430. Der Segeberger Kalkberg.

Von dem Segeberger Kalkberg erzählen die Leute so viele Geschichten, daß ich nicht weiß, welche die richtige ist.

Der Herr Statthalter Heinrich Ranzau versichert, daß der Teufel den Berg aus dem kleinen See herausgetragen habe, der sich da in der Nähe befindet und der daher eben so tief ist als der Berg hoch. Segeberg soll darum auch eigentlich Seeberg heißen. Man pflegt heute noch davon zu sagen:


Daß dich der tu plagen,

Der Segeberg hat getragen.


oder: »Ruhe, du bist gut«, sä de Düwel, »do harr he Segebarg dragen.«

Andre erzählen, daß der Teufel einst den Felsen von einem weit entfernten Gebirge hergeholt habe, um damit die erste christliche Kirche in unserm Lande zu zerschmettern. Er trug ihn auf seinem Nacken bis Segeberg, mußte ihn da aber fallen lassen und konnte ihn nicht wieder aufheben. – Man sagt auch, er habe den großen Plöner See damit ausdeichen wollen, um die Plöner in Schaden zu bringen, deren Gottesfurcht und Wohlstand ihn ärgerte. Er hatte den Felsen von Lüneburg geholt und flog damit durch die Luft, als ein altes Weib ihn erblickte und schnell ihm ihren bloßen Hintern zukehrte. Darüber aber erschrak er so, daß er seine Bürde bei Segeberg fallen ließ.

Die Gleschendorfer versichern, daß der Kalkberg früher bei ihrem Dorfe gestanden hätte, da wo jetzt der Kuhlsee liegt. Hier wohnte der Teufel. Als aber in Segeberg ein Kloster erbaut ward, so ward er darüber so erbittert, daß er den Berg herausriß und auf Segeberg zu warf. Doch verfehlte er sein Ziel, der See aber steht seit der Zeit da. – Der Teufel soll auch den Berg, als er noch bei Gleschendorf stand, einmal an die Lübecker verkauft haben. Als er ihn in der Nacht nun in die Nähe der Stadt tragen wollte, machte er einen so großen Umweg, daß als der Hahn krähte und er den Berg fallen lassen mußte, dieser bei Segeberg liegen geblieben ist.

[290] Heinrich Ranzau bei Westph. I, 25. Provinzialberichte 1811, 584. Mündliche und schriftliche Mitteilungen. – Unzählig sind Variationen der Sage vom Kalkberg: Die Segeberger waren gottlose Leute; da hub der Teufel den Klumpen aus der Erde, wo jetzt der See steht, um die Stadt zu bedecken. Aber schnell taten die Leute Buße und unser Herrgott gab dem Klumpen einen Schub, daß er nebenhin fiel. – Zu den vorhergehenden Nummern vgl. Mythol. 502 f.

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TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Lieder. Drittes Buch. 430. Der Segeberger Kalkberg. 430. Der Segeberger Kalkberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-4F0C-A