[137] Ritterehre
Der ist kein Mann, der furchsam
zu hohem Laster schweigt:
Am Felsen liegt, ihr Väter,
Ein Fräuelein erbleicht –
Verführt von falschen Schwüren
Durchstach sie sich das Herz.
Zu Frankreichs stolzem Turme
floh der Verräter hin.
Der sitzt in goldnem Saale
Bei Harfenton und Tanz
am Busen einer Dirne,
von Bourbons falsch Geschlecht;
und lacht noch seiner Taten
und prahlt damit und höhnt
der zarten Liebe Treue
beim goldenen Pokal.
Ha, freu' dich nur – die Rache
folgt an der Ferse dir!
Es heulen Stürme, Donner,
ihm tausend Flüche nach.
So niedrig ist's, wenn Schande
im stolzen Helme steckt,
wenn Adels goldne Rüstung
ein Sklavenherz bedeckt!
Der Ritter – gleich der Schlange,
die in der Sonne kriecht,
die außen gleißt, doch giftig
mit schwarzer Zunge sticht –
mit stolzer Stirne schreitet
im hellen Ehrenkleid
der tapfern Vaters-Väter
und doch nicht Laster scheut.
Er, der das Schild der Schwachen
sollt' sein, reißt von der Brust
der Mutter selbst die Tochter
zu geiler Liebeslust.
Entreißet ihm sein Wappen,
das er so tief entehrt!
Was nützt dem feigen Knaben
ein scharfgeschliffen Schwert.
O, sammelt euch, ihr Väter,
o, sammelt euch und tilgt
die Laster, die nicht euer –
seht, wie der Nachbar höhnt!
Schlagt eure Händ' zusammen
beim freundschaftlichen Wein
und schwört, den auszurotten,
der Deutschlands Treue bricht!
Du aber, Ritterknabe,
sieh her und folge mir:
Leg' niemals junger Unschuld
die Schlingen falscher Schwür!
Gerecht und groß zu handeln,
ist adelige Pflicht;
wenn du willst niedrig denken,
so führ' den Adler nicht.
Für dich schickt's sich, o Knabe,
nah der Gefahr zu stehn,
dem Feind ohn' Furcht und Schrecken
In's Angesicht zu sehn.
Gedrückte Schwäch' zu stärken
sei deines Pfades Spur;
zum Schilde der Bedrängten
erschuf dich die Natur.
Fühlst du der Liebe Flammen
einst, sag' es ohne Scheu
vor aller Welt dem Fräulein
und bleib ihr immer treu.
Verfluch mit mir die Memme,
die Schwacher Ehre raubt.
So bleibst du deutschen Stammes
und deiner Väter wert,
der Väter, die die Tugend
und Heldenmut geehrt.