192. Rungholt.
In Rungholt auf Nordstrand wohnten weiland reiche Leute; sie bauten große Deiche und wenn sie einmal darauf standen, sprachen sie: »Trotz nu, blanke Hans!« –
Ihr Reichtum verleitete sie zu allerlei Übermut. Am Weihnachtsabend des Jahres 1300 machten in einem Wirtshause die Bauern eine Sau betrunken, setzten ihr eine Schlafmütze auf und legten sie ins Bett. Darauf ließen sie den Prediger ersuchen, er möchte ihrem Kranken das Abendmahl reichen, und verschwuren sich dabei, daß wenn er ihren Willen nicht würde erfüllen, sie ihn in den Graben stoßen wollten. Wie aber der Prediger das heilige Sakrament nicht so greulich wollte mißbrauchen, besprachen sie sich untereinander, ob man nicht halten sollte, was man geschworen. Als der Prediger daraus leichtlich merkte, daß sie nichts Gutes mit ihm im Sinne hätten, machte er sich stillschweigends davon. Indem er aber wieder heimgehen wollte und ihn zween gottlose Buben, so im Kruge gesessen, sahen, beredeten sie sich, daß so er nicht zu ihnen hereingehen würde, sie ihm die Haut voll schlagen wollten. Sind darauf zu ihm hinausgegangen, haben ihn mit Gewalt ins Haus gezogen und gefragt, wo er gewesen. Und wie er's ihnen geklaget, wie man mit Gott und ihm geschimpfet habe, haben sie ihn gefragt, ob er das heilige Sakrament bei sich hätte, und ihn gebeten, daß er ihnen dasselbige zeigen möchte. Darauf hat er ihnen die Büchse gegeben, darin das Sakrament gewesen, welche sie voll Biers gegossen und gotteslästerlich gesprochen, daß so Gott [136] darinnen sei, so müsse er auch mit ihnen saufen. Wie der Prediger auf sein freundliches Anhalten die Büchse wiederbekommen, ist er damit zur Kirche gegangen und hat Gott angerufen, daß er diese gottlosen Leute strafe. In der folgenden Nacht ward er gewarnet, daß er aus dem Lande, so Gott verderben wollte, gehen sollte; er stand auf und ging davon. Und sogleich erhob sich ein ungestümer Wind und ein solches Wasser, daß es vier Ellen hoch über die Deiche stieg und das ganze Land Rungholt, der Flecken und sieben andre Kirchspiele dazu, unterging, und niemand ist davon gekommen als der Prediger und zwo, oder wie andre setzen, seine Magd und drei Jungfrauen, die den Abend zuvor von Rungholt aus nach Bopschlut zur Kirchmeß gegangen waren, von welchen Bake Boisens Geschlecht auf Bopschlut entsprossen sein soll, dessen Nachkommen noch heute leben. Die Ulversbüller Kirche hat noch eine alte Kirchentür von Rungholt.
Nun gibt es eine alte Prophezeiung, daß Rungholt vor dem jüngsten Tage wieder aufstehen und zu vorigem Stande kommen wird. Denn der Ort und das Land steht mit allen Häusern ganz am Grunde des Wassers und seine Türme und Mühlen tun sich oft bei hellem Wetter hervor und sind klar zu sehen. Von Vorüberfahrenden wird Glockenklang und dergleichen gehört. – Imgleichen wird bei der Süderog am Hamburger Sand ein Ort gezeigt, welcher Süntkalf geheißen und es ist ein Sprichwort:
Wenn upstaan wert Süntkalf,
So werd Strand sinken half.
Heimreich I, 250, vgl. 172, 182, 240 und Herr Hansen auf Sylt nach noch währender, fast völlig einstimmender Überlieferung. – Heimreich deutet dieselbe Sage Bd. I, 86 bei einer Flut vom Jahre 716 an. Ein Fechter soll damals das Sakrament entheiligt haben. – Ein Ritter auf dem Flensburger Schloß zwang den Prediger, einer Sau das Abendmahl zu reichen. Sein Schloß versank in den blauen Damm; so auch eines Junkers Burg Brattborg im Kirchspiel Ulderup, wo ein gottloser Junker mit seinem Schloß und allem Hab und Gut in die Erde versank. Man sieht noch die Spuren. Es gehen aber Gespenster da umher und zuzeiten hört man deutlich einen Hahn in der Erde krähen. – In Warnitz, Amt Apenrade, gibt's Sagen von den Fehden, dem gottlosen Leben und Ende von vier Junkern. Schröder, Topographie von Schleswig. – Bei der Nordoer Mühle, bei Itzehoe, zeigt man eine Grube, die Knickenkuhle, wo ein Schloß stand und versank, weil man einer Sau das Abendmahl reichen ließ. S. unten Nr. 536. – Kuhns, Märk. Sagen Nr. 80. 195. – Das alte Plön lag zwischen der jetzigen Stadt und Ruhleben, erzählt man, an einem Hügel am See, der der hohe Berg heißt. Fischer sehen die Stadt noch oft im Wasser.