518. Wir ziehen um.
Man kennt Fälle, daß sich ganze Scharen und Familien von Puken in den Häusern eingefunden und es da arg getrieben haben. In Husum waren einmal zu gleicher Zeit zwei Familien, eine bei einem Bäcker, die andere bei einem Brauer eingezogen und rumorten. Nachts warfen sie alles herum, polterten auf dem Boden, liefen Trepp auf, Trepp ab, bald waren sie im Keller, bald in den Zimmern; dem Bäcker stahlen sie das Mehl, dem Brauer das Bier. Sie waren so klein, daß wenn man sie verfolgte, sie wie Spinnen und Würmer in die kleinsten Ritzen sich verkrochen und von da unaufhörlich schrien. Die Leute konnten's am Ende nicht länger aushalten und beschlossen auszuziehen. Sie ließen alles Geräte hinaustragen, und als schon alles Übrige fort war, gingen die Dienstmägde aus beiden Häusern mit den Besen auf den Schultern zuletzt aus der Tür. Sie begegneten einander. »Wo willst du hin?« fragte Anne die Susanne. Da riefen, ehe die andre antworten konnte, viele feine Stimmen oben aus dem Besen: Wir ziehen um! Die Mägde erschraken, doch faßten sie sich. Ein Teich war in der Nähe. Rasch tauchten beide ihre Besen tief hinein und ließen sie im Wasser stecken. Dann begaben sie sich in die neuen Wohnungen und hatten nun Ruhe vor den Unholden. Aber da im Teiche bemerkte man bald, daß alle Fische erkrankten und nach und nach starben, und Frauen, die spät Abends aus dem Teiche schöpften, versicherten hoch und heilig, daß sie mehrmals feine Stimmen aus dem Wasser deutlich vernommen hätten, die gerufen: »Wir sind ausgezogen! Wir sind ausgewandert!«
[352] In Neumünster erzürnte man auch einmal einen Niß dadurch, daß man ihm keine Butter in seine Grütze gesteckt hatte. Nun trieb er's so arg im Hause, daß die Leute umziehen mußten. Als der Letzte aber mit dem Besen über die Schwelle trat, rief der Niß, der im Besen saß: »Ik bün ok da!« und zog mit ihm.
An einem Orte in Angeln verließen die Leute auch einmal des Puks wegen das Haus. Als der letzte Wagen wegfuhr, saß er aber hinten auf und lachte und sprach: »Wi flytter edau!« (Wir flütten heute!)
Aus der Hattsteder Marsch durch Herrn Martin Harding. – Mündlich. Kuhns Märk. Sagen Nr. 103. Börner, Orlagau S. 243. Grimm, Deutsche Sagen Nr. 72. Thiele, Danm. Folkes. II, 263 usw. – »Ich habe die Sage so erzählen hören, um damit anzudeuten, daß Ortsveränderung nicht immer Heil bringt.« Pastor Dr. Jensen.