61. Der verlorne Ring.
Auf Borgaard bei Flensburg wohnte ein Edelmann, der besaß einen sehr kostbaren Goldring. Als dieser einmal vermißt ward, fiel der Verdacht auf zwei Diener, die sogleich gefangen gesetzt wurden und durch Anwendung der Tortur zum Geständnis gebracht werden sollten. Sie leugneten aber beide standhaft, daß sie schuldig seien, und starben infolge [53] der Mißhandlung. Kurze Zeit darauf fand der Edelmann seinen Ring wieder und nahm sich nun den Tod der unschuldigen Diener sehr zu Herzen. Ein nagender Gram zehrte Tag für Tag an seinem Leben, und sein trauriger Zustand konnte dem übrigen Gesinde nicht lange verborgen bleiben. Darunter befand sich ein Diener, der sich erbot, seines Herrn ganze Schuld tragen zu wollen, wenn er ihm zum Lohn einige gute Kleider gäbe. Man kann sich wohl denken, daß er diese bald bekam. Aber am nächsten Morgen lag er tot in seinem Bette, und man fand, daß ihm das Genick gegen die Wand zerbrochen war, wo man mehrere Blutflecken bemerkte, die auch mit der stärksten Lauge nicht konnten abgewaschen werden. Ja, obgleich die Mauer heruntergenommen und neu wieder aufgeführt ward, sind sie doch an derselben Stelle wieder zum Vorschein gekommen.
Thiele, Dansk. Folkes. I, 324. Borgaard soll wohlNorgaard im Kirchspiel Steinberg sein. – Zu diesem und dem folgenden Stück vgl. Kuhn, Märk. Sagen Nr. 61, 201, und Mitteilungen des thüringisch-sächsischen Vereins IV, 2, 118.