[75] Bacchidon und Milon
Idylle.
An seiner epheuumwachsenen Grotte saß der Knabe Milon entzückt. Ihm war erst ein treffliches Lied auf den Weingott Bacchus gelungen; das gefiel ihm selbst so wohl, daß er es, weil niemand anders zugegen war, der horchen wollte, dreimal seinen Ziegen vorsang. Eben kam der immer durstige Satyr Bacchidon seiner Höhle zu. Fröhlich nötigt ihn der Hirt also herbei.
Milon.
Wie recht gehst du hier vorüber, Freund Bacchidon! Herein in meine Grotte! Will dir einen Gesang vorspielen, einen trefflichen Gesang auf den Weingott Bacchus. Eben ward er fertig. Soll dir gefallen, gewiß gefallen; ohne mich zu rühmen, es ist mein bestes Gedicht, herrlich! Wirst selbst hören.
Bacchidon.
Mit deinem Gedicht! Lärmst du doch, als wolltest du einen zum Schmaus laden. Bin ohnehin schwer und unbeholfen, und du Narr machst mich noch durch die Hitze laufen, daß ich den Atem verliere. Weg!
Milon.
Wirst doch nicht so sein, lieber Bacchidon! Wieder fortgehen, ohne meinen Hymnus zu hören! Bleib doch, wird dich nicht reuen. Ich hab' mir alle Mühe gegeben, was Gutes zu machen; auch läßt es so schön sich an, wenn ich ihn spiele.
Bacchidon.
Milon.
Danach hätten wir uns fröhliche Stunden gemacht, wacker gezecht; habe meinen Schlauch weidlich mit frischem Most gefüllt.
Bacchidon.
Ah, so!
Nun heiterte sich des alten Satyrs Stirn auf, als er vom Most hörte. Weiter sprach der Knabe zu ihm: »Willst du horchen?«
[76] Bacchidon.
Freilich! Laß doch einmal hören, was du Guts gemacht.
Nun saßen beide auf das Moos nieder. Bacchidon lehnte seinen zottigen Bockfuß auf ein zerbrochen Stück Urne, das eben dalag, sein Haupt und Rücken aber lastet' er an eine grüne Pappelwand. Dann sprach er dem Knaben gegenüber also: »Was das eine Hitze ist! Was ich dir Durst habe! Sirius tobt abscheulich; ist ein Narr der Kerl, möcht' uns alle gern rasend haben. Wohl, mein Sohn, daß du deinen Schlauch wacker geflickt; aber dreimal wohl, daß du mich zu deinem Schmaus ladest!«
Milon.
Bacchidon.
Närrchen, mach's wie du willst. Vor allem gib was zu trinken; ich meine, Lung' und Leber brennen mir ab. Was das heiß macht! Puh! Ist mir, als trüg ich den Aetna im Leibe. So, so, schon gut! Auf dein Wohlsein, pappelbekränzter Freund Milon!
Milon.
Bacchidon.
Vortrefflicher Wein! Extragut! Extrafein! Mein lieber Freund Milon, laß dir einen Schmatz geben! Her, sag' ich. Stärkst meine alten Knochen mit köstlichem Balsam; delikates Gläschen Wein! Verjüngst mich als ein'n Adler.
Milon.
Bacchidon.
Um Pans willen, wo hast du den Wein her? Geruch, Farbe aus Cypern. Junge, wer gab dir ihn? Will ein Schelm fein, wo du ihn nicht den kahlköpfigen Silen weggemaust, als er voll unter seinem Esel lag. Ist's so, he? Himmlischer Wein! Der schleicht die Gurgel 'nunter! Mein Gläschen ist wieder leer.
Milon.
Traun, er mag gut sein; hat mich auch mein schönstes Stück Bock gekostet. Aber wenn du ein so großer Becherheld bist als du rühmst, kannst du mir sagen, was für ein Landsmann?
Bacchidon.
Beim Jupiter, ja. Gleich sollst du's hören, gleich! Laß mich nur erst ausreden, das Herz ist mir zu voll. Was ist's doch eine edle Sach' um ein gut Tröpfchen! Freund, daß uns doch Zeus einmal zu Genüge gäbe und wir wie Gänse in solchem Trank schwämmen! Wahrlich, 'n frommer Wunsch. Aber er macht's, wie er will. Prosit! Ist Wassers Patron.
Milon.
Bacchidon.
Was denn? Wie denn? O mein Seel', ich hab's vergessen. Daß dich der Kukuk! Der Schurk ist auch so glatt. Schenk' noch einmal ein! Gar zu glatt, Milon, glätter als ein Aal. Kaum wollt ich den Schelm am Kopf erwischen und ihm ins Gesicht sehen, da war mir schon der Schwanz zwischen dem Daumen.[77] Kann's nicht begreifen! – Nun guckte er ins leere Glas und sprach: Freund Milon, ich dacht' auch wirklich, dein Pokal wär' tiefer.
Milon.
Was tiefer! Der Henker reich' tief genug! Wenn's auch ein Ziehbrunnen wäre, du söffest ihn aus. Mein Schlauch reicht nicht zu, wenn's so währt. Bleib ruhig sitzen; hör' hübsch meinem Hymnus zu. Hernach, wenn ich fertig bin und dir's gefallen hat, will ich schon wieder füllen.
Bacchidon.
Was hast du vor, Junge? Was soll das bedeuten? Ist das dein Ernst, wie? Ei du lieblicher Gaudieb, willst mich nur vexieren? Vexieren, ha? Geh, schenk ein; wer will warten, wenn der Schlauch noch voll ist! Schenk' ein, sag' ich. Warten! Daß dich die Pest! Ein schön Warten! Kind Milon, nur ein einziges Wort. Ist dein Gesang nicht auf Bacchus?
Milon.
Das hab' ich dir schon zwanzigmal gesagt; wärst du ruhig und ließest mich auch zum Wort kommen, so könntest du hören.
Bacchidon.
Was? Weißt du auch, Junge, was das heißt, ein Gedicht auf Bacchus? Was das auf sich hat, was das sagen will, Baccho ein'n Hymnus dichten? Weißt du, wer Bacchus ist? Frag' nicht umsonst, wer er ist. Ein muntrer, durstiger Mann, freundlich und leer, der alle Dinge im Rausch anfängt, dabei ein merklicher Feind von leeren Gläsern ist. Merkst du?
Milon.
Bacchidon.
Was geht's dich an, wenn's leer ist und dir nicht gefällt? Ei, du Närrchen! Füll' wieder; was hindert's? Weiter ist Bacchus der Weinerfinder, der Weinerfinder, mein Sohn! Wenn man ihn malt, trägt er immer in der Rechten einen vollen Becher, in der Linken einen Traubenklotz. In Wahrheit hab' ihn selbst einmal so mit Kohlen an ein Faß gerissen, wie er zwei Staaren von einer Traube scheucht ...
Milon.
Bacchidon.
Milon.
Bacchidon.
Staaren bei meinem Horn! Hättest alle Nägel an ihren Füßen zählen mögen und alle Federn an ihren Schwänzen bei meiner Treu! Die Faunen lachten dir oft drüber. Sieh, so ließ ich dem Bacchus den linken Arm über's Knie bambeln. Sieh doch, den rechten hub er so in die Höh', schlug mit einem Stecken dem einen Staarmatz auf den Kopf, daß ihm die gestohlne Beer' aus dem Schnabel fiel. Darnach stellt' ich gerad' seinen Augen gegenüber in freier Luft einen mächtig großen Becher voll dicker Tropfen nebenum; einen Korb voll Trauben hing ich an seine Hörner, und setzte ihm, Trunk anzudeuten, aus freier Hand mitten auf die Nase zwei rote Pocken, haselnußdick, daß sie jeder von fern schauen mochte. Gelt, das war dir was Nobl's? Noch manchen Gott würd' ich so an die Wand hinarbeiten, aber ich [78] kann vor meinem Bauch nimmer zu. Im übrigen all eins. Wieder aufs Wort zu kommen: Du weißt also, wer Bacchus ist. Hast du denn Verwegenheit genug, einem alten frommen Mann als mir zuzumuten, daß er einen Lobgesang auf Bacchus anhöre, ohne zuvor durch tüchtigen Rausch sich in heilige Begeisterung zu setzen? Ah, das wag' ein anderer! Nein, Verwegenheit, grausame Sünde so was! nein, da behüte! Getrunken muß man haben, siehst du, und ich habe heut' noch kein Tröpfchen über mein Herz gebracht, mein Seel'!
Milon.
Schwör', daß du erwürgen möchtest! Ei du fetter schmerbauchiger Lümmel! Nicht getrunken? Mein Schlauch ist halb leer. Nicht getrunken, nein? Nicht getrunken? So zu schwören!
Bacchidon.
Milon.
Schlechter Spaß. Ist dir nur um saufen zu tun; einen Gefallen erweisen, zuhören, kannst du nicht. Möcht' des Teufels werden! Säufst einem den Wein und tust einen noch dazu quälen ...
Bacchidon.
Ha ha ha! Was das gesprochen ist! Verzeih' dir's Jupiter, gottloser, lieblicher Schelm. Dich quälen! Einen alten Mann so verleumden! Dich quälen! Ha ha ha! Ei ja doch! Den Schlauch wollen wir quälen, ihm den letzten Tropfen vom Herz drücken. Dich quälen! Unvergleichlicher Dieb! Dich quälen! Sag', wie kommst du nur dazu?
Milon.
Laß mich nur einmal zum Wort! Hör' auf zu plappern! Hättest du nur deinen Wanst voll Steine und ließest auch einmal mein Maul frei; aber ...
Bacchidon.
Hörst du, Junge, wer hält dir's? Sprich so viel dir lüstet, wir haben das Maul nicht umsonst. Ah, da fällt mir ein artig Stückchen ein. Weiß du zum Exempel, warum das Maul unter der Nase sitzt, he? Die Nas' hat sonst auf dem Wirbel gestanden; gelt, das hast du vor nie gewußt? Ein herrlich Histörchen! Hör' nur, ein gerechtes Stück, ein klarer Beweis von Jupiters Weisheit. Mir hat's jüngst ein graubärtiger Aegypter, der in meiner Grotte übernachtet, ein gelehrter Hexenmeister, der dir alles weiß, was Sonn' und Mond spricht und Jupiter träumt, erzählt. Zu Anfang der Welt, sagt' er mir, als Zeus den Menschen gemacht, schuf er die Nas' auf den Wirbel, sprach ... Aber wart', will zuvor ein'n Schluck tun, daß mir der Hals ein bißchen glätter wird, hernach weiter erzählen.
Nun trank der alte Satyr. Aber Milon sprach heimlich also: »Wollt', er läg mit seinem Märchen im Rhein; heut' komm ich nicht an, mein Lied zu spielen; und ich wollt', ich läg obendrein dort, daß ich so einfältig war und den Nimmersatt in meine Höhle gezogen. Wenn's noch lange währt, drückt es mir das Herz ab.«
Bacchidon.
Was geschah? Da nun jeder seine Nase unter der Kappe trug – denn Jupiter sprach weislich: »Laßt sie nicht eher aus, als wenn's euch beliebt, so seid ihr nicht gezwungen, zu riechen, [79] was euch nicht beliebt« – und kurz, meine Meinung zu sagen, mir gefiel's sehr unvergleichlich. Aber wie gefiel mir's? Zum Exempel, wenn man, wie Jupiter meint, durch des Nachbars Kuhstall in seinen Weinkeller geht, oder sonstwo, da man gezwungen ist, einzuschnaufen, was uns mutwillige Lüfte unter die Nase treiben, da ließ ich nun hübsch meine Kappe sitzen, ging gerade durch. Aber zum Exempel, wenn man bei Gelagen sitzt, guten Wein trinkt, da lob ich mir doch dies Plätzchen, wo wirklich die Nase steht; denn da kann man immer trinken, auch zugleich riechen und so doppelt genießen. Schönheitshalber möchte sie immer ganz wegbleiben; denn die schönste Nase, Wahrheit zu sagen, steht einem nicht besser zu Gesicht als das Bierschild zu einer Klippschenke. Aber wieder auf meine Erzählung zu kommen. Das ging nun alles gut mit unserer Nase; geruhig saß sie unter ihrer Kappe, dacht' an nichts, bis Bacchus geboren ward, mit ihm die Rebe hervorwuchs, da war ein Jubilierens ohn' Ende; alles freute sich, denn die Rebe wuchs kräftig voll Most und Trauben; da waren die Augen, sie zu sehen, Zung' und Maul, Trauben zu kosten, Ohren, lieblich den Most im Becher sprudeln zu hören, alles voll Lust; nur der armen Nase unter der Kappe, als ein Ei unter der Henne versteckt, ward nicht gedacht, konn' nicht mitgenießen allerlei Freuden. Denn das muß ich dir beiseit' sagen, Freund Milon, damals war's noch nicht Mode, beim Gesundheittrinken die Kapp' abzuziehen, hörst du's?
Milon sprach heimlich:
Bacchidon.
Will lauter reden, daß du mich besser verstehen kannst. Endlich erfuhr's meine gute Nase. »Ei!« schrie sie zu Jupiter auf, betrügt man mich so? Was hab ich denn getan, daß ich schlechter geachtet werde denn ein anderer?« Absonderlich tat's ihr wegen des Mauls weh; das trank nun nichts, ohne zuvor der armen Nase unter der Kappe zu höhnen, schrie: »Komm herunter, Näschen, herunter, wenn du kannst, schnüffl' ein bischen!« Jupiter schlug auf den Bauch. Jupiter ist ein feiner Mann, sah wohl, daß der Nase Gewalt geschah; was tut er? Er nimmt fein hübsch die Nase vom Wirbel runter, setzt sie recht über's Maul hin, sagend: »Weil du, Maul, gehöhnt, soll künftig Nase recht über dir stehen, sollst immer in ihrem Schatten sitzen zur Straf'; auch sollst du, Maul, künftig nichts genießen, worin nicht zuvor Nase ihre Nase stecke.« So kam sie herunter. Ha ha ha! Nun, wie gefällt dir mein Spaß?
Milon.
Das will ich dir gleich sagen. Solange ich hier in dieser Grotte wohne, und so lange sie meine Vorfahren bewohnt, die Pan selbst hierin erzogen, hat nie ein unerträglicherer Schwätzer mit seinem Rücken an dieser Wand gelegen als du. O du unerträglicher Saufaus und noch greulicherer Plapperer, wie du ermüdest meine Geduld! Ich wollt', ich wäre zehn Meilen von hier.
[80] Bacchidon.
Was schnarrst du? Was gehen mich deine Fratzen an! Wenn dir mein Stückchen nicht gefällt, was tobst du Esel dann?
Milon.
Platz' auseinander! Ich schwör' beim Cerberus, denn nun bin ich fuchswild. Sollst kein Maul voll mehr zu trinken bekommen, bis du meinen Hymnus angehört, solltest du auch drüber verzwatzeln.
Bacchidon.
Liegt da der Has'? Ich Ochsenkopf! Hum! Milonchen, mein Närrchen, mein Hühnchen! Wirst doch nicht bös sein? Nicht gleich bös sein! Will Silen's Reitpferd sein, Disteln fressen, mir die Ohren abschneiden lassen, wo ich's im Herzen mit dir arg meine. Wie, singst du denn heut' nicht? Wie, mein artiger Venuskeil? Laß mich doch nicht so lange warten. Geh doch, geh, mache einem alten Mann auch einmal ein Späßchen. Laß mich deinen Hymnus hören, mein Seel'! Sitze schon über eine Stunde hier, eine volle Stunde, lasse meine Ohren weit offen hängen als ein hungriges Füllen, laustre dir mein Fleiß auf. Sei doch so geizig nicht, sing doch, sing, sing, sing? Komm, will mit singen, Takt schlagen, Baß brummen, Chor schreien, heulen, bewundern, wie's gilt. Ah, eh' du anfängst, füll' mir noch einmal dies Glas, noch ein einzig mal; und um die Welt keinen Tropfen mehr. Genug! Will dies mit Verstand trinken, spitzen, suckeln, Tröpfchen für Tröpfchen, bis du fertig bist. Fang an! Schluk – drunten ist alles. Daß dich der Geier! Wie ging das zu? Ei du Gaudieb, hast mich am Aermel gestoßen, mir das Glas in den Hals gestoßen! Kann's nicht begreifen. Wundersame Sympathie! Magnetische Kraft!
Milon sprach nun hitzig:
Horch, Bacchidon, das letzte Wort! Laß mich jetzt gleich mein Lied vorsingen, oder ich glaub', du stoffelst mich; will dir's dann gesegnen, soll dir nicht schmecken wie mein Wein.
Als dies der Knabe sagte, hob er erzürnt den Stock in die Höh'. Ängstlich rollte der Satyr die feurigen Augen, denn ihm war vor Prügel angst; darum sprach er ganz leise: Ja, ja, ich will schweigen und horchen; fang nur einmal an.
Fröhlich ward's dem jungen Hirten nun zu Mute; entzückt nahm er die Leier, fing mit beweglichen Geberden und herzbrechender Stimme also an:
»Bacchus! Bacchus! Wie soll ich dich singen, umstirnter Evan, wie, o du unvergleichlicher Thyrsusträger du! Soll ich dich mächtig singen, wie du mächtig hinter einer Rebe lauernd der nächtlichen Luna kämpfende Drachen erhaschest? Erhaschest, sing' ich; denn damit die göttliche Schwester länger bei deinem Becher verweile, knüpftest du ihres Gespanns feuerschuppige Schwänze ineinander, zogst sie dann hoch auf, daß sie herabkreisten von deinem Weingelände, ähnlich Jovis flammenden Blitzen. Ja, das war ein Spiel! Oder soll ich dich singen, wie du epheugekrönt und thyrsusschwingend durch's heilige Cypern flohst? Um dich jauchzten taumelnde Faunen, den Göttern entsprungen; und der Wälder und Quellen Nymphen[81] gossen die Urnen vor dir, pflasterten deine Straße mit Blüten. Oh, oh! da gingst du stolz und königlich einher. Deine wehenden Locken schlugen harmonisch herab auf den goldnen Riemen, der anzog deiner schwellenden Schulter den Purpurmantel, daß ihn nicht dir nachgaukelnde Zephyrn mit leichten Fingern entwänden. O, wie ganz heilig warst du! Wilde Pardel führten ihre Jungen auf deinem Pfad, die trunkne Spur aufzulecken, wo dein heiliger Fuß stand. Krokodil und der grimmig jauchzende Löwe liefen wie weinende Kinder nebenher, bettelten Most und Trauben aus deiner vollen Schale. Ach, da gabst du ihnen, und sie nahmen und aßen fröhlich; war das nicht himmlisch anzusehen?«
Bacchidon.
Halt' ein, Milon, keine Silbe weiter! Hierauf muß erst getrunken sein! hierauf muß erst getrunken sein. Was das gesungen: Und sie nahmen und aßen – wie weiter?
Milon.
Bacchidon.
Göttlich Lied! Schenk' ein. Was das gedicht't ist! Schenk' voll. Ei du Spitzbub', lässest das ganze Glas leer. Keine Ehrlichkeit mehr! Muß gestehen ...
Milon.
Hör' doch nur weiter, lieber Bacchidon, jetzt kommt erst das Schönste.
Der Satyr trank und sprach: Wohl! wohl!
Aber der Knabe sang also weiter:
»Auch mutig bist du im Gedräng' der Schlacht, wo Hörner brüllen den Hügel herunter, auch beim Weinmahl. Ergriffst du nicht einst voll Kraft jenen rußigen Bock, den ausgesandt der ergrimmte Erebus, deinen heiligen Weinberg zu verheeren? An seiner buschigen Stirn faßtest du ihn, schleudertest ihn hoch, daß er hinfuhr über den Ozean in Neptuns wellenreiches Spiel, dem brausenden Walroß zur Beute. Ja, ja! Aber das ist zu traurig für meine Schalmei. Lieber will ich singen, wie du im Grünen scherzest, da, wo hüpfende Quellen herunterfallen von Klippen und unter biegenden Lauben plätschern. Wie munter bist du dann und vertraulich! Wie spaßest du dann glimpflich mit deinen Freunden! War es nicht ein götzlich Späßchen, als du einstmals deinem göttlichen Vetter, dem wackelnden Silen, einen dicken Kürbis auf den Rücken warfst, daß er wie von Jupiters Blitz gerührt mit seiner krummbehörnten Glatze in den Weinschlauch schlug? Befestigt am Horn blieb der Schlauch hangen, begoß ihn so stark, daß er fast im herausstürzenden Most ersoff. Geblendet lief er umher, zappelt' und spie den lieben Wein, den andere so gern genossen, mit so lächerlichen Geberden auf die Goldmäntel der Nymphen aus, daß lachend einer des andern Bauch halten mußte. O du majestätische Jovisbrut, so freundlich bist du und treu!
Bacchidon.
Oh! Oh! Jovisbrut! Keine Silbe weiter! Eingeschenkt! Ach! Ach! Guck, was das ein wohlgeschliffenes Glas ist.
Milon.
[82] Bacchidon.
Proficat! Was das ein Jung' ist! Was mir das einen Jungen gibt! Auf dein dichterisches Wohlsein! Hem! Hem! Oh! Ach!
Milon.
Bacchidon.
Oh! Oh! Hem! O Cerberus! Fast erstickt – Zu schnell getrunken, stecken geblieben! Daß dich der Hagel! Schenk' ein, daß ich's geschwind aus dem Hals spüle. Wohl! Sag', du hartherziger Knabe Milon, was machst du mit mir alten Mann? Machst mich vor Freuden weinen als ein Kind. Kann nicht weiter – Ist zu viel.
Milon.
So hör' nur zu Ende!
Und der Knabe füllte von neuem des Alten Becher, sang also weiter:
»Auch schrecklich bist du, Evan! Bessareus! Jacche! Freudenmehrer! Drum weihen wir dir Kränze, durchflochten mit Trauben und Obst, hängen sie an dir geheiligte Aest' auf. Ach, du Grausamer, sieh uns nicht an, wenn die Flamme deines Zorns weht; wir liegen auf unsern Bäuchen als gezähmte Schlangen, preisen deine Wunder. Wer will dir beistehen, wenn du rüstig deinen Nacken schüttelst, zurückgefallene Tiger erschrocken winseln, die Augen von deinen stürmischen Locken drehen? Ach! Ach! Hubst du nicht einst, Schrecklicher, die Nymphe Ariadne so empor? Drücktest sie an dein gieriges Herz, daß sie wollüstig herunterlehnt' auf deinen Hals ihr schmachtend Haupt. So glänzend beladen stehst du als einer, der mit der Flöte ein krauses Milchlamm gewonnen und es erfreut zu seiner Mutter heimträgt. Wehe! Wehe! Mich durchrast's ganz! Pardel wälzen sich vor dir, Weinkönig, knurren und werfen einander mit Trauben; dennoch bleibst du stehen, erhabner Bacchus, immer noch, teilst mit der Linken den Lockenknoten auseinander, der wie ein gülden Horn um der Nymphe schönen Wirbel sich dreht. Ach! Ach! Da rinnt herab deinem Schenkel wellig ihr blinkendes Haar, übergießt mit Glanz dein heiliges Knie. Wärst du ein Mädchen und säßest so, schwören wollt' ich, du seist Danae, ihr Haar Jupiter, der sich gülden hinregnen wollte in deinen Schoß. Ach, aber so bist du ein wohlgemachter Knabe; auch dieses sieht das Nymphchen gar wohl, verbirgt ihr schämend Angesicht unter deine schattige Locke. Aber, du Grausamer, lächelst rüstig herab auf ihre Brust, die da hüpft artig und weich, wie zwei Turteltäubchen hüpfen nach der Flöte gelernt. Hätten sie Mäulchen, küssen werden sie sich, so wohl ist ihnen. O! O! O! Nun rufst du hoch, bäumst auf die wilde Brust, wirfst über den grunzenden Tiger das Joch, sprengst hinan, heulend: Mein ist sie! Mein! Mag ein Höllengott kommen, einer vom Meer oder der Erde, Hand anlegen an meine schöne Beute, daß er falle vor meinem Wagen! – So aufgeschwungen jagst du der Grotte zu, denn dir blökt die Seele, wie ein junges Mailamm blökt, wenn es unter der Mutter [83] hervorspringt. Drum wende von uns dein Antlitz, wenn die Flamme deines Zorns weht; wir liegen auf unsern Bäuchen als gezähmte Schlangen, preisen deine Wunder, Amen!«
Bacchidon.
Milon.
Bacchidon.
Er schenkt ein.
Milon.
Bacchidon.
Schweig doch Junge! Ist eine gewaltige Sache um Musik, erschrecklich und schwül, graus und erhaben; trinkt es wäre lang davon zu sprechen, meinst du nicht auch?
Milon.
Bacchidon.
Ah, dein Lied? Fragst du nach deinem Lied? Unvergleichlich, göttlich, meisterhaft! Wie, mein rüstiger Apollo, kannst du so was fragen, wie's einem gefallen hat? so einen versuchen? Ach, mir fällt ein gutes Exempel ein, mein Seel', ein gutes Exempel; weißt du, wie mir's gefallen hat? weißt du, wie? Schenk' ein, dein Lied ist wie dein Wein; wie dein Wein, schenk' ein, dein Lied ist wie dein Wein.
Milon.
Ha ha ha! Machst gar Verse. Aber, lieber Bacchidon, hilft hier Wollen wenig. Hast so tapferlich meinem Schlauch zugesprochen, daß er nun aufs letzte Glas leer ist. Sieh!
Bacchidon.
Hab' ich so viel getrunken? Wie ging das zu? Das ist im Entzücken geschehen – Daran ist dein warmes Lied schuld. O der Kukuk, hättest mir's sagen sollen, hätte keinem andern um zehn Böcke so viel getan. Nein! Mag dir's Jupiter vergeben, Junge, daß ich mich deinetwegen so verderbe ...
Milon.
Bacchidon.
Auf die Seite stellen? Ist denn noch da?
Nun guckte der Alte und sprach wieder: Mach' keine Narrenstreiche, gib doch her, wenn noch da ist. Für was auf die Seit' stellen? Was? kann mir einer sagen, daß ich solch ein Wort gesprochen? Ein schön Wegstellens; schöne Manier, einem das Wort im Maul verdrehen und zum Uebel legen – Den Becher her, oder du bist ein Erzhalunk', ein verpest'ter Dieb, der kein'n ehrlichen Blutstropfen im Leibe hat, mich verlästern will, sagen will, könne nicht aushalten, ich! Hüt' dich vor dergleichen Laster, so einem geht's hie und dort nicht zum Besten.
Nun gab's ihm der Knabe Milon. Bacchidon trank's aus, guckte in den leeren Grund und sprach gelassen: »So geht's. Alles dauert nur ein Weilchen. Drum, Kind, laß gehen, stehen, wie's will; wer am längsten lebt, erbt die ganze Herde. Aber sag', wo wollen wir morgen schmausen?
[84] Milon.
Bacchidon.
Wie? Mein Herz, was verlangst du denn? Sag's doch geschwind, mein lächelnder Coridon, meine Waldlerche, mein Phönix!
Milon.
Sing mir jetzt ein Lied! Komm, schadlos mußt du mich doch mit etwas halten. Habe nichts trunken; sing mir, ich weiß, du hast eine treffliche Stimme.
Bacchidon.
Die Wahrheit zu sagen, nein. Meine Stimme ist nicht fein, ist so schnarrend, wie soll ich doch sagen, borstig, widerstrebend, zu vergleichen einem Igel.
Milon.
Bacchidon.
Je, Närrchen, quäl' mich doch nicht so! Kann dir nicht singen. Schweig davon, sieh, daumensdick läuft mir der Schweiß, da ich nur davon höre.
Milon.
Bacchidon.
Kannst du so gottlos sein, daß dir's nicht ans Herz geht, einem alten Mann als ich so Schweiß abzujagen? Wie? Soll ich verbrennen? Willst du mir tropfenweis wieder den Wein abzapfen, willst mit meiner Gesundheit dein Ohr füttern, dich an meiner Angst laben? Soll ich diese maullosen Felsen mit Herzwasser tränken, he? Böses will dir nicht wünschen, aber bedenk, daß du über den Phlegethon willst: mögen dir's die drei Biedermänner dort verzeihen, wenn du so denkst! Gewiß, mein Sohn, ich lasse jedem gern das Seine, mag nicht mehr können, als ich kann; wenn du neben der Leier dein Plätzchen hältst, so hab' ich das meine neben dem Becher. Neide niemand; einer kann nicht alles haben. Junge, geh fort! Hier läßt sich's trefflich schlummern.
Milon.
Bacchidon.
Fluch' nur nicht! Wenn's sein muß, will ich auch; sonst um die Welt nicht. Hilf mir nur ein wenig auf. Es schallt nicht, wenn man sitzt, bleibt alles im Bauch. He, du Schlingel läßt mich auf den Bauch fallen, zerplatzen!
Nun hielt der Knabe Milon den alten Satyr an die Wand gelehnt empor; mit der Linken fingert' er auf seinem Haberrohr, mit der Rechten hielt er den Fleischhügel von hinten umschlungen.
Der Satyr sprach: Spiel', hilf mir ein wenig in Schuß; langsam, langsamer! nicht so springend! taktmäßig und klar! Singen soll ich, singen – und doch ist der Schlauch leer. So will ich denn hier stehen über ihm, mit Fingern herabweisen und schreien: »Leer! leer! Kann man was sagen herzrührender, tragischer? Bedenkt's selbst und sinnet ihm nach! Ja, du sehr leerer Schlauch, wärst du nicht leer, so wärst du voll! Wie wohl wär' dir, wie wohl wär' mir! Nicht traurig müßt' ich dann über dir stehen, Tränen mit Schweiß vermischt auf dein Grabmal herabgießen; nein, lustig[85] säß' ich neben dir hin, wollte dich mit Rosen bekränzen, als ein Bräutigam seiner Braut tut; wollte dir süße Worte geben, als ein Bräutigam seiner Braut gibt – Aber ach, dies ist vergebens! – –Tot, runzlich, entstellt liegst du, zuvor so angespannter Schlauch, ähnlich einer Barke, deren volle Segel ein Sturm zerrissen, still als ein aufgesprungner Dudelsack, unbrauchbar als ein Bogen ohne Pfeil. Gern, herzliebster Schlauch, wollt' ich länger bei deiner Leiche weinen, stünde nur, wie sich's gebührt', neben deiner Bahre ein wohlgezogenes, junges, vollbackiges Schläuchlein, dein Sohn oder Enkel, der mir hernach auch wieder mit Mildigkeit meine Bekümmernisse hülfe abwälzen vom Herzen, mit seinem Balsam wieder abwüsche meiner Tränen Salz. Aber wehe mir Trauermann! Der Erblichene war eine Waise. Mags's ein anderer, der ein härteres Herz hat' aussingen; mir blutet die Seele zu viel, weiter kann ich nichts als seufzen: Leer! Zu früh leer! Ach armer Weinschlauch!«
So sang Bacchidon, und nun ließ ihn der lachende Knabe los. Am Ufer taumelte der trunkene Satyr fort, seiner Höhle zu; viel heult er noch unterwegs vom leeren Weinschlauch, und der doppelzüngige Widerhall streckt sein Haupt aus dem hohlen Ufer jenseits und heult's ihm nach.