet ihren Strahl.
Auch ehret er die Weisen
Und liebet Scherz und Wein.
Ihr müßt, ihr müßt ihn preisen,
Wenn ihr mir lieb wollt sein.
Denn, goldgelockte Kleinen,
Sehr zärtlich lieb ich ihn.
Ach, ach! Ich möchte weinen,
Daß ich nicht bei ihm bin ...
Ein Kranz wollt' ich ihm winden
Von Rosen, Balsamin
Und süßen Hyacinthen
Und duftenden Jasmin,
Daß er in heißen Tagen
Um seine Stirne weht,
Wenn über ihn der Wagen
Der goldnen Sonne steht.