235. Der Freischütz.
Der letzte Herzog zu Glücksburg hatte einen Jäger, der so lange als er in seinem Dienste gewesen, durchaus kein Wild getroffen hatte. Darüber verdrießlich, verabschiedete der Herzog ihn. Traurig ging der Jäger davon, nicht wissend, wie er sich ernähren sollte; er konnte es überhaupt gar nicht begreifen, wie es zugehe, daß er jetzt gar nichts treffen könne, da er doch früher ein guter Schütze war. Voll von solchen Gedanken, ging er durch das Gehölz Trimmerup, als ihm ein altes Mütterchen begegnet. Sie fragt ihn, was ihm fehle, und er erzählte ihr alles. »Dem ist aber leicht abzuhelfen«, sagte sie, »wenn du zum Abendmahl gehst, nimm nur die Oblate hinter dem Altar wieder aus dem Mund und hänge sie, wenn du nach Hause kommst, in einen Baum und schieße darnach. Dann wirst du sicherer treffen als jemals.« Der Jäger tat, wie ihm geraten war. Und darauf ging er wieder zum Herzog und sagte, er habe sich im Schießen geübt, treffe immer und wolle gerne wieder in seinen Dienst. »Wir wollen versuchen«, sagte der Herzog, »nimm deine Flinte und komm mit in den Wald.« Als sie nun über die Brücke gingen, sah der Herzog drei wilde Enten über sie hinfliegen; er machte den Jäger darauf aufmerksam und sagte, er solle eine davon schießen. »Welche?« fragte dieser. »Den Enterich«, sagte der Herzog. Der Jäger legte an, schoß, und der Enterich stürzte zu ihren Füßen. Da ward dem Herzog unheimlich, denn der Böse mußte da mit im Spiele sein. Er sagte daher zum Jäger: »Ich kann dich nicht gebrauchen, du schießt besser als ich,« und ließ ihn wieder gehn. Und kurz darauf fand man des Jägers Hut unter der roten Brücke und seinen [158] Leib gevierteilt hundert Schritte davon, unter den Erlen, die nicht weit vom Wege stehen.
Durch Herrn Schullehrer Boysen in Bistensee. Thiele, Danm. Folkes. I, 204, 320.